».U.» /V.^'/ ; » > < »rj' ^ > .' H-' <-'^»r ^ ^5,.' 'd' K < -L^ ' ? >«d - ^ ^ ^ ^ ^v' «;-> N- x ! '^i. > .> 4 ^ 1 -' k. - z i r ) / 4 i "? ' ! Helvetiens Berühmte Männer in Bildnissen von Heinrich Pfenninger, Mahler» . nebst kurzen biographischen Nachrichten von Leonard Meister. Zweyte Auflage besorgt von I. L. §äsi. Erster Band. Zürich - 7 9 9. 2m Verlag von HeinriKLfenninger Mahler. Vorrede. Die erst- Ansinge di-s-s Werks hatte sich «er- griffen — eine zweyte wurde daher bey mehrerer Nachfrage nöthig. — Der Zeitpunkt scheint zwar dermalen auf der einen Seite für litterarische Unternehmung keineswegs günstig — auf der andern aber, hoffe ich, daß der immer mehr anfkeimende Gemeingeist, die gefaßte Hofnung nicht ganz tauschen werden. Zwey Drittheile Helvettens waren bis auf kurze Zeit unter dem Namen von Unterthanen von allem politischen Einflüsse ausgeschlossen. — Was war natürlicher als -aß ste sich auch nicht um politische und historische Gegenstände bekümmerten, da ste zum voraus die Unmöglichkeit einsahen, selbst vou den auszeichnendesten Kenntnissen in diesen Fächern keinen praktischen Gebrauch machen zu können. Jtzt aber bey allgemeiner Gleichheit der Rechten muß diese Nichttyetlnahme aufhören, indem jeder der sein Vaterland wahrhaft gemeinnützig, nicht bloß egoistisch liebt, sich Kenntnisse sammeln wird, durch welche er dem Allgemeinen nützen oder sich nützlich machen kann. Und was kann hiezu aufmunternder und lehrreicher seyn als die Bekanntschaft mit jenen grossen Mitbürgern, welche sich durch reine Vaterlandsliebe, durch gemeinnützige Aufopferung ihrer Kräfte, und durch aufferordentlichen Fleiß und Gelehrtheit die Dankbarkeit ihrer Zeitgenossen, und die Achtung rmd Bewunderung -er spätesten Nachwelt erworben haben? Wird nicht die Bekanntschaft mit solchen Männern, und mit der Art wie sie sich empor schwan. gen, einerseits das Ratisnalgefühl erhöhen, anderseits zum Nacheifer anreihen? Alle diese Rücksichten lassen mich hoffen, daß diese Unternehmung nicht bloß gelingen, sondern des Guten mancherley stiften werde. Nur noch ein Wort über die Regeln, welche bey dieser zweyten Ausgabe befolgt wurden. — Der Verleger und Herausgeber machten sich zur Pflicht, so wol durch Vervollkommnung der Bildnisse als des Textes dieser Auflage Vorzüge vor der erstem zu geben, jedoch ohne jene dadurch unbrauchbar zu machen. — Daher werden die ersten zwey Bände, welche nächstens aufeinander folgen sollen, keine neuen, auch keine ganz umgearbeiteten Biographien enthalten, hingegen soll dann ein dritter Band, (welcher, da Die erste Ausgabe aus ? Bänden bestanden, für die Besitzer derselben unter dem Titel 4ter Van- erscheinen wird) als Anhang mehrere Zusätze und die Biographien mehrer Helvetier aus den ältern und neuern Zeiten, die jenen mit Recht an die Seite gesetzt werden dörfen , enthalten. Mit Vorsatz, und um durch Einförmigkeit nicht -u ermüden, wurden die Biographien weder systematisch noch chronologisch geordnet, dagegen aber soll dann in dem letzten Band, ein dreyfaches, chronologisches und alphabetisches Verzetchniß folgen. Geschrieben im Febr. 179-. I. C- Fast, Pros. Heinrich Bulltnger. * ^Dein Vater, ein Priester, erzeugte ihn mit seiner Bey« schläferin, AnnaWiderkehr, zu Bremgarten im I. 1504. In der Jugend sah er sich von der Pestseuche an den Rand des Grabes geworfen. Nach der Genesung begab er sich im I. i?l6. auf die Schule nach Emmerich im Herzogthum Eleve. Das Brod gewann er vor den Thüren mit Singen. Im I. 1520. ward er auf der Schule zu Kölln in das Kollegium LurlUbloniir befördert. Beym Lesen der Evangelien und der Kirchenväler wie auch eine« ger Schriften Dr. Luthers gieng ihm ein neues Licht auf. Nunmehr stand er von dcmEntschluß ab, Carthäu- ser zu werden , er kehrte nach Bremgarten zurük, woselbst er im väterlichen Hause die Studien fortsetzte. Im I. *52;. ward er Lehrer in der Klosterschule zu Kappel. Im I. wohnte er in Zürich einem Gcftwäch mit den Wiedertäufern bey. Mit Erlaubniß seines Abts zu Kappel begab er sich im J. 1527. übermal für einige Monate auf Zürich, um sich daselbst in den heiligen Sprachen zu üben. Hierauf gieng er nach Basel. Daselbst edirte, ohne sein Vorwissen, Orcolampad seine lateinische Schrift vom Ursprung des Irrthums. Nachher hatte Bullinger eine vermehrte Auflage geliefert. Zu Heide!, berg ward diese Schrift ins Teutsche übersetzt. Er war es, der zuerst den Zwingli und Kapito auf den Ungrund der Lehre von der Brodverwandlung aufmerksam machte. Je schwächer ihm die Widerlegungen des Berengars schie. nen, desto geneigter war er der Lehre desselben. Grossen- Iheils ihm hatte man die Reformation des Klosters Kappel zu danken. Aus Rache ward er von mehr als zwanzig Zu. . * Sollte chronologischer Ordnung nach auf den Hans Holdem folgen. A gern bey der Lorez unweit Baar, wo er badete, überfallen und rettete nnt Mühe sein Leben. Die Abrcy selber wurde von Mordbrennern umzingelt, allein durch oberkcit- liche Abgeordnete von Zug und von Zürich ward ihr An. schlag vereitelt. Im I. >528. schwur Bullinger den Synodalcyd in Zürich. Im gleichen Jahr wohnte er einem RcligionS. gcspräch in Bern bey. In eben diesem Jahr zogen, der Religionszwiste wegen, die Eydgensssen zum erstenmal gegen einander zu Felde; Bullinger drcnle als Fcldprcdi- ger; bald wieder ward Friede gemacht. Im I. 152-. predigte er m seinem Geburtsort zu Bremgarten so nachdrücklich/ daß sogleich Tags darauf die Bilder und Altäre aus den Kirchen weggeschafft wur- den. Er selbst ward in seiner Vaterstadt zum Pfarrer erwählt. Hierauf verhcyralhete er sich mit Anna Acln- schwiler von Zürich, einer Nonne im Oetendach. In seiner Liebeserklärung, die in Ulrichs MK-ell-mes rixurin» eingerükt ist, herrscht eine liebenswürdige Naivität und Freymüthigkeit. In einem fünf und dreißigjährigen, friedlichen Ehstanb hatte Bullinger cilf Kmder« sechs Söhne und fünf Töchter, gezeugt. In diesem Zeitraum artete der Frcyheitssinn der Reformatoren bey den Wiedertäufern in gesetzlose Ausschwci, fung aus. Nicht nur mündlich, auch in gedrukten Bü. chcrn bestrick Bullinger die Schwärmer. Gegen dieselben bewies er in einer eignen Schrift die Rcchtmäßigkeit der Zinse und Zehnten. Nach dem unglücklichen Kappelerkrieg war er in seinem Geburtsort nicht länger sicher. Im I. zog er mit Vater und Bruder auf Zürich. Vier Wochen lang wur. den sie von Werner Steiner aufs liebreichste beherbergt. Gleich nach ihrem Wegzug von Bremgarten wurde ihr Haus daselbst von den Catholischrn geplündert. Gar bald ward Bullinger, an Zwinglis Stelle, zum Prediger in Zürich ernannt. Durch Gefälligkeit gewann er die noch übrigen Anhänger des Pabstthums. Ihm hat man dir Ausgabe von Biblianders oder Buchmanns Schriftauslegungen zu danken. Die Niederlage der Züricher bey Kappel hatte der Bischoff zu Wien, Johann Fader, in einer besondern Schrift auf Rechnung des zürcherischen Jrrgeists geschrieben. In einer gedrukren Antwort zeigte nun Bullinger, daß weder Niederlage noch Sieg, weder Gewinn noch Verlust Probierstein von der Wahrheit seyn. Gegen Zwinglis Verläumder hielt er in öffentlicher Kir. chensynode eine Lobrede auf diesen grossen Reformator. Mit Genehmigung der Oberkeit traf er eine bessere Ein. richtung der halbjährigen, zürcherischen Kirchenversamm, lungen. Auch war er sehr eifrig in Verbesserung deS Schulwesens; den Skudircnden verschaffte er Stipendien und zur Anordnung des Seminariums in der Abteu trug er das meiste bey. Mehrere Jahre lanq arbeitete er an einem Vergleich zwischen den Protestanten, doch immer vergeblich. Für seine Zueignungsschrift bey dem Commen« tar über die Apostelgeschichte erhielt er vom Magistrate in Frankfurt zwölf Goldstücke. Dieselben übergab er dem Rathe sogleich ließ sie dieser unter die Armen im Spitale vertheilen. Im I. ward Bullinger mit dem Bür» gerrechte in Zürich beehret. Um eben diese Zeit kamen einige Engländer, Studirens wegen, auf Zürich. Die. selben wurden von Bullinger unterwiesen und beherbergt. Ihnen zu Gefallen schrieb er zwey Bücher, das eine vom Ansetzn der heil. Schriften, das andre von der bischöffli. eben Würde; beyde eignete er König Heinrich V1H. in England zu. Im I. i;;8. bekam er an Caspar Großmann oder Megander einen hilfreichen Collegeu. In eben diesem Jahr ward wegen Vereinigung der Protestanten eine 4 Lagleistung der evangelischen Kantone in Zürich gehalten. Durch Einführung unbestimmter, zweydeutiger Redensarten glaubte Bucer das, Schisma zu hindern. Bnllinqcr hielts für Vcrätherey an der Wahrheit, dcn Kirchcnfrieden durch solche Kunstgriffe zu kaufen. Immer noch verursachten die Wiedertäufer grosse Unruhen. Hie und da wurden sie am Leben gestraft. Diese Strenge gegen Sceurcr war aus der päpstlichen Kirche in die rcsornurle gekommen. Wegen ihrer Strenge wurden den Zürichern Vorwürfe gemacht. Im N-un.'n der zürchcrischcn Stadt, und Landgeistiichkeit übergab Bullingcr der Regierung hierüber ein theologisches Bedenken. * So streng feine Grundsätze sind, so uncerichei- der er gleichwol zwischen bloß theoretischen Irrlehren und Zwischen solchen, »vvdurch bürgerliche Ordnung und Sicherheit in Gefahr gesetzt wird. In dem Wcrkgen äe «ribur ecclskA tixurinL kol. 25. sagt Ludwig Lavater: ,, daß die Züricher am Leben niemand von den Sectirern gestraft haben, ausgenommen einige Wenige, die mein. „ eydig und ausrührisch gewesen. " Je mehr man den Mißbrauch der Reformativnssrcyhcit auf Rechnung der Reformatoren selber zu schreiben geneigt war, desto mehr sahn sich diese zur Unterdrückung der Schwärmer gleichsam genöthigt. Bullingers anscheinende Strenge liegt weniger in seinem persönlichen Caracter als vielmehr in dem Ca. ractcr der Zeiten. Zur ersten, helvetischen Glaubensbekenntniß, die im Jahr 1546. zu Basel herauskam, trug Bullinger viel bey; eben so halte man ihm die Beylegung der Zwiste zwischen Farell und Calvinus zu danken. Die Hitze, womit Luther die zwmglianische Lehre anzuschwärzen gewohnt war, veranlaßte Bullingcrn, baß er im Z. 154;. Zwinglis Schriften zusammen drucken ließ, und * S. Füßlins Beyträge zur helvetischen Reformktionsgeschichtr Eh. ill. s. 142. 5 hernach im I. r;4;. im Namen der zürcherischen Kirche ewe eigne Antwort gegen Luchern herausgab. Im I. ,?4y. übergab er der zürcherischen Regierung ein Gutachten wider die Besuchung des vorgcschlagncn Tridcntinischen Conciliums; zugleich mißriclh er das Bündmß mit Frankreich. Hieraus ward er von dem päpstlichen Legate» zu Venedig und von der Facultät zu Paris und Löwen in öffentlichem Drucke verketzert; das Urtheil der letzten; Facmrät wurde selber von Kaiser Karl V. bestätigt. Durch Briefwechsel sowol alö durch persönliche Besuche, entstand zwischen der englische» lind cydgenößischen Kirche die genaueste Verbindung. Noch zeigt man auf der Sladl- btbliotheck in Zürich die Briefe, womit ihn die Johanna Gram beehrte. Grosse Verdienste hatte auch Bullinger um die zahlreichen Familien, die sich im I. m;;. der Religion wegen von Luggarus nach Zürich flüchteten. — Eben so diente sein Beystand im I. izzst. zur Beylegung der Kirchen- Unruhen in dem Kanton Glarus. — Im I. ie6r. wur. dc» zwischen ihm und Johann Brenz wegen der Allge« gcnwart des Leibs Christi viele Schriften gewechselt. Im I. 1564. erholte er sich mit Mühe von einem Anfall der Pestseuchc. Diese Seuche entriß ihm seine Gattinn nebst einer Tochter, und gleich im Jahr darauf noch zwo andre Töchter. Im I. r;6;. ward er zum erstenmal vom Stein- und Nierenschmerzen geplagt» Bey allen diesen persönlichen und häuslichen Beschwerden behielt er immer mit Enthusiasmus die öffentlichen Angelegenheiten im Auge. Je länger je mehr ward die Zwinglische Lehre mißdeutet. Auch ein menschenfreundlicher Mclanchthon enthielt sich nicht, dieselbe verdächtig zu machen. In einem Schreiben an Herzog Heinrich von Sachsen * wirft er den Zwingliancrn vor, daß sie * S. Oxx. Luth» kenenk. 1. IV. Wie auch-VuchcrS Nachrichtz über die Gottheit Christi gefährliche Irrthümer hegen. Genauere Lehrbestimmungen und symbolische Bücher wurden also je langer je mehr, gesetzt auch, sie wären ein Uebel, jedoch ein nothwendiges Uebel, sowol um den Vorwürfen der Lutheraner und der Catholicken als auch um den Ausschweifungen der Schwärmer zu stcurcn. Gleichsam als hätten die Reformatoren zum voraus die widrigen Folgen allzucnger Lchrformcn geahuer, gicnacn sie niemals als nachgedrungen an die Errichtung derselben. Nur auf dringendes Verlangen Churfürst Fried, richs III. von der Pfalz, verfertigte Buliu.ger die bewen- sche Glaubensbekcnntniß; gar bald ward sie an den mci, sten reformirten Orten gutgeheißen und unlerübnebcn. Weniger waltete Hiebey die Absicht, ein Gcictz vorzu- schreiben, als öffentlich in einem Entwürfe den achten Reformationsgeist zu zeigen. In einer französischen Na» tionalsynvde zu Röchelte wurden im I. 1561. diejenigen verdammt, welche sich weigerten, bey der Erklärung des Abendmahls die Worte Substanz und substanziell anzuwen, den. Bullingcr hielts für Bclcydtgung der cydgenöffifchen Kirche; auch ruheic er nicht, bis im Jahr darauf in der Sy» node zu Nimes hierüber eine befriedigende Erläuterung herauskam. Seither, besonders nach der Vluthschzeit zu Paris tm Jahr 1572. nahm sich Bullingcr der Reformirten in Frankreich mit väterlicher Theilnehmung an. Auch ward er von ihnen kindlich verehret. Unterm 7. Junius 1574. erhielt er von dem Prinz Conde eine schriflichr Abbitte we. gen seines Ueberganges zum Papstthum. * In diesem Brief unterschreibt sich der Bourbonische Prinz als dienstwilliger Sohn, und Bullingern nennt er seinen Herrn und von dem Gespräch zu Marvurg in der Simlerische» U» tundensammlung, B. H. Lh. II. Äbschn. IV. * i§. Tbuanus Uist» I-ib. HII. und Lominent-ir. I,. X. Wie auch d^ilcelt. Tiz. Lh. III. s. rvr. Vater. Mir verschiedenen Fürsten und Fürstinnen stand er in häufigem Briefwechsel. In den letzten Monaten seines Lebens hatte er mit grausamen Steinschmerzcn zu kämpfen. Unerschüttert blieb seine Geduld. Den ,6. August. 157; berufte er die ge- sammte Stadtgeistlichkeit vor sein Krankenbett. Mit Thränen empfahl er ihnen die Angelegenheiten der Kirche; end, lich ward er den 17. Herbstm. gleichen Jahres durch sanften Tod von allen Leiden und Schmerzen befrcyet. — Er hinterließ einen Brief an die Regierung in Zürich, in welchem er derselben für alle cmpsangnc Wohlthaten dankt und sie zur Beschützung guter Satzungen auffodert; zugleich empfahl er ihr Rudolf Gnalter zu seinem Nachfolger. Um so viel weniger haben wir nöthig, ein Verzeichnis seiner zahlreichen Bücher zu liefern, da selbige überall bekannt find, Unter seinen in Handschrift hinterlassenen Werken müssen wir unter anderm seiner Zürichcr-Chronick in lV. Foliobändcn; seiner Reformationsgeschichte, seines Tagbuches, seiner nachgeschriebenen Vorlesungen Biblian, ders rc. erwähnen. Eine zahlreiche Menge seiner Briefe befinden sich in der kostbaren Simlerischen Briefsammlung auf der Bürgerbibliothek in Zürich. Hans H»lbein. Derselbe ward >m I. 1498. oder (wie andre wollen,) i4yz. gebühren. Grönstadt und Augspurg streiten »in die Ehre, ihn in ihrem Schoosse erzeuget zu haben. Sein Vater» auch ein Mahler, hatte sich hernach in Basel niedergelassen. Von ihm erhielt der Sohn den ersten Unterricht in der Mahlerkunst. Sehr jung hatte dieser mir ausserordentlichem Glücke das Bild des Erasmus entworfen. Im I. i;>6. durchblätterte er bey nächtlicher Weile mit Oswald Müller die neuerlich^ herausge. 8 kommene Lobrede der Narrheit. Gleichsam von diese« Lccture begeistert, zeichnete er sogleich an dem Rande deS Buches mit der Feder die launigsten Scenen, die Erast, rnus beschrieb. Diese Zeichnungen werden zu Basel auf dem öffentlichen Büchcrsaal aufbewahrt. Im I. 1676. wurden sie von Carl Patin in Kupfer gebracht, um zur Auszierung des Erafmischeu Werkes zu dienen; seither haben Gueüdeville und andere ihren Ueberfetzungen die gleichen Figuren beyfügen lassen; sehr genau sind sie in der teutschen Ucberfttzung abgedruckt, welche W. G. Becker rw I. 1780. zu Basel herausgab. — Erasmus ließ sich das Buch wir Holberns Zeichnungen vom Oswald Müller lehnen, behielt es zehen Tage bey sich und durchsah es mit ausserordentlichem Vergnügen. Auf des Eras» rnus Empfehlung bin, nahm ein durchreisender Engländer den jungen Holdem mit sich nach Londcn. Diesem gab Erasmus einen Brief mit an den damaligen Groß- kanzler Thomas Morus und zugleich sein von Holbcin gemahltes Portrait. Oui bss reääit , schreibt Erasmus, eil 18, geil me pinxit, eju8 commemlstione te non gravs- bo, gusngu-im oll il-istgnis ^rtiiex. 8io krigent srtes. petit ^nglism, ut corroclst aliguot ^ngelsto8. Dieser Brief ist im I. r?2ü. geschrieben. — Unterwegs verweilte Holdein in Antwerpen; auch da gab er Proben seiner ausserorbentlichen Gcschicklichkeit und bekam neue Empfehlungsschreiben von P. Aegidius nach Landen. Ziem. lich ärmlich indeß behalf er sich immer, bis er in England von Thomas Morus beherbergt wurde. Beynahe zwey Jahre blieb er bey diesem zu Chclsea verborgen, und zwar damit ihn nicht entweder der König oder eini, ge Grossen des Reichs vor Vollendung seiner Arbeit hinweg locken möchten. Nach Vollendung derselben lud Mo- rus den König und die Vornehmsten des Hofes zu sich; unter andern Gemählden zeigte er ihnen feine ganze Fa- 9 miste, auf einer grossen Tafel von Holbein gemahlt. Der Monarch verlangte den Künstler zu Wen. Holdem ward ihm sogleich dargestellt und von ihm in Dienste genom. wen. Zu verschiedenen Malen mußte er seither das Bild des Monarchen entwerfen, gleichwie er auch zu mch- rern Malen die Königin, das königliche HauS und die ersten Hofbedicnkcn gemahlt hat. Unter seine Meister« stüke gehört dasjenige , welches sich in dem grossen V')r. zimmer zu Wiche« Hall befindt; in diesem unvergleichbaren Gemählde wird Heinrich VM. mit seiner Gema^ lin, Johanna Scymour, md im Hintergrund HemriÄ Vll. mit inner Gemahlin, Elisabeth, vorgestellt. Nebst andern kostbaren Seltenheiten, ist dieses Kunstwerk indem Brand vom Jahr 1697. zu Grunde gegangen. DaS grosse Gemählde von der Familie des Mvrus ist in die Arunbelische Bildersammlung, und hernach in Doctor Meads Kunstkammer gekommen. Ein sehr vortreffliches Stück von Holdein, nämlich das Bild des Erzbhchoff Warhams, befindet fich in dem Palaste zu Lambeth. — Folgende Anecdote dürfen wir nicht übergehen: Holdem sprach mit Morus von einem englischen Lord, den er vormals in Basel gekannt hatte und auf dessen Namen er sich nicht mehr bedachte. Sogleich ergriff der Künst« lcr den Pinsel und entwarf das Portrait so genau» daß Thomas Morus sogleich den Grafen vonArundel, Sohn des Herzog von Norfolk erkannte. — Ein andermal hatte Holbein Arbeit beym König; vor Vollendung derselben sollte sie niemand zu sehen bekommen. Mit Gewalt drang ein gewisser Graf in das Zimmer; dieß verdroß den Künstler so sehr, daß er den ungestümen Graf die Treppe hinunterwarf. Dieser beklagte sich bey dem Monarchen; der Monarch wies ihn höhnisch weg, mit Verbeulen, daß er aus den geringsten Untertha» ' nen so viel Grasen zu machen im Stand sey, als IS ihm beliebe; hingegen sey er nicht vermögend, einen einzigen Holbein zu schaffen. — In der Jugend war freylich unser Künstler, wegen gemeiner Erziehung und durch den Umgang Mit niedrigen Leuten, wenig gebildet und wirklich allzusehr den Ausschweifungen, besonders auch dem Trunke ergeben. Unter eine Figur, welche die Weichlichkeit vorstellte, mit der Aufschrift Lxicuri cle 6reZs ksrcus, setzte zum Scherz Erasmus den Namen des Holbeins. Nach und nach wurden seine Sitten und sein Geschmack, besonders auch im Umgang eines Erasmus, Amerbachs, Morus verfeinert. — Nachdem sich unser Künstler einige Zeit in England aufgehalten hatte, kam er wieder nach Basel. Für den Eraimus hatte er noch einmal die Familie des Morus gemahlt. Sorg, faltig wurde seither dieses Gemählde auf dem Rathhaus in Bafel verwahret. Auf der baslerischen Bibliothek sollen sich gegen zwanzig Hvlbeinische Originalgemählde befinden; unter denselben wird sonderhciclich eine Christus,Leiche geschähet. Auf eben derselben Btbliotheck sieht man nun von diesem Künstler die Darstellung des Leidens Christi, in acht Feldungen, von unschätzbarem Werthe, welche ehedessen aus dasigcm Rathhause gezeigt wurde. Die meisten seiner Kunstwerke befinden sich in England, in dem königlichen Kabinett, in dem Saal der Wundärzte , in dem Palast Pembroke u. s. w. Nachdem Holbein seine Ehgcnossm und seine Kinder in bequeme Glücksumstände gesetzt hatte, nahm er Abschied von ihnen und begab sich wieder nach Landen. So glän. zend und glücklich daselbst sein Aufenthalt war, so zogen sich gleichwohl von Zeit zu Zeit schwarze Trauerwolken über seinem Haupte zusammen. Im I. r;;;. ward sein Freund Morus auf der Blutbühne enthauptet; im Jahr ,547. verlor er durch den Tod seinen königlichen Wohlthäter, Heinrich Vlll. Er selbst wurde im I. izz4. m ^ i > WW! MZBZ «inen, Alter von sechs und fünfzig Jahren, zu Sonden von der grossen Pcstseuche hinweggcrafft- So groß Hslbeins Anlagen gewesen und so ungemem vieles die Natur selber an ihm gethan hatte, so sehr waren in der ersten Jugend die aussen, Umstände seiner Ausbildung entgegen. An seinem Vater hatte er einen Lehrer, der sich wenig über das Miltelmäffige empor schwang; vor- zügliche Kunstwerke hatte er keine gesehn. Den Lehrling und Lehrer drückten Mangel, und was noch peinlicher »st, Erniedrigung; in seinem Scand und an seinem Geburtsort fand er wenig Gelegenheit zur Verfeinerung des Geschmacks und der Sitten, alle Hindernisse wurden von seinem kühnen Geiste besiegt. Mit Dürrer, seinem Zeitgenossen, ward er der Stifter teutscher Manier und Kunst. Sey Dürrer der Teutschen Michael Angel», so ist Holbein ihr Raphael. Ueberhaupt sindr man bey Holdein schöne Formen, natürliche und gutgcordncte Gedanken, edle Grazien, doch unausgedildeier als des göttlichen Urbiners; in den Gewändern und Falten übertrift er Dürrern; im Ausdruck der Leidenschaften ist er ganz Natur, ganz Herz und Geist, abwechselnd nach dem verschiedenen Characrer der Personen -, im Colorit hat ihn keiner seiner Zeitgenossen in Teutichland überkroffen. Das Cvstume der Zeiten und Länder ist in seinen historischen Gemählden treulich beo, dachtet; ohne Zweifel daß ihm zur Erreichung desselben seine gelehrten Freunde, Morus und Erasmus behül-ich gewesen. Franz le Fort. Ein Sohn Jacob le Forts zn Genf, welchen Kaiser Leopold I. mit allen seinen Nachkommen in den ReichS-Rit- terstand erhob. Der junge le Fort war den s Januar ,ü§<5. gebühren. Im vierzehnten Jahr seines Alters begab er sich unter den eidgenössischen Truppen zuerst in sran- zösi'che und hernach in holländifcl>e Dienste; auch wohnte er unter dem Commando des Herzogs von Curkand im I. und »67; den Belagerungen von Grave und Den- dermonde bey. In lctzterm Jahr erhielt er die Stelle eines Leutenants unter dem Regiment Werstin in russischen Diensten; über Archangel kam er nach Moscau. Durch gefällige Bildung und edels Betragen , besonders auch durch seine Sprachkenntnissen gewann er tue Freundschaft verschiedner Bojaren. Im I. -677. erhielt er eine Infanterie-Compagnie; im I. 1678. hcyra- thete er die Tochter des Obrist Souhai. Im I. -68;. halten die Strelitzen gegen den jungen Czaar Peter I. einen Aufstand erreget. Dieser hatte sich m das Kloster Twitsky geflüchtet; unter den Officicren, welche ihm zur Sicherheit zugegeben worden, befand sich auch le Fort. Bey dieser Gelegenheit gewann er das Wohlwollen des Monarchen so sehr, daß ihn dieser noch in gleichem Jahr zum Major und bald hernach zum Obristleutenant ernannte. Im I. ward ihm die Besorgung der Artillerie bey einem sehr wichtigen Unternehmen anvertraut. Im März i6-r. ward er zum Obrist des ersten Regiments der Lieb, wache, im I. 16,;. zum Generalissimus über alle Kriegsvölker zu Land und zu Wasser, im I. i6y6. zum Vice» König von Novvgrod und im I. 1697. zum ersten Staats, minister ernant. Im gleichen Jahr befand er sich als Bevollmächtigter bey jener grossen Gesandtschaft an ver, schiedene europäische Höfe, bey welcher incognito der Czaar selbst gegenwärtig war Auch führte er im I. 1606. die Belagerung von Asov. Ungeachtet so vieler Mißgünstigen behielt er das unumschränkte Wohl. wollen des grossen Monarchen bis an sein Ende, welches den 12. März erfolgte. Auf die erhaltene Nach. richt von seinem Hinscheid eilte P^ter der l sogleich von Woronc; in 54. Stunden nach Mvlcau; mit Thränen des Danks und der Wehmuth balsamirte der erhabne Kaiser die Leiche des treuen Dieners , und ließ sie alsdann den 2i. Mar; mit außerordentlichen Feyerlichkeiten bestallen. Bis an sein Ende blieb te Fort der reformirlcn Religion eifrig ergeben. Er hinterließ emrn einzigen Sohn, Heinrich; denselben hatte er als eilfjäbrigen Knaben nach Genf geschlkt, um ihn daselbst in den Wissenschaften unterweisen zu lassen; noch war er zu Genf, als er das Unglück hatte, seinen Vater zu verlieren. Im I. 1701. kehrte er nach Rußland zurück; sogleich ward er vvm Kaiser zum Hauptmann der Leibwache ernannt. Ein Neffe unsers Franz, nemlich Peter le Fort, hatte stch edemaus im I. »694. in russische Dienste begeben. Gar bald ward er, durch Vermittlung des Oheims, zum Obrist eines Garderegimenls, zum Generallcuicnant der russischen Armren, zum Vier. Präsident des Kriegsrathes und endlich zum Pice-König von Astracan ernannt. Mehr als vierzig Belagerungen und Schlachten in Schweden, Polen, Per-licn und in der Türkey hatte er beygewohnt. Räch des Czaars Tod begehrte er seinen Abscheid; auf die rühmlichste Weise ward ihm dieser von der Kaiserin E liabclh «heilt. Hierauf kaufte er im Mecklenburgischen die Herrschaft Mollcnhagen und Myren, woselbst er den 18. May ,754. gestorben. In Vvlrairens Geschichte von Czaar Peter dem Grossen sind Nachrichten enthalten, die wir zum Beschluß im Ausrugc mittheilen wollen. Der Czaar, heißt es in dieser Geschichte, schenkte sein ganzes Autrauen emcm Fremden, jenem berühmten le Fort aus altem, adclichcm Geschlecht im Piemont, welches jeit beynahe zwey Jahrhunderten stch in Genf niederlassen und daselbst die vornehmsten Bedienungen bekleidet hatte. Den jungen le Fort wollte man in einem Kauf. mannsgewölbe erziehen, allein sein Genie wagte kühnere Schwünge; in seinem vierzehnten Jahre verließ er das väterliche Hans; vier Monate lang diente er als Kadct in der Citadelle von Marseille; von da kam er nach Hol. land, einige Zeit diente er daselbst als FreywilUger und ward bey einer Belagerung verwundet. Aller Orten, wohin die Hoffnung ihn führte, suchte er seither Beförderung; im Jahr 1675. gicng er mit einem teutschen Oberst, Namens Werstin, zu Schiffe; dieser hatte von Czaar Alexis» Peters Vater, den Auftrag, einige Soldaten m den Niederlanden zu werben und sie nach Archangel zu führen. Als man, nach überstandenen grossen Gefahren zur See, daselbst anlangte, so lebte Czaar Alexis nicht mehr; ganz hatte die Regierung sich verändert; Rußland war in Verwirrung; der Statthalter in Archangel ließ lange den Werstin, le Fort und den ganzen Haufen in dem äussersten Elend, und er bedrohte sie mit Verweisung nach Siberien; ein jeder suchte sich, so gut er konnte zu retten. In gröstem Mangel begab sich le Fort nach Moscau und empfahl sich dem dänischen Residenten von Hoorn, der ihn zum Secretair annahm; hier lernte er die russische Sprache; einige Zeit hernach fand er Mittel und Wege, sich bey Czaar Peter darstellen zu lassen. Der alte Ivan war nicht der Mann, der ihm recht seyn konnte; dem Peter gefiel le Fort, und sogleich erhellt dieser eine Infanterie-Compagnie. Kaum verstand er den D'enst, er war kein Gelehrter, keine einzige Kunst halte er aus dem Grunde studiert; allein schon halte er viel gesehen, mit dem Talent richtig zu sehen; hierin» glich er dem Czaar, daß er alles seinem eignen Genie schuldig war. UcberdieS »erstand er die teutsche und holländische Sprache, welche Peter als Sprachen der beyden Nationen lernte, die ihm zu seinen Absichten behilflich seyn konnten. Alles m ' ihn bey dem Czaar angenehm; dieser ward ihm ganz zugethan; die Gunst desselben erhielt le Fort anfänglich durch Theilnchmung an den Lustparreycn, und durch dc< Günstlings Talente ward sein Kredit befestigt. Ihm ward das gefährlichste Unternehmen anvertraut, welches von einem Czaar gewagt werden dürfte; dasselbe bestand dar- inn, sich in Verfassung zu setzen, eines Tags die aufrührerische und barbarische Militz der Streichen abzuschaffen. Den Grvßsultan oder Padisha Ofman hatte es das Leben gekostet, da er eine Reformation der Janitscharcn halte vornehmen wollen. So jung als Peter war, so wußte er bessere Kunstgriffe als Ofman zu finden. Schon hatte er ei« Regiment von fünftausend Mann, auf die er zählen konnte; dasselbe hatte einen Scholtländer, Gor. dvn, zum Obristen, und beynahe ganz bestand es auS Ausländern. Freylich noch nicht lange hatte le Fort die Waffen getragen, indes fähig zu allem, übernahm rrs, ein Regiment von zwölftauftnd Mann auszurichten, und es gelang ihm; unter ihm dienten fünf Obriste; nunmehr sah er sich auf emmal zum General dieses kleinen Kricgshcers erhoben , und dasselbe war nicht weniger zur Bezwingung der Streichen als zur Bezwingung auswärtiger Feinde bestimmt. Der gröste Theil dieses KriegöhcereS bestand aus Vertriebnen Hngenotcn. Der Czaar wünschte ein Bild des Krieges, ein Lustlager zu sehen. Es ward eine Festung erbaut; ein Theil von le Forts Truvven mußte die Festung vertheidigen, ein andrer Theil mußte ste angreifen. Der Unterschied zwischen dicicm Lustlagcr und den gewohnten Kriegsspielen bestand darin, baß hier em wirkliches Treffen geliefert wurde; m demselben wurden viele Soldaten verwundet und einige erschlagen. Le Fort hatte das Commando beym Angriff unv erhielt eine beträchtliche Wunde. Durch solche blutige Spiele wurden die Truppen gestählt; indeß ,licht ohne lange Arbeit, auch nicht ohne langwicnge Unfälle ward die Absicht erreicht. Mit diese» kriegerischen Feyerlichkciten wußte Peter die Vorsorge für das Seewe, stn zu verbinden; gleichwie er auf einmal den le Fort zum Feldherren erhoben hatte, so machte er ihn zum Admiral, ohne baß er jemals ein Schiff regiert hatte. Indeß war er dem einen Geschäfte wie dem andern ge, wachsen. Nach und nach ward die Unabhänglichkeit der Boyaren abgeschafft; bisher hatten diese die bäurische Mtlitz r«m Krieg angeführt; das Kriegswesen glich ganz der Feudalverfassung der Franken, der Hunnen, der Wandalen und Bothen. Nunmehr ließ le Fort durch Holländer und Venezianer lange Schiffe, und unter anderm auch zwey derselben, jedes für dreißig Kanonen, erbauen; »er. mittelst dieser Schiffe wußte er die Tariaren in der Crimm in Ordnung zu halten. Nach dem Sieg über die Tartaren und Türken, woll. te nun Peter sein Volk einmal abgehärtet zur Arbeit, auch bekannt machen mit den Empfindungen der Ehre. Sein Kriegesheer ließ er unter Triumphbogen in Moscau einziehen. Der Marschall Schcremettow, die Feldherren Gordon und Schein, der Admiral le Fort und die übri» gen Generalen giengen in diesem feycrlichcn Zug vor dem Czaar her; der Czaar sagte, daß er noch keinen Rang bey der Armee habe, und belehrte so durch sein Beyspiel den Adel, daß man den Rang verdienen müsse, um ihn besitzen zu können. Eben so wie Peter bey diesem Triumph hinter den Generalen hergicng, so erschien er auch auf seinen Reisen nicht änderst als im Befolg seiner Gesandten. Diese Gesandte waren der General le Fort, der Boyar Alexis Gollovin, General . Kriegskommissair und Gubrrnator über Siberieu, und Womtsin, Diack oder Staalssecre» tair. — W-. . WW KWÄ DSrMK'DM , - I? tair. — Ungeachtet der Czaar öffentlich aus politischen Ursachen grossen Pracht trieb, so blieb er doch für seine eigne Person weil von eitelm Pracht entfernt. Weniger frey blieb er von der herrschenden Neigung für schwelgerische Bewirrhung. In einer Königsstadt von Teutsch» land vergieng er sich beym Gastmahl so sehr, daß er gegen seinen Günstling le Fort den Degen entblößte; indeß bezeugte er hierüber die gleiche Reue, weiche Alex, ander über den Tvdschlag seines Clirus äusserte; der Czaar bat den le Fort um Verzeihung; er saqte, wie wag ichs, meine Nation zu verbessern, da ich mcht einmal mich selber verbessere? Der General le Fort, wel, cher dieser Anecdole in seinen Handschriften erwähnt, lobt weit mehr den Grund von Peters Charakter, alS daß er die Ausschweifungen seiner Hitze bedaurer. In den Niederlanden arbeitete der Czaar als ein Schiffszimmermann; wenn er die Arbeit aufschob > se .e, fchah es, nm ganz ohne Ceremvnial, im Haag oder zu Utrecht den grossen Wilhelm, König in Ena'and und Statthalter in Holland zu sehn. Bey der Unterredung der beyden Monarchen war, ausser le Fort, Niemand zugegen.- Conrad Geßner. Geßner ward im I. 15>s. zu Zürich gebohrem Un. gemein gerne hatte sich lein Großvater Johann Fricciuü, ein Prediger, mit der Botanik beschäftigt. Auch dem Enkel flbßre dieser gleichen Geschmack ein. Je mehr die Polemik, damals wegen der cnlstandnen Ktrchenzwisten ein nothwendiges Uebel, den Lebenspfad der Gottsgelehrten wir Dornen und Disteln verflocht, desto mehr Ruhe und Frieden versprach sich der junge helvetische Plinius in drn Wen Lustgefilden der Naturlehre. Da seine El. B tern wenig begütert und ohnehin mit zahlreicher Familie belästigt waren, so nahm ihn der zürchcrische Professor H. I. Amnuanus zu sich ins Haus, und gab ihm drey ganze Jahre lang Unterhalt. Bey Rudolf Collin enwfieng er Unterricht in der griechischen Sprache und Litteratur, in der Vernu'-sstlehre und i» der Beredsamkeit. Geßners Vater fiel in dem gleichen Treffen zu Kappel mit Zwingli. Damals hakte der Jüngling nicht mehr als fünfzehn Jahre, zugleich lag er krank an einem Anfall von der Wassersucht, wovon er sich allmählich wieder erholte. Da ihn die Mutter nicht langer zu unterhalten im Stande war, so entschloß er sich nach Straßburg zu gehen. Daselbst dicncle er als Famulus bey Wolfgang Fabricius Capito; bey diesem erhielt er Unterricht m der hebräischen Sprache; um den Unterhalt desto besser zu finden, gab er Prioarlcctionen. Alles dieses nebst einem kleinen Stipendium von Zürich, reichte nicht hin. Anstatt sein Gehalt zu vermehren, wollten ihm die züricherifchen Chorherren auch das wenige, so ihm zuerkannt war, wieder wegnehmen, wofern er nicht nach Hause zurück, kehren würde. Nachgedrungen kam er also zurück. Daselbst erhielt er das Gehalt wieder, mit Befehl zur Fortsetzung der Studien nach Frankreich zu gehen. Sein vormaliger Freund und Beförderer I. I. Amman glaubte in ihm Anlagen zur Arzneykunst zu bemerken und empfahl ihm dieses Studium. Er reifete also mit Joh. Frisius, den er von dieser Zeit an brüderlich' liebte, nach Bour- ges. Da auch da sein züricherisches Gehalt zu kurz war, so nährte er sich abermals durch Privalunterweisungen. So wenig klagte er sich über dies mühselige Geschäft, daß er es vielmehr als Uebung für seinen Geist ansah. Vorzüglich wählte er zur Erklärung unter den griechischen und lateinischen Schriftstellern diejenigen, welche von der Naturlehre handelten. In seinem achtzehnten Jahre begab er sich nach Paris, dem Mittelvnnct aller litte, rarischcn Sck.ätze. Indeß gesteht er selber' daß du-,er gelehrte Ueberfluß seinen Geist schwankend gemacht habe. Dre Früchte von solchem zerstreuten Studieren >n Vergleichung mit denjenigen, welche ein bestimmtes gleichförmig anhaltendes Studium hervorbringt, scheinen jenen Früchten sinnlicher Ausschweifung in Vergleich-mg mit solchen zu gleichen, welche in gesetzlicher, ehelicher Verbindung erzeugt werden, mchrentheils übel gepflegt und verworfen. Wenigen gelingt es wie Geßnern, aus demLabyrinth mit AriadncnsFaden glücklichen und sichern Ausgangzu finden. Zu PariS gerieth er mit Steigern in genaue Be, konnlschaft. Nachdem dieser zu Bern zur Würde eines Schatzmeisters gelangt war, erhielt er von Geßnern die Zurignungsschrift zu dem Anhang seiner Geschichte der vicrfüßlgen Thiere, welche zu Zürich im I. H554. bey Froschauer gedruckt ist. Von Paris gieng er über Holland nach Straf,borg. Nun ward er von dem zürcheiischen Schulraih wieder nach Hause gerufen. Daselbst verhcmachele er sich als ryn, ungeachtet sie von täglichen Gichter'n und von allcv. lcyGeichwuren unaufhörlich acnlaai man dr.n. les auszugehen hatte, sah er sich noch übcrdicß in den Schulstaub niedergedrütt; bey allem dem war sein Schul- . gehalr sehr klein. Ob er gleich die meiste Zeit des Tag>.s bey dem Donar zubringen mußte, 10 fand er nichts desto weniger, immer noch ernige Stunden zu seinen med:c-ni- schcn Studien; diese verwendete er zur Veresterung der Stadtapotheken. Solche unvcrdroßne Bemühungen vermochten endlich den Senat, daß er den Schuldienst ausgeben und mit Beybrhaltung des bisherigen Stipendiums B r -nach Basel gehn durste, um daselbst seine Arznrywissen» schast zu erweitern. Da die vorzüglichsten Geheimnisse dieser Wissenschaft in den Werken der Griechen verwahrt lagen, so suchte er seine griechische Sprachkenntniß zu vergrößern. Um desto besser seinen Unterhalt und den Unterhalt seines Weibs zu gewinnen, unternahm er die verbesserte Ausgabe eines griechisch-lateini,chcn Wörterbuchs; dasselbe vermehrte er aus dem griechilchen Wörterbuch des Phavorins. Indeß war auch sein litterarisches Leben nicht weniger als sein häusliches mit Verdrießlichkeiten begleitet. Ohne sein Wissen nämlich ließ der Buchhändler nur den einen Theil der geßnerischen Zusätze drucken; da derselbe bald hernach starb, so gicng der übrige Theil von Geßners Arbeit verloren. Auch ward aus Neid und Dummheit eimger Censoren, die sich gelehrt dünkten , vieles ausgemärzt und verurthcilt, als wär es von Gcßnern gewesen, da es doch dieser aus Pbavorin, He- sychius, Suidas und andern entlehnt hatte. In nach, Herigen, wiederholten und vermehrten Ausgaben ward der Schaden vergütet. Kaum war Grßner ein Jahr lang in Basel, so ward «r von den Berncrn als Lehrer der griechischen Sprache nach Lausanne berufen. Bey grösserer Muffe edirte er nunmehr einige mediciniiche Schriften theils von ihm selbst verfertigt, theils aus dem Griechischen übersetzt. Nicht länger als drey Jahre blieb unser gelehrte Avanlu, rier in Lausanne, als er schon wieder aus Antrieb des züricherschen SchulrathS seinen Lehrstul verließ. Seine unersättliche Wißbegierde zog ihn jtzo nach Montpellier. Daselbst nahm er in anatomiichen und botanischen Kennt. Nissen ungemein zu. Sondcrhcillich sammelte er sich einen Schatz von Meer- und Wasserpsianzen, um derentwillen er im Jahr r;4». die Ufer deS mittelländischen Meers besuchte. Bey dieser Gelegenheit gerietb er in Bekannt- schaft mit Rändelet m,d Joubert. Sein Gefährte auf dcr Rückreise war Leonhard Rauwolf, welcher wegm sei»en botanischen Reisen so berühmt ist. Bey seiner Zu, rückkunft in Helvetien machte Geßner einige physikalische Wallfahrten an die Ufer des Rheins und auf die benachbarten Gebirge. Wegen seiner medrcinischen Verdienste ward er nunmehr zu Base! im fünf und zwanzigsten Jahr seines Alters mit dem Doctorhute beehret. Hierauf ward ihm in Zürich die Ausübung der Arzneykunst gestattet und zugleich der Lehrstul der Philosophie anvertraut. Ununterbrochen stand er vier und zwanzig Jahr lang diesem Beruf vor. Während dieser Zeit edirte er von Jahr zu Jahr eine beynahe zahllose Menge Bücher in den verschiedensten Fachen. Bey aücm dem fand er immer noch Zeit zu vcrschicdnen litterarischen Reisen. Nachdem er die Seltenheiten der Natur auf den savoyschen Gebirgen studiert harre, gieng er im I. iz^.nach Venedig. Daselbst borgte er aus dem Bücherschatzc des kaiserlichen Gesandten Mcndozza verschiedene griechische Codices, die er nach seiner Zurückkunft in Zürich, entweder zuerst, oder doch von neuem und mit fernen Anmerkungen herausgab. In demselben Jahr gieng er nach Augspurg, wo er beym Graf von Fuggcr mit dem nachhcrigen kaiserlichen Leibarzt Ammerfort an gleichem irisch aß. Bey «einer Heimkunft edirte er im I. feine Universalbibliothek; nicht bloß ein unfruchtbares Bücher, register; sehr oft sinbt man darinn den Hanptinnhalt der angezeigten Werke; zuweilen Auszüge und Proben der Schreibart auch Censuren der Kunstrichler. Da es in- d>-ssen weit leichter ist, m einem solchen Werke Fehler zu finden, als ein solches zu schreiben; so darf es wenig befremden, wenn es hin und wieder Tadler gefunden. Während daß diese Bibliothek herauskam, arbeitete er eifrig an seiner Geschichte der Thiere, die er als rm innrer Aristoteles „nd zwar ohne Unterstützung eines Ale, xandcrs zu Eland brachte. In der Zwlscdemcit gab er bey Frolchaver die tn.vioguchen Sannnlnngen der beyden Manche Anlonius uaa M x>mus, die Anboristnen des Abi Maximus, die Juüilulio. .'s d^s FheovbnS, und die Rebe des Tatians, groistnid.ils aus Han'sschr'slcn, und m La'ein üder- sch , heraus. Bey allem dem vergaß er seiner Licb- lü>in>:l efc, der -Anneykunst so wenig, daß er zu glncher Z.'U, ein Wertgcn von den Burganzcn und Brech» m.ltein .rnre. In I. I>4d- war der letzte Band seiner Universal» blbl o'h. c voll.-,..er. Mn dem zwanzigsten Buch derselben, bcwiw.vs ser Arzncykunst gewicdmet, blieb er zurück, und war ncch damit lechszchn Jahre lang als mit scmer l"cbli»gearbe,l beschäftigt. Em ausscrordentlicher Vertust, daß dicwlbc niemals vollendet worden. Einigermassen mag diesen Verlust seine Ausgabe des Galcnus und sein Fragment des Stodäus vergüten. Wenn auch in den gesmcnschcn Selir.ftca h,e und da die Anmuth unk die Genauheil eines Klein , .eines. Lmnc oder Hallcrs vermißt wird, so muß man, ausser dem Unterschied des Zeitalters, besonders auch die häuslichen Uadequ.'mlich, keilen in Betrachtung ziehn. Sehr naiv beschreibt er leldst seme beschwerliche Lage. Am Willen fehlte es ihm gewiß nicht, seine Werke so vollkommen, als möglich, zu machen. Ausser den gelehrten Reisen, deren wir schon gedacht haben, machte er auch verschiedene Reifen durch Tcutschland; da er aber nach Straßburg gekommen und auf dem Rhein nach dem Meer zu ichiffen gesinncl war, trieben ihn die Flammen des teutschen Krieges wieder nach Hause. Auch seine kränkliche Leldesbelrhaffcnheit fieng an, ihn an fernern, weitläufigen Reisen zu hindern. LZ Ungefähr im I. ,?;r. war es, daß er unter verdecktem Namen und hernach mir Zusätzen unter eignem Namen seinen Tbsksurus äs reme6Ü8 sscrelis herausgab. Den Liebhabern der Botanik zu gefallen, lchrieb er zu Kyders Ausgabe des Hicrvnnymuü Lrazus, eine Einleitung von den botanischen Seribencen sowol unter den Griechen und Römern als unter den Arabern und den neuern Europäern. Der »»gemeine Kredit dieses Werkes ermunterte den Buchhändler Richelius, daß er Geßnern Geld vorstreckte, um neue botanische Reisen in die Alpen zu machen, und die Kräuter derselben entweder selbst zu zeichnen oder zeichnen zu lassen. Während dieser Zeit gab er auch eine Schritt heraus von den Bädern der Schweiz und in Teutschland. Uc- berall verlor er keine Zeit, sich auch in der Ausübung als geschickten Arzt zu beweisen. Dadurch erwarb er sich im Vaterland das Amt eines Stadtarzles. Nunmehr ruhte er mehr, bis unter oberkeitlichcm Ansehen die Acrzre der Stadt m eine Gesellschaft vereinigt wurden, die Mit verbundenen Kräften die Gesundheit dcü Volks besorgten. Ausser einer Menge medicmisch - chirurgischer Schriften gab er nun auch seinen Mithridates heraus; die erste Ausgabe ist, nach Leissicr, vorn I. i;;8. Diese Schrift verbindet mit ungeheurem Sprachsatz sehr scharfsinnige Bemerkungen über die Philosophie der Sprachen. Auch zur Veredlung und Verfeinerung der teutschen Muttersprache findet man da lehrreiche Winke. ,, Wenn unser » Idiom, sagt er, wenig zur Verfertigung harmonischer » Gedichte geschickt ist, so kömmts unter anderm daher, daß wir zu viel Mitlauter an den Endungen haben ; „ daher entsteh« allziihäufigc, mühsame Zwischenräumc » und Klüfte von einem Worte zum andern; auch köu- „ nen weniger Cäsuren angebracht werden. " Hieraus empfiehlt er, anstatt des Reims, reimlose Hcndccasyiiab.u 24 - - und Hexameter, wovon er von seiner eignen Arbeit Pw, ben und Beyspiele anführt. Im I. -?;6. kam Geßners Aelian in Druck, auch schriet'er einige blättttiche Abhandlungen und eine besondre Schrltr gcqen die abergläubische Beobachtung der Ka, lcnberzcichcn beym Aderlässen. So viele seiner gelehrten Bemutmngen, als auch seine Krankenbesuche kürzten ihn rn ein gefährliches Fieber; dasselbe griff zugleich sein Gehirn an und schwächte den ganzen Körper. Nach lang anhalten, dem Nascrluten ward nach und nach seine Gesundheit wieder hergestellt. Hierauf verwandte er alle Zeit und Kräne auf Sammlung und Zeichnung der Kräuter. Im I. edirlc er ftm botanisches Schreiben an Guilan- dinus, ferner Aatonms Betrachtungen, wie auch das vierte Buch ssiner Geschichte der Thiere, welches die Historie der Fi,che beschreibt und dem Kaiser Ferdinand zugeeignet ist. Je mehr Geßncr von den Ausländern und besonders auch von dem Kaiser selbst geschätzt wurde, desto mehr stieg auch sein Ansetzn bey den Mitbürgern. Um diese Zeit ward ihm die Professur der Naturlehre anvertraut und damit zugleicl' sein Ansehen so vermehrt, daß er cinen geräumigen Saal mit fünfzehn Fenstern brauchen konnte. In diese Fenster ließ er nach gewissen Klaffen die Arten und Gattungen der Fische und andrer Wasser, thiere in Glas mahlen. Auch hatte er sich ein voctref, liches Naluralicn-Cabinet, besonders allerley Metalle, Mineralien, Edelsteine gesammelt. Der gröste Theil dieser Seltenheiten ward ihm von gelehrten Freunde» besonders von Kenntmann geschenkt. So groß indeß die Anzahl seiner Freunde und Verehrer geworden, ,o war doch auch hier die Eifersucht eine Begleiterin des Ruhms, da nämlich Gcßner hie und da von Matthiolus abgieng, so ward er von diesem mißhandelt. In ssciner Schrift 2 / 6s äconiw suchte er sich zu vertheidigen; aus mancherley Ursachen aber blieb diese Schrift lange zurück, bis sie endlich Caspar Wolf herausgab. Das sitzende Leben verursachte Geßnern Nierenschmer- jcn; durch eigne Heilmittel wußte er sich gleichwol vor der Erzeugung des Steins zu verwahren. Auch suchte er Erleichterung durch Reisen. Bevor er eine neue Reise antrac, gab er im I. Hanno's Schiffahrt heraus mit critischcn Anmerkungen über die Gültigkeit dieses alten Denkmals. Im I. i?bliothcck versiebn möchte. Zugleich anerbiet er dem Unternehmer seine zahlreichen Collectancen über teutsche Schriften und Bücher , welche beyde seither verloren gegangen. 2 ? Im I. l^Lr. gab Geßner den Galen mit kritischen Anmerkungen heraus, wie auch den Caffeus mit Schnee» bergers, scmes Mitbürgers, Anweisung zur Heilung der Pestseuche. In dem folgenden Jahr sah er sich genöthigt, mit seinem kranken Weibe wieder nach Baden zu gehen. Des Morgens trank er das Badwasser, Nachmittags bediente er sich des Bades, auch wusch er sich mit einem eingetauchten Schwämme das Haupt. Zum Zeitvertreib veranstaltete er eine Ausgabe von Tenophons Schrift äs Ve- nseione und von Ardonns Büchern über die Giftarten. Auch schrieb er eine Epistel an den Engländer Wilhelm Turner, um ihm von seinen bisher hcrausgekommnen Schroten Nachricht zu geben. Der Augspurgische Arzt Moidanus sandte Geßnern unmitteibar vor dem Hin» scheid den commciitirlcn und verbesserten Dioscoridrs, welchen nunmehr derselbe herausgab. Allen Gewinst von dieser Arbeit überließ Geßner Moibans Erben. Auf Verlange» edirte er auch eine neue und vermehrte Ausgabe von Cor- dus Werken, wie auch von Iodocuö Willichms Asgüic-. und Schrift äs tenims. Im I. i;<-4. erhielt er durch Vermittlung der kaiscrli- Leibärzcr den Adclsbrief, uud zwar da er selbst keine Kinder harte, für die Nachkommen seines Oheims, des Zunftmeisters Andreas Geßners. Zugleich erhielt er von dem Kaiser Einige Bezoarsteinr zum Geschenk, welche man damals für äusserst selten ansah. In seinem letzten Willen vermahnt er seine Verwandten, das sie diese Ehre als Ermunterung zu allem Guten und besonders zu den Künsten und Wissen, fchaftcn betrachten. Zu diesem Ende hin legierte er ivo. Gulden zu einem Fond für Studirende aus der Geßneri- lchen Familie, auch befahl er, daß die ganze Familie bey einem Liebesinahl sein Andenken scyre. Ungeachtet Gcß- acrs Lcibesbeschwcrden sich immer vermehrten, so ge längs ihm gleichwol nach wiederholter Badekur, daß er im I. 's? - ,564. einige Gebirge in dem Kanton Schweiz zu ersteigen im Stande war. In diesem Jahr verlor er auch seine aa>- zigjährige Mutter; immer hatte er sie aufs zärtlichste gc. pfleget, und ungeachtet ihres hohen Alters gicng ihm ihr Verlust noch sehr nahe. Um diese Zeit kam die Pcstseu- chc von Basel nach Zürich, von derselben wurden mehrere seiner Landleute, unter anderm auch Theodor Bib- liander hingerafft. Bey dieser Gelegenheit schrieb Geß- ner über die Beschaffenheil und Heilart der Pestseuche. Ungeachtet er selber unverdrossen die Kranken besuchte, blieb er doch dieses Jahr von allem Anfall der Krankheit, befreyt. Indeß hielt ers für Vorahnung seines heranrü-' ckcnden Todes, als ihm im Traume vorkam, er werde von einer Schlange gebissen, deren Biß er als Verholten der Pest ansah. Bey allem dem war er bey dem Krankenbette seines Vullingers so fleißig, daß dieser von der gefährlichsten Krankheit wieder hergestellt wurde. So traurig als das vergangene Jahr sich geendigt hatte, so viel Freude brachte Gcßnern der Ansang des I- "- 6 ; Von Kentmann, Zwinger, Joachim Camera, riuS, Leonharv Rauwvlf, ward er mit den größten Na, tnrseltenheiten, besonders mit allerley fremden Pflanzen beschenkt. Mitten unter weitaussehenden litterarischen Entwürfen, unter welchen ihm die Historie der Pflanzen die angelegenste war, empfand er je länger je mehr, daß sein irdisches Leben zum Ende nahe. Den nennte» Christ, Monat dieses Jahrs ward er von einer Krankheit ange, griffen; auf der linken Seile gleich über dem -Herzen zeugte sich eine kleine Beule; so gefährlich der Ort war, so wenig beunruhigend schien anfangs die Krankheit, da mit derselben weder Kopfschmerzen noch Fieber, noch andere Symptomen verbunden waren; auch fühlte er kerne KÄM MM> -r/AK AMM KOM MZM U« ' - - -'^ - , . >. ^ 'E .- - , -. -,^K ' 29 grosse Schwachheit des Körpers und mußte nie liegen. Indessen betrog er sich selbst nicht; er rief seine Freunde ru sich, und schloß sein Testament. Einigt legirie er der Gattin, anders seiner Schwester Söhnen, zur Haupterbin erklärte er seine einzige noch lebende Schwester. Damit von seinen gelehrten Schätzen nichts verloren gehe, verkaufte er alles in billigem Preise an seinen ehmaligen Schüler und nunmehrigen Freund und College» Caspar Wolf. Mit diesem unterhielt er sich in seiner letzten Krankheit sehr oft von seinen litterarischen Arbeiten, besonders von seiner PAanzrngeschichte, die ihm am meisten am Hcnen lag. Die übrigen Stunden brachte er mit leinen Seelsorgern Heinrich Bullinger und Ios. Simler zu. An dem fünften Tage nach dem ersten Anfall der" Krankheit glaubte er einige Besserung zu spüren, und schickte die Freunde, welche des Nachts bey ihm wachen wollten, zur Ruhe. Um eilf Uhr aber empfand er sei» schnell heranrückendes Ende. Er rief seinem Weib und ließ sich in ftin Museum führen, wo er bald darauf in den Armen des Weibes sanft in dem Herrn entschlief, nachdem er nicht völlig fünfzig Jahr gelebt hatte. Seine Leiche ward in dem Kreuzgang zum grossen Münster neben 2 oh. Frisius seinem Herzensfreund beygesetzt. Johann Oporinus. * Im I. 1507. ward Oporin in Basel gebvhren. Sein Großvater, der in Straßburg die ansehnlichsten Bedienungen bekleidete, war darauf bedacht, feinem einzigen Sohn, Johann Herbst, eine gelehrte Erziehung zu geben. Wegen des Hasses einer Stiefmutter mußte es ausser dem väterlichen Hause unter Aufsicht des Stadtschreibers * S. Vitsr keteÄAs, Vtttiilrvi« 1711. - geschehen. Von dem Sohn dieses letzter», einem Mahler, ward der Jüngling zum Studium der Mahlerkunst verleitet. Als er seinem Vater hievon Nachricht gab, war dieser unqcmcin entrüstet, in seinem Sohn, anstatt eines Gelehrten, einen Mahler zu finden; für rmmer ward der Jüngling aus dem väterlichen Hause verwie. sen. Hierauf flüchtete er sich nach der Schweiz und über. ließ sich ganz seinem mahlerischen Genie. Nach dem Tod seines Vaters ward der junge Erbe aufgesucht; allein sein Meister wußte jede Nachfrage ganz zu vereiteln, aus Furcht seinen aefchikten Schüler zu verlieren, wenn ihm eine reiche Erbschaft zufließen sollte. Ganz also der vä» terlichen Güter, ganz aller Vorsorge seiner Straßburqer Verwandten beraubt, ließ er sich nun in Bafel nieder und verhcyrathete fich mit Barbara Luvfartiu. Mit dieser erzeugte er, ausser unserm Johann Opo 'n , noch drey Töcbter; die eine von diesen letzter« ist hernach Mut, ter des berühmten Theodor Zwinger geworden. Je mehr die Eltern fich selber in kümmerlichen Um« ständen befanden, desto eifriger waren sie daranf bedacht, ihren Kindern das einzige mögliche und zugleich das beste Erbtherl, eine zwckmäßige Erziehung, zu verschaffen. Nachdcm der junge Oporin den Grund zu den Wissenschaften in Basel gelegt hatte, begab er fich nach Straß, bürg; daselbst lebte er beynahe vier Jahre unter den armen Schülern sehr käumerlich. Im Lateinischen und Griechischen gcnoß er den Unterricht des geschickten Geb- wilcrs. Mit gelehrten Schätzen bereichert, kehrte er nun. mehr nach Basel zurück. Aus Mangel an Unterhalt sah er sich genöthigt, nach der Abtey St. Urban im Luzer- ncrgebiete zu gehn, um daselbst der stuUrenden Jugend Unterweisung zu geben. Daselbst gericth er in vertraust, chen Umgang mit einem luzernischen Canonicus, NamcnS Phylotcclus. Nicht lange hernach verließ dieser letztere seine fette Präbende, trat zur reformirten Religion hinüber, vcrheyrathete sich in Basel und starb daselbst an der Pestscuche. Des mönchiiehen Schulunterrichtes übcrdrüßig, war auch Qvorin seinem gelehrten Freunde räch Basel gefolgct. Um sein Brod zu erwcr- den, copirte er die griechischen Theologen, den Irenäus und andre, welche hernach Ioh. Frobenius herausgab. Endlich hcyrathcte er imI. rer?. seines Freundes Phylo- tccius Wittwe. Als verdienstliches Werk gegen den Ver- stvrbcnen beirachtete ers, indem er zu seinem eignen Nachtheil sich dem Joch der mürrischen Alten unterzog. Im Scherze pflegte er zu sagen: er übe sich, wie So- crates, an der Seite seiner Tantivve in der philosophischen Selbstvcrläugnung. Als er von dem bösen Weibe mir einem Hagel von Scheltwörter! bestürmt und endlich mit einem Topf unsaubern Wassers begossen worden, sagte er ruhig: dacht ichs doch, daß das Donnergewik- ter sich in Regen auflösen werde. Die Geduld, die er zu Hause bey seinem Weib lernte, übte er auch in der öffentlichen Schule aus, über die er gesetzt worden war. Da aber die häufige und höchsibeichwerliche Arbeit sehe wenig Gewinnst brachte, so riech ihm Ioh. Occolampa- dms, daß er sich der Arznenkunst wiedmcn solle, nm so viel mehr da nun eben Theophrastus Parazelsus sich in Basel befand und ihm mit p»alerischem Tone versprach, daß er ihn in Zeit von einem Jahr in allen Kunstqeheim- nisscn einwcyhen wolle. Nicht nur bey den öffentlichen Vorlesungen des Parazelsus mar Oporin sehr fleißig, auch genoß ex E Famulus den täglichen Umgang seines Lehrmeisters. Was dieser teutsch in die Feder dictirte, faßte Zuhörer sogleich in lateinischer Sprach auf. Theo. vbrast nämlich war ein schlechter Lateiner; indeß war sein Gedächtniß so glücklich, daß er ganze Stellen des Gale- nus auäwenvig daher sagen konnte. Wenn er atif seinen ZL - botanischen Spatziergängen eine unbekannte Pflanze antraf, so pflegte er zu den Schülern zu sagen. daß rici- Pflanze zu nichts tauge. — Wie brennend Oporins Lernensbe- gierde gewesen, beweist die Geduld, womit er seines beynahe immer trunkenen Lehrmeisters unanständiges Be, tragen zu dulden gewohnt war. Als dieser letztere be. hauptete, daß der alkalische Urin die gewisseste Anzeige des Naturells sey, in so fern man sich drey Tage lang aller, Speisen und Getränke enthalte, so that dieses Oporin; nach dreytägigcm Hunger und Durst überreichte er dein Theophrast in einem Gläsgcn den wenigen Urin, um sein Gutachten zu hören; Theophrast höhnte ihn we. gen seiner Leichtgläubigkeit aus und schmiß das Glas ge, gen die Thüre. — Ueberdieß pflegte Theophrast im mitternächtlichen Rausche mit vermeinten Gespenstern, und zwar mir entblößtem Dolche , zu fechten; sehr verdrüßlich mußte dieses für Oporin seyn, da er in gleichem Schlafzimmer eingeschlossen war. Plötzlich weckte zuweilen der Lehrer den Schüler und gab ihm seine Orakclsprüche mit solcher Schnelligkeit in die Feder, daß es diesem nicht änderst schiene, als ob ein Dämon selbst dictire. — Zwey Jahre lang lebte Theophrastus zu Basel und hatte durch glükliche Kuren aufferordentlichen Beyfall erworben. Wegen verschiedener Verdrießlichkeiten gieng er nunmehr ins Elsaß. Aus Hoffnung, von ihm die Verfertigung sei. nes Laudanum zu lernen, begleitete ihn Oporin; allein dieser ward von dem Lehrmeister betrogen; also entschloß tems, c;u 38 tsmen iptss voluiü'em minus accerksr stque äentstss suiile. krokeÄo nobis iric non luäitur äs csül» nuce äum ab iiiis ^riitsrclris xenäenäum, sut prorchr kunötione nolrrs ceilsnäum sut urbe ceäenäum ekk: Quorum poürsmn äuo im nobis incommoäs ekisnt kmnm, ut guiäävis potius qusm troe srripienäum ekle nvbis kscile kstueremus. Der Tüfrl hett vnö Mlkt dem nüwen Bapst- thumb beschissen, Pioä iibertstem kvanZelti rsnovati äoc- trina primum vix xZrtsm prorlus svertit: ut in veteri ka- prw jsm p!us libertstis irr, qusm in reb. xubl. evanZs- kisL äoötrinre reititutis.) Oro itsque ts <^uoc;us mi v. ktmpelnnäsr, ur üb ll. HchmirLmo xisciäioiL tmä^s aä Nos, live O. Loecium 8clroI-L nokirL kestorem impstrcz. kisssri enim Vssones i!Ii, non irritari volunt. kt lrgbet ^urevi8 rsspublics tun HULäsm, ss- truppen zu. Der junge König selbst, nebst seiner Gcmadlin Mutter und dem ganzen Hofe befanden sich in ausier er Gefahr, zu Meaux von dem Prinzen von Conde übersahen zu werden. Herzhaft und glücklich führte Psyscr das königliche Haus mitten durch das feindliche Kriegeshecr; noch vor Nacht langten sie unverletzt in Paris an. TagS darauf ward der siegreiche Obrist von dem König und von der königlichen Familie mit besondern Ehrenbezeugun, gen empfangen; auch sollte ihm und seiner Compagnie io- gleich der Schlachtfeld ausgetheilt werden: Pfyfer aber wollte diesen Sold eher nicht annehmen, bis er auch den übrigen Compagnien könnte bezahlt werden. Im I. ,;68. führte er dem jungen König übermal bey roooo. Mann zu; wichtige Dienste leistete er in dein Treffen bey Jarnac, in der Belagerung von Chastellcraut, beym Entsatz von Pvirirrs, svnderhkitlich auch in der Schlacht bey Mvncontour. Im I. 157c» kehrte er in sein Vaterland zurück; einhellig ward er daselbst zum Schultheiß erwählt. — Im I. 157?. gieng er, zur Beglückwün- schung Heinrichs I!l. als eydgenößischer Gesandter nach Frankreich. Diesem König führte er im 1 .157s. sechstausend Mann zu, welche aber sogleich nach geschlossenem Frieden wieder abgedankt wurden. — Im I. 1577. beschenkte er das Kollegium der Jesuiten in Luzern mit zvooo. Gulden. — Im I. 1578. gieng er als erster Gesandter nach Savoyen, im I. 158«. als solcher zu dem Bischofs von Basel, im I. 1582. zu dem französischen König, Heinrich III. — Hierauf verließ er die Partey dieses letzter»; im I. 1585. errichtete er, dem Papst nnd der guisischen Ligue zu gefallen, ein Regiment von 24. Compagnien, grossentheils aber gieng es durch Hunger und Seuchen zu Grunde. — Nicht wenig trug im I. 1586 Pfyfer zur Errichtung des Borrvmäischen oder güldenen Bunds bey, wodurch sich die katholischen Kantone zur Bcschützung ihrer Religion genauer verbanden. Auch half er im I. 1588. zu Mcyland den Bund beschwören, welchen einige Kantone mit dem spanischen König Philipp Ik. geschlossen. Sehr eifrig war er für das Interesse svwol der spanischen Krone als der französischen Ligue bemühet. Noch im I. 1589. warb er für diese letztere zwey eydge« nößische Regimenter. — Die Freyhcrrschaft Altishofen und den Eoelsitz Wyher hatte er käuflich an sich gebracht. Ucberall war sein Einfluß so groß, das ihm gemeiniglich, der Name des SchweizerkönigS beygelegt wurde. Er stark den 16. März 1594. Aoachim von Watt, Vadian genannt. * Er ward den rg. Nov. 1484. zu St. Gallen geboh« een. Sein Vater war Leonbard von Watt, ein Kaufmann und des Raths zu St. Gallen; Liebhaber und Beförderer der Künste und Wissenschaften. Vadian legte den Grund zu den Wissenschaften in feinem Vaterland, und zwar mit so vielem Fleiß, daß er, um dem Schlaf abzubrechen, d»e gebundenen Werke des Virgils zum Schlafkissen machte. In Wien setzte er seine Studien, besonders die Geographie mit uncrmüde« tem Fleiß fort. Als ein starker feuriger Jüngling ganz sich allein überlassen, stürzte er sich oft in Lebensgefahr, indem er bey jeder Gelegenheit sogleich mit dem Degen und überhaupt zu den gefährlichsten Unternehmungen bereit war. Auf dringendes Anhalten des Vaters aber wachte ein wienerischer Handelsmann über das Betragen des Jünglings, und vermochte durch rührende Vorstellungen so viel auf ihn, daß er alle Rauffereyen auf die Seite setzte, und sich ganz der Gelehrsamkeit wiedmete. Um seinem Vater Unkosten zu ersparen nahm er zu Vil, lach in Kärnthen die Stelle eines Schulhalrcrs an. Allein der Aufenthalt an einem so kleinen Ort schien ihm zu mühsam. Deßwegen begab er sich bald wieder auf Wien, um der Gelehrten Umgang gemessen zu kön. ucn. Gar bald warb er daselbst zum Nachfolger des Angelo Costo von Bologna ernennt. Bey diesem philo. sophischen Lehramt erwarb er sich Beyfall; wegen seiner gelehrten Arbeiten erhielt er den 12. Wär; 15,4. von Kaiser Maximilian dem Ersten den poetischen Lorbeer. In dem folgenden Jahre hatte er die Ehre, im Namen * S. Lullmgers handschriftliche Rcformatjonszeschichte. der Wiener Universität den König von Polen Sigis, munden und zwar in Abwesenheit des Kaisers zu bewill, kommen. Seither ward er zum Rcctor der hohen Schule erwählet. Einige Zeit blieb er ungewiß über die Auswahl eines Berufes; anfänglich hatte er grössere Neigung zur Rechrsgclehrfamkeit; in der Folge aber wählte er dir Arzneykunst. Den y. Nov. r;i8. nahm er zu Wien den Doctorgrad an. Zehen Jahre halte er in Wien zuge, bracht, und von da aus verschiedene kleine Reifen nach Teutschland, nach Ungarn, und nach Italien gemacht. Endlich kehrte er, ungeachtet vieler Einladungen verschiedener Grossen zu ansehnlichen Bedienungen, nach St. Gallen zurück. Daselbst ward er mit einem Iahrqehalte zum Sladtarzt ernannt. — Im I. r;i8. verheyrathcte er sich mit Martha Grebel von Zürich. Die damaligen Religionszwiste führten ihn auf theologische Studien. Durch die Schriften der Reformatoren ward er bewogen, der römisch-katholischen Kirche Abschied zu geben. Nachdem er in seiner Vaterstadt unter die Rathsglieder aufgenommen wurde, gäbe er sich alle Mühe für Ausbreitung der Zwinglischen Lehre. Im I. I?2;. war er zu Zürich, und 1528. zu Bern bey den gehaltenen NcligionS - Disputationen Präsident. Durch den glücklichen Erfolg seiner Bemühungen erhob er sich im I. 1526. zur Consulat-Würde. — Bey jenem Tumult in dem Thurgauischen Karthäuserkloster zu Jt- tingen lief er Gefahr, für die gute Sache zum Märtyrer zu werden. Auf die unruhige Tagfatzung nach Zug hatten die St. Voller auch ihren Bürgermeister gesendet; als dieser zum Frieden redete, fuhr im geseßnen Rath der Gesandte von Lucern auf, mit wütender Stimme: „ all » dieß Unwesen kommt von dem ketzerischen Zwingst; », und du, Docror von St. Gallen, hilfst ihm, so daß » du nicht länger Sitz und Stimme in unserer Ver- 4 - - » sammlung verdienest!" — Auf der andern Seite erhob sich gegen Vadian der Gesandte von Ury und übergoß ihn mit schimpflichen Worten. Schon war Vadian auf dem Punct, das Recht anzurufen, als der Gesandte von Zug aufstand und sagte: „ liebe Herren und getreue ,> Evdgenossen, das will zu viel werden; setzt euch nieder, „ und laßt den Herrn Doctor »«gekränkt den seinen ,, Rechten. Nicht also soll es unter uns Eydgenossen „ zugehen " — der Bürgermeister aber begab sich zur Thüre hinaus in den Gasthof. Hierauf kam sein Schwager, Michael Studer von Zug, zu ihm, mit Nachrichten, Laß etliche wilde Gesellen einen Anschlag gemacht haben, den Doctor im Gasthof zu überfallen und an ihm ihre Büberey auszuüben. Eilfertig also flüchteten sich beyde, und kamen durch verschiedene Abwege nach Kappel. — Einige Monate nachher kamen seine feindselige Mitge, sandte nach St. Gallen — Vadian vergaß die ihm an, gethane Unbilden, grüßte und bewillkommte sie freundlich, führte sie unter dem Arm durch die Stadt, und erzeigte ihnen alle mögliche Ehre. ,;;o. half er als Gesandter die kriegerischen Streitigkeiten zwischen Savoyen, dem sogenannten Löffelbund und Genf vergleichen. Durch Rechtschaffenheit und Klugheit hatte er sich so sehr das Zutrauen seiner Mitbürger eigen gemacht, daß sie chn zum yten Mal mit der consularischen Würde beehrten. — Er starb den 6. April i;;r. in einem Alter von sechsund sechzig Jahren. Die Stadtbibliotheck in St. Gallen hatte er mit kost. baren Büchern und sonderheiklich auch mit dem reichen Schatz seiner Handschriften beschenket. — Unter seinen gedruckten Schriften erwähnen wir nur folgender: I. Os koetics L Lsrmimr rstions, sä stlelck. Va- äisuum, tisttem. VrennL äustriD i;i8- in 4 -ro. , ivijur- A ,nrv;.s^>' »iLSi ' .» 2 , f 4; ». ?ompovlU8 IVlel», cum Lommcntsrüs loack. Vsäisni. Vienn-e ^uttr. 1518. in kol. It. ?srif. i;;o, und i;4». It. ösiu. 1557 , und r;77. in toi. 6eorg. Lollimitii L loack. Vsäiani in 6. klinü äs nstursli Hik. kib. II. Lckolis. Lakl. i;;i. kol. 4. Lpitoms LliL, ^kricse L Lurops-, pr-ecipus looo- rum äelcriprionem contineno, guorum in L6U8 I.ucs8, xsllim autem Lvangslikre L /ipoüoli meminere. Lum Lääito in üne LIencko kegionum, vrbium, -tmnium, Intnlsrum, guorum in novo Telism. Lt mentio. Tig. i>;;;, in kol. It. nääicis Tabuli8 esoßrspkicis. Ti§. 1558- >n 8. Widerlegung der Echwenkfcldischen Jrrtümmer. Zürich in « 6. Lonsilium contra peksm. Lalil. 1^46. in 4tn. 7. Lkronologia ^kkstum iVlonsüerii 8t. 6alli, cum norstionikus ex vetullis LIembrsnis. S- Golbast im ersten Tom, s. i;r. 8. Oe obtcuris verkomm LZnillcationikur, Goldast Tom H. s. 8r. 9. ksrrsgo antiguitatum sllsmsnicsrum. Goldast Tom. IN. s. i. 10. Ls Lkrillianismi Ltstibu8. Ebend. s. i;y. 11. vc Lonjugio Lervorum axuä ^Iemsno8. Ebend. s. i?r. Johann Alphons Turretin. * Um der Gewissensfreyheit willen hatten sich seine Voreltern , aus ansehnlichem Geschlechte von Lucca, nach Genf begeben. Unser Alphons war den i;. August 1671. ge, bohren. Schon im sechsjehnten Jahr halte er, den r8. * S. Alrbons Turretins Lobrede von Ludwig Trorichtn; T-mxs Lelvetics L. Hl. 8eK. H. Ho. Z. Herbstm. r687» den Vater, einen ebenfalls berühmten Gottesgelehrten, Franeiscus Turretin, verloren. Die Philosophie studirte der junge Alphons bey Joh. Robert Chouet, welcher auf der Genfer.Aeadcmie zuerst anfieng, den Acker der Philosophie von den Dörnen und Disteln der Scholastik zu reinigen. Zwischen dem Lehrer und Schüler entstand gar bald die engste Verbindung, welche nur der Tod zu trennen im Stand war. — In der Theo, logie hörte Alphons den Philipp Mestrczst, den Bene. Litt Pictet und Ludwig Tronchi». Im I. ,syr. vcr- thädigte er zu Leyden, unter Frid. Spanheims Vorsitz, eine Streitschrift cls l^rrkonilmo pomisicio , deren Bayle in seinem Wörterbuche mit Beyfall erwähnt. * Aus Holland gieng er weiter nach England. Daicidst lebte er einige Wochen in dem Haus des Bischoff Burneks zu Salisbury. Dieser empfahl m den gelehrtesten Männern, einem Loyd, Whitby, Allix, besonders auch dem Wilhelm Wake, Erzbischos zu Kanterbury. Mit diesen Männern unterhielt er hernach ununterbrochenen Brief. Wechsel, und von ihnen kernte er die freyere Lehrmethode. Aus England begab er sich nach Paris und studirte bey Longuerue die arabische Sprache. Im I. 1694. kam er in sein Vaterland zurück, und zwey Jahre hernach trat er in das Collcgium der Stadt- prediger; wegen schwächlicher Gesundheit aber wollte er kein ordentliches Predigamt über sich nehmen, ungcacb. tet er oft genug predigte. Im I. 1697. ward für ihn ein eigner Lehrstul der Kirchenhistorie errichtet. Zehn Jahre lang besorgte er das academifche Rectorat mit ansserordentlichrm Ruhm, den er sich unter anberm durch seine vortreflichen Reden erwarb. Auch hatte er grosse Verdienste um die öffentliche- Bibliorhcck. Jm J. 1705. ' S- Bayle Wörterbuch im Artikel Franz. Turretin, wie auch im Artikel Niesle. 45 ward i)m das theologische Cathcder anvertraut. Wenn wir seme Schr-ften betrachten, so leuchtet uns aus dem selben das Bild eines guten Lehrers hervor, welches Paulus seinem Timotheus so schön vorgewählt hat. Weit entfernt von unnützen Fragen und eitelm Wortgezänk, gieng sein Augenmerk immer auf practische Erkenntniß, die er eben so bündig als angenehm vorzutragen gewohnt war. Je grösser seine eignen Einsichten gewesen, desto mebr Nachsicht bewies er gegen Schwachheit und Irr» thum; überall verbreitete er philosophische Duldung und christliche Bruderliebe; sonderheitlich war er eifrig um die Vereinigung der Protestanten bemühet. So groß er als öffentlicher Lehrer gewesen, so hes« leuchtend war nicht weniger sein Vorbild, wenn wir ihn in jedem andern Verhältniß als Mensch, als Freund, als Bürger betrachten. In seinen Reden, die er sowol vor dem Senate als vor dem Volk hielt, bewies er tiefe und ausgebreitete Staatseinsichten, und bey den bürger« lichen Unruhen gab er sich alle Mühe, die Eintracht wieder herzustellen. In den letztem Lebensjahren hatte er mit öfter« asthma. tischen Zufällen zu kämpfen. Endlich starb er nach einem kurzen Krankenlager im 66. Jahr seines Alters, den r. May 17 ;?. und hinterließ einen einzigen, des VaterS würdigen Sohn mit seiner Wittwe, die ihm das ganze Leben hindurch seine weitlauftigcn und schweren Berufs» seschäftc durch zärtliche Vorsorge erleichtert hatte. Wenige Zeit vor seinem Hmscheid sind seine sämtli» Gen Werke in drey grossen Quarlbänben zu Genf bey Barillot gedruckt worden. Der erste Band enthält die akademischen Reden; die beyden andern Bände enthalten Betrachtungen und Dissertationen. Wie wichtig und Srmeinnützig ihr Jnnhalt sey, mag folgendes Verzeichnis beweisen: I. Von dem vielfachen Nutzen der heiiigen Alter- thümmcr. iü-7. II. Bild eines frommen und wahrheitliebenden Got. tesgelehrlen. -706. III. Lobrede auf den König Wilhelm III. im I. 1702. IV. Ueber dre Gelehrsamkeit des XVII. Jahrhunderts und die heutigen Gefahren für die Litteratur. 170z. V. Ueber die Verbesserung der Studien. 1704. VI. Ueber die Eitelkeit sowol als die Fürtrcflichkcit der Wissenschaften. 17öS. VII. Ueber die Verbindung der Gelehrsamkeit mit der Frömmigkeit. 1706. VIII. Ueber die Vereinigung der Protestanten. ix. ueber die verschiedenen Schicksale der christlicher» Lehre. 1708 x. ueber die Leidenschaften, welche die Liebe zur Wahrheit ersticken. 1709. XI. Fromme Wünsche für den Frieden Emopens. »710. XII. Von den Ursachen und Heilmitteln des ver, fälschten Christenthums. 1711. XIII. Ueber die vcrschiednen Hauptpuncte der Got- tesgclehrtheit. XIV. Gedanken über die Religion. XV. -über die Controversen , über den gesunden Menschensinn u. s. f. xvi. Ob ungereimte, widersprechende Sätze geglaubt werden können? xvil. Zwölf Abhandlungen über die natürliche Theologie. XVIII. Sechzehn Abhandlungen von der Wahrheit der jütuchen und der christlichen Religion. — Diese sind von Vcrnct ms Franks, übersetzt worden. XIX. Wie muß Christus gehört werden? .MM MM XX. Von den Fundamentalartikeln. XXI. Von dem päpstlichen PyrrhonismuS. xxn. Von den zeitlichen Vortheilen der Frömmigkeit. Noch sind besonders gedruckt worden, Academische Untersuchung über die Jubelfeste. r?sr. Xuber rekium, d. i. Wolke der Zeugen zur Vereint, gung der Protestanten. 1719. veksnls 6s Is villertst. lur les ^rticles konärunsa, tsux; conrre lilr. 6s kionsns. Zsrmon sur 1s Lksrire. 1696- — — Lur Is Jubüs 6s Is Lekormstioa 6s 2uriek, sur 8r. Jesu XU. ;6. -8ur les Inconvenisur 6u Jeu, lur kliilixp. IV. 8 , 9. » 7 - 7 . — — 8ur ls Jubile 6s Is Lelormst, 6e Lerne, sur ksesums LI. 19-2;. 1728. — 8ur Is loi 6s Is liberte, lur Isgue II. rs. xrononse en prekence 6ss 8e>gneurs Leprelentsns 6ss I.- I.. Lsnwns 6e 2 uricli L 6e Lerne. 1754. — — 8ur Is Jubile 6e Is kekormst. 6e Oensva, lur III. n. 17;;. Inndcgriff der Kirchengeschichte bis zum I. 1700. r7r». Johann Jacob Scheuchzer. Wie fremd und unerfahren man bis auf die Ankunft Scbeuchzers in dem Studium der Natur war, können unter andern Die noch häufigen Gespenster und Hexen« geschrchten beweisen, welche die helvetischen Jabrbücher dieses Zeitalters entweyhen. Noch den 9. Mao »709. klagte selbst der zürchensche Kirchenvorsteher Klingler über einen solchen Dämon, der freylich hernach in Verhaft gesetzt und mit dem Schwerdt hingerichtet worden. Ein 48 -n . --- solcher Poltergeist war es, der im I. »700. zu Luzcrn zwo zürcherische Weibspersonen zu bekehren bemüht war. Im I. 1701. wurden acht Personen von Wastcrkinden der Hcxerey beschuldigt und in Zürich zum Tode vcrur« theilt. — Ohne Zweifel, daß nachhcrige, genauere Na, turforschung das Meiste zur Vertreibung der Finsternisse des Aberglaubens beytrug; und. um dieses Studium hatten die beyden Brüdcr, Johannes Schluchzer und Jacob Scheuchzer für ihr Zeitalter »»gemeine Verdienste. Jokob Scheuchzer erblikte das Licht der Wett nn I. 1672. — Im I. 1692. zog er auf die Academie nach Altorf, hernach weiter nach Utrecht. Im I. 169;. machte er seine erste Alpenreise. Dann gieng er wieder nach Altorf und Nürnberg. Daselbst genoß er Sturmes und Einmartens Unterricht und Umgang. Bey seiner Zu, rükkunfl nach Zürich im I. 17,0. ward er Stadkphyst, cus und Lehrer der Meßkunst. Im I. 1714. bekam er «inen Beruf nach Petersburg. Die Sache kam vor Rath und wurde mit zwanzig Stimmen entschieden, wofern er den Beruf ausschlage und in Zürich bleibe/ so sollten ihm seine Einkünfte verbessert werden: einige Zeit her, nach erhielt er wirklich ein Canonicat an dem carolinischen Stifte. Daß er übrigens unter seinen Collegen wenige Freunde gehabt habe, beweist folgende Anccdote aus ei, nem handschriftlichen Brief unterm 6. Jul. 1714. ,, Hr. ,, Doctor Scheuchzer — so schreibt Landschreiber Gwerö » an Landvogt Füßli/ — „hatte eine weisst Krähe, die „ -og ihm aus. Der Doctor stieg ohne Schuhe auf das „ benachbarte Dach und holte sie ein, jedoch nicht ohne ,, Gefahr des Lebens. Man sagt, wenn er todt gefal. „ len wäre, so hätten die Chorherren der Krähe ein „ Leibding geordnet." In einem andern Schreiben des, selben Verfassers unterm Eept. 1712. heißt es. „Vor- ,, gestern » 49 r» gestern kam Herr Doctor Scheuchzcx mit dem glatten » Kragen und dem Degen in ein Convent. Diesen Auf- „ zug wollten die Chorherren nicht leiden, sondern ihn „ ausstellen; er aber blieb; sie zankten sich lange; endlich „ ward das Convent auseinander gelassen, ohne geringste >, Berührung der Geschäfte." So kleinfügig und zugleich feindselig war die Denkart seiner College», daß sie es wagten, Scheuchzcrs neue Lehren für profan, z. B- das copcrnicanische System für atheistisch und die fchwammer, damischen Hypothesen für schlüpferich und libeninifch zu erklären. Um sich also dem Geist des Zeitalters und nach dem Geschmak theologischer Leser und Zuhörer zu be, quemen, gab Schcuchzer seinen physischen und mathematischen Untersuchungen mchrcnthcils einen biblischen Zuschnitt; so schrieb er z. B. Hiobs heilige Nalurlehre, antcdiluvianischcs Herbarium und kdz'stc? lacrs. Einzelne Schriften von ihm findet man in den Leipziger. Mscellaneen, in den Ephemeriden der MwrT Lunolo. Nim und in den Londner - kkilosoxhical - Iranlagtion». Sein brauchbarstes Werk find die helvetischen Alpenreisen, welche Sulzer von neuem herausgab. Indessen hätte seine Bibliotheek der Schweizcrgeschichte wovon er schon beträchtlich vieles ausgearbeitet, alle seine frühern Werke an Wichtigkeit übertreffen, wenn nicht der Tod ihn dabey überrascht hätte. Von ihm hat wan auch die grosse schweizerische Cliarte; jedem der zmcy- hundcrt Rathsglicder ließ er ein Exemplar überreichen; dafür erhielt er von der Regierung ein Geschenk von ;so. dulden, also gerade so viel sie selbst an Werth waren. Von beyden Schcuchzern hat man noch sehr wichtige Handschriften, z. B. von unserm Iac. die politische Re-> ^rincmvnögeschichte in Zürich vvm I. ,7,;. An dieser ^fvrmation hatte er selbst grossen Antheil. Mit cd- 6v ler Kühnheit wurden von ihm einige wichtige Abändern», gen in den Grundgesetzen des Staates durchgesetzt. So sehr dem Anschein nach / die Gelehrsamkeit auf Museum und Cathedcr eingeschränkt ist, so vielen Einfluß hatten nichts desto weniger zu allen Zeiten die zürcherischen Lch. rcrnuf die Regierung; unter andern vielleicht auch darum, weil sie nicht nur durch vertraulichern Umgang mit den grossen Römern und Griechen die Seele ;um Gefühl der Freyheit erhoben, sondern auch weil sie vormals beynahe die einzigen, wenigstens die vornehmsten waren, die öffentlich mit Nachdruck sprachen und schrieben. Wenn es indessen befremdet, den gelehrten Naturforscher Jacob Scheuch;« unter offnem Himmel auf dem Lmdcnhof an der Spitze des Volks zu sehn, so wird es n cht wem, ger befremden, ihn auf dem theologischen Kampfplatz zu finden. So sehr war damals noch Jedermann polemisch, daß auch dieser so tolerante Mann der Ausforderung .!- nes päpstlichen Kirchenritters nicht ausweichen konnte. Ein Jesuit von Luzern, Pater Joseph Sonnenberg, mach sich breit mit zwo (wie er sie hieß,) gehörnten Schluß reden. Schriftlich forderte er Scheuchzern zur WitBiegung auf. Da dieser hiezu keine Lust hatte, unterstand sich der Jesuit im I. 1719. unter angenommenem Namen eines Chorherr« Fifchmanns hierüber an den regierende« Bürgermeister in Zürich zu schreiben. Durch dieses ward der gute Scheuch;« zum Antworten verpflichtet. Es entstand ein weitläufiger Briefwechsel, woraus nicht weniger das menschenfreundliche vertragfame Herz unsers Scheuch- zers als die Energie seines philosophischen Kopfes hervor» stralt. Optsllcm lsne^ schriebt er unter anderm vom ;» Nvv. 1719. tu nun exacueretur serra in rs tsm psrvi mumenti K ut 1'steslogomm unus slterum lupersre stupstet licls, asritate, bonis operibus. Lreflit guisgue sbi» 0«. eo, guaa crstit, rstionem recläitmus efl Leo» Mach wiederholten Instanzen, fängt unser Theologe, der es mslgrs lui geworden, nunmehr an, etwas unwillig zu werden. Ungemein aufgeräumt und witzig ist seine unwillige Laune. äs passe, schreibt er, sves filenee V08 nouvelles lnveAiver contre notre lsinte religion, Ie8- ^uelles ms fönt croire gue vous etes äe I'oräre äe con- troverüker len plus guerelleux öt Iss plus iniacisbles, je ne veux pss äire, pour ne pss peräre le respeÄ, äs I'oräre äe ees vifesux gui ne vivent gue äe in rspine, Iscksnt bien, gue IVlessieurs les .lessires n'ont ni becs ni cornes; csr 8'il8 en svsient, perionns ne fersrt für: le äekre pourtsnt äe fsvoir, cvmbien äs milliers ä'ltere- tigues vous surer äsjs eonverti? 8'il ne reite rien n ronvertir äsns votre Lstkolicssme, äsns votrs krovince, äsns vocre Louvent , äsns vous-meme-- und weiterhin: 1'Lxperienee me ssit voir, izue le; controverülles ne peu- vent jsmsis eesser äe faire äe8 guerres, eloixnes besucoup äe I'efprit äs notrs Lsuveur L äes msximes äouce8 äs !s IVlorsIe Lkretienne L ä'une sage kolitigue. bout äu comxte ils n'ont surre cdofe s risguer <;us ls repu- tation. äe fuis xerfusäe gu'ils sgirsient äe meme comme !ee krinces, gu'ils mefurersient mreux Ieur8 pss, f, pour ^irsgue äifpute ils rssguersicnt un pre, ou enkn un feul ilorin äe leurs revenus Lo. Dieser Briefwechsel währte bis ins I. 1720. bis endlich dem schwärmerischen Son, tienbcrg von dem Rector des Jesuiter-Collegiums, Do- Minicus Weck, das Stillschweigen auferlegt wurde. Im I. l?n. starb unser Scheuchzcr, und sein Na» *"e bleibt unsterblich. Die kaiserliche Academie der ^srur-s ^uriolorunr, wie auch die königlichen Societäten zu Ber, ku und Landen waren stolz darauf, ihn zum Mitglieds ill haben. Sein Bruder Johannes Scheuch;« war im I. ,->84. ^bohren. Nach Endigung der akademischen Studien be» D 2 ZL gab er sich in holländische Kriegsdienste; hierauf ward et Eccretair beym Grafen von Marsigli; mit diesem reistte er nach Italien. Bey der Zurückkunst ins Vaterland übctc er sich in der Mechanik und militärischen Baukunst; üuch leistete er dem Kanton Zürich im I. 1712. als Ingenieur nützliche Dienste. Im I. 1720. ward er alS Professor der Meßkunst nach Padua berufen; der Rett, gion wegen nahm er diesen Beruf nicht an. Nachdem ce zum zweyteumalr Holland, Frankreich, Italien, Teutsch, land durchreiset hatte, ward er im I. 17,2. Landschrei- bcr der Grafschaft Baden, im I. 17;;. Professor der Naturlehre, Stadtürzl und Eanonicus, an die Stelle sei, ncs verstorbenen Bruders. Ihm hat man unter anderen die historisch - critischen Anmerkungen über die Urkunden des Klosters Pftfcrs, die Abhandlung über die Bader» Würfel, verschiedene andere Aufsätze z. B. über den Nutzen der Naturgeschichte in der Arzneykunst, über die Was, ftrmetcvren, über den Ursprung der Berge, über die Sündfluth, über die figurirten Steine u. v. zu danken. Am wichtigsten sind seine Alpenreisen und die helvetische Agrostographie. Ungeachtet der damals in der Natur, lehre noch herrschenden Vorurteile verdienen nichts desto weniger diese beyden Scheuchzcr alle Verehrung, daß sie es gewesen, welche zuerst in Zürich die Newtomsche» Erfindungen ausbreiteten und mit der Fackel der Ersah- rnng den Dunstnebel aristotelisch, cartesianischer Grillen vertrieben. Johann Karl Hettlinger. Derselbe ward den 28 März rs-k. im Kanton Schweiz gcbvhrcn. Das hettlingerische Stammhaus ist Hektttngcn, eine Burg zwischen Ruetschwil und Resten back im C. Zürich» Heinrich und Berchtolb von HelUingen waren ^c> adslicke Dienstleute des Kyburgischen Grafen Hartmanns des ältern im I. ir;o. Nach Anweisung vorhandener Urkunden war unsers Hettlingcrs Ahnvatcr, Werner Hetklingcr, im I. 157;. nach Schweiz gezogen. Sein Vater war Ich. Baptist Hettlinger und seine Mutter Anna Elisabeths Betschard. Im I. 1700. reisete er mit seinen Eltern nach Vollen;, wo sein Vater einem Bergwerke vorstand. Hier besuchte er mit seinem Bruder, der nachher als römischer Ritter, Patrizier, Pfalzgraf und Rath zu Schweiz starb, die italiänische Schule; manche Stunde borgte er, um seine Begierde zum Zeichnen zu befriedigen. Im I. 1708. kam er wieder nach Schweiz; daselbst trieb er die Stechkunst; ohne etwas pon den gewöhnlichen Werkzeugen zu wissen, erfand er flch eigene. Im I. 1700- kam er nach Sitten in Wallis. Bey dortigem Münzdirektor Wilhelm Craucr versuchte er die Elemente des Grabstichels und der Punzen. Mit Crauern reisete er im I. 1710. nach Luzern. Daselbst übte er sich in der Goldarbcitcrkunst und Iuwelierkunst. Im I. 1712. machte er in dem einheimischen Krieg als Frey. williger den Feldzng mit den luzernerischen Truppen. Alsdann fuhr er fort, zu Luzern, zu Mümpclgard, zu Pcuntrut, mit Crauern die erforderten Gepräge zu besorgen. Hier entstanden seine ersten Versuche in Schau- pfenningen und einigen fürstliche» Bildnissen nach dem Leben. Im I. 16 l6. gieng er nach Nancy. Hier ward er von dem Slempfclschncider des Herzogs, Saint - Urbain weggewesen. Also ficng er an, für sich selbst zu pos, siren; er wohnte bey dem herzoglichen Uhrmacher, der ihn Sainl-Urbain empfahl. Im I. 1717. gieng Hctt, iinger für sich allein nach Paris. Mitten unter allen Zerstreuungen lebte er da sehr haushälterisch; er kannte keinen andern Zeitvertreib als die Betrachtung der Kunst, werke; auch hatte er keinen Umgang als mit grossen Künstlern, wie z. B. Rotticr und Niclaus de Launay. Letzterer anvertraute ihm die Verfertigung einiger kbnig, lichen Schaumünzen. Achtzehn Monate hatte er in Paris zugebracht, als der Baron von Görz, auf Befehl seines Königs, eine Anzahl junger Künstler nach Stockholm berief. Ungeachtet Hettlinger eben nach England reise, fertig war, so entschloß er sich gleichwol, und zwar ohne Reisegeld und ohne einige Bedingniß, nach Schweden zu gehn. Karl XII. war damals in Norwegen. Hettlinger schnidt einen Stempel zur Probe im Gasthof; die Probe ward dem König zugesandt; schneller Befehl kam zur Befriedigung aller Forderungen des Künstlers; auch ward der junge Mann sogleich an die Stelle des verstorbnen, königlichen Medailleurs Karlstein gcietzet. Im I. 1713. lieferte Hettlinger zwo wichtige Schaumünzen, die eine auf das Ableben des Königs, die andre auf die Krönung der Königin Ulrica Elconora. Im I. 1720. folgten zwo andre, die eine auf König Friedrich, die andre, nach Auftrag der Neichsstände, auf den Staats, minister Graf Horn. Jedermann war mit des Künstlers Arbeit zufrieden, nur der Künstler selbst nicht. Mit schöpferischem Aug durchlief er den Kreis der Alterthümer; er studirte jenen Konrour, der seine Züge auf die Spitze Haars setzt; das Genie der Alten halte er nicht weniger aus ihren Kunstwerken als aus ihren Schriften kennen gelernt. Er betrat einen neuen Pfad, indem er die Kunst der Alten mit neuen Allegorien vereinigte. Der Umgang mit dem Staatsminister, Grafen von Tcßin, mit dem Baron von Härlimann, mit dem Kanz- leyrath Berch, mit dem fiirtrcflichen, philosophische" Alterthumskcnner Keder gab seinen, Geist die völlige Reise- S 5 Im I. 172;. schlug er den schmeichelhaftesten Beruf «ach Petersburg aus. Mit Erlaubniß des schwedischen Hofes begab er sich im I. 172S. über Hamburg. Hol» land, Tcutschland nach der Schweiz und nach Italien. Er traf in seinem Vaterland ein, eben da sein Bruder Hochzeit hielt, und sah bey dieser Gelegenheit seine künftige Gattinn zum erstenmal. Hierauf setzte er seine Reise durch Italien fort. In Neapel geriet!) er mit So» limcna in Bekanntschaft; in Rom mit seinem Landsmann Frey, und durch diesen mit Trevisani, Rusconi, Ghezzi und Ficaroni. In Rom verfertigte er die Schaumünze auf Pabst Benedicl XIII. dafür ward er von Sr. Hei» ligkeit mit dem Kreuze und mit dem Diplom des Rit» terordens Christi beehret. Kurz vorher hatte ihn Kaiser Karl VI. für seine Schaumünze mit einer güldenen Kette beschenket. In Venedig sah Hettlinger seinen alten, schwedischen Freund, des Marees, wieder. Von da gieng er weiter durch das Tyrol, durch Bayern, Schwaben und Franken nach Wien. An letztcrm Orte gerieth er mit Gennaro in vertrauliche Freundschaft. Nach einer kleinen Reise nach Prcßburg gieng er über Prag, Dreßden, Leipzig, Berlin, Hamburg, Coppcnhagen nach Stockholm zurück. Nach Wiederherstellung von einer beynahe tödtlichen Krankheit, gieng sein erstes Bemühen dahin, die chronologische, historische Reihe der schwedischen Könige in Schaupfenuinaen vorzustellen. Die eine Hälfte, 2». Stücke, vollendete er selbst; die andre, entworfne Hälfte über, gab er zur Ausführung seinem Schüler, Daniel Fehr- mann. — Hierauf lieferte er Münzen über die schwedischen Bergwerke, Handelsgesellschaften, Manufakturen u. s. w. Im I. 172g. lehnte er einen sehr vorthcilhaftcn Be- chf des Königs von Polen in chursächsische Dienste von ! sich. — Die Czaarin Anna Ivanowna anerbot khm im I. I7;c>. ein Jahrgehall von 1000. Ducalen. ausser der besondern Bezahlung seiner Werke: allein ihn, den kein Gold blendete, lockre auch dieß Anerbieten von Stockholm nicht weg. Um diese Zeit verfertigte er sein Bildniß auf einer Schaumünze, mit der Aufschrift In diesem Stuck erreichte er den höchsten Grad elastischer Vollkom, wenlicit: mi Umriß Festigkeit ohne Härte; im Fleische Mürbigkeit ohne Weichlichkeit; mit freyem, ungezwung» nein Falle der Locken, die gleich Wellen sich um seine Echläie bewegen. — Dieses Stück gab er zuerst mit dem Revers einer Eule heraus, mit Minervens Egide und Lanzc bewaffnet. Nicht lange währte es, und die« scs Kunstwerk ward durchgängig als ein griechisches Mei. stcrilück erklärt. Endlich zeigte Hettlingcr den vorgeblichen Ailcrthumskcnncrn, Laß sie ein schwedisches Wort für Griechisch angcsehn haben. LLrom bedeutet Schlecht und Recht. Es war sein Wahlspruch, und sein Leben bewies, daß er demselben treu war. Im I. 17 ;z. begehrte ihn die rußische Kaiserin Anna Ivanowna von dem König i» Schweden. Er gieng nach Petersburg und verfertigte daselbst das Bildniß der Kaiserin zu allgemeiner Bewunderung. Nach beynahe zwevjährigcm Aufenthalt in Rußland ward er von dem König in Schweden zurückberufen. Beym Abschied gab ihm die Czaarin ihre Schaumünze in Gold und Silber, und nicht ohne Widerwillen ließ sie ihn von sich. Er reifere hierauf zu Land in Schlafwagen bis nach Neval und von da, nicht ohne Gefahr, über das Meer nach Stockholm zurück. Im I. rciscte er, mit des Königes Bewilligung, über Stralsund, Mecklenburg, Hamburg, Ha"» nover« Cass-t, Frankfurt, Slcaßdurg, m die Schwel»' > um seine geschwächte Gesundheit durch die warmen Bq. der wieder herzustellen. Hier opferte er dem Hymen und vermählte sich im I. 1741. mit Maria Rosa Francisca Schorno. Um diese Zeit kam, nach dem Sturze -es Regenten Herzogen von Byron, die Prinzeßm Anna zur Regierung. Unserm Hcltlinger that sie sogleich die günstigsten Aner« bietungen» die er alle ausschlug. Ein Jahr hernach wur. den sie von der Kaiserin Elisabeth wiederholt. Er schlug es aus, nach Petersburg zu gehen, stach sie aber doch nach einem zugesandten Bildniß. Im I. 1742. reisete er mit seiner Gattinn nach Ber, lin. Daselbst lehnte er ebenfalls den vortheilhaftesteu Beruf von sich, um immer mit dankbarem, treuem Herzen der schwedischen Krone ergeben zu bleiben. Da aber seine schwächliche Gesundheit ihm die Rückreise nach Schweden unmöglich machte, so begab er sich in die Schweiz zurück, und lebte m philosophischer Einsamkeit zu Frcyburg im Uechrland. Im I. 1744. reiste er ohne seine Gattinn, seiner Geschäfte wegen, nach Schweden zurück. Durch unmäf» sigc Arbeitsamkeit aber und durch die Nachricht von den gefährlichen Gesundheitsumständen seiner Geliebten wurde er beynahe zu Tode gequälet. Im I. 1748. ward er zum Mitgliede der königlich- schwedischen Gesellschaft der Wissenschaften, und von dem König zum Hof-Jntcndenren erwählet. Nun aber dachte rr auf seine Entlassung, die ihm gnädigst bewilliget wurde. Er füllte fünf Kisten mit seinem liebsten Kunst, geräthe; unterwegs gierigen sie im Schissbruch verloren. Er selbst kam im I. 1746. zu Frcyhurg glücklich bey seiner Gemahlin au. Mrl ihechcgab er sich nach Schweiz. Im sechsten Jahr seiner Vermählung gebahr sie ihm eine Tochter, die itzige Wittwe seines Neffen, des verstorbnen Lany. 58 — «mmann Hettlingers. Im Jahr darauf reiste er nach Nürnberg. Daselbst verfertigte er die Schaumünze des Landgrafen Wilhelms von Hessen-Cassel, wie auch die Schaumünze der königl. preußischen Gcsellichaft. Er bekam das erste Ge- präg mit dem Diplom eines Mitgliedes. — Nach seiner Rückkehr in die Schweiz vollendete er die grosse Schau-, münze des grossen Friederichs, ferner einen Schau, pfcnning auf die letzigefeyerte, einfiedeknche Engclwcihe und das Medaillon für den Kanton Bern. Nie ober hat er sein Grabeiscn mit mehr Empfindung geführt, als da er im I. r?;;. seiner ihm allzmrühe entnßnen Schorno durch eine Schaumünze ein Denkmal stiftete. Auch kann man nicht ohne Rührung das Medaillon auf seinen Freund Kedcr betrachten. Mir den Jahren nahmen Hettlingcrs Fähigkeiten nicht ab. Sein König Georg II. in England, die Kaiserin Königin, Karl XII. König in Schweden, den er im 77sten Jahr verfertigt hat» find hicvon unverwerfliche Zeugen. In seinem Sittcn-Charactcr, wie in seinem Kunst- Character, waren Energie mit sanftem West», Hoheit -es Geistes mit Einfalt des Sinnes verbunden. Ein raisonnircndes Verzeichnis, der Hctllingerischcn Schaumünzen hat Joh. Casp. Füßlin im dritten Band der helvetischen Künstlergefchichte geliefert. Auch sind aus dem Füßlinischen Werke obige Nachrichten entlehnet. Johann Friedrich Osterwald. Derselbe war im I. 1664. gebohren. Die meiste Zeit seines vierjährigen Lebens hatte er zu Ncufchalel im Predig« amte zugebracht. Auf Befehl seiner Ober» verfertigte er eine neue Ordnung für die neuenburgifche Kirche. Nicht UWW > 2 « MM - » Z9 vur drang er fleißig auf daß Sckriftstudinm, auch schrick er Anleitungen zu nützlicher Lesung der heil. Bücher. Mit grosser Gelehrsamkeit verband Osterwald »«gemeine Bescheidenheit, Duldung und Mäßigung. Eben seine Friedliebe selbst machte ihn des Indifferentismus verdächtig. Burnct nennt ihn einen der besten und vernünftigsten Goltcsgclchrten. Turretin und Wercnfels schätz, ren ihn ebenfalls sehr hoch. Letzterer schmückte sein Bild, »iß mit folgender Innschriflr Ikic Olksrvslcll eik levis umbra; o vivn logusnsgus Illiu8 slstZies ksstor ubigue korst! Oskinsrsr caulkss corruxti gu-erers muüäi LuÄor, korts kuurn kupprilnecstgus lihrum. In diesen Worten zielt der Poet auf Osterwalds Buch von den Quellen des menschlichen Verderbens. Kaum zween Monate war es seit Erscheinung dieses Werkes, und schon mußte eine zwote Auflage veranstaltet werden; balv hernach erfolgte die dritte zu Amsterdam im I» 1700. auch ward dieses Buch in die teutsche, holländische, englische Sprache übersetzt. So wohl dasselbe überhaupt aufgenommen worden, so fand es doch immer noch hie und da seinen Tadler. Philipp Naudäus der Acltere, schrieb dagegen einige Anmerkungen, die er sei, ner Untersuchung zwoer Schriften von la Placette beygefügt hatte, für Osterwalden gieng hierauf in Handschrift eine Apologie hervor. Diese ließ Naudäus im I. 17,6. mit seiner Antwort drucken. Osterwald selbst beobachtete friedliches Schweigen. Ihn beschuldigte auch Ale, thophllus in der Illeologia mMica vsra, daß er die mystischen und fanatischen Lehrsätze nicht genug untcrschicde/r und daher jene in schwärzerm Licht vorgestellt habe. Von Osterwalds vortrefflichem Catcchismus sind sehr viele Ausgaben und Ucberfttzungen gemacht wor» den. * In den Ausdrücken und Redensarten fand die Geistlichkeit zu Bern und Basel vieles zu tadeln. Auch gegen den osterwalvischen Catecknsmus ließ sich Naudäus ins Felde. Ludwig Combes lammelte in einer eigenen Schrift alle Osterwaldische Sätze, die ihm von dem refvrmirten Lchrbcgriff abzuweichen schienen. Ungeachtet dieser Mißdeutungen erhält sich der Catechismus in dem verdientesten Anfthn. Im I. 1707. gab Osierwald die Warnung gegen die Unrcinigkeit heraus, die ebenfalls mehrma! aufgelegt und übersetzt worden. Im I. 171;. erschien seine Liturgie. Der Innhalt und die Betrachtungen über die Bücher und Kapitel der Bibel wurden das erstemal im I. 1720. zn Neufchatcl, das zwcylcmal und vollständiger im I. 1722. zu Genf herausgegeben. Schon vorher war eine Copey in die Hände eines Engländers gefallen; dieser ließ das Werk, ohne Osterwalds Vermissen, ins Englische überietzen und im I. 1716. zu Londcn herausgeben. Im I. ,724. folgte auf dieses Buch Osterwalds französische Bibelausgabe in Folio. Im. I. 1722. harre unser Verfasser zwölf Predigten herausgegeben. Werenfels gab ein Bedenken über die Vereinigung der Protestanten heraus, welches von Osterwald ins Französische übersetzt worden. Noch werden andre Schriften unserm Osterwald zugeschrieben, die er aber entweder nicht für die (einigen er, kennt, oder die unvollendet, ohne sein Vermissen, von seinen Schülern gedrukt worden. Unter diese gehöre«: Lompenclium LtbicL Lbriliiansr. Londen 1727. * Walcbs Introgu^. in lidlvs l^iribolicos ecel. lutb. s» Z 42 ' BuddenS lkLose, s. 442, c - iHe ^ WW . —- 6r Ueber den Kirchendicnst, in französ. Sprach«, Amster. dam i?;?. der erste Theil handelt von dem Predigkwesen Und von Unterweisung der Jugend; der zweyte Therl bk greift die Kirchenverwallung i» sich. Osterwald endigte sein wohlthätiges Leben in einem Alter von mehr als achzig Jahren. Noch sah er die neue Epoche theologischer Aufklärung und Duldung entsteh», wo u er selbst nebst Werenfcls und Turretin nicht wenig mitgewürkt hatte. Johann Jacob Breittnger. Der gröste Schulvcrbcsserer in diesem Zeitalter war ohne Wiederrcde Joh. Jacob Breitinger, derselbe erblickte das Licht der Welt den i. Merz 1701. Nach Vollendung der academischen Studien ward er im I. »7-0. zu dem geistlichen Stande eingeweyhet. Jene glückliche Müsse, welche den jungen Geistlichen von der Ordination bis zu einer Beförderung frey bleibt, wen, dcte er meistens auf das Studium der Alten. Durch vertrauten Umgang derselben machte er- sich ihre Denkart eben so eigen als ihre Sprache. Obschon der Kirche ge, wiedmct, glaubte er nichts desto weniger genaue Bekanntschaft der Griechen und Römer seiner eben so wenig un« würdig als Zwingli. Was schon, was gut und wahr ist, trägt daS Gepräg eines göttlichen Ursprunges^ wo es sich immer befind!. Pcrsius war anfangs der Licblingsdichter unsers Brei, tingers. Wichtige Stellen in den Satyren desselben, die auch einem Vos und Bayle dunkel geblieben, beleuchtete er, und diese Beleuchtungen fand der Präsident Bouchier so glück, lich, das er sich derselben zn werterer Ausführung bediente. Für einen Geist, wie Breitingers, war indessen die blosse Wörterkritik keine Nahrung, gar bald wurde seine Nei- 6s gung für dieselbe dem Geschmack für Weltweisbeit u-d schone Litteratur untergeordnet. Der Thesaurus der fchwci- zerischen Geschichte und helvetische Bibliotheck, an welchen er mit Bodmern den größten Theil nahm, sind Beyspiele, wie vortheilhaft der Philosoph« dem Kritiker, und dieser jenem die Hand biete. Indem unser Gelehrte gleichsam von Kindheit auf bis gegen sicbcnzig Jahre mit Bodmern im täglichen und innigsten Umgang lebte, vereinigten sich beyde, um vermittelst kritischer Werke für den Nationalgeschmack das zu werden, was für die Reformation des Glaubens Zwingst geworden. Nach dem Vorbild dieses letztem, war bey ihnen das Schöne in den Künsten keineswegs letzter Zweck, vielmehr war es Mittet zu Beförderung des Wahren und Guten. An dem fürtreflichen Bürgermeister Johann Caspar Escher fand Breitinger einen eifrigen Beförderer: durch das Ansehn und durch das Beyspiel desselben ermuntert, sah er das Studium der griechischen Litteratur als das beste Gegengift des schlechten Geschmacks an. Dem ge, nauen Umgang mir diesem Manne haben wir es zu danken, wenn Breitinger im I. 17;-,. anfieng, die meiste Zeit auf ein Werk zu verwenden, welches in näherer Beziehung mit seinem geistlichen Beruf war. Wir reden von seiner Ausgabe der siebenzig Dollmetscher. Die bosische Ausgabe war mangelhaft, die grabische selten und kostbar. Lctztre legte er zur Grundlage, und bestimmte sie nach den alcxandrinischen und vaticanischcu Handlchristen. — Im I. 17; erhielt er den hebräischen Lchrstul in dem untern Collegium, und bald hernach zugleich in dem obern. Bey seiner Inauguration hielt er die Rede lingua veo guali vernsculs esulgue virtutibus, und zu Erlctchlerung der heil. Sprachwustn- schaft schrieb er die Abhandlung über die hcbräl,che» Idiotiftnen. Nicht lange, so ward er genöthigt in dem erster» Cvllegium die logischen und oratvrsschcn Vorlesungen für einen andern über sich zu nehmen. Von dieser Zeit an richtete er' seine Gedanken hauptsächlich auf die Verbesserung des Schulwesens. Wie gesund seine Be- griffe hierüber gewesen, beweisen die Abhandlung äs so, ' sehr vergnügt ^ bis her unglückliche volnjschc Krieg einbrach; die Franzosen kamen über den Rhein, belagerten und eroberten Kehl, und überschwemmten das Land; man sah nichts als Iam-, wer, und damit das Unglück vollkommen würde, fiel der Herwg iy eine tödtliche Krankheit, und gieng nach Stutqard. — In dieser betrübten Lage glaubte Füßli das Beste zu seyn, den Herzog um Erlaubniß zu bitten, eine Reise nach Nürnberg zu machen; der Fürst sahe die Billigkeit dieses Begehrens, er beschenkte ihn mit einer goldenen Uhr, und sagte: reisen fic glücklich, giebt Gott Gesundheit und Frieden, so kommen sie zurück, der Herr von Pfau Wird deßwegen Briefe mit ihnen wechseln. — Er säumte nun nicht länger, nahm die Post, und kam glücklich nach Nürnberg. Er brannte vor Verlangen Kupezki ni sehen, ungeachtet ihn seine Freunde eine schlechte Aufnahme vermuthen liessen, so wagte er es doch zu demselben hinzugehen, und in einer Stunde waren sie die wärmsten Freunde. Kuvezki beredete ihn Zimmer im gleichen Hans zu nehmen, wovon der berühmte Land« schafts-Mahler Blendinger Eigenthümer war. — Nach und nach brachte er es dahin, daß noch der alte Hirsch-, wann, und Director Preißier mit von der Gesellschaft seyn durften, wo man dann alle Wochen bey Kupezki zusammen kam. — Niemals ist mit mehr Gründlichkeit von der Kunst gehandelt worden, als in dieser Gesellschaft. Unter diesen angenehmen Beschäftigungen verflossen beynahe i8. Monate, in weicher Zeit sein Gönner, der Herzog Eberhard Ludwig von Würtemberg, mir Tode "bgieng, und die Hoffnung zum Frieden durch das immer weiter um sich greifende Kriegsfcner vereitelt würbe. Ev ^schloß sich, seinem Vaterland einen Besuch zumachen, vorher aber noch Augspurg und München M besuchen, 7o um sowol die dortigen Künstler kennen zu lernen, als auch die seltene Kemähldcsammlung zu Schlcißheim zu besehen. — Er nahm von seinen Freunden den zärtlich, sicn Abschied, kam nach Augspurg; wo er mit freund, scdafllicv offenen Armen von Rugendas und Riedinger auf, genommen ward; besonders errichtete er mit letzterm eine genaue Freundschaft, die bis an seinen Tod, in einem für tue Kunst interessanten Briefwechsel unterhalten wor» den. In München wurden Brich, und Desmarees seine Freunde, in deren Begleit er Schlcißheim besähe, und dann seine Reise nach der Schweiz fortsetzte, wo er auch in seinem vier und brcysslgsten Jahr anlangte und nicht lange hernach sich verheyrathete. Ob es schon mit einer Person war, die er alle Ursache hatte zärtlich zu lieben, so pflegte er doch viermal zu sagen, daß sich dre Kultur der schonen Künste, und die Sorgen des ehelichen Lebens wenig mit einander vertragen. Wenn ihn indeß die Arzgclegcnbeiten des häuslichen Lebens bisweilen der Kunst wcggeraubel haben, so hat er diese Untreu dardurch gut gemacht, daß er seine Söhne zu Virtuosen erzog, auf die sich mit dem väterlichen Ruhme, auch die Talente des Vaters fortgeerbt haben. — Vermittelst seiner Kenntnisse erwarb sich Füßli die Freundschaft der großen Künstler; in vertraulichem Briefwechsel stand er mit Solimena von Neapel, Rigaud in Paris, wie auch mit den Kupferstechern Drcvcl, Sürge, Frey, und Wille; der Ritter Mengs beschenkte ihn mit einer Zuschrift über das Schöne, die unter Künstler mit einer Vorrede herausgab, und Winkelmann war sein beionderer Freund. Wesentlich bleibt das Schöne immer dasselbe, es mag nun durchs Aug, ober durchs Ohr, oder durch die E>m bildungskrast reizen; nicht weniger Gefühl halte Fuß" für die Grazien der Dichtkunst, als für das mahlerstch^ Schöne. In freundschaftlichen, Umgang und Briefwech. ftl lebte er mit Kleist, Klopstok, Wieland, Bobmer, und Brcitingcr. Mehr als Rang und Geburt erheben Talente; in genauer Verbindung stand Füßli mit einigen Personen von, ersten Range, besonders würdigten ihn ihrer Freund» schafl der Kardinal Roth, Graf Firmian von Mayland u. a. Obschon gewohnt mit den Grossen zu leben, war es doch nichts weniger als kriechende Aufwart, vielmehr reine Frcymüthigkcit, offenes ungezwungenes Wesen, wodurch er sich Zugang verschafft. Ungeschminkt die Wahrheit zu hören, «st so seltenes Glück für die Grossen, daß ihnen eben diese Wahrheit auch alsdann Willkomm ist, wenn sie auch selbst ohne Schonung gesagt wird. Was indessen bey einem Füßli wenig beleidigte, könnte bey andern unverzeihliche Dreistigkeit scheinen. Jene seltene Gaabe belaß er, allemal die Gelegenheit, und den Ton zu erhäschen, welche seinen auch noch so kühnen Einfallen zum Freybriefe dienten. Die Hitze und Frcymükhigkeik, womit er sich zuweilen ausdrückte, darf nur derjenige ungestraft nachahmen, der sie wie Füßli, mit eigenthümlicher Laune, mit Geistes-Gegenwart, und mit Dienstleistungen zu vergüten im Stande ist; nicht selten ist auch ihm fein offenes Wesen nachthcilig geworden. Seine Denkart indeß, nicht weniger als seine Talente setzten ihn über alle Ehrcnstellcn und Glücksgüter hinweg. Mit anrückendem Alter lebte er immer bey Hanse, unter Büchern und Kunstwerken, von welchen er eine auserlesene Sammlung besaß. Sein Haus war ein Zufluchtsort der Künste, der Freyheit, der guten Gesellschaft. Alle Tage versammelte» sich bey ihm Leute von jedem Rang und Alter; m abwechselnder Gestalt gieng das Gespräch von« scherz» haften Ton zum ernsthaften hinüber, von den Gegen, ständen der Kunst, zu pvftllschen und moralischen Unter» suchungen, allemal mit sinnreichen Einfällen und Anee« Voten belebt. — Inder Mittelmäßigkeit äusserer Umstände war es FüA lin vermittelst der Geschäftigkeit seines Geistes gelungen, Talent und Verdienst, besser als so viele Reiche und Grosse zu beschützen. Eine Menge armer Schüler hatte er nicht nur großmüthig ohne Entgelt» unterwiesen, ' sondern auch für dieselben Reisegeld einsammeln lassen , und ihnen den Weg zu vorcheilhaftem Berufe erleichtert. Uebcrhaupt machte ihn natürliche Thätigkeit sehr gefällig und dienstfertig. So sehr er sich selber vergaß; so sehr sorgte er für andere. Unfähig für sich selber an der Thür der Grossen zu klopfen, schämte er sich nicht Kotierten zu sammeln, wenn er zur Unterstützung eines Unglückliches irgend etwas beyzutragen im Stand war. — Solche Züge in dem moralischen Chacacter des Künstlers verdienen nicht weniger, als das Eigenthümliche in seinem Genie bemerkt zu werden. Indeß liegt jene Untersuchung ausser den Schranke« des Biographen, in wie weit moralische Auflagen, und Eteuercrprcssungen wirklich nützlich, oder in wie weit sie schädlich seyn können. Aus politischem Gesichtspunkt betrachtet , schemen dergleichen Anstalten, Veranlassung zu dem, Migen, was man in Rom Patronat oder Klientel hieß; etwas, welches unvermerkt zu einer Art ausschließenden Wohlwollens, zu Parteylichkeit und Factisnsgeist Gele, genheit giebt. Weit entfernt indeß war unser Füßli, sich in die Staatsangelegenheiten mehr einzumischen, als es mit seinem Hang zu philosovhischer Ruhe, und mit seinem Geschmack für die Künste bestehen konnte. Die Jahre 1740. und 1742. waren für Füßli höchst traurige Jahre, zwey seiner besten Freunde wurden iM durch den Tod entzogen, Kupezki und Rugendas, Män- ncr vorn ersten Rang in der Kunst, die er so vorzüglich - . - 7 § geschätzt und gelicbet hatte. Er opferte ihnen Thränen, und so viel an ihm lag, wünschte er, ihre Tugend, ,,»d Grösse der Nachwelt aufzubehalten. Er schrieb ihre Geschichte, und machte sie durch den Druck bekannt. — Und da diese erste Probe seiner Muse vielen Beyfall fand, äusserte sich in ihm eine unbezwingliche Begierde, seine würdigen Landesleute dem Moder der Vergessenheit zu entziehen, und so viel möglich eine vollständige Geschichte der besten Künstler des Schwcizcrlands herauszugeben. — Er brach« mit einer unnachahmlichen Mühe und Geduld dieses Werk zu Stande, in welchem er sich zugleich als schönen Schriftsteller, und als gründlichen Kunstrichter zeigte, und mit Verachtung auf diejenigen hinabsähe, die anS Unwissenheit, oder Neid, seinem Vatcrlande Künstler vom ersten Rang absprechen wollen, Leute, deren gröstes Ver, dienst im Handel mit altem und neuem Marmor besteht, und die etwa nach einer verstümmelten Bildsaüle, eine Nase oder ein Ohr ungeschickt anzuflicken bemüht sind, Füßli war von Jugend auf ein grosser Liebhaber von Kupferstichen, er legre sich nach und nach eine vorlrefliche Sammlung bey, und da er in Wien den, Zutritt zu der unschätzbaren, und vielleicht ersten Sammlung des Prinzen Eugens hatte, so bereicherte er seine Kenntnisse in diesem Fache bis zur Vollkommenheit. — Er glaubte allen Liebhabern ein angenehmes Geschenk zu machen, wenn er ihnen ein Handbuch darreichte, auf eine vernünftige Weise Kupferstiche zu sammeln. Er schrieb sein raisonirendes Verzeichniß der besten Kupferstecher, und ihrer Werke, und gab es durch den Drnck heraus. — Diese Schrift wurde mit allgemeinem Beyfall aufgenommen. — Zum Beschluß erwähnen wir noch Füßlins hettlinqeri- sches Medaillen-Cabinct; ein Werk, welches der sel. Hett, linger niemand als seinem Freund Füßli anvertrauen wollte, welches auch durch dessen Bemühungen das erste Werk 74 dieser Art seyn wird, und sowol den Herausgeber als Hettlingern verherrlicht. Niemand hatte mehr Geschmack, um den ganzen Werth der hetilmgerischen Schaumünzen zu empfinden, und niemand mehr Unparteylichkeit, um auch darüber ohne Hyperbole zu schreiben, wo selbst nach den Vorschriften eines Quintilians die Hyperbole erlaubt wäre. — Vielen Gelehrten und Künstlern, die sich durch Eifersucht entzwcycn, dtents zur heilsamen Beschämung, daß mit so manchem unter denselben Füßlin in der freund, schaftlichsten Verbindung gestanden, und immer fremdem Verdienste mehr, als eigenem, Recht widerfahren lassen, durch Nachahmung eines solchen Beyspiels würden die Musensöhne sich am sichersten vor dem Hvhngelächter un, kundiger Zuschauer verwahren. Er starb im I. 1781. nachdem er das Vergnügen genossen , daß der eine seiner Söhne sich einer entscheidenen Ruf als Künstler erworben hatte. — Verzeichnis, seiner Schriften. Leben Georg Philipp Rugendas, und Johannes Ku« pezki. — Zürich 17;«. Geschichte der besten Künstler in der Schweiz nebst ihren Bildnissen. Theile, Zürich 1769. 1779. Raisonrrendes Vcrzeichniß der besten Kupferstecher und ihrer Werke. — Zürich *77°. Geschichte von Winkclmanns Briefen, an seine Freunde in der Schweiz. Zürich 1778. Auf Befehl der Regierung. Rathschreiber-Ordnung, ic. rc. Zürich 1761. Mit einer Vorrede gab er heraus. Anton Raphael Mengs Gedanken über die Schönheit und den Geschmack in der Mahlerey. Zürich 1770. «88 M.W ^WWMM ,-;K« LMSÄS WB MM '-HA SA ->' -r«tzW ^P^z-rLk-! SÄ^- '^»7^ ->^.- 75 Johann Georg Sülze r. * Derselbe erblickte das Weltlicht den i6. Octob. 1720. in Winkcrthur, einer ehemahligen Municipalstadt deszürcheri, schen Kantons. Die Eifersucht, womit die Einwohner seines Geburtsortes über ihre Freyheiten wachten, flößte bey Zeilen auch ihm jenen Geist der Freyheit ein, der alle seine Reden, Schriften, Thaten beseelte. In der Jugend hatte sein Vater die Verfolgung der Reformieren in Frankreich erfahren. Dadurch ward in seinem Herzen Abscheu gegen religiösen Parteygeist erzeugt, und lebhaft pflanzte sich dieser Abscheu auch auf den Sohn fort. Im I. 17,4. an gleichem Tag verlor unser Sulzer Vater und Mutter. Von fünf und zwanzig Geschwistern war er das jüngste, und wer ihn gekannt hat, ist überzeugt, daß er nichts weniger als die Frucht er, schöpfler Lebenskräfte gewesen. — Bey zahlreicher Fa, milic konnte das Erblhcil nicht änderst als gering seyn. Kaum baß es zur Erziehung hinreichend war. Unser Sulzer ward dem geistlichen Stande gcwiebmet. Der pedantische Unterricht war ihm zuwider. Anstatt des Studiums der Sprachen, trieb er lieber geographische und cosmographische Studien. Reisebeschreibungen und Scheuch-, zcrs Naturgeschichte waren seine Licblingslccturc. Vorn Vater hatte er Geschmack am Gartenbau und überhaupt an der Landwirthschast geerdet. Im I. 17)6. ward er auf das Gymnasium nach Zü. rich geschickt. Wolfs teutsche Metaphysik war das erste gelehrte Buch, das er mit Aufmerksamkeit las. Sein * Um so viel lieber schränken wir uns auf kurzen Nekrolog ein, da Hirzel eine Lebensbeschreibung von Sulzer» geschrieben , die in jedermanns Händen sey» wird. Man seh auch Foriney und Vlankenburg, - Tischherr hingegen empfahl ihm nichts als die Bibel. Die öffentlichen Vorlesungen waren zu wenig zu seiner Fassungskraft heruntergestmrmt. Noch ziemlich unwis- send verließ er den akademischen Hörsaal. Das sitzende Leben war ihm zuwider. Lustparteyen , Svazierqänqc und Spiele raubten ihm alle Zeit weg. Immer blieben indessen seine Sitten unsträflich. Johannes Geßner war es, der durch Beyspiel und Handlcitung ihn zum Tempel der Gelehrsamkeit führte. Auch Bodmer und Breitmger suchten den Geschmack des Jünglings zu bilden. Noch blieb er unentschieden zwischen dem Studium der hebräischen Sprache, der wolfianischen Philosophie und Lmne's System. — Im I. i?;«,. ward er zum Prctigamt eingc- wcyht. Im I. 1740. ward er Hausinformator in einem der besten zürcherischen Häuser. Hieraus ward er Vikar beym Pfarrer zu Maschwanden. Gerührt von den Schönheiten der Natur schrieb er im I. 1741. die moralischen Betrachtungen über die Werke der Natur, welche Sack in Berlin herausgab. In den Gegenden von Maschwanden wurden einige Alterthümmer entdeckt. Durch das Ansetzn des benach, barten Landvogts von Knonau erhielt er Erlaubniß z»m Nachgraben. An den Ufern der Reuß, zwischen Mafth- wanden und Lunnern wurden Ueberreste einer alten, römischen Stadt entdeckt. Im I. 1742. machte Sulzer eine Reift in die benachbarten Alpen, wovon tue Nachricht gedruckt ist., Gefährlich krank kam er von der Reise zurück. In Geßners HauS ward er wieder gcheilet. — Nachher kam er als Hausinformator zu dem reichen Handelsmann Bachmann nach Magdeburg. Im I. 1744. machte er in Magdeburg Bekanntschaft mit Sacken. Dieser lockte ih» I. ,745. nach Berlin. Hier genoß ex Eulcrs nnb Mau« pertuis Gesellschaft. — 77 Während feines Aufenthaltes zu Magdeburg edirte er seine Übersetzung von Schenchzcrs helvetischen Bcrgrei. sen. Auch schrieb er sein Buch über die Erziehung und Unterweisung der Jugend. — Unterwelten hatte er den Beruf als Instruclor des Erbprinzen von Anhalt-Bern« bürg erhalten, denerausschlug. — Auf Sacksund Eulers Fürbitte verschalte ihm Maupertuis im I. 1747. den mathematischen Lehrstul an demjoachimsthalischen Colle. gium m Berlin. Grosse Verdrießlichkeiten verbitterten ihm biese Bedienung. Zu Magdeburg hatte er in Bachmanns Hause die Richte dieses letztem, Wilhelmme Keusenhoff, kennen ze« lernt. — Gerne unterzog er sich allen Unbequemlichkeiten feines Professorats, da er durch dieses in den Stand gesetzt wurde, das lrebenswürdigsie Mädchen zu heyrachen. Im I. >750. erhielt er vom König die Erlaubniß zu ei. ner Schwcizcrreise. Unterwegs verlobte er sich in Mag- dchurg mit seiner Geliebten. Von da gieng er mit Klop» stok nach Zürich - und kam glücklich nach Berlin zurück. Den 29. Ottob. ward er zum Mitglied der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften ernennt. Als Mit, gUed der philosophischen Classe, beschäffcigte er sich mit Psychologischen Untersuchungen. Dieselben wurden seither ins Teutsche über>ctzt und zusammen gedruckt. Seine letzte Abhandlung hatte die Unsterblichkeit der Seele zum Gegenstand , über deren Betrachtung ihn der Tod überraschte. Ununterbrockmes Speculiren war Sulzers thätigem Character entgegen. Er that kleine Reisen; er lebte bey Hofe; er baute Häuser und Gärten. Immer war er ^reit» mit Rath und That dem Nächsten zu dienen. — I. 1760 hatte er «eiiie unvergleichliche Ehefreundin Floren. Seit diesem unglüklichen Ereigniß erholte er sich nie völlig wieder. Um sich zu zerstreuen, erhielt er im I, die Erlaubniß, ins Vaterland zu reisen. Den Wn.- I 78 ter durch beschäftigte ihn seine Theorie der schönen Künste und Wissenschaften, die er noch vor seinem Hinschcid vollendete. Im I. 176; rief ihn der Frieden nach Berlin zurück. Das Professorleben ward ihm zuwider und er verließ , mit königlicher Erlaubniß, den Lchrstul. Sein Entwurf gieng dahin , sich mit seinen zwo minderjährigen Töchtern in der Gegend von Zürich niederzulassen, um daselbst in philosophischer Stille den Tod zu erwarten. Der König aber behielt ihn in Berlin zurück und gab ihm ein Jahrgehalt, nebst einer Profcssorstclle bey der ncuentstehenven Ritteracademie. Noch vor Entstehung derselben reisete er nntMttchcl, dem englischen Gesandten, nach Spa. Von da gicngen sie im I. 1764 nach Brüssel. Im Novem. ber kam Sulzer nach Berlin zurück. Seinen Garten und sein Haus hatte er verkauft. Der König aber schenkte ihm unweit der Stadt einen Platz zur Anlegung eines neuen Landsitzes. An diesem Orte brachte er vom Jahr 176; bis an sein Ende seine liebste Zeit zu. Im I. 1765. errichtete der König eine Commißion, um die öconomischen Angelegenheiten dcr Academie in Ordnung zu bringen, und dieser Commißion ward auch Sulzer zugeordnet. In gleichem Jahr ward er zum Visita« tor des joachimsthalischen Gymnasiums ernannt. Einige Jahre hernach bekam er mit Sack und Spaltung den Auftrag zur Reformirung der klostcrbergischcn Schule, wie auch der Schulen und Gymnasien zu Settin und Star- gard. — Mit Eifer übernahm er den Auftrag, und Verdruß war die Frucht seiner Bemühung. — Im 1768 hatte er zum Gebrauch der Schulcassen die Vor»* düngen zur Erwcckung der Aufmerksamkeit und des Nach' denkcns cdirt. — Hierauf schrieb er nach langer Geists entkrästung wieder in etwas belebt, seine Anmerkung^ über den gegenseitigen Einfluß der Vernunft. — A»w 79 dieser Arbeit kehr man es nicht an, daß sie unter mancher- lev» bald körperlichen, bald öconomischcn und politischen Beschwerden, unter Anhäufung schwarzer Galle, vcrfer. tiqt worden. »ES ist nun (schreibt er an seinenBodmer im März 1768) » meine Art oder Unart, durch Geschäfte » zu dem freundschaftlichen Briefwechsel und auch zum » Studircn untüchtig zu werden. Briefe an meine » Freunde sind Leckerbissen, Gerichte eines feinen Nachti» » schcs, die man nicht zu gemessen verlangt, wenn man » nicht völlige Müsse hat zu sitzen, so lang man will. z» Unterm 4. Junius schreibt er: Ich muß es nur gesteh«, » daß es nicht immer Geschäfte sind, die mich am Schrei- „ bcn hindern. Bisweilen ist es Trägheit, Unmuth, oder » wie das Ding sonst zu nennen ist. Häufige und an- » haltende Zerstreuungen setzen mich so sehr aus der Fast, ,, snng, in welcher ich meine Gedanken sammeln kann, » heraus, daß auf jene eine Stille folgt, die mir eben » so verdrießlich ist als die gänzliche Windstille dem See, „ fahrer. Alles, was sonst in der Seele sich zu regen >, pflegt, wird alsdenn schlaff, und bleibt es so lang, bis „ der Geist, durch die Last seiner eignen Trägheit gereizt, „ sich wieder ausrast. — Endlich gab er im Jahr 1769 sein vortreffliches Wörterbuch der schönen Künste und Wissenschaften unter die Presse, ein Werk, ganz den svcraliichen Grazien gcwicdmet. » Mit der Hauptsache, schreibt er hierüber an Bodmer, »bin ich zufrieden; ich bin überzeugt, daß ich die wahren Grundsätze der » Kritik gefunden, und jeden Zweig der Kunst, wo '» ihre besten Früchte wachsen, erkenne; aber in manchen » besondern Artickeln hatte ich bisweilen nicht Zeit, bisweilen nicht Lust genug, jedes Einzelne lange genug zu überle. " flen, und ich gestehe, daß ich an diesen Stellen oft " die einfachsten und hellcsten Begriffe nicht erreicht und " den leichten und kernhaften Ausdruck nicht gefunden 8o -- „ habe." Der erste Theil dieses unsterblichen Werkes er» schien indem Jahr >771. In demselben find die Musen und Grazien, Geschmack und Philosophie, gründliche Begriffe und schöner Vertrag vereinigt; durchgängig wird auf den moralischen Zweck der Künste Rücksicht genommen. Zu gleicher Zeit schrieb er für die Academie psychologische Betrachtungen über den sittlichen Menschen. Im I. »770. entwickelte er in einer andern academischen Schrift den Begriff von dem ewigen Wesen. Im I. 1771. laS er der Academie seine Gedanken über einige Eigenschaften der Seele, in so fern sie mit den Eigenschaften der Ma» tcrie eine Achnlichkcit haben, zur Prüfung des Systems von dem Materialismus. — Merkwürdig ist es, daß sein Geist sich mit Betrachtungen über die Todesfurcht bewaf, netc, da er sich so augenscheinlich dem Tode näherte. Auch aus den tiefsinnigsten Abstraktionen wußte er vractische An» Wendung zu zichn, und mit gelehrten Nachforschungen blieb immer thätiges Leben verbunden. — Zu gleicher Zeit trat er in die Chöre der Dramatisten; nicht nur bereitete er des Mercicr Deserteur für das Berliner-Theater zu, auch versuchte er zu eben diesem Behuf Shackesspears Cym» bcllin in ein regelmässiges Stück zu verwandeln. Ein Geschafft, wozu der Phifosoph wenig gemacht schien! Um dieft Zeit hatte Sulzer den ersten Anfall von jener Krankheit, dir ihn der Well raubte. Hirzel erzählt, daß er sich auf einer Reise, die er nach Dresden und LeipM that, und auch nachher aus seinem Landgut »erkältet, und dadurch ein Brustfieber sich zugezogen, das er vec- nachlässiger habe. Andre Leute erzählen es anders. D>< Königinn von Schweden war in diesem Jahr in Berlin» sie ließ Sulzern einst, an einem heissen Sommcrtag, ssa* zum Essen einladen; er war schon erhitzt; unglücklich^ Weise kam er in einem Zugwind zu sitzen, und jedes «>n* »8 glückliche Fieber war die Folge. Unaufhörlich kränkelte er von dieier Zeit an. Im December 1771. erhielt er eine Einladung vom Herzoge von Curland nach M-tau, um ihm bey Errichtung eines neuen Gymnasiums beyzustehen; er lehnte die Einladung ab, entwarf aber, trotz seiner Kränklichkeit, den Plan zu diesem Gymnasium, und bemühte sich eifrig Um gute Lehrer für dasselbe. Im Herbst des Jahres 177;. war er durch Kränklichkeit zu den Geschafften in der Lcols milüsirs unvermögend geworden. Itzt wünschte er nur io lange zu leben, bis er seine Theorie Vollender hätte, und diese vollendete er im I. 177». — WaS ihm seinen kränklichen Zustand am beschwerlichsten maclite, war, wie er an Heren Rr,ch schr-rb, »der Druck der langen Weile, da er so v.ele Tage ganz allein, in seine Stube eingeschlossen, >, zubringen mußte. — Es kränkt mich, daß ich in euiem Alter, weiches eigentlich das gvibne Alter so vieler mer, ner Mltdrüder ist, unbrauchbar seyn ,oü. Ich fange »r an, des L«benS überdrüßig zu werden. " — Sein Zeit» ve't.eib war Netze ste cken, womit er kündigen Sommer Huwe fangen woltre Diner künftige Sommer im I. kam mir immer zunehmenden Leibesdeichwerden, ^gleich sich in den Memoiren der Acadcmie auch noch in diesem Jahr von >bm Libellen befind«», nämlich die Ab« hanbr»n,,cn über du Unsterblichkeit der Seele, physikalisch ^tract-ltt. Zur Erleichterung seiner Leirrsbeschwrrden machte er, Havers Ai.ratven. eine Rene nach Nizza, wovon das ^dr imcrcffante Tagebuch grdrnckl ist. Auf dicfcr Reue Ehielt rr den letzrcn Bewcro von der Achtung trs jrönigj Preussen; er ernennte ihn, m «einer Abweienhett, «um Dirrcror der philssophifchen Klaffe der AcadrMie. — F 8r - . n . In dem reinem Klima von Italien schien seine Gesund, heit zu gewinnen; allein im Herbst 1776 vermehrten sich seine Beschwerlichkeiten. Am letzten Tage des Jahres 1777. ließ ihn der König von Preussen/ nebst Herrn Mcrian zu sich rufe»/ und Formcy berichtet / daß Snlzcr nach ziemlich langer Unterredung mit dem gekrönten Philosophen seinen Freunden gesagt habe/ er bestätige von ganzem Herzen Vvl, tairens Urtheil von dem König/ den er für den geistreichsten und angenehmsten aller Menschen in der Unterhaltung erklärte. Unter den verschiedenen Gegenstände» des Gespräches mit dem Monarchen war die Religion nicht der geringste. Da sie dieser bisher entweder durch orthodoxe Pedanten oder durch leichtsinnige Freygeister nur schief ansehen gelernt hatte/ so ward er nunmehr für dieselbe mit Ehrfurcht erfüllt, als ihm Sulzer den wohlthätigen Einfluß des spaldingischcn und Menschen Lehrbegriffs vor Augen gestellt hatte. » Den Tag vor seinem Tode, schreibt sein Freund ,, Wegelin, „ redete Sulzer noch mit aller möglicher ,, Heiterkeit des Geistes mit seinen Freunden. AIs er einst« » mals durch heftige Schmerzen darin» unterbrochen wur- ,, de, stieß er einen Schrey aus, setzte aber gleich hinzu: ,, Ach Gott, du bist auch Vater; du wirst mir nicht mehr »auflegen, als ich tragen kann. — Und nun fuhr er „ruhig fort. Als ihm einer seiner Freunde an diese'« „Tage sagte, er hoffe ihn noch einmal wieder zu sehe", » antwortete er sehr gesetzt: ja, auch ich hoffe es; oö'^ „ dies« Hoffnung würde das Leben ein elender Traut« „ seyn. " — Er entschlief sanft den Febr. 177s- "" zeigte bis auf die letzte Viertelstunde Gesundheit Gegenwart der Seele. Sulzer hat zwo Töchter hinterlassen. Die älteste '! an den churfürstlich-sächsischen Hofportraitmahler, 6M 8z Svn Winterthur, verheyrathet; die jüngste vcrheyrathete sich erst nach dem Tode des Vaters m«t Herrn Chevalier, königlichem Mahler in Berlin. An diese lctztre war der, aus den Zeitungen bekannte Br-ef des Herzogs von Cur- land gerichtet, der hier zum Beschluß eine Stelle verdienet. Er war aus Mitau vom 2;. April 177-. ,, Schon lange suchte ich Gelegenheit, Ihrem würdi- „ gen Vater, dem seligen Herrn Sulzer, für die Bcmü- „ Hunger,, die er aus Freundschaft zu mir übernahm, und » für die wahren Vortheile, d,e ihm meine Unrcrchanm „verdanken, Beweise meiner Erkänntlichkcit zu geben. „ Sein Tod, ein Verlust, an welchem ich mit Ionen „Theil nehme, bringt mich um das Vergnügen, meine „ Absicht auszuführen. Ich schmeichle mir daher, Sie „ werden mir die Genugthuung nicht versagen, und bey- „ gebendes Billet, als ein Merkmal meiner Achtung an, nehmen.,» — Das Billet war eine Anweisung auf tau, send Tbaler. Albrecht von Hakler. Derselbe ward den 16. Ocrober 1708. gcbohren. Sein Vater war der erste bcrnerische Lankichrewer der Graf, schaft Baden, nachdem selbige im I. 17,2. von Bcr» Und Zürich erobert worden. — Schon in dem siebenten 3 ahr ftmrs Alters sienq der junge Hallcr an, alles, h'as er gelernt hatte, in Schrift zusammen zu fassen. In s^nem zwölttcn Jahr las er Bayle und Moreri; nach deren Anleitung verfertigte er Aufsätze von dem Leben *""ger hundert Gelehrten. Dichtkunst war seme Lieblings, Echvlunq, er machte Verse und bcsondeis Epigrammen in ^schiedenen Sprachen, auch ein episches Gedicht von Versen. Von dem Vater ward er zum geistlichen lande gewiedmet, und bey Hause von einem Privatteh- F r L4 - rrr nnterlviesen. Nach dem Hinjcheid des Vaters kam verjünge Mensch im I. 1721. in die öffentlichen Collegi« zu Bern. Immer blieben Historie und Poeste seine liebste Beschäftigung; die Rechenkunst lernte er von selber — unvermerkt erwachte bey ihm Neigung zur Arzncykunst. Bon seinen Verwandten ward er nunmehr nach Biet ge» schickt : allein der cartefianische Pcdantismus seines dorti- gen Lehrers schreckte ihn vom Studiren beynahe ganz ab; immer belustigte er sich am liebsten mit poetischen Pyan, tasten. Im I. 172;. begab er stch nach Tübingen; da. selbst übte er stch in der Zergliederungskunst und Botanik. Vom Jahr 1725. bis 1727. war er in Leyden. Wenn eS für ihn ein Glück war, einen Boerhaven und Albin -m Lehrern — so war es für diese ein Theil ihres Ruhmes, einen Halter zum Lchrjünger zu haben. Von Leyden begab er sich erstlich nach England und hernach nach Paris; an letzterm Orte besuchte er sieben Monate lang die Spitäler, um sich auch in der Wundarznrykunst zu üben. Ein? Krankheit machte seinen Vorsatz, nach Italien zu reuen zu nichte. Im Frühling 1728. gieng er nach Basel. selbst brachte er es unter Anleitung des Joh. Bernoulr in den mathematischen Wissenschaften »»gemein weil; s» sehr verliebte er sich in diese Wissenschaften, daß er aucy an seinem Hochzeittag stch mit dem Differential. Calcu' beschäftigte. Der Anblik der Alpen verstärkte seine Neigung zr>^ Botanik. Mit seinem Freund, dem Chorherr Grßnes von Zürich, that er eine Reise durch die ganze Schwt> Dergleichen botanische Reisen setzte er hernach alle Jab^ fort. Einer derselben haben wir sein Gedicht über d.e Alpen zu danken. Schon im zwanzigsten Jahre vertrat er in Basel e - nige Zeit die anatomische Lehrstelle; zugleich nahm er bey einem andern Professor Privatunterricht über die ausüben- -ü—— 8§ de Arznsykunst. Nicht zu scheu war er zum Lehrer, zu stolz nicht zum Schüler. Zum erstenmal hatte er sich im Jahr i?;i. vrrheyra, thet und nunmehr lebte er in Bern, jedoch ohne öffentliche Bedienung. Im I. 17)4. ward für ihn ein anato, misches Theater errichtet; dasselbe besorgte er ohne Besol, düng. Auch gclangs ihm nicht» die lcdiggewvrdneStelle eines Spitalarzts zu erhalten. Im I. 17,5. aber ward er einhellig zum Bibliothekar der Stadrbibliothcck erwählt. In diesem Amt brachte er die zahlreichen Schaumünzen in Ordnung. Ungefähr um diese Zeit ernannte ihn die königliche Gesellschaft zu Upsal zum Mitglied. Ihm ward es nicht so gut, ein Professorat in Bern zu bekommen; er selbst glaubte, daß hieran einige stiner Satyren Schuld seyn. — Also gieng er dann im I. 17)6. als Lehrer der Arzneykunst, der Botanik und Chirurgie nach der neuer- richteten, hohen Schule in Gdttingen. In wenig Tagen dach seiner Ankunft hatte er seine Gattinn verloren. Um den Schmerz zu besiegen, verdopvelte er nunmehr seine gemeinnützige Thätigkeit. Er legte einen medicinischcn Garten und ein anatomisches Tbcater an; er brachte eine reformirte Kirche zu Stande; er errichtete eine Hebam» wenschule, ein Collegium von Wundärzten) und endlich ^e königliche Societät der Wissenschaften , davon er der beständige Präsident war. Die Belohnungen wuchsen mit ^inen Verdiensten. Im I. 17z,. bekam er den Titel E'nes königlichen Leibarzts; im I. 174;. eines königlichen Hofrathes ; im I. »740. ward er zum Mitgliebe der könig-. Gesellschaft in Londen, im I. 174;.- zum Mitglie- dr des grossen Rathes in Bern erwählt. Im I. 1747^ '§ni er als der zweyte Ausländer in die königliche Aca- der Wissenschaften in Stockholm; auch erhielt ev ^vcationen nach Oxford und Utrecht, die er aber ausging.. Unterweilen hatte ex neue Schweizemism gemacht 85 und sich zum zweytcnmalc verheyrathet. Im I. 174» ward er Mit seiner Nachkommen,chaft von Kaiser Franz I. in den Adelstand erhoben. In gleichem Jahr erhielt er von dem Köniq in England, der die hohe Schule in Göt, tmgen besuchte, vor,übliche Merkmale des Wohlwollens. D>r Kömg von Preussen ließ ivn ,m I. ,740. na B r- lin vrrufen; daselbst «ollce er, ohne Ai.ssrag zu einiger bestimmten Arbeit, em amchnliches, köngschcs Gehalt gemess n: allem er schlug den Beruf anr; doch ward er zum Mitglied der königlichen Academie m Berlin, und hernach im I. 17;«. ebenfalls zum Mitgliede der kasserli, chrn Academie der Naturforscher, wie auch zum Mitglied der Academie in Bolognc, und der pansischen Academie der Wundärzte ernannt. Eine grosse Gesellschaft von Gelehrten und Standespersonen, unter welchen auch der König von Dänucmark war, machte ihn zum Direkter einer «mcncanlschcn Reise. Wegen Geschwächter Gesundheit verließ er im I. 17;;. Tenlichiand und wurde Ammann in Bern. Diese Wiederkunft bat Mörtkofer durch eine Schaumünze verewigt. — Die botanische Gesellschaft zu Florenz und die helvetische Gesellschaft in Basel nahmen itzt Hallcrn in ihren Scboos auf. Im I. 1754. erhielt er von Ludwig XV- was man in Frankreich le Lorclon bleu ä'un komme lettres nennt, eine Stelle unter den acht fremden Mitgliedern der königlichen Academie der Wissenschaften Paris. Noch hatte ihn der König von Preussen nicht vergessen. Im I. »7;;. trug er ihm durch viele Brief* die Würde eines Curators der Preussischen Academie» "" urd vie durch den Tod des Freyherr» von Wolf erledigt* Kanzlerstclle bey der hohen Schule in Halle an: allein v»" dem täglichen Rath in Bern ward Haller ersucht, sich f*^" ner seinem Varerlande zu wiedmen, und Haller zog Vaterland seinem Glücke vor. Seit seiner Zurückkum 37 Zimte er dem Staate in dem academischcn Senat, indem Obcrcvnsistorium, in der Landesfriedlichcn Kanrmer u. a. Mit besonderm Ficisse arbeitete er an der Verbesserung der Salzmerke, wie auch an dem Entwürfe des Waisenhauses. Im. 1757. ward er nach Lausanne gesendet, um daselbst der Academie eine vorthcilhaftere Einrichtung zu geben. In dem folgenden Jahr machte er auf obcrkeik. lichcs Ansuchen eine Reise nach Kulm, woselbst unter seiner Anleitung.beträchtliche römische Altertbümmer ent« deckt wurden. Im gleichen Jahr wählte sich Haller die Aufsicht aus über das Salzwesen von Röche, ein Amt, das ihm jährlich ?oc>o. Gulden an baarem Geld auswarf. Nunmehr hatte der Gcnfersce zween merkwürdige Anwohner an Voltaire« und Hallern. Glückliche Gegend, wohin sich die erhabensten Genie», fern vom Glänze der Thronen, in die freyen Schatten begeben! In der sechsjährigen Müsse, welche ihm die Aufsicht der Salzwcrke verschaffte, durchreistte er zu wiederholten Malen die ganze, umliegende Gegend, und von derselben verfertigte er die genauste Beschreibung. Um so viel heiliger ist für die gelehrte Welt fein Pathmos, weil er im Cchoossr der Ruhe und Freyheit die (grosse Physiologie ln Stande bringen konnte. Auch zu seiner schweizerischen Flora sammelte er hier sehr beträchtliche Beyträge; auf eigne Unkosten sandte er Leute aus, die ihm Pflanzen aus Vvch unberciscten Gegenden Helvcriens zurückbrachten. Diele neuen Entdeckungen sind in der Hiliorig 8tirplum Ilel- ^ricsium enthalten, welche im I. 1768. in drey Folw- l'änden herauskam. Nach seiner Zurückkunft in Bern ward er in die ^erappcllationskammer des teutschen Bernergebictes er. Wählet; so ward er ein Ncchtsgelehrter, schlichtete Processe und revidirte das Gesetzbuch des Amts Aelcn In ev landwirihschaftlichen Eommittee besorgte er die allge- 88 meine Landwirtschaft; noch genauer besorgte er dieft als President der öconomischen Gesellschaft in Bern; eigne Versuche machte !er in der von ibm gekauften H rrschaft Loumoens Is jux und Lclagnen. In der Direcnon über das Waisenhaus bezeigte er für dir Aufnahme desselben den edelsten Eifer. In den Jahren 1766 67. 6g. zeigte er sich vorzüglich auf dem politischen Schauplatze. Nebst den einswatsvoiie. stcn Männern ward er dem geheimen Rache als aufferar, denklicher Beysitzer zur Behandlung der Genfer Zwiste zugeordnet. Hier einwarf er die meisten Schriften, die dem französischen Hofe. besonders wegen der Veränderungen zu Versoix, zugesandt worden. Mit dem ,ranzest« sehen Gelandten trat er auch selbst in persönliche Unterband» lmig. — — Zwischen dem chayerischcn Hof und dem Kanton Bern vermittelte er einen beträchtlichen Salziie» ferungstractat. Beynahe wäre Haller seinem Vaterland von neuem entrissen worden. Einen Ruf nach Pclerburg lehnte er zwar von sich selbst ab. Weit dringender war der Ruf des englischen Hofes; derselbe bot ihm die Kanzlerstcllc zu Götlingen nebst beträchtlichen Vortheilen an: allein der tägliche Rath hielt ihn abcrmal zurück; und der grosse Rath gab ihm eine seltene P obe seiner Hochachtung; derselbe ernennte ihn zum beständigen, ausserordcntlicheu Beysitzer des Sanitätsrathes; zugleich erhielt er damit ein Jahrgehalt von 1500. Liv. Seither entschloß sich Haller in der Stille ru leben. unermüdetem Flctsse erfüllte er die Pflichten des Vaters, Bürgers, des Regenten, des Lehrers. Selbst die geschwächt^ Gesundheit war nicht im Stand, ihn zu e nein weniger tha* tigern Lebe» bewegen. Seine Beyträge zur Encyklopädie siud beträchtlich; zu mchrern Bänden wuchs seine medicinrick^ Blblisttzcck an. s^aulich sind ferne Briefe über diewitb' WNL- -S^^. -? ^ 89 1,'gsten Wahrheiten der Offenbarung; seine politischen Romanen verrathen tiefe Kenntnisse über die Gesetzgebung. ErwaS seltsam scheint eS, daß die großen Genien, ein Hakler, ein Fenelon, Rousseau, Moutesquiou sich genöthigt sehn, zu der Horn, der Romane Zuflucht zu nehmen, wenn sie Weisheit und Tugend ausbreiten wollen. — Wenige Zeit vor ftm m Hmscheid sah sich Haller mit einem persönlichen Beiuche des Kaiser» Josephs beehret. — — Er starb rm 2- »777. Ulrich Zwin-lt. * Di'ser Mann dessen Verdienste freylich heut zu Tage von manchem Sckwachkopf» welcher sich durch öffentlich Verachtung »der gar Bcrläugnung aller Relrgwn, und Gcringschg- zung aller derjenigen Männer, welche sich um die Ausbreitung sowol als du Wiederherstellung derselben verdient gemacht, auszuzeichnen sucht, mißkennt,und als ein Fanatiker dargestellt wird, verdient gewiß als einer der größten Wohlthäter des Menschengeschlechts allgemeine Verehrung,und muß uuS jezlleb enden doppelt wichtig und schätzbar seyn, indem dem er einer der ersten war, welcher die Sklavenfesseln, welche der ganzen Christenheit durch die schlaue, aufUnwis. ffenheit und Aberglauben der Manschen berechnete und Unwis. scnheit und Aberglauben unterhaltende Politik der Päpste zerbrach, Freyheit der Meinungen, Freyheit zu reden und zu schreiben wieder hervorrief, allen Versuchungen, allen reizenden Versprechungen, mit gleicher Festigkeit so wie öffentlichen Drohungen und Feindseligkeiten widerstand, und gewiß auch selbst zu emem freyern Denken über po- litrsche so wie über religiöse Gegenstände den Anfang *) S. Bullingers handschriftliche Rcformati»nSgeschichte, Hot- tmgrrS Ärrchengeschichte, Füi Uns Beyträge, wie anch Mycomus, Adarm, Schlicks, NnschclcrS Lebensveschrei" bungcn. 9 ° machte — eine kurze Schilderung seiner Zeiten wird diese Behauptuyg ganz rechtfertigen. Durch alle nur möglichen Künste hatten die römischen Bischöfe, nach und nach eine ganz uneingeschränkte und despotische Herrschaft über die ganze Christenheit sich erworben, — die sie als wahre Tyrannen zur Erfüllung ihrer Leidenschaften mißbrauchten, und sich sowohl zur Vermehrung und Behauptung ihrer Macht, als auch zu Bestreitung ihrer für Nachfolger Christi ganz unanstärr- digen Ausgaben die empörendsten Mittel erlaubten — Diese Mißbrauche hatten im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts die höchste Sluffe erreicht. — Die aller!«, sterhaftesten Menschen hatten nacheinander den päpstlichen Stuhl bestiegen, und da zu ihren Ausschweifungen, zu ihren Kriegen und zur Befriedigung ihrer Baulust, die gewöhnlichen Einkünfte nicht hinreichten, suchten sie sich durch die abscheulichste, alle Sittlichkeit und Tugend rodende Ablaßkrämerey neue Quellen zu eröffnen — Alle Länder Europens wurden nun von solchen Ablaßkrämcrn überschwemmt, welche mit Markrschreyerkünsten ihre Waaren feil botten, und dem leichtgläubigen Volke sein Geld auf die unverschämteste und unanständigste Weise abstahlen. Die Hauptstäze solcher auffallender Mißbräuche war die damalige Unwissenheit, welche von den Päpsten und von der Geistlichkeit durch Gewalt und List unterhalten wurde. — Allein so wie in der Natur Finsterniß mit Licht abwechselt, so wie ein überspannter Bogen am Ende doch brechen muß; so können die Despoten, sie mögen nun heissen wie sie wollen, dennoch mit allen Künsten nicht hindern, daß nicht das Licht der Aufklärung endlich durchbreche und ihrem Gewalt ein desto schrecklicheres E>'dt mache, je anhaltender und heftiger ihr Widerstand getreten. — Dieser durch die Geschichte aller und besonders — - 9 » auch der neuesten Zeiten bewährte Grundsatz, erwahrte sich much jezt. Zu gleicher Zeit traten in Deutschland und der Schweiz zwey Männer auf, welche, als wären sie miteinander einverstanden, die Päpstliche Hierarchie und ihr ganzes Gefolge, mit jenem Muth, der nur der Wahrheit eigen seyn kann, angriffen, einem grossen Theil der Christenheit die bisher getragene Binde von den Augen rissen, und die so lange vernichtete Freyheit zu denken und zu un, tersuchcn wiederherstellten. Luther und Zwingli waren diese Männer — Luther hält man zwar allgemein für den ersten Anfänger der Reformation, weil man annihmt, Zwmgli habe sein grosses Werk erst seit seiner Ankunft in Zürich, mit dem Anfang des I. ,;iy. begonnen; allein schon zwey Jahre früher harre er in Einsiedeln gegen die Miß» brauche der Kirche öffentlich zu predigen angefangen. —> Dem sey aber wie ihm wolle, Zwmgli verliert nichts an seinen Verdiensten, wenn wir Luther auch schon den Vorrang lassen, indem er kein gewöhnlicher Nachbettcr, sonder einer der größten Eelbstdenker war. Wir glauben auch ohne uns der Partheylrchkeit schuldig zu machen, behaupten zu dörfen, daß der schweizerische Rc. formator, dem Deutschen an Gelehrsamkeit gleich gewesen, hingegen denselben an Humanität, Aufklärung und Tol» leranz weit übertroffen habe — Denn man vergleiche nur ihr gegenseitiges Betragen, so wird man bald von der Wahrheit dieser Behauptung unumstößlich überzeugt wer. den, und auch wieder Willen eingestchen müssen, daß Zwmgli nicht an der Trennung der lutherischen und unsrer Kirche Schuld war. Den Vorwarf, daß stetste Veranlassung zu schreklicher Verwirrung, zu langwierigen Kriegen und zu Unmensch» liehen Grausamkeiten gewesen, hat man beyden in gleichem -2 Masse gemacht. — Allein, so wie bey der politischen Revolution unserer Tage, welche mit jener so ausscrordent, lich viele Aehnlichkeit hat, fällt die Schuld ganz aus diejenigen , die sich aus ihren usnrpirtcn Rechten nicht verdrängen lassen wollten, zurück, und bey uns in der Schweiz vorzüglich auch auf die fehlerhafte Verfassung und das damalige Sittenverderben. — Hätte die Schweiz damals schon nicht aus mehrern unabhängigen Republiken bestanden; Hätten die Cantone keine gemeinsamen Herr. schaften besessen, und wäre die Nation vorn ersten Ma. gistrate bis zum geringsten Landmann hinunter, nicht durch den Hang zu fremden Kriegsdiensten und durch das Pensionennehmen , verdorben gewesen; so wäre höchst wahrscheinlich Zwinglins Lehre in der Schwe.z allgemein geworden, wenigstens hätte kein Cappelcr, Rapperschwei, ler und Toggenburgerkrieg unsere Jahrbücher besteckt, vielleicht wäre selbst unsere jetzige Revolution unnöthig geworden. — So aber befürchteten mehrere Cantone, wenn sämtliche gemeinen Herrschaften Zwinglins Lehre annemmen würden, den gänzlichen Verlust ihres politischen Emßußes auf dieselbe. Die Magistrate, wcl- che sich durch fremde Kriegsdienste und Jahrgelder auswärtiger Mächte bereicherten, unterhielten diese Forchk, vcrgrösserten die entstandene Spannung und hinderten die Ausbreitung der Reformation, weil Zwingst gegen jene Mißbräuche eiferte: und so entstand dann hieraus die Erbitterung zwischen den treusten Bundsgenossen, die mehrere Mahle in bürgerliche Kriege ausartete, und jeden Versuch das lokkere Band unter denselben enger zu knüpfen, und die Verfassung des Vaterlandes den neuern Zeiten und Bedürfnistcn anzupassen, vereitelte. Doch wir kehren auf Zwinglins Leben zurück. sr Zwingst erblickte das Licht der Welt dein. Jennrr 1484. zu Wildhausen im Toggenburg. Sein Vater war Amman des Orts. Bey seinem Oheim, dem Decan zu We. sen, ward er erzogen. Frühzeitig kam er auf die Schule «ach Basel; hierauf nach Bern. Am letzter» Orte ward er wegen seiner vortreffichen Singstimme von den Domt. nicanrrn ins Kloster gelockt. Seine Verwandten aber forderten ihn zurück und schickten ihn, zur Erlernung der Philosophie, nach Wien. Von Wien zog er wieder nach Basct und ward Schulhalter bey St. Martin. Zur Erholung von ernsthaftem Studien trieb er mit grossem Erfolge die Tonkunst. In seiner Person sah man den gefälligen Weltmann mit dem unerschütterlichen Helden und Märtyrer, man sah den Mann von Geschmack und Urbanität mit dem heiligen Zeloten vereinigt. Die theologische Auf, klärung hatte er vornehmlich Wytenbachen zu danken. Die erste Predigt hielt er im I. 1506. zu RapperSwyl, hernach in gleichem Jahr die erste Messe zu Wildhausrn, in seinem Geburtsort. Hierauf kam er als Pfarrer nach Gtarus. Mit seine» Pfarrgenossen zog er als Feldpredi, gcr nach Novarra und vor Marignan. Im I. 1517. kam er als Pfarrer nach Einstrdeln. Je länger je freyer athmete sein Geist im Umgang gelehrter Klosteraufseher. Von kleinfügigem, ängstlichem Formalistengeiste war er so weil entfernt, dirs er sich wirklich, wegen seine- offenen Dcsens, bey den Feinden in Verdacht allzufreyer Galanterie gesetzt hatte. Nicht weniger machte er sich heterodo- tcr hehrmcinungen wegen verdächtig, indem er es gewagt hatte, über einige Dinge mit Picus Mirandula gleise Begriffe zu baden. Schon im I. 1^17. hatte er zu Ewsiedeln gegen die Vergötterung der heil. Jungfrau ge- prcdial. Wie gelächert sein Geschmack in den schönen Wissenschaften gcweien, sehen wir aus seinen Beylagen 94 zrir Cepvrinischen Ausgabe des Pindars; wenn er über die forstigcn Ausleger der Prvfanscribcnttn gelacht hat, so bedauert er, das auch die H. Scridenlen gleich fro, jiig ausgelegt werden. — Auch die ärgsten Feinde, auch ein Faber von Konstanz, auch ein Jacob Münster von Solothurn und solche heftige Verfolger konnten unserm Zwingli den Ruhm eines grossen Gelehrten keineswegs rauben; der Papst selber suchte ihn bald durch Pensionen, bald durch Versprechung hoher Beförderungen auf feine Seite zu ziehen. Die Beförderungen schlug er aus; die Pensionen gab er zurück. So groß er indeß auch bloß als Gelehrter gewesen, eben so groß war er im thätigen, bürgerlichen Leben. Uncrmüdet, und anfangs nicht fruchtlos war seine Bemühung, bald den Bischofs Hugo ston Constanz, bald den Cardinal Match. Schinner in Wallis, bald den päpstlichen Legaten, Anton Burccius, gegen die Hierarchie zu empören. Erst nachdem diese geistlichen Obern die Hand von dem Rcformationswerk abzogen, glaubte er sich persönlich und unmittelbar zur Unterstützung desselben berufen. Den n. Christm. i;i8. zog ihn das Collegiatsiift nach Zürich. Daselbst that er den r. Jenner 1519. im vier und dreißigsten Jahr seines Alters die erste Predigt. Sem Kanzelvortrag war populär, menschlich, patriotisch. So sehr dieser neue Predigtton den Emen zuwicder war, st> Willkomm war er den Andern; je gcldfressendcr der päpst« liche Aberglaube geworden, desto geneigter war man zur Abschaffung desselben. Indeß ward Zwingli von dem Bischofs zu Constanz durch seinen Vikar, Joh. Fabri, wie auch von dem Chorherr Hofmann bevm Cotlegiatstist als Neuling verklagt. * Zwingli rcchfcrtigte sich in seinem D«e erne von Hofmanns Klaaschriften befinde sieb gedenkt M Fußlins Beyträge» Tb. III. Absch- 1. Die andre u» gedruckt in HottingcrS handschristl. IN-Hur. aM EttstSdkblioth. 0, 14. s. 24z. SS Xrcketslss. * So unzufrieden der Con stau zische Vischvff über seine neue Lehre gewesen, so wohl hingegen gefiel ihm der Eifer, womit Zwingli fich gegen Bernhardin Samsons Ablaßkram empörte. Im I. »ery. lag Zwingli gefährlich krank an der Pcstseuche. Auf seinem Krankenlager beschäftigte er fich mit Verfertigung erbaulicher Lieder. Noch hat man in dem Zürchcrifchen Kirchcnarchiv mehrere seiner teutschen Gedichte. Von Zeit zu Zeit befanden sich teutsche und wälsche Bottschaftcr in Zürich. Mit Enthusiasmus eiferte Zwingli gegen alle auswärtigen Bündnisse; die Pensionen aber sprachen beredter als Zwingli. Aus Unwillen über seine kliiIippic-»8 gegen das RciSlaufcn ward nun v»n mchrern seine Lehre für ketzerisch erkläret. Immer war er sorgfältig darauf bedacht, daß die Abschaffung des Papsttums mit dem wenigsten Tumult, daß sie nach gesetzlichen Formalitäten geschehen möchte. Auf Befehl der Zürichcrischen Regierung wurden verschiedene öffentliche Religionsgesprä- che gehalten. In einem solchen, den 12. Hcum. 1522. ward der gelehrte Mönch, FranciscuS Lamberti, von Zwingli bekehrt. Unvermerkt ward von der Hierarchie eine Kette nach der anderen zerbrochen. Im. I. >524. verchlichte sich Zwingli mit Anna Rheinhard, Wittwe Hans Meyers von Knonau. Im gleichem Jahr wurde von jeder Zunft ein Aufseher mit Maürern und Zimmerleuten von Kirche zu Kirche geschickt, um die Krucifixe und Bilder von den Altären »nd Wänden herunter zu Nehmen; sorgfältig wurden fie in besondern Zimmern verwahrt, um selbige, bey etwaniger Veränderung der ^vlkesgesinuungcn, sogleich wieder herstellen zu können. Indeß geschah alles ohne geringste Empörung. Den an- * S» ZwiNgliS oxp. 1. I. fol- l- 4 . AS dern Kantonen hingegen war dieses Unternehmen zuwider. Für und wlder erichrcnen verschiedene Schriften. Eben so groß war itzt » er Emguß der schriftstellerischen Feder, als sonst tue Schatzkammer oder das Zeughaus der Grossen der Erde. Und die Feder war Ursache, daß ßch die Sehwerdter entblößten. Als nu, der Reforrnationsgkkst auch über die gemeinschaftlichen Herrschaften ausiudreiun anfieng, widersetzten sich die caftwlischen Kantone, und es entstauben unter Bundesgenossen und Brudern blutige Fehden. Mit dem Kraislauf der Ideen scheint es gleiche Be- wandtniß wie mit dem Krais«a.if des Geldes zu haben; nicht stufenweise verbreitet, nicht durchgängig und gleich, söemig vertheilt, scheint schnelle Anschwellung neuer Kenntnisse eben so gefährlich als z. B. für die Spanier jene neuen Schätze aus Indien waren. Eben so unsicher ist eine bürgerliche Geicllschaft, in welcher die einen Glieder zu arm am Geiste, die andern hingegen m reich sind, als «ine solche, in welcher sich allzugrossc Ungleichheit der Glücksgüter befindet. So sehr wir daher jene litterarischen Herkule des ftchszchokcn Jahrhunderts verehren, so gestehen wir, daß je ungewohnter das neu angezündete Licht war, dassube auch, ganz wlder ihre Absicht, desto fürchterlicher blöde Augen verletzte. Plötzliche Umkchrung der Denkart erschütterte den Pöbel so sehr» daS er, auf einmal von dem Abgrund zum H»"- mcl geschleudert, tm Taumel sich selbst verlor und zwischen Lichtengrl und zwischen Geist des Tänarus n»cht allemal zu unterscheiden im Stand war. Zugleich wit dem päpstlichen Joche schüttelten nunmehr die Wid"Hauste jedes noch so heilige und wohlthätige Band der bürgerlichen Ordnung von sich. Schon lm I I?-;. ward mit diesen Schwärmern vor dem grossen Rathe rme Unterredung 97 düng gehalten. Je mehr sie theils den Namen der reformierten Kirche entehrten, theils mit Gnstcsverirrungen zugleich Ausschweifungen des Lebens verbanden, desto mehr sah sich gegen seidige die Regierung zu strengern M aßregel» genöthigt. Ungeachtet Zwingli immer die gelindesten M-ctel empfahl, so konnte er keineswegs die Verbannung oer einen, und die Hinrichtung der andern unter diesem sec. tirischen Haufen verhindern. Auch von Seite der katholischen Kantone ward je länger je mehr das Schiff der reformierten Kirche deltür. Met. Anstatt Schutz bey der lutherischen Kirche zu finden, entstand zwischen beyden Kirchen ein rraungcS Schisma. Zur V.remigmig derielben ward im I. 1529 lu Marburg eine Unterredung gehalten. Dabey erschienen Z-vlngti und Luther, jeder von den gelehrtesten Srcundanten begleitet. Fruchtlos hatte sich b,e Unterredung geendigt. Mit dem Federkrieg, der gegen auswärtige Theologen geführt wurde, waren nunmehr in dem eydgenoßi- sth'N Schoosse thätliche Kriegesuncuhen v-rbunden. ^ctzon hatte sich der Kanton Hern zur reformierten Lchre geneigt; allein in der Landschaft Hasle, neigte» die Einwohner von neuem zum Papsttum; durch die ^Uterwaldner ward ihre Empörung begünstigt, einige ^tholische Kantone verschworen sich mik Fcroman- ge^ien das Reformalionswerk. Hierauf weigerten fich die Züricher Berncr neben den Unterwaldnern zu Tagen zu fitzen; vereinigten sich die Züricher voreilig mit den Glar. zur Seculansirung der Abtcy St. Gaüen. Als ^lon Abockcr von Nnterwalden schon bereit war, als andvvgt in die gemem,chastl.che Herrschaft Baden, ."d zwar mit zahlreichem, dcwafncten Gefolg cinzuzie- 1 v zogen den Brachen, »zr-. die Züricher bey « 98 ;oo. Mann stark nach Bremgartcn und in das Kloster Murv. Den 8. Brachm. zogen noch 600. andre Zürcher nach Rüti und Rappersweil; den Brachm. ein anderes Kriegspauner von Zürich nach dem Kloster Kap. yel. Umsonst daß man von diesem Zug unsern Zwinglr zurückhalten wollt«/ er schwang sich auf ein Strcitroß, mir glänzender Hrlparte auf der Schulter, und zog auch mit. Den 26. Brachm. 1529. ward eine für die reformicrren Kantone sehr günstige und ehrenvolle Aus. söhnung getroffen. In diesem Vertrag hauen sie durchgängige Gewisscnsfrcyheit behauptet. Don neuem wurden die cathol. Kantone über den rnumphircnden Fortgang der Reformation äusserst erbittert. Nach fruchtlos wiederholten Tagleistungcn, schlugen die Züri. eher den katholischen Nachbarn die Zufuhr des Proviants ab, und machten sich fertig zu kriegerischem Auszug. Durch auswärtige Vermittler ward für einmal der Ausdruck der Kriegcsflammc gehindert. Don allen Seilen ward unterdessen Zwingli als vermeintlicher Stifter so vieler Unruhen verfolgt. Den Heum. r;;l. trat er vor die Versammlung des Rathes und bat um Entlassung, weil doch feine Bemühungen nicht nur mit Undank bezahlt, sondern von den Pensio- nern gänzlich vereitelt werden. Auf Ansuchen eines obe» keitlichm Committee entschloß er sich von neuem zur Beibehaltung seines Amtes. Den y. Weinm. machten die Catholischen Kriegsmanifest bekannt und forderten von Zürich d>e Auslieferung der alten eydgenößifchen Bünde. Zu Aus befand sich das katholische Hauptlager. In Zürich man saumselig und schläfrig; gegenseitiges MißverguU- gen und Mißtrauen hinderte schnelle und thätliche Vorkehr. 2» zerstreuten, wenig zahlreichen, muthloftn H""' fen zogen die Züricher nach Kappet den Feinden entgegen s- Ruf Befehl des Senates ritt Zwingli als Fcldxrcdiger auch mit. Den 12. Weinm. ,5;,. geschah die fatale Schlackt, in welcher die Reformierten die gröste Nieder, läge erlitten. Von den Catholtschen ward das vcrlaßne Lager der Züricher geplündert. Viele von diesen letztem, die halb todt lagen, wurden unter abscheulichen Beschim» pfungcn niedergehauen. Die Menschlicher« unter den Siegern wurden zum Mitleiden bewogen; sie nahmen die übriggebliebenen Züricher gefangen; setzten sie zum Feuer, indem es in dieser Nacht ungemcin kalt war, pflegt«, sie und waren mit Heilung ihrer Wunden befck'äftu-t. Un, ter den Erschlagenen lag Zwrnali. Von Steinen zu Boden geworfen, raffte er sich auf; sank wieder nieder und erbeb sich von neuem. Auf den Knien schrie er: den Leib tön, ncn sie töden, doch nicht die Seele I — Dann fiel er rücklings; mit gefallenen Händen und zum Himmel gench, tctcn Augen sieht' er zu Gott auf. Hauptmann Fnckinger von Unterwaldcn stach ihm den Dolch in die Kahle, und bald hernach gab Zwingli den Geist auf. Mir ihm rdeil, tcn gleiches Schiksal Geroldseck, Statthalter der Abtey iu Einsiedeln; Conrad Schund, Commcnthur zu Küß, nach; Johann Haller, damals Pfarrer zu Bülach; Dvlsgang Jvner, Abi zu Kappe! und andre «einer gelehrten Freunde, die auf dem Schlachtfeld als Märtyrer für Wahrheit und Vaterland starben. Erst Tags darauf entdeckte man den todten Zwingli, 4 ariz kenndar, mit lebhafter Farbe. Die einen wäinrcn Thränen dcS Mitleids; die Andern fielen, ungeachtet alles Admahnens der Kriegehäuvter, voll Wut über die ^iche. Durch den Scharfrichter ward sie zu Asche ver» »rannt. Sein wohlthätiges, ruhmvolles Leben hatte Zwingli "'§>t höher gebracht als auf 47. Jahre, s. Monare und G - I «v ii. Lage. Nach seinem Hinschied wrirden seine Schriß» ttn in vier Folio-Bände» gesarumelt. Johann Oecolampadius. ^ Derselbe ward im I. 1482. zu Wmsperg von nicht Unbemittelten Aeltern geboren. Als einzigen Sohn woll? ihn der Vater dem kaufmännischen Gewerbe bestimmen. Die Mutter über, eine fromme Matrone, erhielt durch sehnliches Bitten, daß er den Wissenschaften gcwicdmct wurde. Zur Unterweisung ward er nach Hcilbrunn und weiter nach Heidelberg geschickt; schon im zwölften Jahre schrieb er erträgliche Verse. Nachdem er sehr jung Bac- calaur und Magister geworden, begab er sich nach Bono» nien. Daselbst vcilicß er sich, nach dem Willen des Vaters, der Rechtsgelchrlheit. Theils war das italienische Clima seiner Gesundheit nicht allzugünstig, theils ward ihm das Geld, welches ihn, der Vater durch einen Kaufmann zufchiken wollen, nicht richtig geliefert; deßwegen lkchri' er wieder nach Tcurschland und vertauschte nun die juridischen Wissenschaften mit den theologischen; vor« züglich aber beschäftigte er sich mit den gelehrten Sprachen und mit der schönen Litteratur. Selbst die dornigtcn Labyrinthe der Schvlastick schreckten ihn nicht ab. Wenig Geschmack fand er an den Spitztündigkeiten des Scotus; weit mehr als die Thomas und Richard gcsicl ihm Gerso"/ weil die Schriften dieses letzter» ganz besonders ächte, y;arme, thätige Frömmigkeit empfahlen. Durch den Ruf seiner brauchbaren Känntnisse erhielt er bey dem pfälzischen CM» surften, Philipp, die Aussicht über die Erziehung bet * Isan sehe desselben Lebensbeschreibung von Cavito in 2 ^' FlschartS Vltiz virorinn Muürium , welche n» 2 . zu Frankfurt gedruckt sind. rsR jünger« Prinzen. Ungeachtet ihm dadurch der Weg zu dem glänzendesten Glücke gcöfnek worden, so entfernte er sich gleichwol, so bald möglich vom Hofe, um wieder ungestört für die Wissenschaften zu leben. Wegen kränklicher Leibcsbeschaffenhcft durfte er keine Nachkommen, schuft hoffen; also wiedmete er sich dem geistlichen Stande; auf seinen Antrieb stifteten seine Aeltern in ihrer Vaterstadt eine Predigcrstclle, die er nun selber be, kleidete. Nicht lange hernach erhielt" er die Erlaubniß, zur Fortsetzung der Studien, wieder nach Heidelberg zu gehn. Vorher begab er sich nach Tübingen nnd Stutt- gard; daselbst genoß er RäuchlinS Unterricht in der griechischen Sprache; hierauf schrieb er in Heidelberg seine Grammatick, die hernach unter der Aufschrift: OragmatL gedruckt worden. Zu Heidelberg gerierh er in enge Bekanntschaft mit Eapito, dem damaligen Prediger zu Bruchsal. Nach der Zurückkunft in seine Vaterstadt, predigte er mit Beyfall, obschon sein Vortrag von dem päpstlichen Eauertäig noch nicht völlig rein war. Eben so weil von dem polternden Gelärm als von der Mahrgen — unv Lcgendenkramerey der Mönchen war er entfernt. Da sein gesunder und bescheidner Lehrvortrag von diesen letzter« cntijirt wurde, so veranlasete ihn dieses zur Verfertigung der Schrift 6s rilu xalsbali sä slspltonsm. Hpu6 groben. i;i8. Die Ursache dieser Aufschrift liegt in der abgeschmackten Osterfreude der Päpstlichen Prediger, welche von der Kanzel herab das Volk mit Zotten und Possen, belustigten; unter andernr erzält er, er habe jm I. bey einigen Bekannten über Tisch wieder diese Gewohnheit geredet; hierauf habe ein jeder vorgebracht, was er an diesem Tag in her Kirche gehört hätte. Der eine von den Predigern hätte geschrien wie ein Kuku, der andre geschnattert wie kiue Gans; ein dritter hatte von dem Apostel Petrus allerley Schwänke angeführt und wie derselbe seine Gast, Wirth: um die Zeche betrogen habe; noch andre hätten so schmutzige Possen auf die Kanzel gebracht, daß man sie nicht einmal melden dürfte. Captto ruhte nicht, bis er ihn ;u sich nach Basel gezogen hatte. Er brachte sechs christliche Trauerspiele in Versen mit sich; ungeachtet selbige den Beyfall der Ge. lehrten erhielten, so durften sie gleichwol niemals gedruckt werten. In Basel war er dem Erasmus bey Herausgabe seines neuen Testamentes behilsiich. Ihm giebt Erasmus daS Lob, daß er es in dem ebräiscben Sprachstudium weiter gebracht habe als er * — Von Basel ward Oecolampad als Prediger nach Augspurg berufen. In der Nachbarschaft befand sich ein Kloster, dessen Mönche sich durch Gelehrsamkeit so wol als durch Frömmigkeit hervorthaten; in ihrem Umgang entschloß er sich zum Klosterge- Iiidde, jedoch mit ausbedungenem Vorrecht, predigen zu dürfen. In diesem Kloster schrieb er verschiedene Predigten wie auch eine Schrift über die Ohrenveichle. Diese Schrift zog ihm, besonders von Seile des kaiserlichen Beichtvaters, Verdruß zu. Mit Einwilligung der Klosterbruder begab er sich in Geheim weg. Auf das falsche Gerücht hin, er sey eingesperrt worden, machte sich sein Herzensreund Cavito, der im jederzeit das Kloster- leben mißraihen hatte, auf der Eile reisefertig zu seiner Erlösung. Wie entzückt war nicht dieser, als er ib" ganz unerwartet zu Mäinz bey einem gemeinschafth- chen Freund, Caspar Hedio, in Sicherheit antraf- Hicrauf «ächtete sich Oecolampad zu dem heroischen Fra"i von Sickingen; unter dessen Schutz schrieb er gegen vcn Mißbrauch der Messe, auch übersetzte er verschiedenes au * S. Erasmus Vorrede ;»r dritten Ausgabe vom I. den elastischen Autoren, wie auch aus den Kirchenvätcrn, besonders aus dein Chrysostom. — Ihm wird von; Crocins * die Geschichte dreyer grausamer Thaten, so sich in Deutschland zur Zeit des Baurenkriegö zugetragen haben, zugeschrieben. Aus dieser Geschichte sührt er folgendes au: „ Es war ein gewisser Pfarrer, welcher „ oftmals die schändlichen Laster der Edelleute ernstlich ,, bestrafte, daß sie nämlich das Volk in allem Bösen. bestärkten. — Die Edelleute wiebersetzten sich ihm und ,, sagten: Er hätte sie nicht zu strafen, weil sie selbst ,, seine Oberherren wären und Macht hätten, ihm das », Leben zu nehmen. — Im I. i;r;, da der Bauven. „ krieg noch nicht gcstillet war, kam ein Junker mit sei. ,, ncn Knechten zu ihm, liest sich das Mittagessen berei. „ tcn und zechte mit fröhlichem Muthe. Nach dem „ Essen befahl erden Knechten, sie sollten ihn an einem ,, Balken in seinem eignen Hause aufknüpfen. Der „ Pfarrer fleht' auf den Knien, man möchte ihn doch „ nicht unverurthcilt strafen. Die Knechte selbst vollstrcck« » len ungern den Befehl des grausamen Junkers. Um- » sonst! Seine Mordlust wurde befriedigt. ,, Occolampad hatte sich wieder nach Bafel begeben. Trotz der mißgünstigen Mönche, las er daselbst über den Jrsajas und predigte für den Pfarrer zu St. Martin, auch gab er den Thcophylact in latinischcr Übersetzung heraus. Durch die Freymütigkcit, womit er seine Gedanken über das Nachtmal entdeckte, zog er sich vielen Verdruß zu. Nicht ohne Gefahr wohnte er dem Rcligionsgespräch gegen Fabcr und Eccius bey; auch be- s«nd er sich bey der Bcrncrschen RcligonSdispntation; schr groß waren seine Verdienste um Beylegung dcs SlccitcS Mischen den Alt- und den Ncngläubigen in Basel. * S- das Marterduch G. 178. Von dieser Geschichte geschieht keine Metdung iu GcsnerS Bibliothek. Daselbst edirte er im I. 1127. gegen die Midertäufek folgenden Aufsatz: Unterrichtung von der wieder« taufe und von der Obrigkeit und von dem Eyd auf Larlins N * widenaufers Artikel. Antwort auf Lalthaser Hlchmeyers Büchlein wieder dieprad.» canren. Gespräch zu Bazel von der Rmderraut. * — Auch gegen lie Invccliven der Lutheraner verfocht' er die schweizcrsche Kirche. Im I. »42s gab er ;u Basel eine kleine Schrift heraus: das von wegen des Herren Nachtmals brüderliche Liebe nicht soll zer, trennt werden und vom wahren Innhall der Zeichen. Unter andern: heißt es: „ Die Lutheraner „ lagen, wir haben m unsern Gewenden nichts dann » Wem und Brod; wir haben weder Gott noch Christum ich woltte zu dielen Dingen allcnsamen g rn thun, » als hörte und merkte ich es nicht. Aber von den Un- „ geübtern und Schwächen, halb darf ichs nicht thun, „ dann die Wahrheit muß man lauter entdecken u. s. w. Hierauf widerlegt er d»e Emwürfe eben so bescheiden als gründlich. In deck historischen Bericht von der Reformation, Tb. II. s 2,c>. gedenkt Abraham Ecultct der Keliguinrum LibliotkecX OecolnmpLcilgnL, die mir aber gänzlich Uk>^ bekannt sind Mit Ambrosius Blaarer und Martin Buzcr hatkt sich Occolampad nach Ulm begeben; so wol hier als an» dcrstwo beförderte er die Ausbreitung der reinern Lehrt« — In den Ncmoire« des Georg Morclls ** wird bi^ ganze Unterhandlung der Abgeordneten von Merindolt * §' Mesners Lil>l. wie auch Lrkx. Ls^ittsrinü llill- eccl- / I. t- und Schclhorn m der kleinen Sammlung s- '48. Beyträge zur hclvct. Rcformat. Gcschicl'tr, Th> V. s. 4-,7. im Dauphins mit Oecolampad und Bnzeru beschrieben. Noch sind zwey Briefe des erstem unter seinen und Zwinglis Briefen vorhanden, aus welchen Oecolampads Betragen gegen die Waldenscr-Abgeordncten erhellet. Ungeachtet er nicht überall ihre Lehrsätze begünstigt, so erklärt er sie gleichwol für fromme, redliche Christen: vcnient sä te, schreibt er an Vuzern unterm 17. Weinmonat. i;;o, Vslstcnles illi, viri nimirum xerguam xii, sustituri L tuum in guibusgam constlium. Ostonstent, guist illis rslponsterim. 1u ne multis confsdulstionibus storss perstss. I^eges 8crixta me» L vel illi« probstiorL stato, vel sliquÄ commenststluncula axprostsro, ut 60 L ts in psce stimilst lus eorrixero ineipiant. — Unterm r;. Wcinm. hakte er an die Gemeinde zu Merin. dole gegen den Synkretismus in folgenden Ausbrüten geschrieben: 8i licer lud Antieliristo ststem ooeultsre, lice- bic etism cum 1 urc 2 , licedir eriam cum OloLlstiano sä ^rss sovis vsl Veneris sstorars L sortalsts minori xeri- culo. Merkwürdig ist der Bericht, den er ihnen von dem Lchrbcgriff der Rcformirten mittheilt: kspiüis bspri- rstos non rebaptilsmus. lllagistrstum leculsrem austimus in Iiiz, guse contrs Oeum non funt; lionorsmus etiam, elfe poste ckrillisnum crestiinus. äursmentum st exigst, non negsmus, non okstante so, guost spust kstatk-eum iegimu8. 8imiliter non tam sulleri stimu8, ut omne« mu- tULntL8 inste aliguist recipiertes ustiriuios sticsmus, I. rem justices L Aagistrstus feculares snimsstvertere in üsgitiolos L stefenstere pstriam vistualgue so pupillos gla- non srbricsmur legi stivin^ contrsrium; guast sä ^inistros verbi sttinet, probamus, guost non guosvis ^äst,mitl8, fest sstultos probatXgus viros. 8cst xscs vs- monuerimus, vistenrur illi non nungusm lsbonbus Msnoum, plus guam res pvstulAt, este sststiüi 6: ^oras, c^vAS steökioni collocore stebsbsnt, srtistcüs im- xensiers. vcinöe negus boc viäetur ex mente ätpolla- lorum, ut smZulis trienmis muteci8 ministros verbi in slia locs. viscrimen enim ek inter >tpoüc>Ic>8 L llsstorss. * Die sämtlichen Gemeinde» der Waldenser in Frankreich und Piemont hielten im Herbstm. eine Synode zu Angronqe; aus der Kirchen- und Lehnorm, die sie da, selbst einführten, erhellt, das Oecolamvadens Anleitung bey ihnen Eingang gefunden habe. So vertragsam sonst dieser Mann war, so unerbittlich blieb er gegen denjenigen, der das Christenthum in seinen Grundsäulcn erschütterte. Schon im I. beklagte er sich bitterlich bey Zwingst über den Michael Servctus, der ihm mit Einwürfen gegen die Gottheit Christi beschwerlich gefallen. ** Zu Basel wurden die Bücher des Letzter» 6s trinitsris errsribus gedruckt. Auf obrigkerlst, chcn Befehl mußten sie untersucht werden und Occolampad erklärte sie für höchst profan, worauf Server sich genötigtsah, aus Basel zu entweichen; nach langem Her- umschweifen ward er endlich wegen fortgesetzter, hartnä- ckigter Ausbreitung seiner Irrlehren im I. zu Genf lebendig verbrennt. —> Um allen Argwohn von sich selbst abzulehnen, als ob er in die Herausgabe von Servers Büchern eingewilligt habe, sah Occolampad sich zu öffenlichen Gegenvorstellungen genöthigt, und zwar um so vielmehr, da auch schon vorher seine Toleranz gegen Irrlehren von den Widersachern als Theilnehmung ange- sehn worden. So z. B. hatte Caspar Schwenkfcld sein? Treuherzigkeit mißbraucht. Ihm harte dieser eines seiner Bücher zur Censur übersendet und dasselbe hatte Occolampad mit einer Vorrede begleitet, welche ihm hernach sehr übel ausgelegt worden. * G. 7 . kaul kerrin Rik. mit Alphonö Turrctin in die innigste Freundschaft. Ja Lausanne halte er mit Crvusaz Bekanntschaft gemacht. — In Paris beobachtete er alles Merkwürdige. Daselbst genoß er den Umgang emes Malebranche, Montfamon, Varignon und andrer Gelehrten. — Bey seiner Heim» knnst warb er im I. 1702. dem akademischen Senat einvcrle'.bet. Jahrs hierauf verlor er seinen Vater. Nach dessen Hinscheid erhielt er die Professur des alten Testa. mcnres. In diesem Amt arbeitete er mit besonderer Her« iensthcilnehmung an der Auslegung der Psalmen. Vermiedene Acadcmien, Franccker, Lewardcn und an. dre suchten mit Versprechung grosser Gehalte unsern Werenfcls an sich zu ziehen; allein lhcils seine schwächst» rlc Gesundheit, theils die Bitten der basiert,chen Acadc, mir, sonderheitlich auch die Zuneigung zu seiner Mutter hefteten ihn im Vaterland fest-. Im I. 1706. ward er zum Mitglied der englischen Gesellschaft äs proxsganäa, und im I. 1708. zum Mitglied der königlichen Societät in Berlin erwählt. Von Zeit zu Zeit machte er kleine Resten nach Genf, Neu, bürg und andcrstwo. Mit neuen Leibs- und Gemüchükräf- ten kam er zurück, und durch solche Reisen gewannen feine Zuhörer mehr als sie verloren. Im I. «71 >. verlor er durch den Tod, seinen Collc» gen, Joh. Rud. Wclsteln, den er als Vater kindlich verehrte. Durch diesen Hinscheid erhielt er die Professur des neuen Testaments. — Im I. 1717. that er seine fetzte Reise. Damals war er secknig Jahre alt. Sein Körper ward je länger je schwächer. Er ward von der ^stchwcrde öffentlicher Vorlesungen bcfrcyt, und gab ^unmehr in seinem Haus Unterricht, jedoch bey offener Thüre. Wöchentlich schränkte er sich auf drey Lehrstmn- en alle«, ein; indeß fuhr er bis ans Ende fort, so oft die Reihe traf, dre ordentlichen akademischen Streit- HO echristen zu verfechten; auch schlug er noch im 2-172-' Las Rektorat nicht aus. Mit Hintansetzung aller Eontroversen, beschäftigte er sich nunmehr ganz allein mit der practischcn Theologie. Weit mehr war er bemüht, die Urteilskraft seiner Schüler als ihr Gedächtniß zu üben. Zu vertraulichem Umgang wußte er ihr ganzes Herz zu gewinnen und ih. neu die Tugend als letzten Zweck aller Aufklärung zu empfehlen. Es ist beynahe kein Prediger der reformirtcn, eydge« nößischen Kirche, der nicht bey unserm Wcrcnfcls in diesen oder in andern Fällen Rath gesucht habe. Mit liebenswürdiger Höflichkeit cmpfieng er Besuche von Ein. heimischen und Fremden; nicht bloß Theologen, sondern Leute von jedem Rang und Stand strebten nach seinem Umgang; die Kirche, die Academie, die Regierung selbst fragten ihn um Rath, und seine Consultationeu wur. den immer für höchst brauchbar geachtet. Er ward von einem gelinden Flußsieber befallen, welches nur durch sein hohes Alter tödtlich geworden. Sanft entschlief er im 8 ;. Jahr seines Alters, den r. Junius 1740. Seine sämtlichen Werke sind von Bousquet unter der Aufschrift OxulLuIa tbeologics, pkilolopkico «L pkiloloZics zu Genf und Lausanne zusammen gedruckt worden. Eine neue vermehrte Ausgabe hat im I. 1781. Joh. Jac. Thurneysen, der jüngere, in Base! geliefert. Johann Calvin. Derselbe wurde den ro. Jul. izoy. zu Nsion i" der Pikarbie geboren. Noch sehr jung erhielt er daselbst eine Stelle bey der Cathedralkirche. Robert OlivetaN bewog ihn, die Religion aus der Quelle zu schöpfen; jczt ficng er an, sich von den Sodbrünnen des römischen Aberglaubens zu cnkferneu. Nach dem Willen seines Vaters, vertauschte er die Theologie mit der Rechtsge» lehrtheit. In leztrer Wissenschaft brachte ers zu Bour. gcs unter Andreas Alcial ungcmein weit, versäumte aber erstere Wissenschaft auch nicht. Wolmar unterrichtete ihn in der griechischen Sprache. Nach dem Tode seines Vaters begab er sich nach Paris. Daselbst schrieb er jenen Commentar über des Seneca Aahandlung 6!c- msncis. Seine Rede für den Universitätsrector, Nico, laus Copus, beleydigte so wol die Sorbonne als das Parlament; Kelvin -ächtete sich vor der Gefahr nach Saintonge, nachdem er die Ehre gehabt hatte, mit der Königin von Navarra zu sprechen. Eben diese Königin rettete auch den gelehrten Fabcr Ccapulcnsis aus den Händen der Inquisitoren und schickte ihn nach Nerac. Daselbst besuchte ihn Kalvin; nachdem das Gewitter vorüber war, kehrt' er im I. 1^4. nach Paris zurück. Secvet war auch da; allein dieser wich jenen aus, ungeachtet zwischen beyden eine Zusammenkunft verabredet worden. Zu Orleans gab Kalvin seine Schrift gegen den Seclenschlaf heraus. Das Jahr r;;4. war äusserst traurig für die Reformierten in Frankreich. Kalvin schrieb Eurze, christliche Ermahnungen für dieselben, und sie wurden in ihren Gemeinden verlesen. Hernach begab er §ch mit Ludwig dü Tillet, einem Dohmhcrrn von An. suienre, nach Basel. Daselbst studicte er dir cdräische ^brache. In sehr genaue Bekanntschaft gerieth er mit ^tynäus und Kavito. Ungeachtet König Franz I. die Reformirten in Frank« ^'ch verfolgte, so suchte er nichts desto weniger die Gunst er Protestanten jn Deutschland. Zur Entschuldigung seiner Verfolgungen stellte er daher die Hugenotten in seinem 4!2 - - - . — - Reich als Widertäufer und Schwärmer vor. Zur Ver- thcydiqung ihrer Lehre also schrieb Kalvin seinen christlichen Unterricht und eignete ihn Franz I. zu. Diese vor- trcfliche Zucignungsschrift ist den r. August i;;6. von Basel darirt. Nach der Herausgabe dieses Buches begab er sich zu der Herzogin von Fcrrara; diese gvttftllige Fürstin nahm ihn mit besondrer Huld auf. Hi rauf kehrte er nach Frankreich zurück; nachdem er daselbst seine Sachen in Ordnung gebracht hatte, entschloß er sich, mit seinem einzige», noch übrigen Bruder, Anton Kalvin, entweder nach Straßburg oder nach Basel zu gehen. Wegen des Krieges blieb ihm kein anderer Weg offen als durch das savoische Gebiet. * Nicht fürchterlich genug kann Bourrit den Paß von Charmontane schildern, durch welchen Kalvin mit Lebensgefahr aus dem Augstthal entwischt war. Er langte zu Genf an, Wilhelm Farel ruhte nicht, bis er ihn unter den fcyerlichsten Beichwörungen daselbst festheftete. Mit Einwilligung der ganzen Bürger, schaßt, trugen ihm der Magistrat und daö Consistorium das öffentliche Amt so wol des Lehrers als des Predigers «uf.JmJ. iz; 7 . schwörte, auf seinen Antrieb, das ganze Volk dem Papstum ab und erklärte sich ftycrlich für das Kalvinische Glaubensbekcnnniß. Wegen des immer noch herrschenden Parteygcistes und wegen des allgemeinen Sit» tenverderbcns schlug Kalvin mit seinen geistlichen Mitbrü- dern dem lasterhaften Volke den Genuß des Abendmals ab. Die Syndics versammelten die ganze Bürgerschaft» in dieser Versammlung im I. wurde dem Kalvin» Farel und noch einem ihrer Collegen, wegen Verweis^ rung des Abentmals, befohlen, in Zeit von zwey Tafl^n die Stadt zu räumen. Kalvin flüchtete sich zu Bucer an Kap'l» * S- Bourrits Beschreibung der Permischen «nd MbiM" Alpen, Lh. I. C. xi. Kapiw nach Straßburg; dasclbst stiftete er eine franzöfi, sche Kirche und war der erste Prediger derselben; auch erhielt er den theologischen Lehrst«!. Immer noch nähr« 1 e er in feiner Brust für Genf die innigste Liebe. Einen Beweis hirvon giebt seine Antwort auf das Sendschrei» den des Kardinal Sadolets; diese Antwort ist vom i» Sept. rz;y. aus Straßburg geschrieben. — Zwey Jahre hernach berathschlagte er sich auf dem Reichstag zu Worms und zu Regenspurg mit Bucer und Mclanchton über die Mittel zur Besänftigung des Religionskriegs. Auf drin» gcndes Anhalten des Volks und der Regierung kam er den Sept. 1541 nach Genf zurück. Sein erstes Geschäft daselbst war die Einführung einer strengern Kirchen» zucht. Ungeschick selbige in den Augen verschiedener Personen hierarchische Liranney schien, so ward sie nichts desto weniger den ro. Nov. 1541 in der Versamlnng des Volkes feyerlich bestätigt. * In den Genferschen Rachsmanualen befinden sich ganz sonderbare Nachrichten über die öffentlichen Dirnen. Bisher waren dieselben verpflichtet, in einem abgeänderten Quartiere zu wohnen, Und sie lebten unter Aufsicht einer Vorsteherin, Bordck- *önigin genennt. Ausdrücklich hieß es noch unterm re>. ^sterz i^vq.. stezins boräelli öie msrti» proxims ellgstur; uuch leistete sie dem Staate den Eidschwur; unterm ,4. vbigen Monates heißt es: kuit crssts rsgins merelrioum, jurrvit in koriNL lud cvnäitionibus in csxitulis expgtL. ü». Erst unterm;o. Avril i?4» ward den Badern dos ^kivticgium zur Unterhaltung öffentlicher Weiber genom» suit srieststum, guoä clekenststur hyspiribus 8tubL- husus civitstis, ris sbinö« sustssnt putsnss kospitari, ä: ezz, ^uss ksdent, nbire fscism; L inäe stant vM und gegen die Regierung in Genf zu thätlichem Unw> len zu reizen. Wegen dieser Versetzungen ward er i»' Tode verunheilt. Nach seinem Tode fand man von >V Äoch eine andere Schrift, voll atheistischer Lehrsätze, weiche von einigen Gelehrten für das vorgebliche Buch 66 Irikus impoKcrlbllL angesehen worden; öffentlich ward diese Schritt durch den Scharfrichter verbrennt. Ein Rathsglird, Namens Peter Ämeaux, hatte öffentlich mit vieler Unbescheidcnheit von Kalvins Lehre gefpro, chcn; ohne daß Kalvin es begehrte, ward Ameaux in Gefängniß geworfen Nnd zur Kirchenbuße verurthcilr« Virets Bedienter kam mit einem entwendeten Brief von Kalvin zu den Syndiks; nach Durchlej'ung desselben glaubten diese gerechte Ursache zur Klage über den Reformator zu haben: in dem Briefe nemlich wurden die Genfer beschuldigt, daß sie ohne Gott regiert seyn wollen. Beym Verhör aber behauptete er die Rechtmassigkeit dieser Klage durch das Betragen der Libcrtiner und so vieler Verächter nicht nur der Kirchenzucht allem, sondern des göttlichen Worts überhaupt. Um diese Zeit begab er mit Kare! auf ein ReligioNS. Sespräch nach Zürich. Ungeachtet er mit einheimischen Staats- und Kirchengcschäften überhäuft war, st> fand er immer noch Zeit, auch für die auswärtigen Kirchen nicht nur in der Schweiz und in Deutschland, sondern auch in Frankreich, England Und Polen zu sorgen. Richt in gedenken so vieler Bücher, meistens biblischer Com, wentarien und theologischer Anweisungen, welche zu Genf in XII Foliodanben, und hernach im I. 1667. in Bänden zu Amsterdam zusammengedruckt worden. Im I. i;4s- hatte er seine Gattin» Idevette- de ^üre verloren; von ihr hatte er einen Sohn, der ihm aber ebenfalls in die Ewigkeit vorgieNg. — So weit *dar Kalvin von Geldbegicrdc entfernt, daß er sich Mit ^>nem Emkvmmen von hundert Thalern begnügte und kde jhm angebotene Vermehrung eben so gerne auSschlug, a>s sie von andern gesucht'wird. Ungeachtet es im leicht H z gewesen wäre, seinem einzigen Bruder Anton zit ansehnlichen Bedienungen zu helfen, so hatte er sich gleichwol niemals kleinfügiger Familien, Cabalcn schuldig gemacht; diesen Bruder ließ er das Handwerk eines Buchbinders lernen; alles was er für ihn that, bestand darinn, daß er ihn von einer ehebrecherischen Ebegenoßinn befreyte; weit mehr nämlich war ihm an der Ehre der Scinigcn, als an Beförderung ihrer Glücksgüter gelegen. Die ganze Derlassrnschaft, die er seinem Bruder hinterließ, belief sich nicht höher als auf rr>x. Goldgulden. Wahrend seiner letzten Krankheit wollte der Rath ihm durch ein Geschenk von 2; Thalern einige Erleichterung verschaffen; Kalvin schlug das Geschenk aus, und zwar unter dem Vor« wände» daß er bey seinem Unvermögen zur Arbeit nicht ein» mal das ordcnliche Gehalt zu verdienen im Stande sey. Ausser verschiedenen, andern Streitigkeiten, in welche er sich verwickelt sah, müssen wir noch folgender erwähnen: Gleichwie bis zu der Revol. i.J. 1702 die Predigt, welche am Congregationstage in der Peterskirche gehalten wird, einer besondern Censur in der Versammlung der Geistlichen unterworfen ward, so war die Predigt damals der öffentlichen Censur in der Kirche selbst unterworfen. Jedem der Zuhörer stand es frey, dem Kanzelrednrr vor allem Volke Zweifel und Einwendungen vorzulegen. ^ Kraft dieier Freyheit also stand nach vollendeter Predigt Hieronymus Bolsec auf und warnte die Gemeinde, daß sie sich von dem angehörten Vortrage des Predigers e Nammens Sainl-Andre, nicht verführen lasse, indem se«ne Begriffe über die Prädestination nicht bestehen können, ohne daß Gott zum Drannen und zum Urheber de Bösen gemacht werde. — Mittlerweile war Kalvin « die Versammlung gekommen, ohne daß er den Bvlst unterbrach oder von ihm konnte gesehen werden. Naw» Sem dieser mit seinem Vertrag zu Ende war, trat Kal, pin mmmcbr hervor und antwortete i »n über eine Stunde lang Punct für Punct. Farel bekräftigte seine Rede. Bot. scc ward ins Gefängniß geführt. Im Namen der Geist, iichkerc wurden ihm XV H. Artikel vorgelegt. Nach langen, wiederholten, mündlichen und schriftlichen Distm» ten, wurden die Verhandlungen auf Zürich, Bern und Bafel geschickt, um von diesen Kirchen Rath zu begehren. In Erwartung der Antwort wollte der Rath den Bolstc, unter Bürgschaft, auf freyen Fuß stellen lassen; da dieser keine Bürgschaft fand, so sah er sich genöthigt im Verhafte zu bleiben. Die Antworten von Zürich, Bern und Basel erschienen, und Bolsec unterschrieb den Jnn- halk derselben. Unter anbcrm befanden sich in der Ber- nerscheu Antwort folgende edle Gesinnungen: »illuä cameir ,, eciam argue eü-im viclenäum esss lentimus, iw guiä » severius stacuatur in errsntes, ne 6um äogmsrum xm- „ ricatem immnäerstius vinäicsmus, ä rsgula Spiritus „ Lkrilii äebciamuL; boc eli ctiaritstem srsternsm unäs » Uiscipuli Liniüi censemur, scl liniikram «leclinantes, ,, tmnLgreiälsmur; smics Lbrillo veritss, sscl amics guo- v gus sunt Llrrilio ovium ixsms snimre, non moclo !a » verirses 6ns olksnhone smbulsncss, seä L per äevi» ,, erraMLL imc> bsrum cursm fuxla psrsbulgm evsnzeli- r, cLm impanliorem, opcimus ksllor Zsric; laicis koc ixli, ;> non clocsmur ignorancss, sscl säinonemu« soientSL 6a -> compsmti plerumgue stimus, ut 6um summa üväio vs- -> rirscem äoÄrinL Lbristi cuemur, iä guoä in tiujus- 'r Mach stogmLtum äilliäiis usu vsnirs lolet, minur observe- Mun, guiä Spiritus Lliaricütis sc Lkrikisn-o msnluecuäl- niz r«<;uirst, secl lorvore ac ltuäio retinenäse veritsti8, in, üivorlum sb ao, guoü Okrilii Uiscipulos cicaet, sbripia- " wur, yusli lkuäium serv»näT cksritstis cum 2s1o verita. ^ Uz LmMkcrL neguaac, oum utriu^ue eonfuncliv SL zj ipstMmo Lkrilii 8piritu nsfcstur, guo, ur nikil eli ^ „ menäscio slisnius, its nikll ek L csritsti stgus „ msnluetuäini sääictiu», I.suäsmus in vobis retinenä-s „ veritstis kuäium-- 8imul tsmen obsecrsmus utz ,, cogitecis, gurm kt pwclivs sä errsnävm bominir in, „ Zenium, rursus gusm Lt gensrosum , iäeogue ksciiiu» „ in oräinem msnsuetuäins 8piritus reäucstur, gusm „ ssvyritgts trs.ii stur: L ut sä csuism vsnismus, äe gus „ inter Vos e Strenge gegen Sektirer lag nicht bloß in dem Charakter der Reformatoren, sondern überhaupt in dem Genius der Zeiten. So sehr auch die Aufklärung sich ausbreitete , so waren gleichwol nicht alle Spuren des Pap* stnm vertilget. — Daß Kalvin noch an Vorahnungen geglaubt habe, hievon giebt Beza in desselben Leben folgendes Zeugniß: den i?. Dezember >562 lag er krank aw Podagra; einige Tage hatte der Nordwind gewütet. G^ni natürlich glaubte Kalvin im Schlummer das Geftb^d der Krtegsposamun zu hören; auf einmal fuhr er au ... rsr dem Traum auf und verkündigte ein fürchterliches Unglück. An diesem Tage sagt Beza, wurde das blutige Treffen bey Drcux geliefert. — Ungeachtet solcher vermeinter Vorahnung, schien er sonst, gerade dem Geist seines Zeitalters zuwieder, wenig aus apocalyptische Weissagungen zu bauen. In den Scsügerisn^ schreibt von ihm Scaliger: O gusm Lslvinur bans allsguieur mentem kroxketsrum! Remv melius. Sogleich setzt er hinzu: 8»pit guocl in ^pocal^plim non scrixsit. * Die Menge der Stubirenden, die von allen Seiten nach Genf kam, machte den Kalvin aufmerksam auf das Schulwesen. Schon im I. r;y6. hatte er zur Verbes, ftrung desselben Pläne entworfen. Wegen überhäufter Geschäfte wurden sie von dem Magistrate beyseite gr. legt; im I. i;;8. bracht' es Kalvin durch aussordentliche Thätigkeit in kurzer Zeit dahin, daß nicht nur das akademische Gebäude neu aufgeführt, sonder» auch verschiedene, geschickte Lehrer gesetzt wurden. Sehr gerne hätte er eine vollständige hohe Schule für alle Facultärm gestiftet: allein für einmal mußte er sich auf die nothwendigsten, besonders die theologischen Studien einschrän. kcn. Ausser den sieben Schulklassen, wurden zween theologische Lehrstüle für Kalvin und Beza, und noch drey andre für die Philosophie, für die griechische und ebräische Spräche errichtet. Die akademischen Gesetzt, welche Kalvjn verfertigte, wurden öffentlich in Gegenwart des Rathes, der Geistlichkeit und der studierenden Jugend in der Peterskirche verlesen und hernach durch den Druck dekannt gemacht. Im I. wurde das französische Rcligionsgrspräch tu Poissy gehalten. Sehr gerne hätten die rrformirten Prinzen bey diesem Gespräche auch den Calvin gesehn; * G. such Dodin lk-tk. Ulk. 0. VII. ohne höchstanschnliche Bürgschaft aber, wollte ihn dc» Rath keineswegs abfolgen lassen. A» seiner statt wurden Peter Martyr und Beza gesendet. Da Calvin mit einem schwächlichen Temperament m-f die Welt gekommen war, so wurde es noch weit mehr durch anhaltende Anstrengung des Geistes entkräftet und von Zeit zu Zeit durch heftige Krankheiten erschüttert. Grausam ward er bald von der Migrame, bald von Fieber, bald von Podogra und Colik, »md in den letzten Lebensjahren von Steinschmerten geplaget. Muten unter der Leibesmartcr behielt er immer die Frenhcit des Geistes; immer blieb er Seißig in seinen Geschäften. Zum letzten male predigte er obgleich vom Asthma gedrückt, den 6. Febr. 1,64. Noch stellte er den 27. Mär; in eigner Person dem Senate einen neuen Rector vor; «klein er war so schwach, daß er unter beyden Schultern unterstützt werden mußte. Auf die rührendeste Weise nahm er Abschied von der Obrigkeit. — Nachdem er fei, yen letzten Willen in Ordnung gebracht hatte, ließ er uoch einmal bey dem Scnare um Verhör bitten, um steh vor seinem Ende mit ihm über die Angelegenheiten des Vaterlandes zum letzten Male unterhalten zu können. Um seiner äussersten Schwachheit zu schonen, begab steh die ganze Rathsversammlung zu ihm nach seinem eigene" Hause. In der ausführlichsten, salbungsvollen Rede leg- riete er sie; er bat um Nachsicht für seine Schwach^ ten, und namentlich wegen öfterer, allzu grossen Lebhaft tigkeit; er dankte für das genossene Zutrauen, und de" geleisteten Beystand; aisdenn empfahl er ihnen mit der Hoheit eines der Verklärten des Himmels das Jntercss der Religion; er erinnerte sie, daß Gott die Staatt regiere, daß die Regenten Gottes Werkzeuge seyn, daß- bey allen Stürmen vv» aussen und unter den größtes innerlichen Erschütterungen das Vaterland fest ^ werde, so lang sich in demselben, die Religion?, die Gesetze, die Sitten erhalten. Er beschwor sie, so wol bey den Wahlen als bey Prozessen niemals d e Stimme der Leidenschaft, der Gunst oder Ungunst, soll» de«i allein der Vernunft und des Rechtes zu hören. Unter heißen Segenswünschen gab er jedem der Rathsglieder die Hand und entließ sie mit rührender Wehmut. Noch am gleichen Tage begab sich auch die ganze Geistlichkeit zu ihm; er ermähnte sie zum Muthe und Eifer im Dienste der Kirche; er warnte sie vor innerer Zweytracht, vor Menfchenfurcht und Saumseligkeit. Mit tief verwundetem Herzen nahmen sie Abschied. Auf die Nachricht von dem herannahenden Tode desselben , machte sich Farel, ungeachtet seiner eignen Leibes» beschwerden und eines hohen Alters von achzig Jahren, fertig zur Reise von Ncuenbürg nach Genf. Calvin wollte ihn zurückhalten, und schrieb ihm mit sterbender Hände: Vgle mi oxtime L inteZerrime frster, mit den Füssen auf ihn. Hierauf bewachten sie ihn in einer Galerie. Ein Bedienter deS Großvicars schoß nach ihm , der Schuß aber schlug fehl. Farel wurde von Genf weggewiescn. In dem I. i;;;. hatten die Reformirten in Genf keinen andern Prediger als einen gewissen Handwerker, Namens Johann Guerin, der zum erstenmal in einem i Garten bey kre I'Leguö daS Nachlmal austheilete. Der ^ Nach wollte sich eben wegen der ReligionsangclegenheiteN ^ versammeln, als es die Priester zu hindern suchten. In der Nacht begaben sich 7»» bewaffnete Männer zu dem ^eoßdicar und verschworen sich zur Ausrottung der Re-, formieren. Noch zur rechten Zeit warnte diese ein gut» herziger Priester, und bey 20a stark setzten sie sich den Katholiken entgegen. Zween Handelsmänner von Frey. "kgl die zufälliger Weise zu Genf waren, beredeten evde Parteyen zur Niederlrgung der Waffen. Mail Machte einen Vertrag, daß matt nichts ohne BLwcWeK !en der h. Bücher predigen sollte. Farel kehrte nüch Genf zurück. Die Priester indeß unterhielten den Saamen der Zwcytracht. Bey einer Religwnsunterredung zwischen Katholiken und Reformierten zog man von beyden Seiten den Degen, steckte ihn aber bald wieder ein. Der gegenseitigen Aussöhnung ungeachtet liessen die Priester Lärm schlagen. Im Augenblick erscheint an der Spitze von ,500 bewehrten Männern der Canonikus Peter Wernli, bewafnet vom Scheitel bis auf Fußsohle, mit entblößtem, zweyschneidigen Schwcrdte. Es kömmt zum Gefecht. Ein Svndik, der die Streiter von einander trennen will, wird am Hauvte gefährlich verwundet — auf der Flucht Wernli erschlagen. Er war aus einem angesehenen Geschlechte von Frcyburg, und daselbst wurden die Genfer immer verhaßter. Die Genfer baten zwar ihren Bischof, daß ee seinen Aufenthalt wieder in der Stadt aufschlagen möchte, allein, da sein Official neun bis zehn Bürger in Verhaft setzen ließ, so stellte ihm der Rath vor, daß die Bürget von niemand als von den Mitbürgern abhängen. Dieser Widerstand vcranlasete die gänzliche Entfernung des Bischofs. Inzwischen verurtheilte der Rath den Mörder des Canonikus zum Tode. Die Enthauptung eines Einzigen that dem bischöflichen Fiscal wenig Genüge. Er drang auf Appellation. Der Rath verweigerte sie, indem er keinen höhern Richter über sich annerkannte. Der Großvicar ließ einen Befehl gegen das Bibellesen ansgehn, und wolle alle Bibeln in deutscher und in französischer Sprache zum Feuer verdammen. Farel und Frvment, die in Privathäusern predigten, stellten std? nachdrücklich die Barbarey eines solchen Befehls vor. Das Dohmstlft hatte einen Doctor der Sorbone, mcnS Furbiki, vom Dominikanerorden, nach k»M- ILZ kommen lassen. Dieser predigte mit Wuth gegen die Ncugläubigcn, er setzte sie unter die Henker Christi; sonderheillich die Deulschen (so hieß er die Lutheraner) erklärte er für schlimmer als Juden und Türken. Nach der Predigt machten deßwegen zwey reformierte Geistliche, Anton Froment und Alexander Camus, Lärm auf dem Kirchhof; sie schrien, baß der Mönch schriftwiedrig predige. Camus ward arrestirt und verbannt, hernach litt er den Martyrtod in Frankreich; Froment entfloh. Die Berner forderten Genugthuung für des Furbili Schmähworte gegen die Deutschen. Der Rath in Genf war verlegen. Auf der euren Seite sah er den Furbiti verfolgt von den Bernern, auf der andern Seite beschützt von der katholischen Partey >n Genf, von dem Bischof und von dem Kanron Frcyburg. Endlich sah der Rath sich genöthigt, den Mönchen bewachen zu lassen. Oef. ienllich sollte dieser Schreyer feine Behauptungen gegen Farel und Viret beweisen. Auf das theologische Gespräch folgte ein Aufruhr. Ein armer Huthmacher ward in seiner Bude ermordet. Man rührte die Trommel. Bey loo Reformierte zogen bewafnet vors Rathhaus und an, *tboren sich den Tod des Hulhmachrrs zu rächen. Man ! ^haschte zween Fehlbare, der eine, ein Schuster, ward ^een Tage hernach enthauptet; der andere, Namens sortier, ein Secretair des Bischofs, wendete ein, daß ^ nur »on dem Bischof könnte verhört werden. Bey fand man eine Menge Billets, von dem Bischof und > ^ dem Herzog von Savoyen besiegelt; in Kraft eines ^ oichen BillelS verordnete der Bischof einen Ralhsherrn I Freyourg zu feinem Gubernalor in Genf, mit dem l "ftrgg, dir Empörer zu strafen. Auf einmal ölnete Entdeckung den Genfecn die Augen; ohne Rücksicht dir Empfehlungen des Vi,chofs, liessen sie seinen 2 diese auf r;o Secretürr aufknüpfen. Furbiti ward zur Genugthuung gegen die Bcrncr verurtheilt und in Verhaft gebracht. Die Berner drangen sehr darauf, daß den reformier, ten Predigern eine Kirche möchte eingeräumt werden. Endlich führten einige Reformierte den Farel in das Fran, ziskancrkloster, daselbst predigte er den i. Merz r;;». in einem Saale. Der Rath sah durch die Finger. Von dem Saal begab sich Farel nach der Kirche. Diese Schritte beleidigten den Kanton Freyburg so sehr, daß er den Gcnfern den Bundcsbricf Herausgabe. In Geheim waren der Bischof und der Herzog von Savoyen auf ein entsetzliches Blutbad bedacht. Erik den Tag vorher, als die Verschwörung ausbrechcn sollte, ward sie dem Rathe von einem Mitverschwornen verrathen. Der Streich mißlang dem Bischof. Nunmehr ergriff er die geistlichen Waffen. Zwcyhundcrt Personen in Genf thue er in den Bann, er zog ihre Güter ein und verlegte den bischöflichen Sitz nach Gcx. Die Dohm- Herren faßien den Entschluß, den Farel, Viret und Frommt vergiftn zu lassen. Alle drey wohnten im gleicht Hause bey einem eifrigen Reformirten, Namens Clauve Bernard. Zur Giftmischerin anerbot sich die Köcbw' Farel spies an diesem Tag gar nicht. Froment gicng ausser Hause. Nur Viret allein bekam von dem G^e. Die Köchin gestand sogleich ihr Verbrechen. Je länger je kühner erhob sich die Partey der Resümierten. Ohne Bewilligung des Rathes wagte es in verschiedenen Kirchen zu predigen. Bcwafnet stürlNl die Bürger in die Dominikanerkirche und zerstörten Bilder. Den ro August r;;;. trat Farel mit r>" Collegen vor die grosse Versammlung des Rathes " drang auf die Abschaffung der Meß. Den 27. blulst r;z;. ergicng der obrigkeitliche Befehl, daß der Aberg ^ den sollte abgrschaft und das Evangelium in seiner sprünglichen Lauterkeit hergestellt werden. — Man darf nicht läugnen, daß die Mittel zur Beförderung der Re. formation hie und da eben so gewaltsam gewcien, als die Mittel zur Hintertreibung derselben. Im I. 1518. ward Farcl wegen unbändigen E'fers mit Kalvm aus Genf wcggrwiesen; er begab sich auf Basel und hernach aufNcucndurg. An lezierm One be. kleidete er das Prediqtamt bis zum Jahr 154.-. Noch eifriger als V-rurtheil und Irrtum bcstritt er die aus. schweifenden Sitten. Dadurch erweckte er sich zahlrei» che und furchtbare Feinde. Unter anderm wollte er eme vornehme Frau, die sich von ihrem Manne getrennt hatte, wieder mit diesem vereinigen; nichts vermochten weder seine besondern Vorstellungen, noch die Vorstelln», gen des ConsistoriumS, chvch der Obrigkeit selber. In einer Morgcnpredigt am Sonntage donnerte nunmehr Farcl laut gegen diese ungehorsame Frau und gegen alle diejenige, welche sie m ihrem Eigensinne bestärkten. — Aeusserst erbittert, formierten sogleich die lczlcrn gegen den Slrafprediger eine Verschwörung; schon hatten sie , Dihurino; ssuiiürns, LI.XV. »6, vember i;;z. ^ jz; ^tgue ut lcistid, gusm fseäs 6t strkormitgr, cum l,ic nnper eklet rruter noiicr ksrcilus, cui 5 e totos äsbent, m sstiz «0613, 6: pro jure 610 eo» libere moneret, tsntus in eum luror cxsr6c, ut cupitale juclicium in eum intentsre non 6t verirr. 8cio eguiilcm non «ledere novum vieler!, 6 reperisntur in urbe ' liliers ssöliost domines, gui turbss eoncitenr. 8eel stsplorsncls est 8enatur nostri cLcicss, guoä iibertstl8 luse pstrem 8 guüum eleäille, Hu» donir omnidu« L ingenuir merito stomacsium mc>- ^edit. 8t-c! guonism me complures csuste impsäiurit, ne Wals nostrs sperre cleplorem, 6c drevitcr dsbers, uil! krr vob codidescur 8stsn, dsben»; ei Isxstum in. In» deß: wurde Farcl von seinen Feinden so wenig besiegt, daß cr auch seither wieder ungehindert nach Genf gehn durfte, und unter andern, im I. 1564. seinen Herzens, ^cund, den Calvin , bey dem Todbette besuchte. Erst in dem neun und sechzigsten Jahre seines Alters ^rheurathetk sich Farel mit einer ziemlich bejahrten Toch- Namens Maria Torcl von Roucn, die sich der Re. 'Mv>, wegen »ach Neuenburg gezüchtet hatte. Noch in sf,i,f und sieben,igstcn Jahre erzeugte er mit ihr E'uen Sohn, der ihn überlebt hat. * Kciiievwcgs dürfen wir unbemerkt lassen, daß er auf nach Gap den Grund zur Erbauung einer ^'"stertcn Kirche in Grcnoble gelegt hatte; auch rei, st» kur Grunde Florimond de Remond in seiner ttill. ' "^cl. B- Vtt- C- «r. diese Verbindung als eine ' Derheuraehuag Farels ansehe, tonnen wu »letzt sagen- te kr im I. wieder nach Metz, um daselbst dir Früchte von fernem ehmals ausgestreuten Saamen zu setzn. In gleichem Jabre kehrte er nach Neuenburg zurück und starb an lezterm Orte den l). Sept. 1^6?. Ungeachtet seines Eifers für die remere Kirchenlehrr, konnle er selbst nicht immer dem Verdachte der Hetero« doxic entgehn. So j. K. war er ungefähr im I. i;;;. ron Peter Caroli, emem ehmaligen Doctor der Sor, dorne, der sich nach G-uf geflüchtet balle, bald des Aria- niinuis, bald des Sabcltraniimus beschuldigt. Zu Lau, sonne war hierüber eine Sv''voe versammelt. Farel reä'kfert'-gtc sich mir fernen Freunden, Calvin und Viret so nachdrücklich, daß sie gänzlich losgesprochen wurden; ihr Ankläger hingegen wurde des aeistlichrn Standes un« würdig erklärt. Der Haß dieses leztern gegen Farcl, Calvin und Viret kam daher, weil sie ihm, als einem ausschweifenden Wollüstling, an einer geistliche» Beförderung hinlcrlich waren. Keineswegs indeß ließ er sich ^ gleich gänzlich ad'chrecken; mtt einer Menge von Kiafl* schrillen begab er sich nach Bern; allein auch hier richte ten seine Vcrläumdunqen bey der Regierung nichts <"'§» immerhin aber wurde dadurch dre Ruhe so wol als der Einfluß der besten Männer gehindert. Bitterlich beklagt sich hierüber Calvin m einem Schreiben an Grynäus: Hä excitsnäsm ergg n«8 xemium vmnium inviäiani lrtioss s oertir tiominihus kakrefgökum. ^uocl gutem Koma lühili sutilillimg sus vgnitgte tsntum prolrcsre potuerit, rrt tot eccleslir iimstrsm 6e nobiz opinionem iä vero elf, guoä nox vehementer perturhgvit. ^ * S. Lere ttik. eeeics. B. XVI. und Calvins LpiK. , nL,„n; der fünfte Brief u> der Hanaucr-AuSgabe vo r;yr. MM «UM t Theodor Beza. -Z5 - Den -4. J»n. ward er zu Vezalay in Burgund von adclicheri Aeltern geboren. Mit zärtlicher Sorgfalt erzog ihn sein Oheim, ein Parlamentsrath in Paris; im I. 1528 anvertraute ihn dieser dem berühmten Melchior Wolmar in Orlcans, von dem er die ersten Grundsätze einer geläuterten Religion einsvg. Ungeachtet er sich zu dem Studium der Rechte bestimmt sah, so wandte er gleichwol die meiste Zeit auf das Studium der Alten. Im I. i;;y kam er nach Paris zurück. Durch den Hinschied seines Bruders wurde er Erbe beträchtlicher Güter; hiezu kamen noch zwo Präbenden, die er ohne Vorwissm erhielt, nebst einer Abtey von i;voe> Livr. jährlicher Einkünfte, die ihm ein Oheim, der Abt von Froidmond, abtreten wollte. Bey den glänzendsten Aussichten , in voller Iugcndkraft, beyden liebenswürdigsten Talenten , von der Natur mit reizender Bildung, von dem Glücke mit Reichthum begabt, im Schoße der Lustbarkeiten, stritt' er zwar mit sich selbst, doch siegte sein Entschluß, je eher je lieber zu der protestantischen Kirche hinüber zu gehn. Zum voraus hatte er sich in Geheim mit einer Person verlobt, die jeden Liebreiz, jede Tugend befaß, und wel. cher nichts mangelte als Glückesgüter und voryemme Abkunft. Gewissenhaft beobachtete er gegen sie feine Gelübde; zur Erfüllung derselben ward er durch eine todt. Krankheit bewogen; sogleich nach der Genesung küchteie er sich mit der Geliebten nach Genf und langte den 24. Ock. r;48 daselbst an. Bevor er zur Auswahl tüies Berufs schritt, begab er sich nach Tübingen zu fei« * C. Asyle via. nem väterlichen Freunde, dem Melchior Wolmar. Auf dessen Rarh nahm er im I. zu Lausanne den Lehr. stuhl der griechischen Spräche an, den er neun bis zehn Jahre bekleidete. Zu gleicher Zeit gab er den Vertrie« denen Unterricht in der Religion und verfertigte verschje, dene Schriften. Ueber seinen Abfall von der päpstlichen Kirche waren die Katholiken so sehr erbittert, das) sie ohne die geringste Wahrscheinlichkeit ausstreuten, er habe sich von Paris weqqeflüchtet, um der Strafe wegen begangener Sodomie ru enlgrhn; auch habe er, nach Ver- kaufung seiner Bmcsicien, das Weib eines Schneiders entführt. * Von selbst wiederlegen sich alle dieic Ver- läumdnngrn, da sie niemals von gerichtlichen Urkunocn unterstützt worden. Grosses Verbrechen hatte man ihm aus seinen lateinischen Gedichten gemacht. Unter dein Titel Zuvenilia wurden sie zu Paris IM I. 1548 gedruckt. Er ' haue sie seinem Professor, dem Melchior Wolmar, zugeeignet; sie enthalten Elegien, Gemälde, Grab, schriften, Epigrammen. Ungemein hatte er seither die Verfertigung dieser schlüpfrigen Gedichte bereut. Diejenige, die er für eine gewisse Candida schrieb, passen keineswegs auf seine Gemahlin, indem diese niemals schwanger gewesen. ** Eben so unbegründt sind die Vorwürfe, die man ihm wegen des Epigramms auf Audebert gemacht hat; damals nämlich, als dieses Epigramm aufgefetzt wurde, war Audebert schon ein angesehener Advokat bey dem Parlement in Paris. Noch in dem acht und llebzigsten Jahre ward eine neue Ausgabe feiner äuvLmlis gclicfrrt und diese Aus» gäbe wurde von allen unkeuschen Einfällen gereinigt. Immerhin hatte Beza diese Jugendsünden nicht nur bereut, sondern auch durch andre lehrreiche und erbauliche * S. Mezerai klitt. kr-oce, Th. IN- s. 64. und MaiM' bürg Uill. ä-xol. slter» zä Llsnä. ge XLinte; Or>p. Lcr. s. Z 5 S- k. I Schriften / so viel möglich, getilgt. Die erste Ausgabe seiner lat. Uebersetzung des N. Testaments init den Auslegungen lieferre er im I. Von Zeit zu Zeit folg. ten mehrere andre mit Verbesserungen und Zusätzen. Auch schrieb er zu Lausanne in französischer Sprache eine Tragt. Comödie über die Aufopferung Jsacs, welche hernach im Jahr 1598. von Iacomot ms lateinische übersetzt wur, de. — Während der «endemischen Ferien pflegte Beza nach Genf zu gehn. Daselbst forderten ihn Calvins Freunde auf, daß er den Reformator gegen die Injurien des Cochlcus in Schutz nemmen möchte. Ungeachtet Calvins Fürbitte für seinen Verläumder, ließ Beza sich nicht ab. halten und edirte im I. 1549 unter eignem Namen, in lateinischer Sprache, die 2 oogrspstism sosnnis Locblere. Dieses Pamphlet schrieb er Conrad Geßner zu: östggno. pers, sagt er, reipublicT Ilttersri« Interesse puto, ut tsm mstgnem bestism (Cochleus) sligusnäo extltisse Pollen guogus inteüigsnt: nee äubito, guin 6 e 5 neru« no- ller, gui snimslium stistorism kertur eontexers, stsnc velut sppenäicem sui« «äistcii« säjici pstisrur. Die Physiog- Nonne des Cochleus schildert er also: kuie kesti« csput est oblongum, p^rsmiäsli stgurs, gusls nimirum Ilome- rv 8 sskerstti stio sccommoäsvit, molc ingenti öt csrnols. ^ure« immens« L plsn« sstnin«, ut, st rotunäum csput ^"rec, nullt rei commoäi^« compsrrre polst« gusm ^>ot« ; nsm L stoe, 6 nesci«, sseci cui tsnäem iä ^lse porest ignotum ?) non tsm Plenum est cerebii flusm vini. — — krontis xsrum sut potius nistil. Oculi, gusles impuäentissrmum snimsl äecenr. Isosti ^^n,pe Komcricum illuä xi/v„ ix«''. Den«, guoä ^'rum est in bellus tsm moräsci, nullus, prseter cs- xjuo«, ssci eos tsm obtulo«, ut srroäsnt potius st,c:ent. dlssus longiusculu«, sä eum kcilicet rzS ! , .! - ulum 6 e guo'postea öicam, L rubiclMliulus: todus ts- men igneur kulurus, nist inviäise virus, guo tumed xsrperuo, liviäo guoäsm prllore ruborem tempersstcr. 08 ciistortum, smplum, >L semper Ostens, gualv sciii- cet Nsgistro nostrstst omnibu 8 vel nsrura ipts cribuit» vel nimis buj «8 xarti 8 exsrcicario cvmpgrsvir. Seiner ausschweifenden Laune erlaubt Beza mitten unter den ar, tigsten Einfällen die abgeschmacktesten Wortspiele und biblische Sprüche verbindt er mit den Epigrammen pro. faner Scnbenten. So z. B. sagt er: /«crem ^io/ir/n k-f Äll/nr'nakQM r,e c/rerubr'/n u. s. w. Nsgistri nostri vero nibil sliuä sunt gur»m Lberubini terrestres: quam etism ob csustsm, guum toti stnt ixnei, comburenclos curint I.utkerano 8 . 05 a^creumscrcherrm e/l cnim: c/ama, ne ce^/er. kerpetuu8 sutsm bic cls- inor guum ksuces arssÄcisr, perpetuo guoque licisnt opvrtet maxistri nostri. Den Cocbleus nennt er einen Hermaphroditen: nsrn L bi» guot3nn>8 krsncoforöioribbuS nunäinib lomescre8 kcetus ejicir: se6 guv8 nec snimslis xerfeciti, nec ovi, nec vermi8 nomine 6>8neri8: guicguiö illucl cst tsmen,stmul nalcicur L interic: provici» circa boc naturs,ut tsm monströs» animslst gnsm Minimum 6sm- noss kecunästas estet. — Am Ende macht Beza sich selbst folgende Einwendung: (^vorklim ici sä me? äices, gul snimslia äescribere conststui, non monstrL? ^tgui, wl Oestrere, tarn instgne monstrum? Llcntio prrkteriri nec potest, nec lieber. — Doch genug, um sich einen Bc- griff von dem damaligen Ton der Controvcrscn machen zu können! Genug, um zu zeigen, wie fruchrbar an «p» pigem Auswüchse in der Jugend Brzens Genie gewesen! Wenn seither dasselbe bezähmt worden war, so schah es vorzüglich durch den Umgang und unter Anleitung Calvins. Je langer je mehr gelang es diesem- Bezens Talente zum Dienste der Kirche brauchbar zu machen; auf Antrieb seines väterlichen Freundes übersetzte Beza die noch übrigen hundert Psalmen in französische Verse und sie wurden im I. r;6l mit königlicher Freyheit gedruckt. Nach seiner Genesung von der Pcstseuche schrieb er einen religiösen Lob, und Dankhymnus. Eine der merkwürdigsten Schriften, die Beza während seines Aufenthalts in Lausanne herausgab, ist die Abhandlung 6c sjTrcticig 2 MZistrstu punienäis. In dieser Schrift suchte er die Hinrichtung des Srrvets ge« gen den Castalio zu rechtfertigen; dabey vergaß er aber, daß seine Lehrsätze anderstwo seinen eignen Glaubensbrüdrrn gefährlich seyn könnten. Als Professor in Lausanne schrieb er auch eine kurze Erklärung des Christenthums ex stoürms äe -ecerne vci xi-XäekinJtione ; eine Antwort an Joachim Westphalus über das Nachtmal; über den gleichen Gegenstand zwey Gespräche gegen Tillemann Heshusius und eine Wicdecle, gung des Castalio in Betreff der Lehre von der Prädestination. Noch hatte Beza sein Jugendfreier und seine» Spottgcist nicht völlig gemäßigt, und in einigen dieser Schriften waren ihm muthwillige Einfälle entwischt, die er bey nachhingen Ausgaben ausgemärzt hatte. Im I. lt?7. hatte man die Hugenotten zu einer theologischen Versammlung nach Paris berufen; vierhundert Personen waren erschienen; sieben davon wurden rum Scheiterhaufen verurtheilt; die übrigen schlug man in Fesseln. Beza begab sich hierauf als Dcputirter mit Farel und Joh. Bude an den churpfälzischen, landgräf, iichhcßischen und herzoglich-wirteubergischcn Hof und sie Erhielten von diesen teutschen Fürsten, daß sie sich der französischen Hugcnottl?mit Eifer annahmen: wenig in, richteten die Empfehlungen bey König Heinrich !I. 14 » aus. Auf feiner Reise hatte Beza das Vergnügen/ in Frankfurt mit Melanchton zu sprechen. Im I. 155Y. ließ sich Beza in Genf nieder; bald hernach ward er Calvins College bey der Akademie fo wol als bey der Kirche. Auf Antrieb einiger Grossen des Königreichs ward er nach Nerac geschickt/ um den König von Navarra, wo möglich/ auf die refonnirte Seite zu bringen. Zum Nachtheile der Prinzen vom Ge» blute/ hatten sich damals/ unter der Regierung Franz II. die Guisen des unumschränktesten Eingusses beinäch. tigt. Auf dringendes Einladen des Königs von Navarra begab sich Beza mit Erlaubniß der Genfer-Regierung auf das Rcligions.-Colloquium nach Poissy; sehr geschickt schien' er zu dieser Unterhandlung, als ein Mann von Welt und Lebensart/ von schnellem und lebhaftem Witze, von ausscrordentlicher Gelehrsamkeit. Bey einer' an sich selbst ganz unschuldegcn / aber mit Vorsatz mißdeuteten Vergleichung nahmen der Kardinal Tourno» und die Prälaten Gelegenheit ihn einen Gotteslästerer zu schelten. Da aber weder der König noch die Königin, noch irgend einer der Prinzen ihm Stillschweigen gebot, so fuhr er in seiner Rede mit besonderer Geistesgegenwart fort bis zu Ende. In der ganzen Folge- des Gespräches bcwicß er ungemrin viele Geschicklichkeit und niemals ließ er sich in die Schlingen des Kardinals verstricken. Nach dem Schluß des Colloquiums gieng er nicht sogleich wieder nach Genf zurück. Catharina von Medicis suchte ihn zu bereden, daß er als Franzose in seinem Vaterland sich festsetzen sollte. Mehrmal predigte er bey der Königin von Navarra, bey dem Prinzen von Conde und in den Vorstäd» ten von Paris. Nach dem Niedermezcln zu Vassy, den r. Märi 7^62. ward er an den König abgeordnet, um sich über solche Gewaltsamkeiten zu beklagen; bald darauf entzün- dete sich der einheimische Krieg; während desselben blieb er bey dem Prinzen von Conde; als Fclbprcdtger wohnte er dem Treffen bcy Dreüx bey. Während des Verhafts des Prinzen lebte er bey dem Admiral von Coligny; erst nach gemachtem Frieden kam er im I. 156;. nach Genf zurück. Seither kam er nicht wieder nach Frankreich bis zum I. 1568. Damals besuchte er seinen Geburtsort Vczelay; daselbst sorgte er für die Kinder seines verstorbenen Bruders; auch sammelte er, so gut er konnte, sein Erbgut zusammen; seine Schwester blieb im Kloster und fruchtlos waren alle seine Bemühungen, nm sie zu einer Reise nach Genf zu berede». Von Zeit zu Zeit edirte er verschiedene Schriften. Vormals hatte er in französischer Spräche ein Glaubens, bekcniitniß geschrieben, um sich bcy seinem Vater zu rechtfertigen und diesen guten Alten, wo möglich, gleich, falls auf die reformierte Seite zu bringen. Seither hatte er dieses Glaubensbekänntniß in lateinischer Sprache im I. 1560. seinem Lehrer Melchior Wolmar zugeeignet. Auch antwortete er dein Castalio und Franz Baudvin auf ihre Critikcn seines N. Testaments; mit Brentzius wechselte er Streitschriften über die Lehre von der Ubi, guttat; gegen den Vertheidiger der Viclweiberey, Bern» hardin Ochinus, schrieb er sein Buch cls chvoilüs ;L6. bediente sich die Conferenz zu Mümpelgard seiner als Sachwalters gegen Jac. Andreä von Tübingen. Seit dieser Zeit ward der Graf von Mümpelgard den Calvi, nisten gewogener, übrigen-, ( wie es zu geschehn pflegt, ) glaubte jede Partey gesieget zu haben. Im I. i;88. hatte Beza seine Gattin verloren. Un» geachtet ihm der Verlust dieser treuen Lebensgefährtin sehr zu Herzen gieng, so ließ er sich deswegen keineswegs hindern, der bernerischen Synode beyzuwohnen; in dieser Synode wurde Samuel Hubers Lehre von der Rechts"' tigung des Sünders verworfen. Noch in gleichem Jahre verheuratcte sich Beza n"t einer Wittwe, mit der er bis zu seinem Tode sehr glück' tich lebte. Im I. 1597. fieng er an die Beschwer' den des Alters zu fühlen; von dieser Zeit an erschien *r nur selten auf Kanzel ober Katheder. Noch war indeß seine poetische Ader so wenig erschöpft, daß er würku in diesem Jahr 1507. ein Spottgedicht voll Feuer gtge die Jesuiten verfertigte, weil diese ausstreute», gestorben und habe sich vor seinem Ende zur römisch »4r Kirche bekehrt. Sein letztes Gedicht war die votlvs gr». rulacio an Heinrich IV. als er diesen Prinzen im Dczem- der 1600. unweit Genf beglückwünschte. Thuan sagt, daß er von dem König mit Thalern beschenkt wor- den sey. Noch lebte Brza bis zum 1;. October rSo; die gegenwärtige und täglich vorfallenden Dinge, schreibt eben erwähnter Thuan, entfielen aus seinem Gedächtniß; lange vergangene Dinge hingegen blieben ihm fest eingeprägt und sehr richtig urtheilte er bis an sein Ende. Ganz ohne Anstoß konnte er in hebräischer Sprache die Psalmen, in der griechischen Sprache mehrere Hauptstücke aus den Briefen des Paulus auswendig daher sagen; nach dem Zeugnisse des Kasaubon sprach er noch immer mit so viel Genauheit von der alten Geschichte, als hätte er erst neulich den Plutarch und andre claßische Schriftsteller gelesen. In derselben Unterredung hingegen wenn er erst noch weitläuftig von dem neuen Könige in England geredt hatte, konnte er fragen: ob wol die Nachricht von dem Tobe der Königin Elisabeth richtig sey? In seinem Lpiceäium auf Beza mischt Scaliger eine Weissagung ein, die zwar bis auf diesen Tag unerfüllt geblieben, die aber immer bewcißt, daß Beza gleichsam als Schutzgenius der Genfer angesehen worden: Del kamulo non slippo luxertllds esp» all, ^uum gusteret Vanäslus kostis oxsr, Instullit tilri ko Präsentia numinis, iüo Lsrnere ne polier ulteriora mslo. ^gue minam celerer rapisnt procul Omina vsnti, l^r poriur menäax ünxerir ist» metus.' . Vermuthlich daß sich diese politische Weissagung auf "nige Conferenzen des Papstö SixtuS V. mit seinen Kar- ,44 - dinalen gründete. * In diesen Conferenzen wurde beratschlagt , durch was für Mittel Beza am besten könnte aus dem Wege geräumt werden? Nach desselben Weg. räumung nämlich glaubte man die Stadt Genf entweder wieder unter das päpstliche Joche zu bringen oder sonst leicht in den Untergang zu stürzen, und so würde man mit weniger Mühe in der Schweiz so wol als in Frankreich die Reformierten vertilgen. Salesius, der genferfche Bischof, war auch gegenwärtig bey der Versammlung; als der Papst von ihm sein Galachten verlangte, erklärte er sich, daß man den alten Prediger unmöglich werd« wegschaffen können und daß kein ander Mittel zur Wiederherstellung des Papstums übrig bleibe als wenn man mit genügsamer Macht dem Herzog von Savoy zur Eroberung der Stadt Genf behülflich seyn werde. Wolfsang Museulus. * Er ward im I. 1497. in Dusa in Lothringen geboh- ren. Seine Aeltern waren wenig begütert» aber wegen guter Aufführung geliebt und geachtet. Von Kindheit auf war der Knabe so eifrig im Lernen, daß er weniger des Sporns als des Zügels bedurfte. Mit sehr geringem Reisegeld besuchte er fremde Schulen; durch Singen vor den Häusern wußte er sein Brod zu gewinnen. Indeß lebte er ärmlich, bis er im Elsaß mit dem Hause des Grafen von Raperswyl bekannt wurde. Von Raperswyl begab er sich nach Colmar und Schlecstadt; an letzterm Orte studierte er ileißig; seine Lieblingsbeschäftigung war öie Dichtkunst. * S. Lcti Vit» öi 8iko V. k. II. I.. III. ** S- äsami Vlt,s, wie auch Verkelilcn Lloxir, Schon Schon in dem fünfzehnten Jahre des Alters entschloß er sich zum Klostergelübdc. Hiezu hakte er folgende Ver, anlassung: Als er eines Tages seine Aeitern besuchen wollte, führte ihn der Weg über Lüxheim in der Herrschaft Lützelstein, im Pfälzischen, woselbst er bey einer Verwandtin, So, phia, einkehrte. Abends begleitete ihn diese zu dem be. nachbarten Benedictinerkloster; mit den käsigen Mönchen sang er die Vesper; seine Stimme, sein ganzes, liebenswürdiges Betragen entzückten den Prälaten so sehr, daß er auf alle Weile bedacht war, den Jüngling ins Kloster zu locken. Nicht nur ohne alle Unkosten — welches sonst niemals geschah, — anerbott er ihm den Zutritt, sondern auch Beth, Kleidung und alle Bequemlichkeiten des Lebens. Vorläusfig nahmen er und die Base den Vorschlag mit Dank an; bevor sie sich aber völlig entschlossen, reisten sie mit einander nach Dons«, und mit Freuden erhielt ver Jüngling von seinen Aelrern die Einwilligung; er kehrte also nach dem Kloster zurück: auf eigne Unkosten schickte ihn der Prior, um sich cinweyhcn zu lassen, zu dem Bischof von Metz. Bis zum Jahr 1527, also bis zum dreyßigsten Jahre seines Alters blieb Muscnlus im Kloster. Währcnb daß die andern Mönchen sich beym Dein — und Spieltische belustigten, pflegte er mit einem Buche sich in das nahe gelegne Wäldchen zu flüchten. Ungeachtet seines srdhl-chen Gemüths, ungeachtet der Lebhaftigkeit seines Temperaments hatte er von Jugend auf, alle unanständige Zeitoerlricde verabscheut. — Indeß Richte die Klosterbibliothek nicht hm zur Befriedigung feiner litterariichen Neugicr. — Von ungefähr entdeckte ^ unter dem Dache einen Haufen zerstreuter Memdra» , unter denselben emige Schriften des Tullms und "vids sämtliche Werke. So sehr begeisterten ihn diese K -etztern, daß er auch des Nachts im Traume Gedichte verfertigte. Die ovidianischen Metamorphosen sicng er an ins Kurze zu ziehen; mit Bryseitsctzung der weilläuftigcm Episoden und andrer Ausivüchse, harre er schon fünf Bücher zu Stande gebracht, als Claudius Cantiuncula/ dem diese Arbeit «ngcmein wohl gefiel, dieselben mit sich wegnahm und sie dem Versager niemals wieder zurückgab. Mit dem Studium der Dichter verwand Musculus das Studium der Tonkunst. Wegen feines einzunehmenden Vortragcs ward er rum Predigramle bestimmt; ein frommer Greis in dem Kloster erinnerte ihn oftmals: Em guter Prediger müsse vor aus auch (wie er sich ausdrückte) ein guter Zivile»« seyn; diese Erinnerung blieb keineswegs fruchtlos. Als Luthers Schriften bekannt wurden, so las sie Musculus mit eben so viel Erfolg als grosser Begierde; niemals fetzte er sich mit den Mönchen zu Tische, daß er nicht die neue Lehre mit Eifer vertheidigte und auch felbsi von der Kanzel Luther» m Schutz nahm; wirklich hatte er deswegen den Rainen des Lulhcrschcn Mönchen geh>^' ten. Weit die mehrern seiner Convcntualen wie auch vcr« schiedne benachbarte Edelleute, unter denselben besonders der Befehlshaber von Lutzelstcin , Rheinhard von Roten- bürg, liessen sich durch ihn zum Abfall vom Papsiuw bewege». Dieser letztre war sein Beschützer gegen eben so zahlreiche als mächtige Feinde, z. B. die Bistb^ von Metz und Straßburg. Um seine Srandhaftigkel auf die Probe zu setzen, ritt' eines Tages der eben erwähnte Befehlshaber von Lützelsteiu, verkappt und Begleite einiger bewafneter Reuter hinaus nach LuMim, sie stellten sich, als ob sie den Musculus bey der K-rw- thüre gesanglich wegnehmen wollten; dieser hielt sie >n Abgeordnete des Bischof» von Metz; er bat sie ihn vorher now ferne Predigt halten zu lassen, alsdenn möchten sie nach G" * dünken mit ihm verfahren: auf erhaltene Bewilligung besteigt er die Kanzel und mit außerordentlicher Gegenwart des Geistes vollendet er seinen Vertragz während daß jedermann um sein Leben belorgt war, steigt er hinunter und mit entschlossenem Muthe überliefert «r sich feinen vermeinten Verfolgern. Voll Bewunderung enr, deckt sich izs der Befehlshaber, umarmt den Prediger, bittet ihn wegen seines Mißtrauens um Verzeihung und beyde schwören einander, Gut und Blut für die Wahrheit zu opfern. — Eines Tages im I. r?2<>. während des BaurenaufstandeS in Teutschlanb war Musculus mit einem seiner Klostergenossen nach Zabern gekommen; als sie zum Stadtthor hinausgehn wollten, fragte sie ein bifchöflich-straßburgifcher Befehlshaber: Wo sie hinzielten? Muiculus sagte: Nach Straßburg, wo ich wegen kränklicher Le'besbeschaffenheit einen Arzt rathsfragen werde. —- So geht denn — sprach der Befehlshaber, — bald werde ich erfahren, wo Ihr hinzielt! — Unterwegs eilte ihnen «in Bauer nach, mit der Anzeige»--daß sie gar bald von einem Trupp Reuter eingeholt werden^ Auf diesen Wink hin flüchteten sie sich in den nächsten Hfarrhof; von da gehn sie nach der Anleitung des Pfarrers weiter durch waldigte Abweg«. Kaum hatten sie sich von der Landsirasse entfernt, so schnaubten die Reuter daher, fragten «ach ihnen und fluchten, daß sie dieselben nicht mehr einzuholen im Stande waren. Nach dem Hinscheide des bisherigen Priors ward Musculus einhellig zu feinem Nachfolger ernennt: allein dos Mönä'gwe-en war ihm »eit langem zum Eckel geworden ; er Miig die Ehre aus und durch seine Vermittlung "hielt sie ein gewisser Brifacms, dessen Bast, Marga. "tha Bart, Mmculus heurathcte. Der neue Prior ihm beym Abschied aus dem Kloster ein Gastmal,- K a die Anzahl der Mönche war auf sechse hermrtergeschmok ;en; drey von.diesen begaben sich bald hernach auch weg. Aus dem Kloster erhielt Musculus ein Iahrgehalt von acht Gulden. Mit dem wenigen Gelde geht er nach Straßburg. Da es zu stimm Unterhalte und zum Un, terhalte seines Wetbes nicht hinrezchele, so trat letzteres als Hausmagd bey dem Stadtpfarrer Lhcobald Nigri in Dienste; er selbst aber lernte das Wcbrrhandwerk; un» glücklicher Weise war er auf einen widertäuferschen Lehr« meister gefallen. Nach mancherley Zänkercycn ward er von diesem aus dem Hause gestoßen. Aus dringender Armuth hatte er sich rtzo unter die Schanzengräber aufnehmen lassen. Als er zu feinem Weibe kam, vernahm er, daß ihn der Bürgermeister und Dr. BuceruS im grossen Münster erwarten. Von denselben erhielt er den Auftrag, daß er alle Sonntage nach Dorlizheim hinaus» gehn und daselbst das Evangelium predigen solle. Dieses Dorf ist ungefähr drey Meilen von Straßburg entfernt und liegt in der Nähe von der bischöflichen Stadt Molz- Heim. Jeden Sonnabend gicng also Musculus hinaus und hielt noch eine Predigt; des Sonntags drey Predig» len und Montags kehrte er nach Straßburg zurück. Daselbst gab ihm Bucer in seinem Hause Wohnung und Nahrung; dafür that er ihm die Dienste eines Copisten» Bucer schrieb äusserst unleserlich; Musculus hingegen hatte eine schöne Handschrift. Nach einigen Monaten, als sein Weib ^er Niederkunft nahe war, ließ er sich in dem Dorfe selbst nieder. Gemeindsgcnvffen beschenkten ihn mit Geräthe; übrige» mußte er sich ärmlich behelfen. Ein ganzes Jahr la»§ verwaltete er den Pfarrdienst, ohne den geringsten Lob» bekommen oder zu fordern. Der Abt zu Hohenforst behielt den Ktrchenzehnten für sich selbst, ohne dem pr^ stantilchen Geistlichen das Geringste abfolgen zu lasse» -> endlich ward er von der Obrigkeit ;u Straßburg mir einem Gehalt aus der Schatzkammer unterstützt. Noch- weit mehr aus theilnehmcndem Wolwollcn als aus öko» nomischen Absichten rröfiietc er eine Schule. In dem benachbarten Kloster St. Johann wurden alljährlich besondere, feycrliche Reden gehalten; auf Ver» langen seiner Gcmeindsgenossen wohnte nun MusculuS diesem Iahresfcste auch bcv. Der Mönch predigte über jene Stelle an die Ebräer; Ohne Glauben ist es unmöglich Gott zu gefallen. — Eifrig zog er loS gegm alle Lutheraner, besonders auch gegen die Straßburger. Beym Heruntersteigen von der Kanzel gieng Musculus auf ihn zu; Höre nunmehr, sprach er, du Betrüger, hör nunmehr auch mich; vor der grossen Versammlung iver5e ich deine Falschheit entdecken. Hierauf bestieg er selbst die Kanzel und erklärte die gleiche Stelle; zugleich bewieß er, daß die Lutheraner, anstatt den wahren, alten Glauben zu verläugnen, denselben vielmehr wieder her« vvrziehn. Haufenweise war das Volk zusammengelaufen; die Mönchen drangen sich, einer nach dem andern, hervor; der Klosterverwaltcr unterbrach mit Schelten die Predigt und fragte den Musculus: Wer ihm hiczu die Erlaubniß gegeben hätte? — dieser kehrte die Frage um, indem er sagte : — „ Und wer hat dir die Erlaubniß « gegeben, diesen lügenhaften Mönchen auf die Kanzel -- in stellen, diesen schwarzen Vcrläumder des SenatS " und des ganzen Volkes zu Straßburg? Mir hingegen " liegt die Pflicht ob, daß ich meinen Magistrat gegen " ungerechte und falsche Beschimpfungen in Schutz nehme." Hierauf fuhr er in seiner Predigt fort; anstatt der Dräu« ^vrte, bediente sich der Klosterverwcftr nunmehr des ^ittens und Flehens, daß er endlich aufhören sollte, es , °chte sonst Tumult und Aufruhr entstehen. — Muscu. ^ ermähnt ihn, ruhig zu bleibe» und beschwört das rzs - -— - Volk, baß eS zu keiner Verwirrung Gelegenheit gehe. — Auf solche Weise gelingks ihm, stine Predigt zu Ende zu bringen ; zu Straßburg hatte er sich dadurch viele und angesehene Freunde erworben. Ein Jahr hernach ward er als Diacon in die Stadt berufen. Aus Bescheiden, sieit wollte er diesen Beruf ausschlagen ; allein man zwang ihn zur Annahme desselben Bey dieser Stehe gelang es ihm, daß er auf die erste Predigt h,n, die er zu Dosna, unweit Neuwyler hielt, die ganze Gemeinde von dem Papstum auf die reine, evangelische Lehre zurückführele. Nur sechs Wochen lang predign er in diesem Dorfe und kam wieder nach Slraßburg. Während der V rwalrung seines Diacouats besuchte er fleißig die theologische'! Vor» l-sungen des Wolfgang Capito und des Marun Bure» rus; auch fieng er an die ebräische Sp ache iivdnrcn, und schrieb mit eigner Hände ein Wörterbuch zusammen. In kurzer Zeit las er nicht nar die heiligen Bücher, sonver auch die caidäifchen Ausleger und die dunkelsten Commentarien der Rabiner. Zwey Jahre hernach, im Jahr r?;r. ward er nach Augspurg berufen. Daselbst verwalkete er seinen Pfarr- dienst sieben Jahre lang, nicht ohne ausserordcnt! cve Verdrießlichkeiten; bald hatte er gegen die Papisten, bald gegen die Wiedertäufer zu kämpfen. Die letzten» trieben die Unfugen so wut, daß sie zur Zeit, wenn sich da? Volk versammelte, in die Kirche hineindrängen und von der Kanzel ihre aufrührischen Lehren verkündigten» schon liefen sie Gefahr, von dem Magistrate als Emp * rer behandelt zu werden: Mmculus aber that s"N Möglichstes, um sie durch gelindere Wege von ilM" Irrthum zurück zu führen; er besuchte sie in dem Gefängniß, ihre Beschimpfungen und Verwünschung" hielten ihn nicht ab, durch zuvorkommende Liebe au - ihre Liebe zu gewinnen und so gelange ihm, mehre derselben wieder auf die richtigen Pfade zu leiten. In seiner Bestreitung der Catholicke» war er so glücklich, daß auf Befehl des Rathes im I. die meisten, «nd cm I. rz;?. gar alle Kirchen von den päpstlichen Geistlichen geräumt wurden; er selbst erhielt die Pfarrcy bey der Marienkirche. Mittlerweile hatte er sich bey dem augfpurgifchen Lehrer Tystus Belulejus in dem Studium der griechischen Sprache vervollkommnet; verschiedene Comment«, rien des Ehryfostomus über die paulinischen Sendschreiben/ wie auch seiner Anslemmg über die Psalmen, ferner einige Schriften des Christus und Athanastus, des Eufebius, des Socrates, Sozomenes, Theodors u. a^ übersetzte er in das Lateinische. Auch in der Profange- schichte vermehrte er die schon vorhandenen fünf Bücher des Polibyus mit zwölf Abschnitten im Auszngc. Erst nach dem vierzigsten Jahre seines Alters legte er sich auf Erlernung der arabischen Sprache, und zwar ohne einige fremde Handle,tung. Von ftinem Freunde Bonifazius LycosthencS hatte er einen Psalter in fünf Sprachen . bekommen; hin »nd wieder sammelte er daraus die eigenthümlichen Namen, die mehr oder weniger in allen Spra, chen gleich find; aus diesen Namen zog er ein voststän, digcs, arabisches Alphabeth und vermittelst seiner Kennt" biß verwandter Sprachen, als z. B. der ebräischen und ber chaldäischen, gelangte er gar bald zu besserer Kennt" biß auch der arabischen Sprache. Im I. r?;6. wurde zu Bcytegung des Nachtmal, weites in Eisenach eine.zahlreiche Synode gehalten; auf Befehl seiner Obrigkeit zog Musculus mit seinem AmtS, Rossen, Bonifazius Lycosthenes, auch hin; da wegen kränklicher Le:bcsbcfchaffcnheil, Luther sich nicht persönlich ^bsinden konnte, so begaben sie sich „ach Wittenbera» Die öffentlichen Synodalverhandlungen find Zeugen, wie verlragsam unsers Musculus Gesinnungen gewesen. Als in den Jahren 1540. auf den Reichstagen zu Worms und zu Rcgenspurg Rcliaionsge,»räche zwischen den Catholiken und den Protestanten gehalten wurden, so wohnte auf Befehl der augspurgischen Obrigkeit dielen Gesprächen Musculus auch bey; würklich war er öffentlicher Schreiber bey der Unterredung zwischen Mclanch, ton und Job. Eccms; auch predigte er zweymal gegen den Mißbrauch der Messe, und diese Predigten erschienen seither im Drucke; als sie hernach von Joh. Cochläus angegriffen wurden, so setzre er diesem in teutscher und in lateinischer Sprache seinen LmicocKlLus entgegen. In. I. r;44. ward Musculus für einige Monate von dem Rathe zu Augspurg der Stadt Donauwcrth überlassen; nachdem er daselbst den Grund zur GlaubcnS- verbessernng gelegt hatte, so kehrte er im folgenden Jahre nach Augipurg zurück und schrieb seinen lateinischen Catcchismus. Nach dem unglücklichen Ausgange des smalkaldischen Krieges kam Kayser Karl V. im I. 1547. m,t seinem Bruder, dem römischen Könige Ferdinand, im Gefolgt vieler Fürsten, Kardinäle und Buchöffe nach Augipurg; damals wurde die Kirche unsrer l. Frauen dem Musculus entrissen und in die Hände des Kaysers geliefert; nichts desto weniger fuhr Musculus mit gleichem Effet und Muthe in seinem h. Amt fort; unter denjenigen, die ihn deswegen bey dem Kayser anschwärzten, war einer der heftigsten Michael Sidonius, bischöfi'^* Vicar zn Maynz; um ihn gegen so viele Feinde si<^ zu stellen, erhielt er eine obrigkeitliche, bewainett Wache , die ihn von Hans aus zur Kanzel und von der Kanzel nach Hause begleitete. Sehr sst trieben die Bedien des Kardinals von Augspurg vor seiner Thüre den au - gelassensten Muthwill und bestürmten seine Fenster mit Sternen; kein Gespött, keine Nachstellungen, keine Ver- laumdungen, keine Todesgefahren schreckten ihn aber von der freymüthigsten Verthaydigung der Wahrheit ab. Sehr eifrig widersetzte er sich in Schriften und Predigten der Annahme des Intei-imn; zum voraus verkündigte er den Augspurgern, so bald sie sich dazu verstehen werden, so werde er ihre Mauren verlassen; und er hielt auch sein Wort, nachdem auch sie schwach genug waren, sich die. sem so nachthriligen Svruche zu unterwerfen. Mittlerweile ließ er sein Weib und acht Kinder zurück, um anderstwo Zuflucht zu suchen. Ueber Lindau und Kon, stanz kam er auf Zürich; daselbst verweilte er einige Tage bey Bullingern ; hierauf begab er sich zu Ioh. Her- vagius nach Basel, auch sein Weib unternahm izt mit den acht Kindern die beschwerliche Reift; er gieng ihnen nach Constanz entgegen; daselbst predigte er an gleichem Sonntage zweymal und ermunterte die Zuhörer zur Stand' hastigkeit, damit sie sich nicht durch das Beyspiel so vieler schwacher Brüder zum Abfalle hinreisten lassen; allein bald hernach wurde die Stadt von den Svaniern rrvbert und fruchtlos blieben die Predigten des Muten, lus. Während der Belagerung flüchtete er sich, auf seiner Freunde und besonders auch des Ambrosius Blasers Anrathen, mit Weib und Kindern in das benach» borte Helvctien. Nachdem er drey Tage lang zu Bi. schofzell ausgeruht hatte, ward er von dem gelehrten Bürgermeister Joachim Vadian nach St. Gallen beru- ; daselbst lebte er einige Zeit mit seiner Haushaltung ^>f obrigkeitliche Unkosten; die zu Konstanz während der Belagerung ausgestandenen Schrecken und so viele andre früher, und Beschwerlichkeiten hatten seine Gattin auf "s Krankenlager geworfen; nach ihrer Wiederherstellung kstab er sich mit der ganzen Familie nach Zürich; sechs 154 Monatelang wurde er daselbst von dem Magistrate sehr liebreich unterhalten, bis sich für ihn ein vortheilhaftcr Beruf zeigete. Einen solchen bekam er zwar nach England durch den Erzbischof Thomas Krämer: allein wegen heranrückenden Alters, wegen kränklicher Umständen der Gattin und wegen Minderjährigkeit der Kinder schlug «r ihn aus. Desto willkommner war ihm in dem folgenden Jahre ein Beruf als Lehrer der Gottcsgelchrtheit nach Bern, woselbst er seinen alten Freund, Dr. Johann Halter, zum Mitgehilftn hatte. Im I. i?4y. trat er sein Amt an und verwaltete dasselbe in die vierzehn Jahre mit aller Treu und nicht ohne reichen Erfolg. Seine Vorlesungen über die Psalmen, über das erste Buch Moses, über den Eiajas, über die Sendschreiben des Paulus, wie auch seme Iwci communer wurden durch den Druck bekannt gemacht. Mit Stillschweigen übergehn wir verschiedene seiner kleinern Schriften; so ;. B. könnten wir der IV. Dialogen, unter Anfscdrist krolLTws, erwähnen, worin er erörtert: In wiefern oder ob es einem evangelischen Christen mit gutem Gewissen erlaubt sey, an papistischen oder andern fremden, gotlesdienst»- chen Cäremonien Antheil zu nehmen? — Ferner eine Abhandlung in teutscher Sprache: In wiefern ein Christ gewaltthälige Unbillen mit Geduld ertragen müsse? "" Eine Widerlegung des unlauter«, augspurgischen Cai- chismus, teutsch; ebenfalls teutsch einige Gespräche über die Tridentinische Kirchenversammlung u. s. w. I" ^ nem Vortrage war er methodisch, deutlich und immer von polemischem Tone, so viel möglich, entfernet. Wie angenehm ihm sein Aufenthalt unter den Vertiern gewesen, bewieß er dadurch, daß er so viele vor- iheilhafte Einladungen ausschlug; so z. B. ward er nM Martin Bucers Tod abermal nach England, so ward^ *m I. als Augspurg wieder di: alte Freyheit langte, nach Augspurg, ferner nach Straßburg, in die Pfalz, nach Hessen. Cassel berufen: allein nichts riß ihn los von den Bcrnern, die ihn in feinem Elend so liebreich aufgenommen hatten. In größter Eintracht lebte er mit seinen Collegen; sehr gefällig war er in dem Schoße des Hauses gegen die Dienstboten so wol als gegen Gattinn und Kinder; ungemein freygebig gegen die Ar, men, besonders Vertriebne und Fremde; sein Tisch war ungemein einfach und mäßig; daher genoß er der dauerhaftesten Gesundheit; ungeachtet einiger Beschwerde an dem linken Fusse, gieng er nichts desto weniger fleißig spazieren. Wenige Zeit vor seinem Tode verfertigte er folgende Verse: Ri! kupsrelt vitee, krixus pr»sorstia captat: 8s6 m Lkrilis mibi vica psrsnnis aste;. ^uiä erspiäsr snims? aä leäss sbitura gmetis, Ln tiki öuätor aässt sngslus ills ruus. Linqus äomum bans mileram nunc in lua kata rusntem, übi stäa vei ösxcsr» restituet. keccsüi? 8cio: 8eä ckrikus crsäentibus in 1s Lcccaea expurgat languino cunöka 5uo. Horribilis mors eli? kstsor; 5sä proxima vit» est, Lä gusm ts Lkriki grstia sert» vocat. l'rLsto elt cie 8acana, psccsto >L morts triumplmns Lkrjtius: aä Kunc igiwr larrg slscrisciue migr». Ungeinein ruhig lag er auf seinem Sterbebeth. Sein Freund Haller unterhielt sich mit ihm über die Eitelkeit "nt> Hinfälligkeit des Lebens; seufzend rief er aus: äk. Mä 5umus? — kumus, erwiederte sogleich MusculuS Lächeln und voller Gegenwart des Geistes. Haller ^agte ihn: Ob er noch Etwas anzuordnen hatte? — ^lcht das geringste, sagte er: Was meine Lehre betritt, hab ich geschrieben, wie ich gedacht habe und wie ich ,Z6 «och izt denke. Und die l. Mcinigen überlaß ich deiner Fürsorge und der Fürsorge unsrer gemeinschaftliche» Brüder. — Sehr rührend und erbaulich starb er den August i; 6 ;. im sechs und sechzigsten Jahre des Alters. Unter andern Sinngedichten, die zu seinem Lobe ver» fertigt worden, ist folgendes, obgleich auf ein Wortspiel gegründet, eines der sinnreichsten: Am VenMoris Isgueos msgni atgue rlololi kerrupit, xarvuz lVIusculus eld ksbitus: In äitis kspL penetrsiis repserat ills: msgnus Alur hio sbäita gui expotuit? David Joris.* Er war im Jahr i;or zu Delst von wiedrrtäufert, schen Acltern geboren. Sein Vater, Görg von Ammers» fort, war ein Spielmann oder nach Andern ein Krämer. In seinem drcyzehnten Jahr ward er nach seines Großvaters Namen Johann getauft. Man schickte ihn zur Schule; er lernte aber beynahe aar nichts. Hierauf kam er als Handelsbebienter zu ei» m Kaufmann; bald wieder verließ er diesen, ungeachtet er ihm seine Tochter mit beträchtlichem Reichthum anerbot. Aus besonderer Neigung lernte er die Kunst auf Glas zu mahlen, und zog deßwegen in den Niederlanden, in Frankreich und England herum. Im I. 1524 kam er nach Delst zurück, heyrathete und trieb seine Kunst. Sein ungestümer Eifer gegen die römische Kirche zog ihin Verfolgung t». Unter anderm griff er einst bey einer öffentlichen * S. Schröckhs gelehrte Lebensbeschreibung, I. Sammlung Thomasens Geschichte der Weisheit und Thorheit. David Georg, durch die Universität der Stadt Ba>c» schrieben. 4. Bas. 540. k<- ^ MOrOW» WKS zrM M ... .^MxWtztzxM«^s»MU K-! . ^ ' . --K .-' ^ - ^-S-K-Er«! -,MK. MA ^L. ^ - -i.V». . i« '» --- ?. -» : -- -E WK- >-»-,i ^«Lchs.-^ ^ .Wk'^ r. K'Si^E ,rP -"'r. » ?, - 4 ^ H k'W-.-^ . 7 .^ . . »->qW ^ 7 .^ ü. prSWlM ......... . ... . -^M Ü.«k » D«A^ P^ÄOM^-.-A '--. -ASKtzH, WW''-"MM- ^ -,-^KÄS lM^- DiS,: »- r^iHry ^-, - > NKE'SM»-Md 4 ^ > ^ - > - --. ">L--^K-.Ä 4 ... HBGM.KW-M-LZ kH-E'^.. - »57 Prozessor» den Rath und die Geistlichkeit an; dafür wurde «r ins Gefängniß gesetzt, zur Staupe verurtheilt und ihm die Zunge durchbohrt. Er hatte sich auf Seite der Wie» dertäufcr begeben und gehörte zu der Partey des Melchior Hvfmann. Je mehr er sich selber zu übertriebner Enl- Haltung verdammte, desto ungestümer schien sich sei» wollüstiges Tempera,nent zu empören. Unbezwingbare Sinnlichkeit, mit einsamen Betrachtungen verbunden, erschütterten seine Nerven so sehr, daß er anfieng, Gesichter zu sehen und Träume zu träumen. Ganz natürlich waren in denselben irrdische und himmlische, thierische und göttliche Bilder seltsam gemischet. Einmal kam es ihm vor, er sah sein eigen Herz in Gestalt eines ausgezehrten Fisches, in welchem ein anderer Fisch eingehüllet gewesen. Dabey beredete er sich, daß Gott ihn in seinem Jnnwendigen ermähne, er soll einige Zeit ruhen in der Kreatur und essen und trinken; denn ihm sey alles frey zu seinem Gebrauche. Ein andermal als er zu Nacht beym Lampcnschem arbeitete, stcl er in Vcrzükung; in dieser verlor er alles Bewußtseyn; er erblickte einige muntere, hüpfende Kinder; vor denselben neigten sich alle Monarchen der Erde und legten ihnen ihre Schätze zu Füssen. Hierauf sah er an der Wand ganz entblößte Meibspersoncn; sie verwandelten sich in Dauben; er *vard selbst zum Däuber und in dieser Gestatt vermischte Er sich mit ihnen. Das erste von diesen Gesichtern wird in der Lebensbeschreibung eines seiner niederländischen Freunde erwähnt. Ausführlicher gedenkt des letzter» Gentes sein Tochtcrmann, Bladisk, welcher dasselbe dem ^haltenden Fasten zuschreibt. Merkwürdig scheinen diese Erscheinungen, da Joris auf das letzrre seine Lehre von ^ Rückkehr in den Stand einer parediesischen Unschuld ^gründe haben mochte. Ein holändischcr Geschichrschrc,- Er der wiedcrtäuferischen Secte erzählt, daß er als Mäh- iZ8 - - kr sehr gerne hübsche Weibsleute gedungen habe, die sich ganz nackt von ihm mahlen liessen; überall habe er viele Mädchen an sich gelockt und unter dem Verwände sünd- loser, geistlicher Freyheit sich mit denselben jede Ausschweifung erlaubt. In Joris Wunderbuche sieht man zwey figürliche Menschenbilder, davon das eine den zweyten Adam, das andre die Braut Christi darstellt. Der erstere hat den Leib offen; man sieht sein Her; und in demselben ein Menschcngesicht. Das letztre Bild oder die Braut Christi hat zween Flügel in ihrer Rechten, nebst einer Glorie, ein Schwerdt in der Linken; eine Schlange und die Figur des Todes unter den Füssen. Ueber dem Scheitel schwebt der h. Geist in Gestalt einer Daube. Bey beyden Bildern sind die Geschlcchtsglicder gezeichnet. Hierüber schreibt Joris an den Johannes a l.slöo: der Bauch bedeutet die Seligkeit; der Nabel die Gesund- heit; die Weiblichkeit das Leben oder die Wollust des Geistes; die Männlichkeit (das Unterscheidungszeichen des männlichen Geschlechtes,) den hohen Muth Gottes oder Geist und Kraft. * In Holland hatte sich gegen die Wiedertäufer, wegen ihres aufrührerischen Betragens, eine starke Verfolgung erhoben. Mehrere wurden zum Tode verurtheill; M oft war Joris zugegen, um seine Glaubensgenossen trösten. Seine eigne Mutter sah er im I. i;;? zu Del^ enthaupten. Die Ausschweifungen der MünsteriM» Schwärmer schien er zu mißbilligen; mit Geduld sollte man, seiner Meynung nach, den Ausgang erwarten. So vertraulich er anfangs mit dem Wiedertäufer Baten- burg gelebt hatte, so zerfiel er gleichwol hernach mit iM und mit seiner ganzen Partey. Die Anhänger Melcku^ Hofmanns hielt er für die eigentliche Kirche Christi. M" * S, Arnolds Kirchen - und Käzerhistorie. B. si >3*7- »59 einigen unter ihnen trat er im I. i;;8 zu Straßburg in Unterredung. Damals drang er darauf, daß man, um zur ersten Unschuld zurück zu kehren, ganz nackt ein, her gehen, daß man einander ohne geringste Schaam und Zurückhaltung gerade zu alle Sünden gestehen und (wofern es um Erzielung der Nachkommenschaft zu thun sey,) unumschränkt die Vielwciberey einführen müsse. Auf solche Weise abgestorben allen Begierden des Fleisches, werde man die Welt mit einem neuen Geschlechte ganz >m,chuldiger und reiner Menschen bevölkern und eine Nachwelt erzeugen, weiche das herrliche Reich Jesu in Besitz nehme» werde. Wenig Gehör fand er bey den Wieder, läufern selber, und von der Obrigkeit und denGeistlichen ward er verfolgt. * Er ließ zwar ein weitläuftiges Ver, mahnunaöschrciden an den hohen Rath von Holand ergehn: allein dem Boten wurde der Kopf abgeschlagen. In die, sem Vermahnungsschreiben sagt er den Generalstaaten: Sie ioll.cn von der Verfolgung seiner Glaubensbrüdce abstehen und nicht mehr, wie bisher, durch Blutvergiessen dem römischen Antichrist ein frohes Gastmal bereiten. Die Zeit sey vorhanden, da Gott solche Grausamkeiten dem ganzen Volke rächen werde; besonders werde Gott (eine eigne Person in Schutz nehmen, als die Person eines göttliche» Gesandten und Lehrers; die Zeit scy 8k»ahet, da die gottlosen Fürsten werden von ihren Stühlen heruntergestürzt und an ihre Stelle die Gläubigen ^sttzr werden; bald werde nach dem vierten Buch des Cädras ein Regent erscheinen, den die Einwohner der ^de nicht erwarteten. Altes die,es sollten sie zugleich Kasscr und den Reichsständen mittheilen, die er näch, ftwst z„ besuchen bereit seye — In etwas gelindert» schrreb Joris im I. i;;s. an den Landgrafen von * S. seines Techtermanns Ll^lkkü vltsm vavtä»! 6eor?H. Hessen, den er um Beystand gegen seine Verfolger er. stehle. Unler andern, sagt er ihm: In Kurzem werde ein Herrscher kommen, von dem oie Propheten geweissagt hätten; noch sey unbekannt, aus weichein Lande dieser Sohn (Gottes) hcrvorstralen werde; was er selbst im Geiste zum vorausqcsehn habe, werde offenbar werden, wenn einmal jener Wunderknabe an Alter, an Weisheit und Gnade zunehmen werde. — In diesem Brief war ein anderes Sendschreiben an den Kaiser und an die Reichsstände eingeschlossen. — Den Vater erkennt nie, mand, heißt es daselbst, als allein der Sohn und der» jenige, welchem der Sohn ihn offenbaren will. Wer dieser Sohn ist, und derjenige, dem er den Vater zeigt, dieß tst das Geheimniß, dessen Entdeckung unsern Tagen aufbewahrt wurde. Es lebt nur ein Mensch, welchem die Geheimnisse Gottes gcossenbaret worden und durch diesen Einzigen werden sie hernach den andern Auserwählten geoffenbart werden. Niemand kann wissen, wer und wo dieser Sohn ist , als allein derjenige, in welchen* er aufs neue geboren und in ihm gleichsam verkörpert worden. Dahin gehören die Worte Esdras am Xlll. Gleichwie der Mangel an Weisheit die morgenländische Fürsten nöthigte, Zustuchr zu nehmen zu der Weisheit eines Josephs, Dämels, Zorobabels, so wird auch vev Mangel des Lichtes, die Reichsversamnilung in die Nothwendigkeit setzen, Weisheit zu borgen bey diesem neue» Menschen, Christus David, wie Joris ihn nennet. Der Landgraf von Hessen ließ hierauf den Jor>§ versichern; Wofern er sich zur Augsp. Conftßion bekenne** wollte, so sollte er in feinem Lande Sicherheit hoveN' Sehr weit war ein solcher Vorschlag von Joris Abst - ten entfernt. Er schrieb unterdessen sein berühmtes Wu" derbuch. Selbst mit dem Menno Simonis geriet!) er Zwey- —. I6l tracht, und schwärmte an vielen Orten herum. Einer seiner Anhänger, Namens Leonard Damm, erzählte ihm folgende Erscheinung: Im Gesicht erblickte Damm einen nackten Mann, unter allerley Bewegungen; erst sank er in die Erde, hernach stieg er wieder hervor; itzt starb er; dann ward er wieder lebendig und schwebte über den Wolken. Dieser Mann wurde zum Urbild aller menschlr, chrn Schönheit und Vollkommenheit, und dabey so gewaltig und furchtbar» daß er aus alle Könige der Erde wie aus Würmer hinabsah. Endlich fuhr der Mann durch die Luft hm und ward nicht mehr gesehn. Da sprach der Geist zum Visionnair: dieser ist Gott, der McßiaS, die neue Kreatur, der erste, wahre Mensch Gottes vom Himmel. — Den Namen der Person, setzte Damm hin, zu, verschweig ich für einmal; sie wird laut des Wortes iur rechten Zeit schon besser angehört und erkennt wer, den. — Diese Erzählung erzeugte sogleich Avends hernach bey Joris folgende Erscheinung: Ihm kam es vor, als !>ch' ih„ Gott ganz an sich, als wär er nicht mehr der, sslbe; sich erblickte er in Aarons Pricstcrgewanbe. Er ^ wurde gefragt: Ob diese Verwandlung ihm angenehm sey? schien' ihm, daß er keinem Weibe, sondern Gott allein *tgeben gewesen, daß er für immer von aller Fraucnlicbe Gefreyt sey. Rund umher aber sah er alle seine Bruder W Gemeinschaft mit Weibern, er allein sollte ganz ver- Mkert seyn. — Ueber solche schwärmerische Aeusserungen schrieb Mcnno dem Joris die bittersten Vorwürfe, daß s es gewagt hätte, seine Erscheinungen an die Stelle der Etlichen Schritten zu setzen; daß er sich selbst diejenige . ^dre anmasse, welche auslchliesscnd Christo gehöre. — 1.1^6. wurde hierüber zwischen der Meimonisti, ^ e„ und der David Joristischcn Partey zu Lübeck eine Perredung gepflogen. r > Der berühmte Superintendent» Baron von Lasco, ein eben so einsichtsvoller als vertragsamer Mann, gav M alle Mühe, den Joris zu rechte zu weisen. Es wur» den viele Bricsc unter ihnen gewechwll. In einem der, selben schreibt unser Schwärmer: der Geist der Wahr, heil werde seine Geheimnisse nicht durch den Buchstaben, wie vormals die apostolische Lehre, sondern unmittelbar nn Geiste selbst offenbaren; den Aposteln sey Nicht alle Wahrheit geoffenbart worden; der Unterricht derselben sey nur die Vorbereitung zu höhern Kenntnissen gewesm. Eben so verschrien ist seine Sittenlehre, wie seine Dog, matik. Nicht nur die Gemeinschaft der Güter, sondern auch der Werber soll er gelehrt haben. Indeß drückte er sich aus Schlauheit so wol hierüber als über andre Puncte mit Vorsatz dunkel und zwcydeutig aus. Als er sah, wie seine Anhänger in Bradant und in Ost-Fries» land verfolgt wurden, so begab er sich im I. lernst einigen Verwandten und Freunden nach Basel, nan»^ sich Johann von Brück» ließ sich zum Bürger daselbst annehmen, kaufte sich in der Stadt ein Haus und vor der Stadt ein Schloß, Namens Binmngen, und andre Landgüter. Äusserlich bequemte er sich m allen Stücke" nach der Religion und nach den Gewohnheiten der ler, und diese hielten ihn für einen Reformierten. ^ führte auch einen so sittsamen Wandel und that den Armen so viel Gutes, daß er bey jedermann beliebt wa^ Obgleich er sich sorgfältig hütete, in der EibgenoßM selbst Proselyten zu machen, so soll er doch in Geh"'^ durch Briefe und durch anonymische Schriften an A» breitung seiner Lehre in Niederdeulschland immer st gearbeitet haben. — Bereits bey seinem Leben wurde 1 Schwiegeriohn, Nicolaus Blcdysck, übel mit «hm M den. Allem Anschein nach gericth er mit der 3^^ Joris wegen der Erbschaft m Streitigkeiten. Nachts 2oriS im I. im Frieden gestorben war, so rächte sich sein Tochtermann dadurch, daß er ihn bey dem Rache zu Basel als einen Jrrlehrer und Gotteslästerer angab. Alle Hausgenossen, Freunde und Bekannte des Verstarb, nen wurden verhört; noch mehr Licht bekam man aus seinen hinlerlaßnen Schriften und Briefen. Aus den sei. den zogen die Universität und die Geistlichkeit alle irrigen Sätze heraus, und hierauf ward den rz.May i;;y an dem Todten folgendes barbarisches Urtheil vollstreckt: Man grub ihn aus der Erde heraus, ließ ihn nebst seinen Büchern und seinem Bilde durch den Scharfrichter vors Thor unter den Galgen schleppen und daselbst verbrennen. Seine Nachkommen aber und Hausgenossen, nämlich Nikiaus Bledlsck, der hernach reformierter Pfarrer in der Pfalz wurde, Joachim von Borchom, Görg von Brück, Renai von Berchom, Eckbert von Thron, Hie- rvnymus und Wilhelm von Brück, theils Söhne, theils Anverwandte, mußten darauf in der Kirche zu Bafel öffentlich erscheinen und die vorgelesenen eilf Punkte, die Uran dem Verstorbenen Schuld gab, verfluchen und als Lvtteslästerlich erklären, hingegen die ihnen von dem Pre. öiger vorgelesene Sätze nachsprechen und die Kirche um Verzeihung bitten. Man setzte nämlich*voraus, daß sie entweder von Joris in seinen Irrthümern unterrich. ^t gewesen, oder doch davon gewußt haben, ohne ihn iu verrathen. Nach Arnold, war Joris nicht so fast ein Gotteslästerer Kätzcr als vielmehr ein schwärmender Mysticus. Zu ^ Zeit, als dieser lebte, war man an die Ausdrücke der Mystiker noch weniger gewohnt ; itzt ist die schwülstige Sprache dieser dunkeln Köpfe bekannter geworden. S»e alle, daß sie Christus sind, ohne dadurch etwas an» ers als die genauste Vereinigung anzeigen zu wollen. Von L -r seinen Schriften giebt Arnold ein karges Verzeichniß. Es ist genug, daß wir die vornehmsten anfuhren: 1. ) Wonder-Bveck, waerin dar van der Werldt am versloren ghcopenbaree is. 1542. 4. Eine von dem Verfasser selbst vermehrte Ausgabe ist im I. 1;;,. in klein Folio herausgekommen. 2. ) Lkristhke Leaätbrieven, drey Bände in 4t0» r; 49 . ;.) Ein unterweisendes und christliches Gespräch ;wi, schen einem "Gottesgelehrtcn, Biblischgelehnen und So- Phistischgelehrtcn, worinne verhandelt wird der rechte Verstand der Wahrheit Christi, wo man die rechte Mu» 7'.< Seil vielen Jahren her halte das Reichskammergcrichtz zu Lpcyer die Stadt Basel bald mit gerichtlichen Vorladungen, bald mit Anforderung eines Theils der Besoldung für die Kammerräthe auf mancherley Weise beunruhigt. Umsonst daß die Eidgenossen sich hierüber so wol bey dem Kayser selbst als bey dem Kammergericht in ver» scbicdenen Schreiben beklagten; das Kammergericht wagte es zu wirklichen Thätlichkeiten zu schreiten; im August 164s. legte es auf Bayerische Waaren Arrest. Zu Hintcrtrcibung weiterer Gewaltthätigkeiten erhielt nunmehr der baslcrsche Bürgermeister Ioh. Rudolf Wettstein, von sämtlichen Kantonen den Auftrag, als eidgcnößischec Bevollmächtigter nach der westphalischen Friedcnsversamm, lung zu gehen. Den 4. December 1646. trat er die Reise an; den zwanzigsten hatte er zu Münster bey den kayser» t lichcn Gesandten, Traulmannsdorf, Nassau, Vollmcr, wie auch bey den französischen Gesandten, von Longeville und b'Avanx, und den drey und zwanzigsten zu Osnabrück bey den schwedischen Gesandten, Oxenstiern und Salvius das erste Verhör. Den kayserliche» Gesandten von Traulmannsdorf, von Lan'.berg und Crana, klagte Wettstein das unrecht» wäßige und gewaltsame Verfahren des Kammcrgcrichteö; iugieich erklärte er sich, daß die Kantone vest und ein- wüthig zur Behauptung ihrer Uuabhänglichkeit entschlossn seyen, wozu ihnen allenfalls die beyden Krone» Schweden und Frankreich auf alle Weife behülflich sein werden. Auf erhaltnen Bericht von feinen Bevollmächtigten,. der Kayser sogleich dem Kammergericht einen Still», stand der Feindseligkeiten gebieten. Das Kammcrgcnchf ^chte sich m einer weitläufigen Schrift, voll Bitterkeit,, st^en die Eidgcnoßschaft zu rechtfertigen, und sandte fi§ "'cht nur an den Kayser selbst, sondern streute sie auch 166 abschriftlich unter die Gesandten der Reichsffände aus. Hierüber beschwerte sich Werkstein bey den kayserlichen Bevollmächtigten; kiese besorgten, wenn der Handel sollte wetltällfig werden, daß laut iemer Drohung der eydge, nößische Gesandte gar zurückgehen, oder aber ausschlies, send nur bey Frankreich und Schweden Hülfe suchen möchte; alsdann würden diese Kronen die Gelegenheit nicht auü der Hand lassen, sich, dem römischen Reiche zum Nachtheil, die Kantonen verbindlich zu machen. Um also das Geschäft mit Ernst zu betreiben, liessen sie ein Schrei, den an das Chur-Maynzische Reichsdirektorium abgehen, um von demselben ein Gutachten zu verlangen. In diesem Schreiben verhalten sie gar nicht, daß die Stadt Basel nun über 140 Jahr in posiesilone vel gusli om- nimoclN libertatis (oder in ächtem Besitz völliger Frey' heil) gewesen, als ein Glied der Eydgenoßschast angcse« her. und niemals zu einigen Dicnstbarkeilcn des Reichs genöthigt worden. Unterm ,8. Febr. 1647. übergaben hieraus die Reichsräkhe den kayserlichen Gesandten ei» Gutachten, folgenden Innhalts: „Der Bürgermeister „ von Basel beklagt sich, daß das kayicrliche Kammer« „ gerietst auf Anhalten eines Reichsunterthancn r" „ Schlektstadt, Namens Florian Wachter, baslerM „ Güter arrcstirk habe. Nicht nur dringt er auf dst „ Auslieferung der Güter, sondern auch auf die Handle „ bung des Exemptions-Privilegiums, welches seines „ Staate von den beyden rönnichen Kaysern» Sigiswnn^ „ und Friedcrich bestätigt werden. — Noch kann ober „ für einmal der Stakt Basel ihr Ansuchen keineswegs „ bewilliget werden, und zwar aus folgenden Gründen - „ Einige aus den Reichsständen nämlich sind zur 3 " „ nicht genug instrmrt, und in dem angeführten Eren^ „ kions-Privilegium wird der Lslun „ oder des verweigerten Rechtes am gbneZstse chilliti , „ mcn. Betreffend aber den Prozeß des Florian Wach- „ tcrs gegen die Statt Basel, so wär es höchst bedenk, „ lich, wenn zum Schaden des Klägers und zu nicht „ geringer Beschimpfung des Kammergcrichts selbst, das „ schon ausgesprochene und vollzogene Urtheil sollte un, „ gültig erklärt werden. Wenigstens also könnte die „ kayscrliche Bestätigung und Erweiterung des Exemp< „ tions-Privilegiums so lange unterbleiben, bis die Stadt „ Basel entweder gütlich oder durch Vermittlung einer ,, Commißion sich mit Florian Wachter wurde ausge, ausgesöhnt haben u. s. w. So entsprechend indeß in der Hauptsache dieses Gutachten für die Stadt Basel war, so beleidigend schein es dem cydge, nößischen Gesandten in seinen Ausdrücken. Immer hatte es den Anschein, als hätte Basel die Bestätigung des Exemp- tions - Privilegiums, und die Ausdehnung desselben auf das Kammergencht zu Sveyer begehrt, da doch nur 6a non lmbanäo die Rede war, ohne daß die Stadt Basel in dem ruhige» Besitz ihrer Freyheit nicht sollte gestört werden. — Auch harten die Reichsräthe nur dieses Eremp- tivns- Privilegiums erwähnt , ohne Berührung des Haupt, aiispruchs, nämlich daß die Kantone in völliger Freyheit stehen, und keinen höheren Richter als Gott im Himmel erkennen. Hierüber fand Wcrtstcin nöthig den kayscrlichen Bevollmächtigten schriftlich eine nähere Ecläutcrung der Eydgenößischen Forderungen zu geben. Mittlerweile suchte *r die französischen und schwedischen Gesandten in sein In, Kresse zu ziehn; auch schienen diese nicht ungencigt, m allgemeine Fricbcnsinstrumcut einen besondern Arti. dieses Geschäftes wegen einrücken zu lassen. Auf dm B'richt hiervon wollten sich die kayscrliche Gesandte der ^ddgenoßschafl nicht weniger günstig erweisen; sie selbst ^faf,len einen Artikel unter folgenden Worten: „ Da " Legen etliche der XIII. und zugewandten Hrten der Evh. „ genoßschaft, namentlich gegen die Stadt Basel und ihre „ Bürger zuweilen von dem Kammergcricht Arreste und „ Urthcilwrüche vollstreckt worden, welche der Freyheit „und gänzlichen Exempcion des cydgenößischen Körpers „ zuwiedcr iauffen, wg'ht die einhellige Willenünieynung „des Keyseis und des Ruches dahin, daß alle und jede „Prozesse und Urlyeilssvrüche die gegen irgend jemand „ aus den Eydgcnossen, besonders auch gegen die Stadt „ Basel und ihre Bürger vorgenohmen worden, in Ewig- „ keit zu keiner Vollziehung sollen gebracht und die bereits „ ergangene Arreste und Erccutionen gänzlich abgethan, auch „in Zukunft, weder von den dicßmaligcn noch von künfti, „ gen Gerichten nimmermehr ausgeübt werden. „ Von den kanserlichcn Gesandten erhielt Wcttstcin unter denn«. Eept. 1S47. eine schriftliche Versicherung daß dieser Punkt dem Frieden sollte einverleibt werden. Den 2-. und zo. Scpt. erhielt er die gleiche Versicherung auch von dem schwedischen und französischen Gesandten; auch wurde aus seine Vorstellungen hin, daS Kammcrqericht durch die kayserlichcn Bevollmächtigten zur Unterlassung fernerer Feindseligkeiten ermähnet. Endlich erhielt Wettsiein >M Octobcr 1647. das kaykcrliche Dcercl, ungeachtet dasselbe schon den >6. Man gestellt war, folgenden Jnnballs-' „Wenn des Kayierö Majestät befinden, daß die Evkge« „ noßschast nun so viel lange Zeit und Jahre in pokst-Dona „ vel gusf, eines freyen und ansgczogncn Standes gcwc« „sen, so haben Sie, Kraft dieses Decrets, die Decla^ „ tion der Excmplivn allergnädigsi ertheilt, u. s. w.,, Aut diesen glücklichen Erfolg seiner Bemühungen, reiste u»"/' mehr der eydqcnößische Gesandte wieder nach Haus rw langte den December 1647. zu Basel an. — Lcickft ^ greift man, daß er bey einer so weitläufigen Unterhab * luug alle Triebfedern in Bewegung gesetzt, und ^ ' Nichung seines Zwecks grosse Geldsummen angewandt ha , - Da sein Kanton ihm nicht so viel zufliesscn ließ, als er bedurfte, so wurde er darüber weder unwillig noch muth, los, vielmehr schrieb er seiner Gemahlin, daß sie ihm aus seiner eignen Casse das nöthige zuschicken, und allenfalls, wofern diese Casse nicht hinreichen sollte, hie und da Geld für ihn aufnehmen sollte, und so wagte er es mit Gefahr für sein besonderes Interesse, das allgemeine Interesse der Stadt zu beförderen. Das kayscrliche Dekret von der schweizerischen Eremption macht den sechsten Artikel dcS .Wcstphalischcn Friedens aus. Bevor aber dieses Friedens, Instrument von den allseitigen Parteyen unterschrieben worden, hatte die Stadt Basel noch einen harten Wie- derstand zu besiegen. Unterm letztem August 1648. er, hiet sie von den Bevollmächtigten der Reichsstände ein Schreiben folgenden Innhalreü: — Wenn sie den Epemp- tions - Artikel gut heisscn, so geschehe es nur unter dem ausdrücklichen Beding und Vorbehalt, erstlich, daß diese Excmpkion nicht eher als mit dem Tage des bestätigten Friedens den Anfang nehme; demnach, daß in Zukunft zwischen den Reichsständcn und der Stadt Basel gleiches, gegenseitiges Recht statt habe; drittens, daß der Lauf Rechtens nicht gehindert, sondern die Urtheile, die schon gegen die Basier ausgefällt seyen, von dem Kammrrgcricht vollstreckt werden; viertens, daß der rückständige Beytrag iur Unterhaltung dieses Kammcrgerichts ein für allemal mit einer gewissen Geldsumme abgeführt werde: Wiedri, genfalls werden die Rcichsstände gegen die Exemption protestieren und mit Gewalt die Ansprüche des Kammer- gerichts schützen. Mit gemeinschaftlichem Rathe der übrigen Eydgenos- sen und nach eingeholtem Bericht des französischen Ge, sandten, schickte nun Basel unterm letzten September eine Gegenschrift an die Bevollmächtigten der Reichsstande Agenden Jnnhalts: — Basel berufe sich auf das unbc- dingte kayserliche Dekret und die Versicherungen von schwedischer und französischer Seite, ohne irgend auf c»u, ge Protesiationen und Nebenreservata zu achten. Anbey seyen die Basier geneigt nicht nur zur Anerbietung gegen, fettiger Iustitz, sondern auch so gar (welches andere Frey» stauten schwerlich eingehen würden,) zu gütlicher oder rechtlicher Rede und Antwort vor gesamte» Evdgenossen, wofern Wachter oder sonst jemand an sie einige Ansorde, rung zu haben vermeine. — Ungeachtet nun der Wcst- rchälische Frieden den iz. und 14. October ,648 allseitig, unterzeichnet und demselben auch die Kantone einverleibt worden, so erhielt nichts desto weniger die Stadt Basel noch unterm 27. Merz 1640, ein neues und schärferes Schreiben aus Münster von den Bevollmächtigten der Rcichsstände. In demselben heißt es — „ Keines- „ Wegs könne der Kayser die Stadt Basel, als unge- „ zweifelt zum Reiche gehörig, ohne Vorwissen und Ge- „ nehmhaltung der Churfürsten und Stände a wro im- „ psrio romsno cximicrcn ; einzig in die Bcfreyunq vom „ Kammergericht haben die Stände gcwilliget, — in die „ Evemption von dem ganzen Reich aber nicht anbei st, ^ als unter oben erwähnten drey Bedingnissen; von der ,, Billigkeit derselben seyen auch die Schweden so «der» „ zeugt, daß Sie vor Erfüllung dieser Bedinguisft zu „ keiner Gewährleistung der Baslcrschen Eremptions-Ar- „ tikcl gehalten seyn wollen." Dieses Schreiben wurde im Namen sämtlicher Kantone beantwortet; unterm gleichen Datum den loten Juli 1640 beklagten sie sich über dieses Verfahren der Reichsstände in einem besonderen Memorial an den Kayser. Den 2ysten Nov. erhielten sie von diesem eine sehr günstige schriftliche Versicherung , daß er sie bey dem Westphäi.scheu Friedens - 3 "" strnmcnt schützen werde; wirklich sandte er hierüber die nöthigen Befehle so wol an seine Gciandte zu Nürcnber als auch an das Kammergericht zu Speyer. Alles dessen ungeachtet drang noch 1650 das Kammergericht auf die Entrichtung des rückständigen Beytrages; es setzte ihn auf nicht weniger als etliche und 40000 Gulden; auch lag ihm Florian Wachter beständig in den Ohren; sein Prozeß betraf anfangs nicht mehr als 20s Gulden, durch sein weitläufiges Herumtreiben aber war er nunmehr über 40000 Gulden gestiegen. Auch dem Obrist Klugen hatten die Kameralen feine beträchtlichen Anforderungen an die Stadt Basel gleichfalls zugesprochen. Zur Erreichung ihres Zweckes schick, ten sie an verschiedene Churfürsten und Reichsllände Ver, Hafts - Mandate gegen die baslerschen Güter und Waaren, welche an vielen Orten arrestirt wurden. Jtzt faßte die Eydgenößifche Tagleistung in allem Ernste den Entschluß die Ehre und Freyheit der Kantone, wenn es änderst nicht seyn könnte, mit dem Schwerdt zu behaupten. Sie- bcnzig Fahnen, jeder von zoo Mann zu Fuß und Compagnien zu Pferde, das auserlesenste Volk, standen nur 24 Stucken bereit. Zugleich anerboten sich die katholischen Kantone und die Bündtner, keine Reichsgüter, weder über den Gotthard noch durch Bünbten hinein in Italien, oder heraus gehen zu lassen, sondern sie mit Arrest zu belegen. Darzu wurden sie auch von dem französischen Bothstbaftcr ermuntert. Zugleich wurde un, str Weitstem, mit dem Urncrschen Landammann, Zweyer von Evcnbach, an den Kayscr abgesandt und den 7/17 De, ccmder iö;o trafen sie zu Wien ein. Daselbst wiedcr- f"hren ihnen dieselben Ehrenbezeugungen wie dem venerischen Gesandten; nach erhaltener Versicherung alles Schutzes gegen das Kammergericht reisten sie den 20/;» Acnner 1651 mit sehr günstigem Rccreditiv wieder nach Hause. l In sehr ernsthaften Ausdrücken tadelte der Kavstr die unbilligen Ansprüche des Kammergerichts und seine gcwalr. samen Schütte, auch stellte er demselben vor, daß vermöge des Friedens-Artikel 17 g. alle Einschränkungen unkrafi- tig seyen, zugleich erklärte er alle ausgegangene Mandate von Verhaftung der Waaren als höchst wiedcrrcchllich und hob sie auf. — Unter gleichem Datum, de» December ,a;c> ließ er auch in gleichen Ausdrücken an den F-icaladvocat schreiben, wie auch an alle Churfürsten und Stände, daß sie den Mandaten des Kammergerichtes gegen die Stadt Basel kein Genüge leisten. Das Kam» rnergcricht suchte sich bey dem Kayser zu rechtfertigen, auch ward es in dieser Rechtfertigung von dem Churfürsten zu Mayn; unterstützt. Dadurch aber wurde der Kayser vielmehr erbittert als besänftigt, in dem er die Hilfs- werbung des Kammergerichtes bey den Ständen als Verachtung seines kayferlichen Ansehens erklärte. Unterm q.ten Merz 1651 ließ er die Kamcralcn so wohl als den Churfürsten zu Maynz aufs neue sehr ernstlich zum Gehorsam ermähnen. Dieser letzte gab sich alle Mühe wegen rückständigen Beytrages zwischen der Stadt Basel und dem Kammergericht einen Vergleich zu befördern. Die Eydsgenossen schlugen jeden Vergleichs-Entwurf aus. Zu ihren Gunsten schrieb der König in Frankreich an die Churfürsten von Trier und Maynz. Endlich wurden die arrcstiertcn Waaren, jedoch nicht ohne Protestauon und Gegen. Protestalion, ausgeliefert. Auf diese Weise endigte sich das schwere Strettgcschäft, zu dessen Bevlegung unser Weitstem so vieles beytrug. Ziemlich ausführliche Nachrichten von Wcttstein findet man auch in Lcucns helvetischem Lexikon, Thl. s. ; 65 . Zg. * Nur ist daselbst sein Geburtsjahr falsch angegeben. Es fäll! nicht auf daS J. sondern 1594» Den i8. Iul. 16 il hatte stch Wettstein mit A. Maria Falkner verbcurathet. Mit ihr erzeugte er vier Söhne und fünf Töchtern. Den y. August >647 entriß «Im der Tod die Gemahlin, eben da er als Gesandter zu Münster war. Schon im gasten Jahre seines Alters erhielt Wett« stein Zutritt im Rathe. Er verwaltete eine Obervvgtey, deren Bedienung damals auf zehn Jahre gesetzt war. Schon im zweyten Jahre seiner Verwaltung sah er sich derselben entladen, indem man ihn wegen vorzüglicher Fähigkeiten vor der Zeit zum Mitgliede des innern Ra» thes ernennte. Von jtzt an hatte er wichtigen Antheil an allen öffentlichen Geschäften. Als G.iandtcr erschien er auf irr scmeincvdgcnößischen Tagleismngm und andern Zusammenkünften. Zwenmal war er im I. iüzü Schied« richcer, das einemal zwischen den beyden reformierten Vororten und den V. katholischen Kantonen, das andere Mal zwischen Vern und Svlvthurn, und immer mit bestem Erfolge. An seine Gciandschaft auf, die Westphälische FriedenS, Versammlung hauen Zürich und Bern, jeder von diesen Kantonen «500 Gulden , Schaffhausen aber 1000 Gulden bezahlt. Das Uebrige vergütete Basel. Bey Gelegenheit seiner Absendung nach Wien wurde Neustem im I. I6z;. von Kayser Ferdinand UI. mit bcm Reichsadcl beehrt und mit einer güldcmn Kette, *"bst dem kayserlichen Bildnisse, beschenkt. Dieses Bild» mit dem Adelsbriese befand sich noch in Händen des AldDecan Wttlsuins. Wettstein hin» Erließ auch XX. Foliobände historischer und politischer Memoiren zur Beleuchtung der helvetischen Geschichte» * S, glich Chauffepied OiÄwn. Lrt» »74 Da er wegen seiner Gesandschastcn nach Wien und Münster theils seine eignen häuslichen Angelegenheiten hintan letzen mußte, theils auch sonst beträchtliche Ausgaben hatte, ohne sie in öffentliche Rechnung zu bringen, so machte er davurch die Regierung verlegen. Auf der einen Seile wünschte sie ihm, wo nicht eine Belohnung, wenigstens eine angemessene Vergärung zu geben, auf der andern Seile glaubte sie, beionsers bey damaligen Zeilumstünden, sich zu aller nur möglichen Ersparung verpflichtet. Den 28. Apr:U 1652. gcschay die erste Auf. forderung an den geheimen Rath, einen Vorschlag zu Werksteins Belohnung zu machen. Es währte sechs volle Jahre bis zur Entscheidung. Erst nach Verguß dieser Zeit setzte die Obrigkeit eine Comiltäe von fünf Ralhö. gliedern, um wegen des Ersatzes mit Nettstem in Unter« Handlung zu treuen. Den »8. Sept. »658. erhielt er zu einiger Vergeltung von der Obrigkeit die Gefalle zn Riehen und Bettingcn, die ohnehin dem gemeinen Gut wenig eintrugen, um den sehr mäßigen Prciß von 200s Gulden. Diese jährlichen Grundzinse sind seither bev seinen Erben geblieben. Zum Beweis, in welcher Achtung Wertstein bey seinen Mitbürgern gestanden, dient unter anderm auch folgende Aneckdoce; — Ungeachtet vcrmög der Grundgesetze in Basel sonst niemals Vater und Sohn» Schwiegervater und Eydam zugleich neben einander im Rathe Sitz haben konnten, so ward doch zu Werksteins Gunsten eine Ausnahme gemacht und noch bey seinen Lebzeiten» den 2;. Junius lüüa. seinem Tochtermann, Hans Lud« wig Krug, nochmals auch Bürgermeister, der Zutritt im Rath und im geheimen Rathe gegeben. Zu nier- würdig ist hierüber die obrigkeitliche Erkannlniß, als dav wir sie weglassen könnten: „ Da die Zunft zu dt „ Schmidtcn zur Erwählung eines neuen Rächer - »75 » unter andern: auch den Herrn Hans Ludwig Krug „ vorschlug, so zog der Rath jenen Artikel zu Gemüthe, „ daß Vater und Tochiermaun nicht in den Rath erbosen wer» „ den sollen: anbey aber erinnerten sich die gnädigen Herren „ zugleich der vichahrigen, grossen Verdienste des Herrn „ Bürgermeister Wetlstcius, wie nicht weniger der vor» „ trcflichcn Eigenschaften seines Herrn TochtermannS. „ Hiebcy beherzigten sie den Anhang des erwähnten Ar» „ tikcls; daß einem E. Rache jederzeit vorbehalten seyn „ «olle, unangcsehn berührter Ordnung und Erkanntniß „ in der Chur zu thun, was sie der Stadt Basel je „ nach Gelegenheit der Sachen am täglichsten bünkr. » In dieser Betrachtung ward hierauf Herr Krug zu „ einem Rachsherrn erkohren, anbey aber beschlossen, „ daß im übrigen es bey angeregtem Artikel der Ordnung „ durchaus »»geändert verbleiben und diese itzt geschehene „ Wahl von keinen Folgen seyn solle, es wäre denn, » daß in künftigen Zeilen wegen anderer Personen gleich» „ förmige Gründe und Ursachen eingebracht werden » könnten, welches Falls ein ehrsamer Rath, was dem „ am füglichsten und anständigsten bcdünkr, übermal thun ,, mag u. s. w. Wenn auch indeß bey seltenen Fällen eine Ausnahme statt hat, so bleibt es doch immer schwer, einen sol» chcn Fall zu bestimmen. Sebastian Castellio. Derselbe wurde im I. 1515. und zwar nach Einigen ini Dauphin-, nach andern in Savoyen gebohren. ^vsn und Lcti machen Chatillon in Brcste zu seinem Geburtsort. Während seines Aufenthaltes in Siraßburg w den Jahren 1540. und r;4r. erwarb er sich KalvmS Hochachtung und Freundschaft. Würklich lebten sie einige Tage in gleicher Wohnung. Lctztrer ruhte nicht, bis er durch dringendes Zureden den Kastcllio zur Annahm einer Reetorsteüc in Genf beredete. Drey Jahre lang warb sie von Casiellio mit allem Beyfall verwaltet und nunmehr mußte er wegen einiger besondern Meynungen im I. ,;44. aus Genf himvegzirhn. Diese Meynungen bc, trafen die Höllenfahrt Christi und die Authenticität des hohen Lieds; dieses Lied erklärte er für ein schlüpfriges Gedicht, welches verdiente, aus dem Kanon verwiesen zu werden. — Ungeachtet wegen solcher Aeusserungen Kalvin mißvergnügt wurde, so gab er dem Castellio gleichwol ein ehrenvolles Zeugniß so wol wegen seiner Talente als wegen seines sittlichen, tadelloicn Betragens nach Basel. Auf dieser Schule erhielt Castellio den Lehr- stuhl der griechischen Sprache. Je länger je mehr wurden seither Kalvin und Bcza gegen ihn erbittert, und zwar hauptsächlich weil er über die Prädestination gelindere Grundsätze hatte als sie; weil er den Irrthum nicht als Verbrechen ansehen wollte; weil er durch Ucbersetzung der teutschen Theologie ins Latinische sich der Schwär» nierey, verdächtig gemacht hatte. Mit vieler Würde und Energie wiederlegte er die schriftlichen Jnvectivcn, welche Kalvin gegen ihn auszustosscn anfieng und die so lehr mit oben angeführtem Attestat im Wicdcrspruch stehe"» So weit war Kalvin in seiner Hitze gegangen, daß ^ den armen Castellio beschuldigte, er habe vormals H» i gestohlen, um sein Zimmer zu wärmen. Sehr naiv gic dieser selbst hierüber folgende Nachricht: Ich befand "" in äusserster Dürftigkeit, und da ich, um meine Ueber tzung der h. Bücher zu vollenden, lange wach ble« mußte, so gieug ich in einem müßigen Augenblick an Ufer des FlusscS, um einige daher schwimmende S >> Holz herauszufischen, die niemand eigenthümlich gehörten; andere thaten mit mir und ich neben ihnen das gleiche, und zwar öffentlich vor jedermanns Augen. — Wie be. daurrnswürdig war nicht das Schicksal eines Mannes von so vorzüglichen Gaben? Seine Geschicklichkeit in der latinischen, der griechischen und ebrätschen Sprache war ungemrin groß. Im I. i?45. hatte er zu Basel den Hauplinnhalt der biblischen Geschichte in zierlichen Dia. logen rdirt, so daß die Jugend daraus beydes, ReligionS. geschrchte und zierliches Latein zugleich lernte. Im I. »546. übersetzte er dir sibytlinischcn Verse und.gab sie mit Anmerkungen heraus. In gleichem Jahr lieferte er «ine lat. Uebcrsctzung der mosaischen Bücher; im I. 1547. der Psalmen und aller übrigen biblischen Gesänge. Im I. 1548. edirte er ein griechisches Gedicht über das Leben Johannes des Täufers und eine poetische Umschreibung des Propheten Ivnas in lateinischer Sprache. Verschie» denes übersetzte er aus dem Homer dem Xcnophon, Cyrillus u. a. — Sehr verhaßt machte er sich dadurch, daß er verschiedene Schriften des Ochinus und namentlich die XXX. Dialogen aus dem Italiänischen in das Latint. sche gedollmctscht hatte. Seine latinische Ucbersctzung der h. Bücher fieng er im I. i;?o. In seiner allgemeinen Einleitung so wol als in den Anmerkungen über den ersten Brief an die Corinther spricht er von dem Ansehn des Canons auf eine Art, die ihn bey den Orthodoxen in Verdacht brachte, als erwarte er eine Erweiterung der biblischen Gotleügclchrthett. * Man machte ihm eine Sünde aus seiner claßischcn Latinität; so z. B. schrieb er Lenius anstatt anxelus; lotio anstatt öaptilma; r«8- publchz anstatt eccleüs; collegium anstatt * Teipitt Lloxes srr Hammer lsrsl», 1. I. s. rj7. In der Ueberfttzung des Liedes Salomons bediente . Il<. Lpik. <16 kom. 6s prie6eltm. S: sustiÜLatione. — Auin- gus impestimentorum, gure msnrsL bominum ü vero in ckivinis sbciuLvnt, enumersrio. — Lsisniio sus: trsnblLtio- nis nov. Pest. contrs Hreo6orum Leram. Die Schritt 6s non pumen6is glaäio lisersticis , die unter dem Namen des Marti» Bcllius herauskam, schreibt Bcza dcnl Castellio zu. Auch hat er verschiedene Ucbersttznnzcn, z. B. von Kempis Nachfolge Christi, Einiges aus dem Urmin, aus Diodor u. a. geliefert. , Auch noch in Basel wurde Castellio von seinen Feinden verfolgt. Wegen einiger Schriften war er daselbst vor das Consistorium gezogen; man erzählt. daß er «' öffentlicher Disputation wegen freyer Lehrsätze über die Prädestination beschämt, und ihm hierauf eingeschärft worden, er sollte sich auf sein Amt einschränken und . nicht in das Feld der Theologie ausschweifen. Beweist > nicht dieses, daß er keineswegs geschont worden sey- s Wenn also seine furchtbaren Wrcdersächer ihn nicht aus j Basel zu vertreiben vermögend gewesen« darf man nicht mir Grund schliesscn, daß er seine Sicherheit nicht weniger dem sittlichen Betragen als de» gelehrten Verdienstes zu danken gehabt habe? Er wiedmcte seine Zeit theils den Wissenschaften, theil tincm kleinen Feldgur, das er mit eignen Händen baute. In dm dürftigsten Umständen starb er den 29. Decem, der i;?;- Man bestattete ihn in dem Familienbegräbniß der Grynaus. Auch im Grabe ward er verfolgt; er wurde wieder hervorgegraben und nur durch Vorschub eini. ger seiner ehmaligen Schüler ward er endlich ehrlich bestattet. Über des Castellio Schickfasc macht einer seiner Zeitge« nassen, Montagne Lksp. XXXIV. folgende Bemerkung: vl'entens Lvec une grantle honte 6e noltre 8ieole, gu' il notre veüe, äeux tres-excsllens xersonnage« sn Zcavoir tont morr« en eliot äe n'ovolr xs« leur 8sous ä msnger; Is pourvoit äs ls ßrscs. 8i on ällmsnäs guslgus , exempls, nou8 en procluirons un qui kervira pour pw" ! lieurs: c'elk sllsvoir la trsnslation cis in Lible Iscins ^ kron-;oiss miie en avant per ZsbAliien LMUllion, komme lr dien cognu en cslic L§lise tanc pour ton inZrst>- tuäs Le impuäence, gus xsr !a peine gu's s perciris spres lui pour Is rcäuire su bon cksmin, gus no»r terions conscienes leulement eis taire son nom ( cowws zusgucs icl nous svons ksit ) msis sullsi eis n' aclvertir tous Lkretiens eis 1e Meier 6'un rel pcrsonnsgs, ms inürument cboili äs 8stan pour amuser tous elprU* volsZes SÄ !> Aegidiuö Tschudi. ' Schon ii» I. -oü. wurde der Stammvater des Tschu« Äschen Ge>ci>lkchlcs, Johann » von dem fränkischen König Lugwig tll. m freyen, cdeln Stand gesetzt und hierauf sogleich von der Aebtißin zu Seckingen zum Meyer über das Land Glarus ernennt; bis zum I. wurde dieses Amt ununterbrochen von seinen Nachkommen bekleidet- Dominicus Tschudi, Abt zu Muri, ist bekannt wegen seiner Abhandlung cls origins L geneslogio Lomitum 6e Hichlpurg; Valentin Tschudi, Pfarrer zu Glarus, wegen einer helvetischen und besonders glarnerscheu Chronick in Handschrift vom I. 152;. bis zum I. 1;;;. Die Ver. tragsamkeic dieses Valentins gieng so weit, dass er zur Zeit der Reliawnsgäbrung anfangs des sechzehnten Jahr, Hunderts, zur Besänftigung beyder Partheyen, freywillig sich anerbot, an dem einen Sonntag die reformirte Lehre Zu predigen und an dem andern Sonntage Messe zu lesen. Unser Aegidius Tschudi wurde im I. i;o;. geboren. Sein Vater war Ludwig Tschudi, ein Held und ein Staats, Mann; seine Mutter, Margaretha in der Kirchmatt. Zur Ausbildung der glücklichen Anlagen wurde der Jüngling ö» seinem Landsmann, Heinrich Loritus Glareanus, nach Basel geschickt. Mit diesem begab er sich hierauf nach Baris. Nachdem er einen reichen Schatz schöner und nütz. licher Kenntnisse erworben halte, kehrte er wieder nach Hause. Wegen übcrhäuster Geschäften genoß er seither *Mr tn seltenen Erholungsltundcn des Umgangs der Mu» Schon im I. l^28. gieng er als Gesandter auf die ^"gleistung nach Einsiedcln, welche daselbst wegen des * 8. 2 oh. Rudolf Iftlinr Vorrede zu seiner Herausgab? von Tschudis Chroniken. » 8 » ReformationSgeschäftes angesetzt worden. In diestm sctiwierigen Geschäfte bewiest er nicht weniger Eifer in Vcrthäiblgung der hergebrachten Meynungen des Catho. Ucismus ats Vertragsamkcit und Klugheit gegen die Glaubensvcrbefferer. Dadurch hatte er sich bey beyden Partheyen ein solches Zutrauen erworben, daß, er auf der Landesgemeine im I. mit einhelliger Sttmme so wol der Rcformirten als der Catyoluchen zum Land. vogt über die Grafschaft Gargans erwält wurde. Während seiner Regierung waren im I. zu Walenstatt gefährliche Unruhen entstanden; der Muth und die Weisheit, womit er diese Unruhen besiegte, hatten auch unter den benachbarten Staaten sein Ansetzn vermehret. Sogleich nach gcendigtcr Verwaltung der Landvogtcy zu Sargans ward ihm im I. von dem Abt zu St. Gauen, Dicthclm Blarer von Wartensee, die Odervog- rry zu Rorschach, Steinach, Goldach und Mörschweil anvertraut. Dieselbe behielt er aber nicht länger als neun Monate. Auf den Ruf des Valterlandes begab er sich im I. i;;;. als Landvogk nach Baden. Ungenm» vorthcilhaft war ihm der Aufenhalt an diesem letzter» Orte zur Erweiterung seiner Kenntnisse in der helvetischen Geschichte; mit ansscrordcntlichem Fleisse sammelte er so wohl die Alterthümer aus dem Emgcweyde des Bodens als dir Urkunden aus den Archiven. Für ei»^ ge Zeit wurden seine litterarische Arbeiten unterbrochene er trat nämlich in Französische Kricgesdienstc; indeß auch unter dem Geräusche des Hofes und der Waffe» vergaß er nicht ganz weder der Musen noch der vaterländischen Gebürgt; er arbeitete an seiner Beschreib»^ der rhälischcn Alpen. ^ Acht. Jahre hatte er in Frankreich gedient; hier»" Ware er im I. i;4y zum zweyten mal als Landvogt »^ Baden berufen. Während seiner Regierung hatte er »8! erste v-a! im I. i?;4 seine erste Gemahlin, Anna Stu» kin — das andre mal im I. seine zweyte Gemah, lin, Barbara Schornin, verloren. Je mehr das Schiff des Staates von gefährlichen. Gewitterwolken bedroht war, desto mehr Klugheit und Standhafkigkeit wurde von dem Steuermanne erfordert. Seit langem hatte Tschudi allgemeines Zutrauen vcr- dient. Im I. i;;6 ward er in dem Kanton Glarus zum Statthalter — und im I. i?-:8 zum Landammanne erwählet. Im I. war er einer von den eydgenößi. sehen Gesandten, welche auf den Reichstag zu Augspurg abgeschickt wurden und daselbst von Ferdinand I. die Bestätigung der cydgenößischcn Rechte uno Freyheiten er- hicltcu. Von dem Kayser-wurde Tschudi mit einer gül. denen Kecke und mit den ehrenvollsten Diplomen beschenkt. Durch uncrmüdcle Arbeit und sein sitzendes Leben zog sich unser Gelehrte die schmerzhafte Krankheit des Steins z». Bey jedem Anfall des Schmcrzens, um ihn desto eher betäuben zu können, eilte er sogleich zum Pulke und vergaß unter heftiger Geistesanstrengung der Zerrüttung des Körpers. Er starb den 28. Hornung i;?s in dem 6üstcn Jahr seines Alters. Don Jugend auf vertraut mit den alten, griechische» Und römischen Scribcmcn, war bisher Tschudi mehr in Rom und Athen als in seinem eignen Vaterlande zu Hause. Natürlich stieg in seiner Seele der Wunsch auf, auch dieses genauer kennen zu lernen. Zu seiner Zeit aber waren noch sehr wenig helvetische Geschichtschreiber öffentlichem Drucke erschienen. Unsers Wissens war Ackermann Ettcrlins Chromes eines der ersten helvetischen ^schichtbüchcr; welches zu Vasel im I. 1507 heraus- E'«m. Wol mochte Tschudi sich dieses Werkes bedient ha- kU; noch mehr und besser aber einer Handschrift des Werner: Schvdelers, woraus auch Etttrlm das Meiste gr- r?4 borgt hat. Schodeler lebte zu Bremgarten in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts; aus verschiedenen/ zer» streuten Nachrichten hatte er eine Schweizer - Chronick zustimmen getragen; groffentheils ist fie in Tschudis Werk eingerückt worden; diese und hundert andre Handschriften nutzte Tfchudi mit Geschmack und mit critischer Aus» wähl-, sorgfältig wußte er Pas Gold der Wahrheit von den Schlacken der Legenden zu scheiden; zu diesem Ende hin blieb er bey den Denkschriften allein nicht stehn; er schöpfte aus der Quelle in den öffentlichen Archiven der Kantone so wol als der verschiedenen Klöster zu St. Gal» len/ Einsicdeln/ Pfeffers/ Diffentis/ Muri/ Rhema»/ Wcttingen/ Schennis u. s. f. Zugleich unterhielt er Briefwechsel mit den gelehrtesten Männern/ Vadian/ Rhcnan/ Gkarean/ Nie. Bricffern u. a. Wie groß sein Reichthum an Büchern und Handschriften gewesen, be- wcißt sein litterarischer Nachlaß auf dem Schlosse zu Grcplang, wovon seither wichtige Stücke theils in d>e Abtey St. Gallen/ theils nach Zürich und anderstes verkauft worden. Schon im I. i;;8 kam Tschudis Beschreibung des alten Rhäkierlandes zu Basel heraus; Münsters latti» uische Uebersetzung ward hernach in öckmäu Scnpt. rer. gsrm. eingerückt. Ungeachtet aller günstigen Auf» nähme/ wollte der Verfasser diese Schrift niemals fu^ seine vollendete Arbeit erkennen; schon in seinem drey und zwanzigsten Jahre halte er sie/ auf Glareans Au» suchen / verfertigt; dieser ließ ihm zur Ausfeilung u» Vollendung keine Zeit mehr,, sondern nahm die Hau^ schrist mit sich nach Freyburg. Daselbst konnte erMtN" sterS dringendem Anhalten nicht wicrerstehn; indeß b o für fünf Tage anvertraute er diesem die Handsevnft; ll ^ gen alle Image ließ sie während dieser Zeit Münster ^ pirrn / übersetzte sie m>d gab sie nebst den gcographü ——. - 8 / Tabellen in deutscher und in lateinischer Sprache heraus, Ungemem war hierüber Tschudi betroffen; er beklagte sich und that, was er konnte zur Unterdrückung des unvol-, lenveten Werkes; es war aber zu späte. — Seither ar- beiiete er immer an der Verbesserung und Ergänzung des-, selben; erst in dem fünf uyd sechzigsten Jahre brachte er dresc Arbeit völlig zu Stande. Auch hatte er einen eignen Band von Mappen und Siegeln der alten, adelichcn Schweizergeschlechter, mit historischen Anmerkungen gesammelt. Wie eifrig er in Behauptung des katholischen Glaubens gewesen, beweisen unter andern, seine zwo theologische Abhandlungen, die eine vom Fegfeucr, die andre von Anrufung der Heiligen. Keineswegs indeß war er blinh gegen die Mißbräuche des Papstums; mit vieler Unpar» theylichkeit schreibt er in seinen Annalen yon den aus. schweifenden Sitten des Klerus und von der Habsucht der Klöster. Sein ganzes Leben durch hatte er an der Chrvnick gearbeitet. Erst nach seinem Hinschcid wurden die drey lomi zu Greplang, die einen Zeitraum vom I. 1200. his 1470. in sich begreiffen, genauer zusamengehcftet; das übrige alles blieb zerstreut und ohne zusamenhängen. de Verbindung. Ein einziger Band, der sich an sicherm Orte befindet, wurde noch kurz vor seinem Tode ins Reine geschrieben; er enthält die Geschichte» vom I. 1000, bis ,;7v. Ganz oder zum Theil sind die Kopeyen dieser Schriften in die Klöster Pfeffers, Einsideln, Muri, En. gklberg u. a. gebracht worden. Ihrer erwähnt Bullinger in der ttilt. llelv. Mc. unter dem Namen Ilckuäii Lot- leAsnum; Stumph gesteht, daß er sich der Tschudi, scheu Schriften häufig bedient habe. Eine Copey davon, welche der Gras von Trautmannsdorf in der Abcey Murr besorgen ließ, wurde in die kayscrl:chc Bibliothek nach Wien gebracht. — Das Werk geht vom I. i-u-l bis zum I. 1470. — Eine Fortsetzung, welche bis zum 1 .1149. fortgeht, habe ich bey dem geschickten und unermüvclcn Archivar ab Merz in dem Hauptffccken zu Schweitz gesehen. Unter Tschudis gedruckten Schriften können wir nur folgender erwähnen: r. Das helvetische Chronicon, nach Joh. Rudolf Ife- lins Ausgabe, in zwey Folio-Bänden, Basel 17,4. »7?6. — Dasselbe fängt an mit dcm I. »vor und endet mit dem I. 1470. lls vsrn L prilca slpina ^keetis, cum csetsro alpinu- nun gentium trsÄll. 4. Basel 15)8. Ebend. i;6c>. und tn den 8cript. rei-, gsrm. Giessen 167;. Beschreibung des Alpengcbürges. Bafel 17;;. 4. LpiK. aä Legt. kbenanum luper variu Oermano» eoncernentia. Giessen 167;. 5. Oiss. äs nomine OermsniT. Bafel i?;8» 6» Velineatio versris kaurssN. in 8^c>. Basel 1752. Thomas Platter. Auszug aus seiner Lebensbeschreibung. *) Das Licht der Welt erblikte ich im Jahr 1499 Gränchen, einem Dorfe im Walliserlande. Meine Adlern heissen Anton Platter und Antillia Summermater. Der mütterliche Grosvatter wurde 126. Jahre alt; S" gleicher Zeit lebten in seinem Kirchspiele zehn Männer, noch älter als er. Sehr frühzeitig verlor ich den Vater; die Mutter verheuratete sich anderstwo; wir Kinder * S. Ulrichs Mlcell. li-urm. Tb. m. Ausgabe u. wk« auch arkciiN RauricL. s. -7-. und den helvetischen AM. nach »78; und 1790. ; 8 ? wurden zerstreuet; niemals habe ich alle meine Geschwi. stcrke gekannt, oder ihre eigentliche Anzal erfahren. Als Las jüngste kam ich für einige Zeit zu meines Vaters Schwestern; des Nachts giengcn sie ausser Hause in die Spmnstube; da man mich allein ließ, so stand ich vom Bethe auf, und lief nackt durch den Schnee weg; deS Morgens fand man mich in einem fremden Hause, wo ich halb erfroren und ohnmächtig auf dem Bethe zwischen zween Männern wieder erwärmt wurde. — Mein Bruder kam aus savoischem Kriegsdienste wieder zurück, und beschenkte mich mit einem hölzernen Pferdgen; an einem Faden zog ich es hin und her, und beredete mich gänzlich, daß es von selbst gehen könne und lebe. Als der Kardinal Bischof Matthäus Schinner von ungefähr durch unser Dorf kam, so begab er sich in die Kirche, um die jungen Kinder zu firmen. Mein Pathe säumte sich anderswo; also eilt ich ihm zuvor, und trat ohne Negierter zu dem Stnle des Bischofs: Was willt du, mein Kind, fragte er mich. Ich sprach: Ich wollte gerne firmen. Mit lachen fragte er um meinen Namen; ich antwortete ihm: Ich heisse Herr Thomas; er lachte, murmelte etwas daher; die eine Hand legte er auf mein Haupt; mit der andern schlug er mich sanft auf die Wange. — In meinem sechsten Jahre kam ich zu ernem mütterlichen Oheim, um seine Ziegen zu wanden. Wenn ich die Stallthüre öfnete und nicht sogleich seitwärts sprang, stressen mich die Ziegen nieder und hüpften über meinen Rücken hinweg; wenn ich sie dann hin, austrreb, so schweiften sie etwan über die Kornfelder, und ich schrie und wainte; denn wegen meiner Ungeschicklichkeit ward ich des Nachts mit Ruthen gestrichen. Einige Ziegcnhirtcn, insonderheit ein starker, grosser Mann, Thomas im Leidenbach, halten Mitleiden mit wir und halfen mir, meine Hccrdc regiere». Da fassen r8Z wir auf den Gipfel der fürchterlichsten Berge zusammen. Auf der Schütter hatte jeder ein Körbgey mit Käse und Rockenbrod, das wir des Abends verzehrten. Einmal geschah es beym Blattcnspiele, daß ich einem Schi» »derer, der nach dem Ziele warf, ausweichen wollte, fiel aber rücklings über den Felsen hinunter. Voll Entfern ichrien die Hirten und sahn mich nicht mehr; sie glaubten mich zu Tode gequetscht; bald kroch ich wieder hervor und die Iammerthränen wurden in Freudenthränen verwandelt. Einige Wochen hernach war eine Ziege an gleichem Orte heruntergefallen und blieb tod in dem Abgrunde. — Ein andermal trieb ich ganz allein mit der ersten Morgenröthe meine Ziegen über eine Felswand, nur einen Schritt hreit, und darunter eine ungeheure Felskluft; eine Ziege gieng nach der andern; mit Noth konnten sie die Fuß» klauen in das wenige Gesträuch sezen, das aus dem Felsen hervorwuchs; jezi wollt ich hinten nach steigen; auf einmal kam ich nicht weiter, weder vorwärts noch rückwärts; mit beyden Händen hielt ich mich an einem Gebüsche; äusserst bange war mir vor den schrecklichen Geyern, die unter mir in der Luft hin und her stattet, ten, ich wußte, daß sie Schaaft und Kinder wegraffen. Als ich so hilflos da lag und der Wind mein Gewand empor wehte, so erblickte mich mein Gesell Thomas und wußte nicht, was es wäre; er vermeinte, einen grosse» Vogel zu sehn; als er mich erkannte, so ward er blaß vor Schrecken, schrie mir zu, unbeweglich zu harren, klimmte mir nach, und trug mich glücklich hinauf i" den Ziegen. Seither hatte mich meine Muhme wieder nach Gränchen geführt; da kam ich als Ziegcnhirt einem andern Meister in Dienste. Eines Tages hatte > mich mit einem jungen Mädchen, das seines Vater Herde hütete, bey einer Wasserleitung verweilet; "" trieben unser Kinderspiel, zäunten kleine Wiesen ein »n wässerten sie; mittlerweile hatte« wir die Ziegen auf der Höhe aus den Augen verloren; ohne die Ziegen gieng das Mädchen nach Hause; ich aber, als ein armer Dienst« junge, warf mein Rökgen ins Gras und suchte die Zir» gen. Aus der höchsten Spize des Gebürges entdeckt ich ein junges Gems; es glich einer von meinen Ziegen; ich verfolgte es dis zum Untergänge der Sonne; die Nacht überfiel mich; noch ließ ich mich von Gesträuch zu Gesträuch herab; unterm Fusse rieselte der Sand in den Abgrund; weiter rückte ich nicht fort; mit der Linken hielt ich mich an einer Wurzel; mit der Rechten kratzte ich die Erde unter einem Baum weg; den Rücken verbarg ich unterm Gebüsche; über mir krächzten die Naben; ich en pfähl n ich Gott und entschlief; so blieb ich im Schlafe, b,s die Sonne über alle Berge hervorgieng. Wie sehr rrschrack ich nicht beym Erwachen. Erst jczt sah ich, wo ich gewesen. Wär ich zu Nacht noch zwey Klafter tiefer hinunter gegangen, so wär ich vieltausend Klafter rief über eine Felswand hinunter gestürzt. Mit Lebensge. fahr stieg ich wieder auf die Anhöhe, um auf der andern Seite zu den Hütten hinunter zu rollen. Als ich am Fusse des Gebürges aus dem Walde hervorkam, begegnete mir ein Mägden mit meinen Ziegen, welche NachtS von selbst heimgekehrt waren. — Während meines Aufent, Haltes bey meinem Meister war ich einmal in «inen sieden, den Milchkessel gefallen, und hatte mich so sehr verbrennt, daß man die Mähler davon seither immer gesehn hat. Ein andermal war ich mit einem Hirtenjungen im Wal, de; unter anderm Geschwätze wünschten wir Flügel zu haben, um nach Deutschland stiegen zu können; plözlich schoß ein fürchterlicher Raubvogel daher; wir besorgten, haß er uns wegtragen möchte; nicht ohne Mühe hatten *vir ihn mit unsern Hirienstäden verscheucht; alsdenn erkannten wir, baß unser Verlangen nach Flügeln eitel und sündlich gewesen. — Als ich einmal von ungefähr in tie, fen Schrunden den Kristallen nachgreng, so sah ich von der Höhe einen ungeheuern Felsen sich losreißen; ich könn, te nicht mehr entflichn, bückte mich nieder auf mein An. gesicht, und glücklich fiel die Felsmasse über mein Haupt weg. Dieß war mein Leben und meine Freude bey den Ziegen auf dem Gebirge; selten hatte ich ganze Zehen; niemals war ich ganz ohne Wunden und Quetschung; oftmals lidt ich so grossen Durst, daß ich mein eigen Wasser aus der Hand trank; im Sommer schlief ich auf Heu, im Wmter auf einem Scrohsack- Von einem Zicgcnhirtcn ward ich allmählig zumKüh, Hirten befördert. Ungefähr im neunten oder zehnten Jahre bekam ich Unterricht bey einem meiner Verwandten, Na, mens Anton Platter; dieser schlug mich grausam übel, zupfte mich viclmal bey den Ohren und zog mich vom Herd auf, daß ich heulte und die Nachbarn herbey liefen. Von diesem Verwandten erlösete mich ein andrer, Paul Summerater, der von den Schulen in München zurück« kam. Mit diesem zog ich aus dem Lande; mehr haltt ich nicht als einen Goldgulden, den ich meinem Vetter gab; er trieb mich voraus, und für unfern Unterhalt mußte ich betteln. Als ich über den Grimftlberg gekommen war, sah ich den ersten Kachelofen; des Nachts beym Mondscheine kam er mir wie ein ungeheures Kalb vor; Morgens d'rauf sah ich Gänse, deren ich bisher keine gesehn hatte; als sie gegen mich schnatterten, floh ich hielte sie für Teufel. Bey acht oder neun Wochen warteten wir in Zürich auf Gesellschaft; unser waren acht ove? neun; wir zogen nach Sachsen; wenn ich nicht wol for- kommen mochte, schlug mich der Vetter mit dem Sl» oder mit einer Rute um die nackten Beine. Uebcrall hat ich von den Bachanten vieles zu leiden; wenn sie reck> ^ / so gicngcn wir jünger» Schützen hungrig zu Bethe; ss ' - ! 9 » oft schlief ich unter freyem Himmel oder im Stalle. Von Treßden kam ich nach Breßlau; da gieng ich zur Schule und nährte mich und meine Gefährten durch Singen vor den Thüren; überall hatte ich vollauf; zuweilen gab man mir so viel zu trinken, daß ich mich unversehens be, rauschte. Emes Tags als ich auf dem Markt bettelte, gefiel meine Miene einem gewissen vornehmen Herrn, Names Fugger, so wol, daß er mich an Kindcsstatt an, nehmen wollte. Ich sagte ihm, daß ich nichts ohne Erlaubniß meines Vetters thun dürfte. Auf dessen Befehl also mußte ich das Anerbielm ausschlagen. So oft ich indeß vor Fuggers Hause vorüber gieng, ließ man mich niemals leer weggehn. — Im Winter ward ich wegen lang mrrigcr Krankheit in den Spital gebracht; daselbst wurde ich von dem Ungeziefer sehr Übel geplaget. — In der Schule hatte ich wenig gelernt. Zu St. Elisabeth lastn auf einmal zu gleicher Stunde und in gleicher Stube neun Laccalsurei: von der griechischen Sprache wußte man noch gar nichts; gedruckte Bücher besaß niemand als der Lehrer; dieser hatte einen Tercnz; alles wurde zu» eist dictirl, hernach distinguirt, weiter construirt und endlich cxvonirt. Von Breßlau zog ich mit meinen Bach» anten wieder auf Dreßden; die Hungersnoth trieb unS ium Raub an; die einen staken Brod, die andern Gänse u. s. w. Wir kochten vor der Stadt unter offenen Him» wcl; vom Thurm her schoß man auf unS; wir flüchteten Uns in ci„ Gehölze. Von da begaben wir unü nach Nürn» berq und weiter nach München. In München kamen ^ und mein Vetter zu einem Seifensieder, Hans Schräll; Ek war lVlagilier Vienenlis, aber das Pfassenwerk war ch>n verhaßt; weit öftrer half ich thm bey der Siederey *"s daß ich die Schule besuchte; der Frau im Hause war 'ch sehr Ueb, weil rch ihren alten, schwarzen, blinden Hund pflegte und leitete. — Endlich reisten wir wieder «ach Wallis. Zum dritten male hatte sich meine Mutter vcrheuratet; wenig Zuflucht fand ich bey ihr; ich lebte also bey meinen Basen, besonders bey Muh, me Fransy und beym Vetter Simon Summrrmater. Nicht lange, so zogen wir wieder auf Ulm; abermal mußte ich mich und die Bachanten mit Betteln ernähren; nicht selten quälte mich der Hunger, und den Bachanten brachte ich Speise, oder ich wurde von ihnen gegeiselt. Eine fromme Wittwe hatte Mitleiden mir mir; oftmals wickelte sie im Winter meine rrfrornen Füsse in Bei! ein, gab mir eine Suppe und ließ mich dann gehen; vor Hunger jagte ich den Hunden die Beine aus der Gasse ab. — Von Ulm kamen wir auf München; gegen Nacht giengen wir auf den Kornmarkt, um auf den Kornsäckcn zu schlafen. Etliche Weiber fassen an der Strasse; als sie hörten, daß wir keine Hcrberg hatten, sagte eine Flcischerin, auf die Nachricht, daß wir Schwerer wären,' zu ihrer Köchin: Eil und häng den Hafen mit Suppe und Fleisch über; die Leute musst» bey mir übernachten; allen Schwerem bin ich hold. Morgens darauf ließ sie die andern gehn, mich aber be-> hielt sie bey sich, und ich diente ihr in ihrem Gewerbe; zugleich mußte ich für die Bachanten mit Betteln den Unterhalt suchen; die Frau wollte dieses nicht dulden» da ich weder dieser noch jenen recht thun konnte, so verließ ich München Mit traurigem Herzen; als ich verlassen auf einem Hügel saß und wainete, kam e> Bauer mit einem Wagen; mit diesem fuhr ich, ausspannte; inzwischen bettelte ich im Dorfe; "iÄ weit davon wartete ich seiner, entschlief aber; beo Erwachen wainete ich herzlich, denn ich sah den Bau nicht mehr; mir wars, ich hätte den Vater verlöre ' endlich kam er, stark berauscht, und wir fuhren wer ' » 9 , ek fragte mich: Wo ich bin wollte? Ich anwortetc r Nach Salzburg. Gegen Abend fuhr er von der Strasse ab; hier — sprach er — geht der Weg nach Salzburg. Den Tag über waren wir acht Meilen gefahren; ich übernachtete in einem Dorfe; Morgens beym Erwachen war es sehr kalt; ich hatte keine Schuhe, nur zcrrißne Strümpfe, kein Baret, ein schlechtes, offenes Rökgen, so zog ich auf Passau, um von da auf der Donau nach Wien zu fahren. Zu Passau ließ man mich nicht durch die Thore; jezt dacht' ich auf die Rückkehr nach Hause. Ueber München durst' ich aus Furcht vor dem Vetter nicht gehn; ich gicng nach Frcisingrn; daselbst stieß ich unvermuthet auf meinen Paulus; in größter Eile verbarg ich mich und -ächtere mich auf Ulm ?u meiner rhmaligen Wirthin; sie nahm mich zu sich und ich bewachte ihre Rüben auf dem Felde. Auch da ward ich von meinem Vetter Paulus verfolgt und ich entrann ihm auf Konstanz; als ich auf der Brücke etliche Schwei- tzerbauren in meisten Iüppcn sah, ward mir so wol ums Herz als wär ich dem Himmelreiche genährt. In Zürich traf ich Landesleute aus Wallis an, grosse Bachantcn; ich anerbot mich, für sie zu betteln; sie ssü, len mich unterweisen; dieß thaten sie so schlecht wie die Rudern. Mit einem derselben gierig ich nach Straßburg Und Schletstadt; an letzterm Orte fanden wir Herbrrg bey *i»em alten Ehepaar; wir begaben uns zu meinem lieben, ^hgcn Herrn Präceptor, Johann Sapidus; dieser sagte ^us: Wenn ihr weidlich wollt studrren, dürst ihr mir nichts Wahlen, wo nicht, so müßt ihr mich bezahlen, oder ich Euch den Rock von dem Leibe. — Dieß war die er-> * Schule, da mich beuchte, das es recht zugieng. Schon , ^ ich achtzehn Jahre alt und nicht einmal den Donar "rite ich l^n; ich setzte mich unter die kleinen Kinder/ N I »-4 war aber wie eine Gluckhenne unter den Hünlein. Der Mangel trieb mich von Schletstadt hinweg: eine Zeitlang blieb ich in Solothurn; allein manche Stunde gieng un, benutzt in der Kirche verloren; ich kehrte also nach Hause und lernte schreiben und anders, ich weiß selber nicht, was es war. Ein junges Vcttcrgen lehrte ich buchsta. biren; mit dem kommenden Frühling zog ich, im Begleite von zween Brudern, wieder davon; beym Abscheid sagte meine Mutter warnend: Ach, Gort erbarm'S, daß ich da drey Söhne muß sehn ins Elend wandern! Niemals hab ich sonst meine Mutter warnen gesehn; ste war männlich und rauh; nach dem Absterben des dritten Mannes blieb sie Wittwe, that alle Arbeit wie ein Mann, hackte, hcuete, dröschte. Auf eine Zeit, als ich nach fünfjähriger Abwesenheit wieder zu ihr kam, waren ihre ersten Worte: Hat dich der Teufel aber hcrzugetragen? Ich antwortete: Nicht der Teufel, sondern meine Füsse; ich will euch nicht lange zur Last tcyn. Sie sprach: Du bist mir nicht zur Last; allein es verdreußt mich, daß du so hin und her schleuderst mw ohne Zweifel nichts lernest. Beste? wärs, du lerntest arbeiten, wie drin sel. Vater auch ge« thun hat; ein Priester wirst du doch nicht; ich bin nicht so selig, daß ich einen Priester erziehe. — An einem Morgen war-ein grosser Reif auf die Trauben gefallen; ^ half ich ihr lesen und aß der erfrornen Trauben so viel, daß ich alle viere von mir streckte und meinte, ich müßt? vor Kolick zerspringen. Da stand fie vor mir und sag^ lachend: Will gern, so zerspring; warum hast gegcffc"' — Sonst war sie ein redliches und frommes Weib. ^ ich nun mit meinen Brudern weggieng, so fuhren w> über den Letschenberg jm Schnee auf dem Rücken hinunter» sie blieben im Entlibuch, ich aber begab mich aufZür'ch' Daselbst ward ich von Rudolf GualterS Mutter bebe - bergt, und ich girng zum Frauenmüuster in die SB" - r-5 mein Schulmeister war Wolfgang Knviiwel von Baar bey Zug, ein Alsgiker psriiiensis, den man zu Paris §rsnÄ zurück und munterte mich auf; ich schämte mich aber >n meinem Schurzfell; endlich ließ ich mich bereden und ßeng an mit ihnen in Münsters Grammatik zu lesen» hernach erklärte ich ihnen den Ionas. In gleichem war ein Franzose gekommen, den die Königin von d»n- varra zur Erlernung des Ebreischen hergeschickt halte; dieser kam auch in die Schule; in meinen schlecht^ Kleidern pflegte ich gewöhnlich hinter dem Ofen zu M», die Studenten hingegen fassen beym Tische; der Franzo>e fragte: Wenn kommt unser Professor? Oporin deutete mit dem Finger aus uuH. lluzcmcm verwunderte er >u -- iy9 Mid fragte mich hernach allcin, wie es zugehe, daß ich so schlecht geklridt sty? Mir Lachen sagte ich: kies r«8 sä reüim reäiit — Mir bleibt nichts übrig als der Strick, — womit ich auf mein Seiierhandiverk anspielen wollte. Er anerbot sich, mich der Königin von Navarra zu empfehlen ; allcin ich verbat es. So lang dieser Franzose in Barel war, so besuchte er meine Vorlesungen fleißig, es war ein Mann, der prächtig gckleidt und bedient war. Seither zog ich mit meinem Meister in den Krieg gegen die katholischen Kantone nach Cappel. Nach geschlossenem Frieden gieng ich auf Zürich, und studierte in des Myconius Hause. Auf sein Anrathen heurathete ich seine Stubenmagd, Anna Dictfchin; er machte uns Hofnung zu seiner Erbschaft. Die Hochzeit gieng so bescheiden vorüber, daß auch die Leute im Hause nichts davon merkten. Ich gieng nach Wallis, wo man mit meiner Verhcuratbung übel zufrieden war, und kam wieder zu meinem Weibe auf Zürich. Sechs Wochen war es, und noch haue ich ste niemals berührt, sondern lebte allcin. Myconius machte mir hierüber Vorwürfe. VUr fragte» nichts darnach, denn wir beyde waren schamhaft; endlich zogen wir mit einander davon. Unterwegs kehrten wir ein bey meinem Freunde, dem Pfarrev iu Mettmenstctten; wir schämten uns, in gleicher Kam- Mer zu schlafen; allein es mußte nun einmal seyn. — Von da begaben wir uns nach Luzern zu meines Weibes Bruder, von Luzern nach Uncerwalden, von Unterwal. in das Hasliland und auf den Grimslerberg, und endlich m Wallis; kaum hatten wir noch Reisegeld für einen Tag und einen Dicken - Pfennig; dafür kaufte meine «Ulla Flachs zum Spinnen. Im Briegcrbad fallen wir alte Bekannte aus Zürich; vvm Bade erstiegen wr das Gebirg und besuchten meine Schwester Christinn; il etwas Wäsche, die ich geerbt hatte, zogen wir nach Visp, Los wo nie uns niederliessen. Mit dem Seilerhandwerke verband ich das Schulhalten: von den Schülern beka, mcn wir viele Geschenke; mein Weib handelte nurOo»; auch verkauften wir etwas Wein bey der Masse. Wnwol mein Weib gerne in Wallis war, so gedachte ich koch heraus; vorher kam sie mit ihrem ersten Kinde zu Dich nieder. Der Bischof, Adrian von Riedtmatt, wollte mich in Wallis zurückbehalten; er versprach mir gute Beioldung und die oberste Aussicht über alle Schulen des Landes: allein ich bat um Erlaubniß, noch etliche Jahre reisen t» dürfen. Mein Kind nahm ich auf den Rücken, und so kamen wir mit unserm wenigen Geräthe und eiwaS Geld wieder auf Zürich; von Zürich auf Basel; an lcz« term Orte ward ich Ovorins Provisor mit einer Bescl« düng von 40 Pfunden. Ich kaufte eine kleine Ton..e mit Wein; darüber entstand zwischen uns Ehestreit; zu>n Weibe sprach ich: Trink du, du mußt säugen; »0 sprach sie: Trink du, du mußt studieren und in der Schule die Zeit mühselig zubringen. Indeß war ich wegen strenget Arbeit und schlechter Nahrung vom Schwindel geplagt. Ein berühmter Arzt, Joh. Emphanius, sagte, wenn ich immer bey ihin wäre, so sollte ich bald gesund seyn. b girng als bischöslicher Leivarzt nach Brunirui; meis Weib und ich begleiteten ihn als Bediente. Bald h^* nach starb daselbst unser liebes Kind an der Pcstseuch^ Mein Weib war ganz niedergeschlagen und man war we- gen ihrer Gesundheit besorgt. Auf Anrathen des LeibaN* tcs, unsers Herrn, führte ich sie nach Zürich. Als ich allein nach Bruutrut zurückkam, fand ich meinen Herren ganz berauscht beym Tische; seine Frau lag oben kran an der Seuche. Ohne ihr etwas zu lagen, rill er nw^ gens mit mir nach Tell,pcrg zum Bischof. In derN^ wurde er auch von der Pest angegriffen : er mußte au dem bischöflichen Hofe hinwegziehn; niemand wollte ihn aufnehmen; endlich brachte ich ihn in ein Wirthshaus ; daselbst lag er und schickte mich zu seiner Frau: allein diese war unwillig über seine heimliche Einweichung, und woll, te ihn nicht besuchen. — Frau, sagte ich, ,ch glaube, er stirbt; alsdenn kommen die Gläubiger und werden euch plündern: Gebt mir, was euch lieb ist; ich trag es nach Basel» und nach seinem Tode lebt ihr bey mir. — Hierauf gab sie mir das Experimenten. Buch ihres Herrn, welches er immer überaus hochgeschäzt hatte, nebst ein Paar silbernen Löffeln und einigen Kleinigkeiten. DaS Buch war mir das liebste. Mir diesen Sachen gieng ich nach Trllsperq; inzwischen hatte der Bischof meinen kranken Herrn nach Münster geschickt. Mein Gepäck ließ ich in der Hütte des Thorwächters und eilte nach Münster; meinem Herrn gab ich Nachricht von der getroffenen Vorkehr ; der arme Herr wurde nirgend geduldet; um Got- teswillcn bat ich, man sollte ihm doch im Haus, eine» Ort zeigen, und wärs auch nur ein Schweinstall, wo er ruhig sterben könnte. Endlich kam ich zu einem Weibe, welches an der Niederkunft arbeitete; das Weib war von Basel, und erlaubte mir, den Herrn zu bringen; ich führte ihn also aus dem Wirthshause, unter grossem Zulauf des neugierigen, aber gefühllosen Volkes; als der arme Patient zu der mitleidigen Frau kam, küßte er sie auf die Lippen und wäinetc ; er war sonst ein hübscher und stattlicher Mann, und zierlich gekleidet. Nun blieb ich allein bey ihm in der Kammer; mit schwacher Stimme sagte " zu mir! äkl, sbl, geh weg, geh nach Basel! — Aus Furcht, er möchte über mein Zaudern in Unwillen gera- chcn, mußte ich gehen, er zog die Schnur von dem Halse; daran waren zween oder drey Ringe und anders Geschmei. dk» zugleich gab er mir den Fingerring mit seinem Spie. Kleider hatte er noch genug bey sich "zur Bezahlung «02 , -er Unkosten. Hierauf gieng ich nach Tektlherg, hotte mein Gepäck und kam als denn weiter nach Basel. Am gleichen Tage noch war mein Herr zu Münster gestorben; ehrenvoll ward er als ein Docror begraben. Seine Gläu, biger streuten auö, ich hatte mich als ein Schelm auf die Seite gemacht. Da kam ich mit allem Gepäcke und ließ mich sehn, es entstand ein Prozeß; mitlerweile gewann ich Zeit, mit Oporin das Buch zu copircn; ich wurde bezalt, und hernach ließ ich den Gläubigern alles Geplunder. Die Wittwe kam lang hernach zu mir, sie bat mich, ich sollte ihr nur aus dem Buche das Rezept zu der Rofinenpurganz abschreiben, und damit wollte sie sich hinreichend ernähren; ich gabs ihr; wo sie seither hingekommen , erfuhr ich niemals; sie war sehr schön u. s. w. Nicht lange hernach zogen die Zürcher und die V. ca. tholischen Cantone zum zweyten male gegen einander; »ach der Abenddämmerung kam die Nachricht von der Niederlage nach Zürich; man zog beym grossen Münster die Sturmglocke an; Haufenweile lief das Volk aus der Stadt den geschlagnen Zürchern zur Hilfe; ich zog auch auS mit einer Hellebarle und einem Degen; da sahn wir den einen, der hatte die Hand, ein andrer den Fuß ver- loren; etliche trugen den Kopf in beyden Händen; unter anderm begegnete mir einer, der das blutige Eingeweide in der Hand trug; wir zündeten ihnen mit Fakcln und führten sie nach Zürich; bey der Brücke ließ man jedermann heraus—aber niemand hinetngchn. Man ermunterte einander; unter dem verworrenen Haufen schrie eine Stimme: Oftmals sey es Anfangs übel, und am Ende desto besser ergangen l In der Nacht zog man also wieder auf's Albis; bey unsrer Ankunft war nirgends kein Haupt» mann; es war sehr kalt, wir machten Feuer; als wir uns wärmten, schlug man plötzlich Lärm, um uns auf die Probe zu setzen; während daß ich meine Schuhe an« l.. « 2oZ zog, erhäschte der Fuchsberger, der Gewehr und alles im Treffen verloren hatte» meine Hellebarre; ich rief: Holla, Gesell, laß mir meine Waffen; er gab sie mir und schrie: Sommcrpotz fünf Wunden! Sie haben mich gestern in der Schlacht so übel geworfen; heute müssen sie mich gar zu Tode schlagen! — Er ergriff einen Zaunstab und damit stand er in die Ordnung, gerade vor mir. Ich dachte: Ey, wie ists ein so hübscher Mann und steht so wehrlos; — Beynahe reute es mich, ihm die Hellebarte genommen zu haben; ich ergab mich ganz in mein Schicksal und dachte: Nun Muß es seyn! nicht im geringsten war ich erschrocken. Als man aber sah, daß der Feind nicht heranrücken wollte, wurde die Schlachtordnung wieder zertrennt, und war ichs freylich sehr wol zufrieden wie so mancher, der erst noch zu Zürich ss prahlerisch einher gicng, und jezt zitterte wie Espenlaub. Ich kam wieder in die Stadt zu dem Myconius: als er Zwinglis Fall vernahm, so sagte er: Nun bleib ich nicht länger in Zürich! Ich begab mich nach Basel, und so armselig ich selbst mich durchschleppte, so gelangs mir gleichwol, daß ich dem Myconius in Basel eine ansehnliche Pfarrstelle verschaffte. Meine Frau kam mit ihm. In dem Pädagogium erhielt ich den griechischen Lehrstul; zugleich übernahm ich die Correktur in Herwagens Dru- ker- Presse. — Hernach erhielt ich einen Beruf als Schul- haltcr in Wallis: ich reisete hin, ward aber von einem andern auf die Seite gestoßen und kehrte wieder nach Ba, sei. Mit Opvrin, Ruprecht Winter und Balthasar Ruch trat ,ch in Vertrag zur Errichtung einer Buchdrucker-Presse; Zoo st. kauften wir Andreas Cratanders Werkzeug. Der Handel gierig schlecht fort; beym geringsten Gewinnst tvarcn die Weiber auf Befriedigung der Prachtliebe bc, öachl; wir Männer gcriethcn umer einander in Zcrwürf- so das es wirtlich zu blutigen Schlägen kam; nach gänzlicher Trennung druckte ich ,'tzo für mich allein, jedoch nicht änderst Verdingweise. Gleichwol geriech ich in Schulden. Mein alter Gönner, Conrad Rösch, sagte mir vielmal: ,, Thomas, hüte dich am meisten vor den ,, kleinen Schulden; viel klüger ists, einem Einzigen tau- U send Gulden schuldig zu seyn als zehn oder zwanzig?«; „ die Hündlein schrcyn viel lauter als ein grosser Hund ,, den man leichter besänftigt. „ — Eme nicht wenige, heilsame Lehre gab mir Cratanter: „ Unter memcn „ Gläubigern sollten mir allemal diejenigen die liebsten „ seyn, die mich am meisten zur Bezahlung antrieben." Ich hatte zwo Töchter und einen Sohn; ich lag viele Wochen lang krank und war bey 14.00 fl. schuldig. Indeß gewann ich wieder viel von meinen zwanzig Kostgängern, und so konnte ich nach und nach meine Schulden bezahlen. Endlich gab ich den Druckergewerd auf und wurde Schulhalter auf Burg. Hierüber hatte der Magistrat alles mit mir in Ordnung gebracht, ohne daß die Universität davon wußte; sie ließ mich ihren Unwillen bitter empfinden; die Professoren wollten mich verhindern, über die Dialectick zu lesen r Allein unter obrigkeitlichem Schutze achtete ich ihre Einwendungen wenig. Der Streit dauerte bey sechs Jahren. Sie befürchteten eine Abnahme ihrer eignen Schüler; überall suchten sie meint Schule unter ihre Gewalt zu bekommen; endlich wurden -e Meister darüber und meine Classen mußten in ihrer Anwesenheit geprüft werden. Ich hatte geglaubt, d>e Lxsmin» wären zur Beobachtung des Fleisses der SckM' ler bestimmt; nun aber sitzen die Examinatoren da und schwatzen; solche Schulprüfungen taugen nicht das geringste; jeder Schüler kann nur wenige Zeilen daher sagen, und so kehrt man zum folgenden; nur aus lercy erscheinen die Herren, damit man denken sollte, si seyn äusserst fleißig und wachsam. , So/' Mütlerwile gewann ich so viel vaß ich Häuser und Feldgürer ankaufen konnte. Als ich baute, gieng ich tagtäglich zu den Arbeitern ausser die Thore; dieß er, weckte viel Schmähens auf den Gassen und selbst vor Rathe, vornehmlich auch unter den Gelehrten, die mir nicht günstig waren. Als man aber nicht sehn konnte, daß meine Schüler »ernachläßigt wurden, so ließ man mich gehen. Mein Sohn Felix studierte zu Montpellier die Arz- ncykunst. Nach dem Hinscheid meiner Tochter Ursula war ich darauf bedacht, eine gute Sohnsfrau zu finden; fie fand ich in der Tochter eines angesehenen Rathsherrn, Franz Jäckclmanns. — Meine treue Ehegenoßin verlor ich den 20. Febr. ,572. Im Aprill des gleichen Jahres verheuratete ich mich wieder, und zwar mit der Tochter eines bernerftben Prädicanten, NiclauS Meganders; den 25. Febr. im I. 157z. gebahr fie mir ihr erstes Kind, Magdalena; den 24. Jul. im I. !574 einen Sohn, Thomas; den -r. Nov. 157;. das dritte Kind, Ursula; den 12. May »577 ward mir abermal ein Sohn, Nahens Niclaus, gebohren; den n. Febr. 1579 das fünfte Kind, Anna; den 20. Octob. r;8o. das sechste Kind, Elisabeth«.. Nachdem ich über fieben und dreyßig Jahre Schul» Halter gewesen war, und mein Gehör und Geflcht ab» iunehmen anfiengen, ward ich auf Fürbitte der Universität don dem Magistrate als Lmsritu, erklärt, und erhielt Jahrqehalr von 8°. GHden. Thomas Platter starb den 26. Ienner r;8s, nachdem ^ von einem Falle neun Wochen lang zu Bethe gelegen 2 o 6 Jaeov Christoph Jselin.* Er erblickte das Wcltlicht den is. Junius i 6 gr zu Basel. Frühzeitig glänzte sein Genie hervor. Schon in der Schule hieß er der Fürst unter den Schülern, prln- CLP8 zuventutl5. Kaum hatte er 14 Jahre, als er bey einer öffentlichen Disputation zum Rcsvondenten ernennt ward. Die Einwürfe, die ihm in latinischer Sprache gemacht wurden, wieocrhvlltc er aus dem Stegreif in griechischer Sprache. Eine Menge dunkler Stellen aus verschiedenen griechischen Autoren lösete er ohne Schwierigkeit auf. In den Erholungsstunden verfertigte er Gedichte, von denen mehre, rc gedruckt find. Einige Aufsätze über die claßischen Geschichtschreiber unter den Römern erwarben ihm so aus. gebreiteten Ruhm, daß er, obgleich fremd, abwesend und nicht mehr als 2; Jahre alt, von dem Landgrafen zu Hessen als Professor der Beredtsamkeit und der Histo- rie nach Marburg berufen wurde. Er bat um Bedenkzeit. Während derselben wurde durch I. Jac. Buxiorfs Hinschcid der ebräische Lehrstuhl in Basel erledigt. Scho" hatte unser junge Jselin so wol in der Gottesgelchrlheit überhaupt als besonders auch in den morgenländische" Sprachen grosse Fortschritte gemacht, so z. B. hatte er unter anderm kritische Bemerkungen gegen Boßuet über die Apokalypse geschrieben: er glaubte sich also nicht weniger berechtigt als verpflichtet, sich um den erledigte" Lehrstuhl zu bewerben. In dieser Absicht verfertigte und vertheidigte er eine akademische Streitschrift über den Genius der morgenländischen Sprachen und über die Dollwet- schung des neuen Testaments. So bald indeß auf gleiche" Lehrstuhl auch Buxtorfs Neffe Anspruch zu machen anficng, . * S- äs I'ac-lg. ru'iale lies lnlcriptivns 1 Xlt> 1740. s. Z45. fg, wie auch Lil-Uütk. 6erm. s. -SS. ÄU ft> wollte diesem Iselin nicht in den Weg kommen, und er verreiset« nach Marburg. Ihm war verborgen, daß während dieses Zwischenrau, mcs die Professoren zu Marburg sich gegen ihn verschwo. ren und alles angewandt hatten, um dem Fürsten, an seiner stakt, einen Verwandten des Kanzlers zu rmpfeh- len. Sie stellten dem Landgrafen vor, daß Iselin zur Behauptung der Profcssorwnrde noch zu jung sey, daß er sich über allzu viele Fächer der Gelehrsamkeit a»S. breite, um irgend in einem derselben Meister zu seyn, daß das von ihm eingekommene Schreiben einen schlechten Lakiner verrathe. Von diesen Gegnern ward er nun, mehr vor den Fürsten geführt. Dieser empsieng sie sämtlich sehr gnädig. Er unterhielt sich mit ihnen über die Pflichten ihres Berufes und über die Einigkeit, die unter ihnen herrschen sollte. Unvermerkt gab er dem Gespräch eine Wendung, redete von Gegenständen des Geschmacks, vnd mischte, nach Gewohnheit, von Zeit zu Zeit einige launische Wörter ein. Mit Vorsatz bediente er sich solcher Redensarten, welche von den Anwesende» in Iselins Schreiben waren getadelt worden. Gleichsam als wollt' belehrt seyn, frug er izt Iselin, ob diese Redensarten °uch latinisch seyn? Ohne daran zu denken, daß er sich selbst solcher Ausdrücke bedient hätte» versicherte Jselir- die Aechtheit ihres römischen Gepräges; der Landgraf stellte 6ch» als säh er diese Versicherung für Schmeichelet) an. sogleich rechtfertigte der junge Gelehrte seine Behaup, durch Anführung verschiedener Stellen aus dem Tacitus, Livius, Cicero. Seine Collegen sahn einander als Vcrschworne, die sich entdeckt glaubten. Der an»graf aber trieb das Svtel nicht weiter. Er belustigte >cd an ihrer Verwirrung, ohne etwas merken zu lassen, lange hernach, als er Iselin noch enger binden wollte, gestand er ihm, daß diese Unterredung nicht ohne Absicht gewesen. In der Antrittsrede handelte der junge Professor von der genauen Verbindung zwischen den Talenten des Red, »ers und des Geschichtschreibers. Sein Hörsaal war immer sehr volkreich und verschiedene Prinzen besuchten seine Vorlesungen. Dem jungen Baron von Maisburg war er dchülflich zur Verfertigung einer Lobrede auf den Landgrafen, die man für ein Meisterstück ansah, der Landgraf selbst trug ihm auf, eine Lobrede auf seinen Lieb. Ung, den General Keller, zu halten. Eben so ernennte «r ihn zum Leichenredner der Prinzeßin von Preussen, a!S erster« Gemahlin des Erbprinzen von Hessen, nacbhcrigen Königs von Schweden. Unter den verschiedenen akademischen Streitschriften unsers Iselins erwähnen wir nur seiner Abhandlung über die Herrschaft der Magier in Persien, die seinen Ruhm ungcmein ausbreitete. Im I. >706. ward er nach Hossmanns Hinscheid als Professor der Geschichte nach Basel berufen. Umsonst daß man ihn in Marburg zurückhalten wollte. Ungeachtet er daselbst durchgängig geschätzt war und auch kein Schatten der Eifersucht gegen ihn übrig blieb, so zog er doch da» Vaterland vor. Der Landgraf bat ihn, selbst seinen Nach- olger zu wählen. Er wählete einen seiner chmaligen Mitschüler von Basel und war noch gegenwärtig bey desscl» den Antrittsrede in Marburg. Der Landgraf gab «brn ,um Geschenk eine ganze Bibliothek auf die Reise und beehrte ihn mit dem Recreditif an seine Obrigkeit, wie «inen Geiandtcn. Wir übergchn so viele Abhandlungen, die er von Zeit zu Zeit herausgab. Mitten unter seinen historischen Studien vergicng kein Tag, daß er sich nicht mit den nwr- genländischen Sprachen, mit den heiligen Büchern, den Kirchen- 2«9 Kirchenvatern und Concilien beschäftigte. Vier Jahr nach der Heimkunft erhielt er den theologischen sbvrstuhl. Als Theolog schrieb er verschiedene Abhandlungen über den Canon des N. Testaments, über die Unzulänglichkeit der natürlichen Religion, über die Abschaffung der gesetzlichen Ceremonien, über die Prophczcyungen, über die Concroverscn der englischen Kirche u. s. f. Auch predigte er vielmal in deutscher und französischer Sprache. Nur einige deutsche Predigten gab er heraus, uud zwar aus Gefälligkeit für seine Mutter, die nicht mehr im Stande war, zur Kirche zu gehn. In Basel hatte er die Aussicht über die Universstäts, bibliothck. Beträchtlich vermehrte er sie; er verglich die wichtigsten Handschriften und schrieb zu denselben seine Erläuterungen. Sein Briewechsel war ungemcin groß. Cr anwortete jedem Korrespondenten in der ,hm eigenen Sprache, deutsch, französisch, italienisch, spanisch, englisch. Gleichwol war cr sonst nirgends gereiset, als in Frankreich. Zwcymal befand cr sich in diesem Lande. Das erste- Mal in seinem siebzehnten Jahre. Damals besuchte er das Dauphin«, die Provenze und Languedoc, er copirte die Jnnschriften, maaß die Uebcrbleibscl der Amphühca. Ur, zeichnete die Triumphbogen und andere Alterthümer. Im I. 17,6. hielt cr sich einige Zeit zu Paris auf. Daselbst machte cr Brlantschaft mit den berühmtesten Gelehrten , besonders mit dem damaligen Kanzler Dagucsseau. Mit diesem unterrede» cr sich öfters über die Baslersche Kirchenversammlung. Der Kanzler wünschte, daß man "Uf eine Geschichte derselben bedacht seyn möchte. Er selbst hEe h,ezu verschiedene Materialien gesammelt und ^oluz war bereit, sie in Ordnung zu bringen. Jnzwr- iHen haue L'Enfant die Geschichte des Konstanjer.Conct- O rio - — liums geliefert und schon setzte er sich vor, auch die Geschichte der Baslerschcn Kirchcnvcrsammlung zu schrei» den. Zu diesem Ende hin erhielt er von dem König von Preussen ein Fürwort, daß ihm der Magistrat in Basel die dortigen Urkunden möchte zukommen lassen. Der Basier - Magistrat verbat sich die Auslieferung der Originale und lwg w seenc Jstlin auf, hfcvon Auszüge zu machen. D- ! -r anerbot sich, auch für Paris eine Kopey zu besorgen. Der Kanzler wünschte, anstatt der Auszüge , eine Kopcy aller Bände zu haben. Unter denselben befindet sich z. B. ein ausführliches Tagebuch über alle Verhandlungen, von einem Mitglied des Conciliums, Johann von Segovia, welchen die Universität Salamanca abgeschickt hatte, und dessen Aeneas Sylvius, als Sccretair dcS Conciliums, nachheriger Papst Pius H. hin und wieder auf die ruhmvollste Weise erwähnet. Dieses Tagbuch besteht in zween grossen Foliobändcn, ziemlich enge geschrieben. Dasselbe schien so wichtig, daß man es in zwey Exemplaren in der Bibliothcck der Franziscancr, wo das Concilium sich versammelte, aufbewahrte und nach der Reli- gionsveränderung in da§ Archiv der Stadt hinderlegle. Unter Jselins Aufsicht ward es nun für den Kanzler kopiert. Gegenwärtig befindet sich die Kopey nebst den Abschriften der übrigen Urkunden in der National . B'blio- theck, zusammen drey und dreyßig Foliobände. Für st'"* Bemühungen erhielt Jsclin bey der parisischen AeadcMck der schönen Wissenschaften die Stelle eines auswärtige" Ehrengliedcs. Sogleich schickte er der Acadcmie eine Abhandlung, in welcher er, gegen Spanheim und Vaillant, einer abgekürzten Jnnschrift auf verschiedenen Schaun'""' zen einen ganz neuen Sinn giebt: LLktmmon PMiosticum OLLIMemcum I8kTs1ticum. Die Sylbe kLK ergänzten Spanheim und Vaillant durch rMlOäv» icum. Jselin ergänzt sie durch kMioäicum. Ueber ve Lrl Grund dieser Auslegung verweisen wir auf den fünften Band der Memoiren der königl. Akademie. Mehrere solcher antiquarischer Gegenstände hatte Jselin schon vorher, entweder in besondern Abhandlungen, oder in den gelehrten Zeitschriften beleuchtet; so z. B- schrieb er über die Ebräische Zeitrechnung; über cmige zu Moudvn und Trieste entdeckte Innschriften; über die vorgebliche Ewigkeit der Welt, durch alte Denkmale bestricke»; über die Ki. ganten in den h. Büchern; über die Absicht des Tiberius, als er Christus unter den fremden Göttern einen Cultus in Rom gestatten wollte u. s. w. Um nicht allzu trocken und weitlaustig zu werden, übersetzn wir den Katalog so vieler feiner Schriften und Ausgaben. Nur im Vorbcygehn erwähnen wir seiner Tschu, bischen Chronick und seines deutschen Morrery, den er jo beträchtlich erweiterte. Jselin war ungemein dienstfertig. So z. B. ließ er für Uffenbachcn zwölf Bände von den Briefen des I. I. Grynäus kopieren. So schickte er dem Sorte die Lcsar. len aus einer sehr alten Handschrift des Sallnsts, und dengeln ebenfalls solche Lesarten aus den Handschriften öes N. Testaments in der Baslerschcn Unioersilälsbiblio. thck. Mit dem Ruhm eines grossen Gelehrten verband Jse» den Karackter des einnehmendesten Weltmanns. Wie Nützlich ftin Kredit dem Vaterlands gewesen, mag untre ^derrn fokzende Anekdote beweisen: Wenige Zeit vorher, ^ der Marquis von BcMti-Landi, spanischer Gesandter ^ der Schweiz, in gleichem Karacrer uach Holand abrei» sollte, verlangte er von dem Magistrat in Baicl die "tsctznnq eines Postincisters, dem er die Hinterhaltung "Uger Pachte schuld gab. Der Magistrat hielt dcnPost- kister für rmichutbig und weigerte sich, dem Gesandten O - Hu entsprechen. Voll Unwillen ließ dieser in Geheim da- Felleisen des Baslerboten wegnehmen. Der Magistrat schickte eine Dcvutation an den Gesandten nach Luzcrn. Man kannte dessen Freundschaft gegen Jftlin, dieser mußte also mitgehn. Beretti-Lanbi empfangt ste sehr wol, will aber nichts von den, Felleisen wissen. Nach der Tafel spricht Jselin besonders mit ihm. Der Gesandte sagt: — Mein lieber Doctor, Sie könnten mir hierüber in Zeit einer Viertelstunde hundert der schönsten Verse vorschwatzen, so war all ihr Latin gänzlich verloren! — Die Ge« sellschaft gieng aus einander. Jselin schreibt in Zeit einer Viertelstunde eine Epistel von hundert Versen an den Gc« sandten. Dieser ist entzückt und denkt die ganze Nacht darauf, seine» Freund zu befriedigen. Morgens nehmen die Deputirte» Abfcheid bey ihm. Immer will er nichts von dem Felleisen wissen, nur sagt er seitwärts zu Isclui.' Lsrmins vsl L^io postum äeciucsre s,unsm. Nach ihrer Wegreise sehn sie unterwegs einen Reuter» der ein Felleisen fallen läßt und im vollem Galopp weiter eilt. Die Deputierte Heden es auf, und es war, was i't suchten. Jselin starb den r;. April! ,7;«. Er hinterließ seine" Neffen eine kostbare Bibliolhcck. Für die ilmversitätsbib' liotheck bestimmte er ein Vermächtniß von zooo Livr. utb" seinen Kommentarien zu des Urstisius Chronick. Cölius Secun-us Curio. * Das Licht der Welt erblickte er den r. May in Piemvnt. Schon im nennten Jahre verlor er die lern; von diesen hatte er ausser dem adelichen GessH^ ^ . grossem Reichthum geerbt: als jüngstes Kind erhic * S, 8ruxnni Or»t, ge Lurisnis vit» i" älu-'stllorn. litt. 1. XIV. MM ALM MOM ML WM iLL^ M/4. !WttUIIUI»N>IINUNIIIII>IINttIIIUI»NII!I»IIIIIIIINI»»MIII»I .. > . . vor den übrigen das väterliche Hans in der Stadt und einige Landgüter, nebst einer Kostbaren Bibel auf Pergament, bev der Erbtheilung zum voraus. Nachdem er bey einem besondern Jn'vrmakor den Grund zu den Wissenschaften gelegt haue, bccab er sich nach Turin; daselbst genoß er den Unterricht des Georg Carrara, des Donnnicus Machaneus und Joh. Bremins. Unter Anleitung deS nachhcrigcn Kardinals, Sfondrata, wird» mctc er sich dem Studium des bürgerlichen Rechts» Schon hatten durch ganz Italien Luthers und ZwingliS Schriften grosses Aufsetzn erregt. Noch war der junge Cölius nicht völlig zwanzig Jahre alt, als er, beseelt von Heister Wisscnsbcgicrde, alle diese Schriften anschaffe mn sie näher zu prüfen. Luthers Bücher über dcn Ablaßkram und die babylonische Gefangenschaft, ZwingliS Schrift über die wahre und falsche Religion, nebst einigen Werken des Melanchtons, hatten dcn Jüngling so, lehr eingenommen, daß er ohne Anstand auf eine Reife- »ach Deutschland bedacht war. Kaum hatte er mit zwey andern jungen Freunden den Weg angetrcltcn, so wurden sie alle drey, wegen allzufrcycr Reden über die Religion, von den Trabanten des Kardinal-Bischofs gefangen genommen; ungefähr zwey Monate lang blieb Cölius in dem Caprianischcn Schlosse bewachet und endlich auf die Fürbitte einiger vornehmen Freunde wurde er wieder befreyt. Der Kardinal machte ihm Vorwürfe, ^gleich versprach er ihm beträchtliche Geldsummen zur Unterstützung in seinem Studieren, und so schickte er >hr, mir Empfehlungsschreiben nach dem Kloster des h. ^'nigmis. Daselbst ärgerte sich der Jüngling über den geheuren Zulauf der Pilgrime zu den Gebeinen der Märtyrer so sehr, daß er denselben nicht nur selbst allen, ^'rust und aste Anbetung verweigerte, sondern auch in theiln durch seinen Unterricht mehrere davon abhielt» Unter diesen befand sich auch ein junger Reisender, Ra« incns Martin Salier; eben trug er Melanchtons Tocos communen IN der Hand, als er auf einem Spazicrgang am Ufer des Flusss von einem frcinden Thiere so sehe in Schrecken gesetzt wurde, daß er sich in größter Eile in das benachbarte Franziscancr-Klostcr rettete; die Er» fcheiinmg des vrmcir.lcn Ungeheuers schrieben die Mön. ehe», cinug und allein Melanchtons Buch zu; voll abergläubischer Furcht übergab er also dieses Buch dem Feuer und für immer schwur er die Lehr ab, die ibm Cölins beygebracht hatte. Nunmehr dachte der vcr» wcgene Cölius darauf, wie er die heiligen Gebemt wegschaffen möchte. In Geheim öfnet er den Schrank, in welchem sie aufbewahrt wurden, legt hierauf den Schlüssel wieder an seinen Ort, und an einem bequemen Tage, da jedermann andcrstwo beschäftigt war, entwendet er alle diese Reliquien; an ihre Stelle setzt er die Bibel, mit folgender Antichrist; „ Dieß ist die Bundeslade; ,, hieraus schöpft man die ächten Orakel; hierinne sind „ die eigentlichen Reliquien der Heiligen enthalten. „ ^ Als bald darauf ein Festtag heranrückte, wo man dielt Gebeine öffentlich herumzutragen gewohnt war, so stück- tcte er sich vorher nach Mavland; von da gicng er m>ck Rom; auch besuchte er mehrere, andre italienische Städte Hierauf kehrte er nach Mavland zurück, woselbst er einige Jahre mit Lernen und Lehren zubrachte. — Während der Hungcrsnoth und Pestscuche unterstützte er nicht nur manche Familie mit seinem eigenen Gelde, sondern auck ausser der Stadt, wo er sich aufhielt, beredete er *>' Priester, daß sie selbst der Kirchcngülcr und des Tcmpt - schmuckes nicht schonte», um den Armen Hilft zu leiste"' sehr fleißig besuchte er die Kranken, und nebst einem ^ mcradcii trug er in eigner Person Verstorbene zu Gra ' Wegen dieser seltenen Tugenden gewann er ganz das der Margaretha Bianca, aus dem vornehmen, Isacischen Geschlechte; er hcnrathetc sie und begab sich mit ihr nach i Casale, woselbst sie einige Jahre in der wünschenswür- digstcn Sorglosigkeit mit einander verlebten. Auf die wiederholten und dringenden Vorstellungen seiner Freunde begab er sich hernach in sein Vaterland zurück, woselbst er eine reiche Erbschaft erwartete; alle seine Bruder und Schwestern waren gestorben; niemand lebte mehr als die einzige Schwester Maria; diese glaubte, daß er bloß gekommen sey, einen freundschaftlichen Besuch abzustatten, und >o war er ihr und ihrem Gatten ungcmcin willkommen; allein gar bald verwandelte sich die Liebe in tödt- lichen Haß, als er von Erbtheilung z» sprechen anficng. Fälschlicher Weise nämlich beredete die treulose Schwester den Bruder, daß er der Religion wegen in Gefahr sey, ^ um ihn dadurch, mit Hintansetzung des väterlichen Erb, gutes, zur Flucht zu bewegen. Würklich begab er sich, mehrerer Sicherheit wegen, in eine benachbarte savoische Landstadt. Zufälliger Weise hörte er daselbst einen Mönch von Turin, der sehr heftig gegen Luthern loszog und ihm unter anderm Schuld gab: daß er unter dem scheinbare» Vormunde der christlichen Freyheit jede Ausschweifung erlaube und Christum weder für einen Sohn Gottes, noch Marien für eine Jungfrau erkenne. Nach geendigtcr Predigt erhielt Cöljus von. Obersten des Ortes die Erlaubniß zu öffentlichem Vortrug. Durchgängig herrschte »cycrliches Stillschweigen, und er fieng so an: „ Wichtige Vorwürfe hast du den Lutheranern gemacht, " ehrwürdiger Pater, allein wenn und wo hat Luther so -- was gcichrct t zeig mir das Buch und die Stelle, die » w was enthält?" Der Mönch erwiederte, daß ihm sogleich aus dem Stegreife eine solche Anzeige nicht mög- >cy; in Turin aber woll' er ihm dieß und mchrcrcs unüberwindlich beweisen. Cdlius versetzte r Ich hingegen werde ohne Anstand aus Luthers eigenen Schriften da- Gegentheil zeigen. Hierauf zog er Luthers Auslegung über tns Sendschreiben an die Galatcr hervor und las eine weitläufige Stelle, geradezu den Mönchen entgegen. Der Adel so wol als der Pöbel entrüstete» sich fo sehr über den mönchischen Vcrläumder, daß sie auf ihn los» stürmten, ihn schlugen und nicht ohne unmittelbare Zwi» schenkunft des Stadtoberstcn loslicssen. Nach seiner Zu» rückkunft in Turin beklagt sich der Mönch bey dem Inquisitor ss wol als bey dem Bischof. Durch seine Trabanten läßt dieser den Cölnis gesanglich nach Turin fuhren. Bcvm Verhör muß er wegen seiner ehmals vorgehabten Reise nach Deutschland Rechenichaft geben; man betragt ihn über die entwendeten Rclignicn und macht ihn der Kätzcrcy wegen verdächtig. Voll Muth unterzieht er sich den Qualen des Kerkers und verachtet jede Marter des bcvocsirhenden Todes. Mittlerweile war der Bischof um dem Hasse so vieler angesehenen Freunde des Cö- Iu,s zu entgehen, nach Rom verreiset; aus ivlche Wellt sollte es den Anschein gewinnen, als wäre alles, was gegen den Gefangenen verübt worden, aus unmittelbaren Befehl des Papstes geschehen. Die Verwahrung des Cö- lius wurde inzwischen einem gewissen David, einem Vru- der des Cardinal Cibo, anvertraut; dieser wirst itm in ein engeres Gefängniß, schlagt feine Beine in ichwccre, eiserne Fußbänke und läßt ihn von zween Wächtern bewachen. Tags darauf bemerkte CöliuS, daß er ehmals in der Kindheit auch in diesem Hause gewohnt habe; er erinnerte sich der Lage und jeder Gegend desselben; h^ aus fieng er an, aus seine Rettung zu sinnen; in denF"^ banden waren seine bceden Füsse aufgeschwollen; er erhielt also von den Wächtern, daß sie ihm den einen Fu frey liessen, damit er nach Heilung desselben auch andern frey bekommen und hellen lassen könnte, ltn " melkt zieht er nunmehr das losgebundene Bein aus dem Stiefel; diesen stopft er aus mit leinen Tüchern und macht ihn unter dem Kleide an einer Schnüre fest, so daß er ihn bewegen konnte, als wär das Bein in demselben. Nachdem dieses geschehn war, so bat er, baß man ihm jetzo das andre Bein frey lassen möchte; dafür wurde das falsche oder vermeinte Bein in Fesseln geschlagen; nunmehr waren beede Beine befreyl; um Mitternacht, als die Wächter in tiefem Schlaf lagen, öfnet er die Thüre des Gefängnisses , geht die Treppe hinunter, kömmt in den Hof, klimmt über die Mauer, wirft auf der andern Seite sein Gewand auf den Bode» und senkt sich darauf hernieder. Am Morgen glaubten die Wächter nichts anders, als daß er sich durch Zauberey aus dem fest verschlossnen Fußbanden befrevt habe. Bald hernach aber schrieb Cölius ein launigtes Gespräch, unter der Aufschrist: ?robur, worinn er alles, wie es geschehn war, erzählt. Inzwischen blieben seine Güter und sein Erb- thcil verloren; auch war alle Hofnung zur Rückkehr int Vaterland völlig verschwunden; er flüchtete sich also in einen Winkel Italiens; durch Vorschub einiger vornehmen Mayländer erhielt er bald hernach ein öfentlichcs Professorat ; um ihn gegen seine zahlreichen Feinde in Sicherheit zu setzen, ward er immer von einer Menge Studenten begleitet: da die Verfolgungen des Papstes immer gefährlicher wurden, so flüchtete er sich jetzt nach Venedig; auch da war er nicht sicher und begab sich nach Ferrara; daselbst fand er Schutz bey der Gemahlin des Herzogs, «iner Tochter des franzöf. Königes Ludwigs XII. diese vcrfchaste ihm einen öffentlichen Lchrstul: kaum ein Jahr lang genoß er der Ruhe und nunmehr ward er von dem Papste »ach Rom gefordert. Anstatt dieser Einladung zu ^lgcn, flüchtete er sich jetzo nach Tcutschland. Die Hcr- öagin Renata von Ferrara gab ihm Empfehlungsschreiben si8 nach Bern und Zürich; die Berner anvertrauten ihm das Schulrectoral in Lausanne; vier Jahre lang halle er der Academic daselbst mit grossem Nuze» gcvicnet; jczt kehrte er nach Italien zurück, um seine Gattin und sieben Kinder zu holen; indeß durfte er nicht persönlich zu ihnen nach Lucca gehn; er wartete ihrer in der benachbarten Stadt Pessa; unvermuthet ward er beym Mittagessen von dem Haupte der Inquisitoren und seiner bcwaf. neten Wache umringt; während daß diese letztren unten vor der Thüre harreten, trat der oberste Inquisitor allein in sein Zimmer und kündigte ihm im Namen des Papsts den Verhaft an. Noch halle Cölius das Messer in der Hände, womit er die Speisen zcrschnidtc; vor dem Messer und vor dem Trotze des stattlichen Mannes erschrak der Inquisitor so sehr, daß er plötzlich zu Boden fiel. Sogleich eilte Cölius die Treppe hinunter, gicng mitten durch die Lictorcn, grüßte sie, ward von ihnen nicht erkannt, begicbt sich in den Stall, setzt sich zu Pferde und rettet sich durch die Flucht. Glücklich kömmt er nach Basel. Auf dringendes Anhalten des Martin Vorr- haus, des Hieron. Frobenius, Niklaus Episcopius und Mich. Isengrin, denen seine Gelehrsamkeit bekannt war, blieb er daselbst und übernahm den rhetorischen Lchrstuhl - aus den entlegensten Gegenden drangen sich die Studierenden herbey, um seine Vorlesungen zu hören. Von allen Seiten her suchten ihn die größten Fürsten, unter den schmeichelhaftesten Versprechungen zu sich zu locken: auck) der Pabst selbst wollte chn durch den Kardinal Caraffa zur Rückkehr nach Italien bewegen; er that ihm die schönst"' Versprechungen, wofern er nur aufhören würde, über die Religion zu schreiben: fruchtlos blieben alle diele Einladungen. Er blieb in Basel, woselbst ihm und Nachkommen das Bürgerrecht geschenkt wurde. Sohn Augustiuus, der ihm auf dem rheotorischen Leb" - - i stuhl nachfolgte, starb den 24. Oct 1566. Mit Thränen sagte der Vater zum sterbenden Sohne: Jtzt schlieffe ich die Augen dir zu; nur wenige Zeit hättest du noch leben müssen, und alSdenn hättest du mir meine Augen zusthlicssen können Würklich starb er selbst bald hernach im I. i;ss. Seine Gattin folgte ihm im Tobe im I. 1587 im acht und siebzigsten Jahre des Alters. Sein Sohn, Horatius, gcbohren zu Casal im I. r;;4. war Docker der Arznrykunst und kayserlicher Rath bey Maximilian II. Er starb auf der Reife an den tür, kifchcn Hof im I 1564. Leo geb. im I. »;;6. ein Handelsmann, der beynahe alle Gegenden von Europa durchreist hatte; er starb zu Bafel im I. 1601. — Vom Augustin haben wir oben geredet. Noch hatte er eine gelehrte Tochter, Angela, die ihm in allen Sprachen vorlas und seine Handschriften besorgte; sie starb im I. 1584. Die Bibliotheck des Cölius kam in die Hand des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg. — Von seinen herausgegebenen Schriften bemerken wir folgende: Lekols 1. 6e perkeÄa grsmmatico. Os llberis bonelts pis «6ucan61s. Oe ßrsmmstics ldtina. ^ üulpitil csrinsn 6v moribur L clvilitat« xucroium. Las. i;;;. 8. ve licterl5 cloökrinaciue xuerlll 6 r;6r. T, III. kol. 16. 1^76. fol. /Vrgcne. 1604. kol. vermehrt. blirolius s. Ikefaurur Liccron. von C. S. Curio vermehrt, Lirs. 1548. kol. 16. i;6z. f. eine Aldiner« Ausgabe vom I. i;7O. f. Laz. 1576. vermehrt durch Nsrcell. ^luzrLiüiu^um 16 i;;z. 5. übermal vermehrt durch Jakob Cellarius LuZö. »582. f. i6. 1584- s. und 1588. L Las,1. !?>-;. und lüi;. k. sranc. ,6l; k. Vened. 1617. f. LoAies8 LIementorum L. I V. Las. i<;67. 8- Lnmmen- tsriur in Lsrionii äialecIicam. Las. 1549. 8. Lsusä. Lpi- tom. iö. eoä. 8- Ds omni aidiücio äilssrcnäi atgus trsÄsnäi 8ummr. Las. 2 547- 8. Orationes ib. 1544. 8 . 8eIeİe Lpiltolar 6c orationes. iL. 15?;. 8- Die Ausgabe von den Lpillol. Olxmxise Lulviac Unrats, Basel, 2^?r. 1558. 1562. 1570. 1572. 1580. 8. Lncomium nucis. vialo^us welcher auch m Schelhorns ^ML- lait. 1. I. eingerückt worden. Ds laiiloria IeZen6a aä /smsrkacfi. Oe belln Uelitenli. Las. 1567. 8. Krane. r;98. 8. Lrane i;<>8. 8. ib. 1598. s. deutsch, Basel 1567. 8. Diese Schrift befindet sich auch in des Lrsvius rkes anrig. itali-e. Zum Livius schrieb er notas 5, xonäeribus regne nummaria Lomanorum L Lrscorum. Las. 1549. s Krane. 1588. und 1628. Lutet. 1552. s. Las. 1554- 8 . und 2555. k. Zum Uppianus -ilex. eine Vorrede s. Las. 1549. HmberZ 1608. i2. Fisch. 1729. 12. Lammend, in Lic. krumm. Las. 1584. 8- -— in Lic. vratorias xartitivnes. Las. l;6r. Orst. 6ic. kfiilipxicoe sum notis Lsfi k. nebst vier Reden aus dem Dio, inö lal. übersetzt. Lsli 1564. 5 . Vsris ex ore L. 8. Lurionis in Licsronem commsn- tsntis excexts in dem ersten Bande Lnsrrst, in Orst. Lie. Lsfi 8ckolis in äuvensl. ksris. 160?» rSo;. 161;. 4.1,uxä, Lstsv iSy;. 4. Lskigstlonss in 8snec-e Oxers. Ls 5 . 1557. k. und ksrrs. k. Hermogenis R.ketorics, e Zrseco in Ist» converL OkritiisnX reUZionis inkitutio brsvis L äiluciäs, wie auch epillola äs xusris Isnäts L ckriüisns eäucsnäir. Lss. i;4y. 8. ^rsneus, 5 . äs xroviäentis Lei. äs snimsrum immor- rslitsts, äs libsris pie eäucsnäib: psrsxkslis in xrinei- xiuni Lvsngelü 8. ^oksnnis: psrsäoxs cliriüisns: säkor- tscio sä versin relig. Lss. i?4o. 8. ib. 1^44. 8. ib. 1571. 8. öe smplituäins reZni LLleüis. Lss. >;;4. 8» Louä» 1614. 8. krsnc. 1617. 12. Orsrio pro vers L sntigus eceleli-e cfirifii suötoritscs säv. ^nt. ^lorsbellum. Lss. 1546. 8- Os corrupto eceleli-e 8rstu. kslguillorum 2. Lleutkeropoli i;44- 8- nebst dcS Cölius Einleitung. kslgmlli Lxrstici, s. nuper e STlo reverli äs rebur ksnim üiperis Lc. sum Msixkorio coUoguium. Ls 5 . 8- Lenev-e »544. 8- k>»cent. 154s. 8- it. cum gus-üio. nibus klsguilli in luturo Loncilio s ksulo I!I. kontiües wäiÄo äiHutsnäis, sehr selten, in 8vo. 6enev. 1667. rr. nebst einem Anhang, kssguillus IKeologsNer. Diese und andre satyrische Schriften findet man auch verdeuttcht, unter der Aufschrift: der verzückte kslquinus, r;4;. ge, druckt zu Rom auf Anhalten Meister kslguini. Auch hat "um eine italienische und eine französ. Uebersetzung. 6. 8. 6urioni8 Opulculs, Lslil. 8. k-rnk. Ocbini 8ermones -liguot hat Curiv «Us dem Jtal. ins Lateinische übersetzt. Ueber den Plautus findet man seine Anmerkungen in einem Werke, unter folgender Aufschrift: Lruclltorum s!!c>uc>t virarum 6e Lomseclis L comicis verüb, commen, Lsü r;68. 8. Einige von seinen Handschriften werden auf der aca, -emischen Bibliotheck in Basel verwahret. Man sehe Nus. kelvetic. Vol. VII. Lartic. XXVIU. Xo. II. III. Lmenäst» in Trikot. §c 1ü6or. De republ. ckrMan. ItsIiL guerimanis. üncomium Lcribarum. I^ncomium ejus, gm xro xstris occubuit. ^ob. Lkelri, ^ngli, 6e pronuntiseione Arsecre po- tMmum linguse 6l5pmst. cum Ltcpksno ^'inlvnenü Lxilcopo, textein contrarür cxikolis comprekent-e. Lsü i?;;. 8. 6ml. Lnäsei oxer» omnis, cuni rmxla Lurionük xrrekiit. L-üiI. 1557 . Caspar Bauhin. * Die Bauhinische Familie ist nicht nur der Stadt Ba» sel, wohin sie die Bande des Bürgerrechts und der Ge» burt am meisten heftete, sondern auch der ganzen Schwer im dankbarsten Andenken; auch die gelehrte Welt, besonders die Arzneykunst und noch mehr die Geschichte habe» ihr vieles zu danken. Ich glaube daher meinen Leier" Freude zu machen, wann ich ihnen diese vortrcfliche De^ -enden; mit einem Blick zu überschauen vorlege: obgleich * Don Hr. Hirzel, dem jünger», gütig mitgetheilt. - srz diese Sammlung für einmal nur das Bild des Caspar Vauhms liefert. Auch sey mir erlaubt, den Wunsch zu äuffern, daß einer der gelehrten Landcsleutc dieser wackeren Männer sie uns näher und ganz bekannt machen könnte. Johannes Ban hin, der Vater unsers Caspar Banhins, wurde in AmmicnS in der Pikardie im Jahr r;n. gebvhrcn. Er wicdmete sich in Paris mit dem besten Er» folg der Arzney - und Wundarzneykunst, so daß er schon in seinem i7tcn Jahr als ausübender Arzt so bekannt war, daß er von König Franz dem ersten und seiner königli« chen Schwester Katharina unter die Zahl der Leibärzte aufgenommen wurde, und als solcher sich grosses Anse» hen erwarb. Der redliche Trieb, dasjenige was er für wahr hielt, auch mit seinem Nachtheil öffentlich zu bekennen, nöthig, le ihn bey der Verfolgung der Protestentcn seine sonst so glückliche Lage zu verlassen und nach England zu flüch, le», woher er aber bald wieder nach Paris zurückkehrte: Allein eine neue Verfolgungshitze brachte ihn ins Gesang, »iß, und schon sollte sein End-Urtheil vollzogen werden, als ihn die Gunst und Dankbarkeit der Königin dem Scheiterhaufen entriß, und auf ganz freyen Fuß stellte. Die beständige Gährnng der Feindseligkeiten gegen die Gegner der Römischen Kirche trieb ihn immer hin und her, bis er endlich in Bafel im I. 154;. mit Weib und Minderen Sicherheit fand, und sowohl von der Stadt als der Academie zum Mitbürger angenohmen wurde. Wie lchön lohnte sich diese Großmuth durch die Nachkommen ^ dieses treflichen Manns! Er selbst beschäftigte und ernährte anfangs mit litterarischen Arbeiten, bis seine Verdien» »e ms Arzt erkannt, benutzt und belohnt wurden. Er , . in seinem ?isten Lebensjahr im I. ,; 8 r. und segnete neues Vaterland mit zween Söhnen Johannes ^d Caspar- Jener war als Jüngling, da er sich der »24 Arzneykmist und Philosophie und besonders der Botanick wiedmcte, schon würdig der Freund Conrad Geßncrs zu seyn, mit welchem er kleine Reisen nach den bergichten Gegenden der Schweiz machte/ und in einem so freund» schastlichen als gelehrten Briefwechsel stand. Er war einige Jahre lang in Basel Lehrer der Rhctorick/ nahm nachher den Ruf als Leibarzt bey dem damaligen Herzog zu Wirtcmbcrg an / und starb im I. Caspar- sein jüngerer Bruder, dessen Bild wir vor uns haben, wurde im I. i;6o. gebohren. Obgleich er von ferner Geburt an sehr schwächlich war, und erst im ;ten Jahr seines Lebens ordentlich zu reden anfieng, so machte er doch nachher schnelle Fortschritte in den Wissenschaften. Er vollendete das Studium der Philo. sophie, und erst nachher wiedmcte er sich derArzneykunst und besonders der Anatomie und Botanick, worin er seinen Bruder bald übertraf. Seine Reisen durch Italien, Frankreich und Deutschland waren das beste Mittel, ihn zu dem grossen Botanicker zu bilden, der unsern Zeiten noch schätzbar ist. Er sammlctc mit äusserstem Fleiß die Beschreibungen der ältern Botanicker, berichtigte dieselbigen durch genaue Untersuchung der Pflanzen, reihte sie in Ordnungen und Familien, gab ihnen neue Namen oder weihte die alten Lurch sein Ansehn von neuem ein, setzte die SynonirNs der älteren Botanicker bey, machte viele neue Pflanzen Lurch genaue Beschreibungen und Zeichnungen bekannt, und sammlcte zum Behuf dieser Arbeit theils auf Reisen, theils nachher durch durch seinen in ganz E»ro^ «usgebreitclcn Briefwechsel ein sehr schönes und voüsiä^ Liges Herbarium, welches dermalst in der Bibliothek ^ vortreflichcn Baßlerischen Professors de Lackienal auf"' halten wird. Diese Botanische Schriften verdienen uN' ^MK- -'«» k - H ^ ^° > 1 ! .» L 'u ltoLtzM 22f streitig vor allen seinen übrigen Arbeiten aus den Vorzug. Einige Jahre lang diente er seiner Vaterstadt als Lehrer der griechischen Sprache, bis ihm im Jahr 1589; nachdem er vorher durch sehr geschickte anatomische Ar» betten seine Stärke auch in dieser Wissenschaft gezeigt hatte, der neu errichtete Lehrstuhl der Anatomie und Botanick- aufgetragen wurde. Ein RUf, der ihn in den Stand setzte, durch seine grossen Talente und ausgebreiteten Ruhm seiner Vaterländischen hohen Schule viele studierende Jünglinge zuzuziehen- die Epoche des grösten Credits der Baslerischen Universität! Eine eigne (wie die Erfahrung bewiesen- höchst nachthri» lige) Einrichtung dieser hohen Schule rüste unsern Bauhin durch eine Beförderung, welche zugleich seinen Gehalt ver» mehrte, von seinen Lieblingsstudien auf den Lehrstuhl der aus» übenden Arzneykunst. Der Senat seiner Vaterstadt übergab ihm das Archiatrat und der damalige Herzog von Wirremberg erhob ihn nebst einem Gehalt zur Würbe eines seiner eisten Leibärzte. Wieder ein schöne Bahn für den alternden Mann, welche er dessen ungeachtet mit gleichem Eifer und gleicher Ehre bis an sein Lebensende gieng; der Tod beraubte die hohe Schule zu Basel des grossen Manns, im I. 1624. und erst eine dritte Verehlichung gab ihr durch ihn einen Sohn der den Ruhm seines VamenS fortsetzte. Johann Caspar Bau hin. Welcher im I. rüos. gebühren worden. Um den ^vhn des würdigen Vaters würdig zu erziehen, mutzte en ätkemr Lsuriais sehr vollständig S. s-;. »8s. ,-r. rra. und im Anhang. S. Lbonrar Murner. *) a»7 Ein sonderbarer Mann, der die katholische Kirche mit gleich derber Laune verlhäldigte, mtt welcher Rabelais s«e angriff. Nach Leuens Lexicon stammte er aus einer Familie in Luzcrn ab» und daselbst trat er in bin Or. den der Franziscaner; nach Waldau hingegen wurde er zu Straßburg im Jahr 147; gebohren. Unter des be, kannten Jakob Lochers Anweisung hatte er sich frühzeitig in der deutschen Dichtkunst geübt Beynahe immer lebte er unstät und flüchtig; wechselweise lehrte er von der Kanzel und von dem Katheder. Eine seiner ersten Schriften ist das Werkgen 6e rkonco LvnrrsÄu. Man sehe hierüber den MsIIeun AIs. Icücsrum, so wie über dieses Werk selbst den David Hauber in der Likliom. mazw. 1 . I. s. ;y, und Vogt in dem Lalslog. libr. rar. s. 4;5. Eine andere frühere Schrift von Ihm ist seine Inv-Kiva contra Astro- logos, Häsrsns, guor vulzo Luirenfss nuncupamur, incerimm prieciicsntsb. Straßburg 1499 Dieser Schrift er.väiml Schoelgcn in der Fortsetzung der öiblioeti. Ls. dricisnT mecli-L L inksm« I.atlnitsri8 s. 2L2/ wie auch g Iseinr. l.eickius äs Orix. e Jahrzahl »494 in Bauers Llbiio. tiisLÄ libr. rar. s. 102 ist unrichtig. Unter Murncrs gelehrten Streitigkeiten machte das erste Aufsetzn sem Zwist mir Jakob W>mpheling von *) G. E. Waldau über Tb. Murner. Nürnberq 177;, FrcytaaS AniIeK. s. 621. Job. Vogt Lstsl. libr. rar. s. 4S0. Rieggers Lmcenit. kriburg. kske. H. s. 215. HalleeS Bis» liorh. Ty H- s. ZvI Lh. V. s. 96. BallaaiarS AI»s. Virsr. l-ucernst, DeuricheS Mus. IV. 1779, s. 170-5-7 / uns im zweyten Bande st 44s. P » L28 SchlettstM. Im Jahr hatte dieser gelehrte E, sasser seine Vekealivnsnr Oermsnis: der damaligen Reichst stadt Straßburg zugeeignet. Gegen diese Schritt schrieb Murner eine beissende Kritik. Sie erschien den r. Skptt 1501. In derselben nennt er sich wechselweise einen DcutL schcn und einen Schweizer. (Die Schweizer betrachtete man nämlich als Deutsche.) Den Wimpheling vertheidigten sieben von seinen Schülern. Ihre Bildnisse, nebst Wimphelings Bildniß, findet man an der Spitze ihrer Replik, und gegenüber Murnern in Münchskleibe, ohne Bart, jugendlich und mit übermüthiger Mine. Ueber seinem Haupte stehen die Worte: kr-stsr ms nemo. Dieses Portrait ist früher gemacht, als dasjenige, das man bey den Franziscanern zu Luzern fand, und das hier abgedrukt ist. . Des Streites zwischen Murner und Wimpheling gedenkt auch Conrad Peutinger in seinen 8crmomb. convl- vsl. Beym *Schardills rrr. germ. 's. I. s. 40Ü. Noch jezt bewahrt die hohe Schule zu Freyburg im Brisgau eine Veolsrstionem sacobi ^impkelinLii sä mieigsnäum ^ä- verlsrium , in Quart lins !occ> L snno. Sie enthält nichts weiter als die Hauptpunkten von Wimphelings Lpir. rer. xerm. Riegger erwähnt ihrer s. 21;. Auch erwähnt er s. sr;. 216. einer Epistel von Murner, die im Iahe i;or. oder 150;. zu Slraßburg in Quart, unter der Aufschrift Osrolur lVlsAnus Lermsnus zugleich mit W>m^ phelings Schrift herauskam. Am Ende findet man gendes Epigram gegen Murner: 8i nug« lsstus fscinnt guem rslixiolum, 8um bonu8 L msgnu8 rslitziolus ego. Ebendaselbst erwähnt Riegger einer andern Scheid unsers Murners, als eines LsccslLurei Lissoviensir: tioneltorum poemstum conäigna Isuästiki, impväicsruM vero mirsnä» Lsüigstio, — Ein Straßburgec heiß - - - 2L, Murner, weil das Luzerncrklostcr der Straßburgerprovinz einverleibt war, und sich Murner zuweilen in Straßburg aufhielt. Im Jahr i;i2. gab er zu Frankfurt satyrische Pre» digten unter der Aufschrift Schelmenzunfk und Narren» befchwörung heraus. Eine andere Ausgabe von diesen Predigten erschien im Jahr 1^14. zu Augsburg, und eine dritte im Jabr 16,8. Auch in der Vorrede zu diesem Buche sieht man Spuren von seinem Streite so wohl mit Wimpheling als mit Sebastian Brand. Im Jahr gab er heraus: — „ Ein andechtig Badenfahrt zn Straßbnrg erdichtet. ,, Von diesem launigten Werkgen aber kenne ich keine ältere AuSgade, als die Baselsche vom Jahr 1519. Wegen der Ausgelassenheit so wol seiner Lebensart als seiner Schreibart sah er sich genöhtigt so wol Straßburg als Frankfurt zu meiden. Da er sich unter anderm auch über die Kirchmreformalion der Zür. cher und Berner manchen beissenden Einfall erlaubte, so suchten ihn diese bey ihren Glaubensgenossen in Straßburg noch verhaßter zu machen. * Jakob Wimpheling vergab es ihm nicht, daß er seine Oefünüonem Lermsnise hatte angreiffen dürfen. Von Straßburg begab er sich als Prediger nach Freyburg im Brisgau, und bald hernach im Jabr 1515. nach Trier. Hier las er überfein bürleskeS Lkaiüluäium Inllttutionum suris. ** Es erschien im Jahr r;i8 zu Slraßburg im Drucke. Wegen dieses ju. * dlultos kcriptiü 1ms vtkenclemt, inter slios Helvetios, xiTcixue vero lizurinos L Lernatss. läso inviili» eivium -lrxentoratensium in le kuleext», nrbem tsmlem rclinguere co»Üus eil, Jac. Wenkers LolleÄ. Lreblv". jur. s. 144. ** S. T Lülcsllens Ausgabe dieses WerkgenS. Paris hch Lussan Lü Lray 16-9. s. 329. ridischrn Kartenspieles wird er in den Tpik. odtcvr. viror. s. r §4 lächerlich gemacht. Wirklich erscheint er in dein läppischen Kunstwerke als Philantropinist sms kkilsntbro. xinirmllm. Es währte nicht lange, so mußte er wegen Zänkcreyen mit den Dvhmherren auch Trier »erlassen. Hierauf durchreißt« er Italien. Schon war er aur dem Punkte, sein Glück in Venedig ;u machen. allein einige Handelsleute von Slraßburg, die ihn daselbst entdeckten, stürzten sein Glück. Aus Mangel anderer Uukcrstü, tzunq, kehrte er im Jahr izi8 nach Straßburq zurück. Im Jahr reiy begab er sich nach Basel. Hier ernänrre er sich von Verdeutschung verschiedener juridischen Schriften. Auch edirte erda: — DieGeuchmakl - erdichtet der statt Basel ;u einer Letz beschrieben vnd verlassen. Basel i>i-. Eine ip.ncre Ausgabe, welche sich in der Frommannischcn Blvliolwck »u Stuttgard befindet, kam zu Frankfurt im Jahr ><6; heraus. Diese Ausgabe hat folgende Auf,chrltt: — » Die Gaüchmatt, bannn all weibische Mannübilde sc-n „ höflich gestraft; vnd wir sich bessern sollen, auffs lrc» „weit unterrichtet werden, die sichielbs überreden, wenn „ sie nur ein Jungfrau oder Wyb ansieht, sie sey ihnen »schon hold, vnd wölle jr Bul seyn.,, So wol zur Karakteristik der Sitten als der Sprache liefert auch diese launigte Schrift viele Beyträge. Wegen seiner heftigen Pamphlets gegen Luther, zog er die Aufmerksamkeit König Heinrichs des VIII. auf -ch. Auf die Einladung dieses Königs gicng er nach England, und kam im Jahr mit einem königlichen Empfthlungsichrriben an den Rath nach Straßdurg rück. Er selbst vereitelte diesen Vortheil, indem er steh von dem straßburgischen Dohmdekan verleiten ließ, Ankläger der Protestanten nach Nürnberg ju dem kichen Legaten ju gehn. Um diese Zeit soll er dir * abgelegt haben. Er erscheint nicht eher wieder öffentlich als im Jahr Damals war er zu Luzern Lehrer der Gottesgelehrthkit. * Hier wurde den r;. April hon den Kantonen ein feyerliches Religionsgespräch nach Ba-> den ausgeschrieben. Zu. diesem Gespräche wurden von den katholischen Kantonen, nebst Eck und Fabrr auch Murnee geschickt. Die Disputation dauerte achtzehn Tage, und endigte fich fruchtlos. Nach Cnd!gung derselben laß Murner seine vierzig Schlußlätze wider Zwingli, mit feyerlicher Erklärung gegen die anwesenden Gesandten, er werde Zeitlebens die Lehre Zwinglms bestreiten, und zugleich mit der Lehre seine Person, indem er ihn als den ärgsten Bösewicht schilderte. Einseitig gaben ein Jahr hernach die katholischen Kantone die Acta zu Lu- zern heraus. Ihre Ausgabe besorgte Murner. ** In den Jahren rz-r? und r;-8 hielt er sich immer noch daselbst auf. Unter andern verfertigte er eine bittere Schmähschrift auf die Zürcher und Bcrner. Er wagte es nicht, einem neuen Religionsgespräch beyzuwohnen, welches dek- Rath zu Bern im Jahr r;r8 veranstaltete. Lieber sezte er in Luzern seine Schmähschriften fort. Voll Laune ist sein satyrischer Kalender für die Protestanten. *** Auf die Klagen der Zürcher und Berner, liessen ihn die Lu- zcrner im Jahr heimlich entfliehen. In Leucns helvetischem Lexikon heißt es : ,, Es ist eine Sage, daß »er im Jahr izn von seinen Feinden aus dem Wege geräumt worden. " Waldau bemerkt nur so viel: »In der Mitte des Jahres i;;i ist er noch im Leben * Rüchat Uik. fle I» Rekorm. ä<: I, 8uike 1. I. s. z;6. ** S. den L-lt-Ioz. kibliotli. Limsvirn. 1. IIl. s. ryr. Hierüber sebr man Bercbtold Hallers Briefe an Iwinqki in Kcröelii Ulk. kekvrm. 1. II., und Lot. kollcviH. ^k>xarat. 8. II. s. 489. V gewesen; im Jahr r;;? war er's nicht mehr.'' Ja; Iul. i;;l nämlich hatte er noch gegen die Reformation ein Werkgen geschrieben: — Bokspiel Martin Lu« jhers. Mainz bey Jordan. Das Derzeichniß seiner Schriften sehe man bey WaL Pau, in Leuens Lcxicon vad Hallers helvet. Bibliothek» Eine scharfe Satyre gegen Murnern, die zugleich feine merkwürdigsten Lcbensumstände berühren, erschien Kn« loco §c anno uytcr der Aufschrift: Uuroarur I.svigtd2N, vulgn 6 i 6 tu, Gcltnarr oder Gänspredlgrr. Man hätt Hütten für den Verfasser. * Murnern Mangelte es nicht an Witz und Laune, aber sein Geschmack und leine Gelehrsamkeit waren zu Mönch»H- Roch bemerken tyir, daß er eine verdeutschte Aencide herausgegeben. Die Dedikation ist von Straßhurg im Jahr datirt. Der ehemalige Quartierhauptmann Lavater in Zürich hesizt eine spätere Ausgabe von Straßburg im Jahr bey Christian Müller gedruckt. In Georg Vcrsenmeyers, Beyträgen zur Geschichte der Litteratur nnd Reformation (Ulm 5792) enthält der dritte Abschnitt die Beschreibung der deutschen Ausgabe der zu Baden im Ergöw i;r6 gehaltenen Drspu» tation, nebst einer Nachlese zu Waldau's Nachrichten von MurnerS, ihres Herausgebers, Leben und Schriften. * Eine schimpfliche Rolle spielt Murner in einem Werken von Vtz Eckstein, unter folgender Aufschrist: — „ R>MS' tag. Der Edlen und Paüren Bricht und Klag. — / Dieses Werkgen befindet sich auf -er zürchcrsche» Stad^ Abliothek. 6»l. VI. ;zo. -MWW «M? MWS! Thomas Wtttenvach. *) Derselbe ward im Jahr 1472 zn Biet, a»S altem j adelichen Geschlechte gebohren, wegen vorzüglichen Fähigkeiten wurde er frühzeitig dem geistlichen Stande gewied- rnet. Nachdem er einige Zeit auf der hohen Schule zu Basel zugebracht harte, begab er sich zur Fortsetzung der Studien nach Tübingen. Unter den übrigen berührn« ten Lehrern dieser Universität befand sich auch Gabriel Biet oder Vieler; nach Einigen hat er diesen Namen von seinem Geburtsorte Viel, ungeachtet andre vermuthen, daß er von Speyer gebürtig gewesen. ** Dieser Gabriel Viel hatte den Ruf eines ungemein scharfsinnigen und ticfdenkenden Kopses; in seiner Lehrart war er gedrungen und deutlich. Ungeachtet er die meisten Lehrsätze der römischen Kirche mit Nachdruck zu unterstützen, und in verschönertem Lichte darzustellen gewohnt war, so fehlte es ihm gleichwohl auch nicht weder an Einsicht noch an Aufrichtigkeit, um hie und da die Blösien drS herrschenden Lehrgebäudes ohne Scheu aufzudecken. Dabey zeigte er so viel Bescheidenheit, daß er sehr gerne seine Unwissenheit an den Tag gab, sich Belehrung und Zurechtweisung ausbat, und mit Danke jeden nennte, von dem er etwas gelernt oder entlehnt hatte. Luther selbst hielt seine Schriften ungemein hoch, und zog sie den Schriften eines Thomas Aquinas und Johann Sco, tus weit vor. Auch in der Kirchenvrrsammlung zu Tri, deut hatten seine Gedanken besonders Aufsehen erweckt, und er wurde, so wie für den leiten, also auch für der besten scholastischen Lehrer gehalten. — Ohne Zweifel in * S. Bernerisches Mausoleum. Lh. I. s. 1. ** G» Luve in Hppenil. Uik. litt. s. ir6. krgne. 8ucl- c>eu8 ULF. ljjk. tkeol. s. zzi» krUsVlern. Lonril, 1'riä» VHI. c. i z. IX. c. 4. «34 teressant ist eS, von einem Zeitalter zum andern in un- unterbrochner Reyhe die Männer kennen zu lernen» von welchen die bessern und reinern Begriffe, gleichsam von Hand zu Hand, fortgepflanzt worden. Gleichwie Zwingii Wittenbachs Schüler gewesen, so war Witkenbach ein Schüler Gabriel Bielers. Zugleich genoß er der Handleitung des Conrad Pellicanü, um die heil. Bücher in den Grundsprachen zu studieren. Mit gründlichen Kenntnissen bereichert, kehrte er nach -er Schweiz zurück. In Basel erhielt er den theologischen Lehrstuhl. Unter seinen Zuhörern befanden sich Leo Judä und Ulrich Zwingli. Mit lebhaftestem Danke verehrten sie Wittenbach als denjenigen, der sie zuerst von -kn Svdbrünncn mönchischer Scholastik zurückgeführt hatte zu der laukern Quelle der Wahrheit. Wir dürfen vns nur auf den vierten Band von Zivmglis Werken berufen; denselben eignete Leo Judä der Stadt Viel zu. Unter anderm gedenkt er Wittendachü in folgenden Worten: „Ungeachtet er diese Geistesarbeit «gcnlllch zu all- ^ gemeinem Gebrauche bestimmt hat, so eignen wir sie ,, nichts desto weniger vorzüglich der Stadt Viel zu, « dieser Stadt, welche D. Thomas Wittenbach erzeugt » hat, emen Mann, der als ein Wunder der Gelebt ^ samkeit selbst von den Gelehrtesten verehrt wird. Um ,, rer seiner Aufsicht hab ich mit Zwingli im Jahr ,»zu Basel nicht nur die Sprachen und freyen Künste » sondern auch die reinern Reltgioiisbegriffe mit bestes ,, Erfolge erlernet. Sehr vieles, was hernach ans Licö » gebracht worden, sagte und sah er voraus. Von ihm ,» als von einer Quelle der gründlichsten Kenntnisse, h" » den wir all unser Wissen geschöpft und es seiner Unl<" ,, Weisung zu danken." — ... Diese Unterweisung würkie so viel, baß Zwingli n« erst in Zürich, sondern schon vorher im Jahr Glarus und bernach zu Einsidlen mit Nachdruck die Miß- bräuche des Papstums bekämpfte. Als Luthers Schritten bekannt wurden, so wurden sie nicht nur von Wiltcnbach eifrig empfohlen, sondern auch auf sein Anstiften von Frobenius und von Adam Pelr» aufs neue edirt. Im Jahr i;rr kam Wittenbach als Stadpfarree nach Viel. Sogleich predigte er eifrig gegen den AblaH, kram und die Meß. Endlich wagte ers und erklärte ösi, fentlich das Verbott der Priestcrche als unschriftmäßiz» Hierüber gerietst er in grosse Verfolgung, sonstersteitlich bey einigen Gliedern des Raths. Nicht obne Müh und Gefahr, sah er sich von seiner angesehenen Verwandschaft, besonders auch von dem Stadt Venner, Niklaus Mitten, back, unterstüjt. Im Jahr r;-4 verheurathete er sich, und seinem Beyspiel folgten sieben andere Priester. Ueber dieses vermeinte Aergerniß geriethen der Stadtschrriber Ludwig Steiner und einige RathSglicder in äusserste Ver, bitterung; schriftlich zogen sie deßwegen zehrn von den tydgenößischen Kantonen zu Rathe; von denselben (mit Ausschlüsse Zürichs) bekamen sie für die verehlichtcn Priester eine höchst ungünstige Antwort, mit dem Ansinnen, daß sie von ihren Pfründen sollten entsezt werden. Kaum waren die Priester entsetzt, als sogleich unter den Bürgern grosse Unruhen entstanden. Die Einen hielten da- Schreiben der Eidgenossen für ganz unterschoben; die An, der» für das Werk nur einiger besonderer Gesandter. —- 2 n eigner Schrift vertheidigte Wittenbach seine Verhrura, *bung, ließ sie von der Kanzel verlesen und schickte sie in Abschrift nach Bern, an die daselbst versammelten eyvgr- "Mchcn Bottcn. An diese wurde unterm r. August ^24 eine Gegenschrift abgeschickt voll Bitterkeit gegen wittenbach und die übrigen vrrehlichten Priester; sie war iwar von Meyer und Rath unterschrieben, allein nichts desto Lz <5 ^ weniger ausschliessend nur von dem Stadtschrciber Stcr. per und einigen wenigen Rathsgliebern verfertigt.— Von Seite der eydgenößischen Tagleistung erfolgte wicdcrhollte, scharfe Mißbilligung der priesterlichen Ehe. Nebst den übrigen verehlichten Geistlichen wurde Wittenbach des Pftundeinkommens beraubt und ihm nicht länger als nur noch einen Monat zu predigen gestattet. Ungeachtet er hernach nicht mehr in der Hauptkirchc auftrctten durfte, so fuhr er doch fort in dem Kloster zu lehren. Von HauS -u Hause besuchte er die heftigsten unter seinen Gegnern und gewann mehrere derselben durch liebreiche Gespräche. Inzwischen hatte der Rath einen andern Stadtpfarrer von Bern aus verlangt; eine besondre Faction schrieb um einen solchen an den Bischof. Lange konnte man sich nicht vereinigen. Mittlerweile wurde die Pfarre von Kaplancn besorget. Erst ein Parr Jahre hernach folgte auf Wittenbach als ordentlicher Stadtpfarrer, Jakob Würd, ein gewesener Franziskaner, vermuthlich von Bern; und auf diesen kam im Jahr 1523 Georg Stäheli, gewcsner Pfarrer zu Weiningen, freilich nicht ohne starken Widerstand des Bischofs von Basel. Je länger je heftiger war die innere Zerwürfmß geworden; die Räthe, selbst waren unter sich entzweyt;auch scheu dem Rath und den Bürgern herrschten Unwillen und Mißtrauen. Um sich der Treu dieser Leztern desto mehr zu versichern, wollte sie die Obrigkeit zu neuer Eydleistuns verpflichten. Durch einen Ausschuß aber überreichten w die Bürger unterm Sonntag Exaudi folgenbenVo^ vag: . ,, r. Begehren wir, daß Gottes Wort uns lauter n rein gepredigt werde. - „ r. Daß ein Kilchherr (Pfarrer) in Zukunft „ Mehrheit der Stimmen erwählt werde, weil er ein s -—- — 2 ;^ i., meiner Diener ist; wofern er weder christlich lebte noch lehrte, daß Wir ihn entsezen mögen. ,, Daß uns Dr. Thomas Wittenbach das Work Gottes in der obern Kirche verkündige. „ 4. Daß man einen gefchikten Schulmeister verordne „ und ihn aus den Pfründen oder Brüderschaften bett lohne. ,, Daß die Sittengefeze gebandhabct werden. » 6. Daß die Jahrfeste ju halten oder nicht zu halten u freystchen solle. — Was in die Klöster und Stifter vergabt worden, soll in das vierte oder fünfte Glied » den natürlichen Erben zurükgestellt werden. » 7 . Daß in Zukunft kein öffentlicher Gotteslästerer, „ Ehebrecher, Wucherer in dem Rath stzen und auch „ keiner der Räthe eines Abts oder Klosters Schafner -- oder Vogt seyn solle. „ g. Auch behalten wir unS vor, in Absicht auf an- „ dre, hier noch nicht berührte Punkten, in so fern sie » r« Gottes Ehre gereichen, ferner zu mindern zu mehrt ren, auf, und abzustellen, alles nach und mit dem -- Wort Gottes. Die Gutgesinnten unter dem Räthen, und an ihrer Spitze Niclaus Wittenbach, der Venner, brachten es end, H'ch nach langem Widerstand dahin < daß die meisten die, Kr Artikel bestätigt wurden. Die päpstliche Parthey schifte ein geheimes Schreiben die Tagleistung zu Luzern; auf dieses hin wurde der ^ischvf von Basel von den Eydgenößischrn Deputirtm Ringend gebetten, daß er doch mit allem Ernste die Bür, ^ ru Viel von dem käzerischen Glauben abmahne. — ^8 machte einen ganz widrigen Eindruck; auf einmal ^agen allen Bürgern zu Biel die Augen auf; sie setzten ^ in Verfassung, ihre Lehre gegen jeden Angriff zu hupten; sir verklagten ihren Sladtschrriber beym Bi. fchof. Dieftr schikte den Bielern das Schreiben der Eyd, genossen, nebst schriftlicher Ermahnung, daß sie sich da» durch abschrecken lassen. Sir schikren Gesandte nach Bern und Freyburg, um sich Raths zu erholen; auch beklagten sie sich bey der Tagleistung in Liiern über das feindiclige Schreiben der katholischen Eydgenosscn an den Bischof. In Luzern merkte man, daß Viel von Bern und Zürich untcrstüjt war, indeß versuchte man es nochmals, die Stadt Viel auf alle Weise in den Schoß der päpstlichen Kirche zurützuführen. Fruchtlos blieben die L'ebkosungen so wol als die Drohungen. Ein Mönch von Neuenstadt am Bieler.Sec, hatte Wittenbach einenKezcr gescholten: Unterm i;. Christmonat 152; schrieb hierüber die Obrig» lkeit zu Viel nach Neuenstadt: Wofern Bruder Thomas, nicht im Stande sey, aus der h. Schrift selbst den Dr- Wittenbach der Irrlehren zu ziehen, so soll man ihn z« rechtlichem Wtederrufe verpsiichlen. — Die Bielergesandten waren nunmehr von Bern znrük« gekommen, und zwar mit dem Anracben, man solle >«<§ »or allem aus der Person des Etadrschrelbers versichern« Dieser hatte schon einen Wink bekommen; er stellte also noch am gleichem Tage todtkrank und ließ das S"' kramcnt holen. Um das Nachtessen aber, als die Gass^ leer waren, bediente er sich des einsamen Dunkels, sich mit seinem Schwager Benedict Gösset und m«k maS Müller zu flüchten. Er zielte nach Freyburg, ^ er vormals zu Hause war. Als ihn niemand über vc See führen wollte, übernachtete er in dem nabe gelegen^ Dörfgrn Vingeltz bey einem Bauern, uno Nachts vara^ m einer Hemchcune zu Lenbringrn. Mittlerweile h" die Obrigkeit in Viel seiner vor Schrecken halb todt Gattin die Schlüssel zu seinem Schreidpulte und 1" Schränken abfordern lassen. Der Stadtschrcibcr ^ . wendete sich nach Bruntrut und verklagte die Stadt bey dem Bischof. Auf das scharfe, bischöfliche Schreiben antwortere die Obrigkeit: Der Skadtschreiber sey ohne Erlaubniß in Geheim entwichen; daher sey man nicht geneigt ihn wieder kommen ;u lassen; er sey der Urheber aller Unrphcn und habe das Stadtinsiegel mißbraucht.— Durch gütliche Vermittlung des bischöflichen Coadjutoren wurde -war der Stadtschreiber wieder in sein Amt einge« fett, jedoch mit Beding, daß er sich in Schranken halte und die Reformation nicht länger verhindere. Würklich sah er seither allen Abänderungen gelassen zu und war auch selbst persönlich bey dem Ausschussc der Räthe und Bürger, welche d«e Gözenbrlder und andere überflüßige Kirchenzierartcn wcgschaffeten. Dieß geschah zwar erst den ,o. Horn. i^28, nachdem zu Bern in der öffentli, chcn Dssputation die Glaubensverbesserung triumphirt hatte. In Wittenbachs leztem Lebensjahre zogen sich gegen die Reformation gefährliche Gewitterwolken zusammen. Nach der Dilputation zu Baden schrien die Päpstlichge- im»len Triumph. Gegen die Obrigkeit und besonder- ouch qcgcn die Prädikanten zu Blei, hatte der Kllchhere dvn Kcstcnholz in der Stadt Solothurn öffentlich die schimvfllchstcn Reden auögestoffen. Durch Gesandte lies» lyn die Vieler bey seiner Obrigkeit verklagen, und ee d>urde zum Wiedcrrufe verurlyeill. Je länger je mehr dcrbre tekc sich der ReformatlonSgeist. Nickt nur in Viel, ändern auch in Bern und in den umliegenden Gegenden ^förderte Wittenbach die freyere Denkart. Von feurigem Eifer verzehrt und von überhaüfter Ar» ermattet, fiel er in eine tödtiichc Krankheit. Sein . terbcdeth machte er zur Kanzel; um' sich her vcrsam» ^lke rr Glieder des Rathes und mit rührender Be» e tsamkeit beschwor er fie, Leib und Leben aufzuopfern * die Lehre der Wahrheit. Er starb im Jahr i;r6 im vier und fünfzigsten Jahre seines Alters. Er hinterließ «ine Wittwe die sich hernach wieder verheyratete, und zwey Kinder, welche noch unerwachftn ihm in die Ewig- keil folgeren. Mauriz Anton Cappe llee. Den Grund zu den Wissenschaften legte er in seiner Vaterstadt zu Luccrn, unter der Anleitung feines Vaters eines geschickten Arzcö. Hernach sezte er seine Studien jN Mayland, und leztlich zu konr L Alousson fort. Auf lezter Akademie erhielt er den December 1706. den Doktorhut» Zur Erwerbung grösserer Geschicklichkeit in der ausübenden Arztneykunst begab er sich nach Straß, dUrg, und hernach nach Italien zu den kaiserlichen Truppen, die im Jahr 1707. Neapel eroberten. Als kayserlichier Feldarzk hatte er die Aufsicht über die Spitäler. Der kaysrrliche General, Graf von Wallis, bediente sich bey der Belagerung von Pescara unsers Cap- prllers als Ingenieur, auch ernennte er ihn nach Eroberung der Festung zum Jngenieurhaüptmann und anvertraute ihm alle Festungswerker in der Provint Abruzzo. Sein Vater berief ihn nach Haus; tzr gehorcht und schlug die ihm eben angetragene Stelle eines ftssors der Arzneywissenschaft zu Neapel aus. Im 2^ ,716. begab er sich über R 0 m, Bologna, Mayland nach der Schweiz. In dem einheimischen Krieg im 2 ^ ,712. diencte er seiner Vaterstadt als Ingenieur. KE «ach Beendigung desselben starb sein Vater, und er erhie die Stelle eines beeidigten Stadtphysikus. Auf "drigk^' lichen Auftrag untersuchte er im Jahr 1717. die Heilwast ju Rußweil, und gab davon eine Beschreibung in Dr"' In gleichem Jahre bekam er Zutritt in den grossen ^ -4 k im- verwalrete einige Zeit das Amt eines Salzhausherrn. Ungeachtet seiner starken Praxis und anderer Amlsgcschäs. ten, wiedmcte er sich mit belondcrm Ficisse der Meßkunst und Mturlehre. Sehr aufmerksam beobachtete er die Kristaügruben, die im Jahr 1724. auf dem Gnmscl entdeckt wurden. Dieß veranlasste ihn zur Verfertigung seiner Lryssalloxrgpssi», die er unter folgender Aufichrist ankündigtet ^öumbrslio Lr^üsIIograpkiX ssiüoriare xk/- ssco — mechLL. Wegen verschiedener Hindernisse kam nur das vierte Hanplstück dieses Werkes heraus, unter der Aufschrift: Lroäromus OMallogrgpkiL L (le Lr)'llsl- liz impropris sie clicüis eommentsr. 4 Luct-rn« 172;. cum big. Von diesem Prodromus erschein auch ein Auszug in den englischen Philofophicai-Transactions, und Cavpeker erhielt «inen Pla; unter den Mitgliedern der königlichen englischen Gesellschaft. Sein Briefwechsel mit Dr. Jvh. Jac. Schcuchzer zu Zürich, der das Studium der Lithographie eifrig beförderte, gab ihm Anlaß zur Verfertigung eines gelehrten Schreibens sts Lnrroc'Nl--, A öalsmitis, welches der berühmte Naturforscher Klein iU Danzig seinem -lomenalstor 6e I.2xiäibu5 siLursüs dvrgesezt hat. Wenige Zeit vor seinem Tode vollendete er sein weit» laüftigcs und kostbares Werk über den Piiatusberg- Die Herausgabe desselben besorgte der gelehrte und verdienstvolle Etaatssekelmeistcr, Felix Baltbasar. Es erschien un» ler folgender Aufschrift : kilsri Nonris blillciri» sb smico slUcerns xiorrsüs stgue gcnäemicis flelvetire Lociera-, 8scrs. 4 Lss. »767 cum kig. Den i8 May 17x0 erhielt Cappcller den Zutritt bey er kaiserlich Leopoldinischcn Akademie -lLtur« Luriasorum » ^Nter dem Namen ^ratürsz Tsreritinur. Im Jahr 1762 ckam er auch den Zutritt den der physikalischen Gesell. Q schalt in Zürich- In dem dritten Bande ihrer Schriften steht von ihm eine Beschreibung einer neuen Zubereitung oder Saturation der Krebsaugcn und des Gebrauchs der» selben in verschiedenen, sondcrheitlich hitzigen Krankheiten. Diele Jahre lang bekleidete er die Stelle eines DecanS den dem medicinischen Collegjum zu Lucern. Auch erhielt «r im Jahr r?;? den Ruf als erster Pbystcus nach Frcv- durg, und im Jahr 1744 gleichen Ruf nach Solothurm In diesen beyden Städten Hielt ce sich ziemliche Zeit auf und wurde in letzterer mit dem heimlichen Bürgerrechte beehret. Im Jahr 1750 trug ihm der Rath zu Lucern auf, den Artilleristen Vorlesungen in der Jngenieurkunst zu hallen. Mit heranrükendem Alter zeigten sich bey ihm viele Lei- besbcschwcrden, besonders auch ein heftiges Zittern der Glieder. Im Jahr 1754 verließ er daher Lucern und begab sich zn seinem Sohne nach Ruß-vcil; hernach nach Surfte, und endlich nach Münster. In der ländlichen Einsamkeit war er nicht müßig / sondern gab seinen Patienten steißig schriftliche und mündliche Rathschläge. Sein Gedächtniß blieb ihm bis zu seiner lezten Krankheit ausscror- drntlich getreu. Den s. Jul. 1768 lähmteihm ein Schlag' guß die rechte Seite und beraubte ihn der Sprache. De" ,8. August. 1769 überfiel ihn ein Steckflvß. Er starb an demselben den 16. Scpt. in dem vier und achtzigsten Jahre- Den 18. wurde er in der Stiftskirche zu Münster bestattet. Ausser seinen schon erwähnten Schriften bemerken w>r »och folgende: In den pb^s. meä. dlat. Lurios. Vol. IV? Obiorvstio > ...' 'E L ^ 24; An den Breslauer Sammlungen, XXV l. Versuch: ' Oblervst. äs msniL L sdulu croci. Im XXVH Versuch: Eine Wahrnehmung von Zerberstung der ven« Matts. Im XXVlll Versuch: Luricusc Kelarion von dem feucrfpcyendcn Berg Vesuvis. Auch einiges in dem sommers!« ttnersrio noricsnü. In den Schriften seines Freundes, Dr. Jacob Scheuch, zcrs: vescrixtio atmospkerse l.ucernsn68. Oiss. äs lisl- veÜL seribux atgue ttocis. HZ. 1728, In Pros. Attmanns hist. phys Beschreibung der hes, velischen Eisberge steht von Cappcler eine Abhandlung von den Gletschern auf dem Griniseibcrg und denen sich alldvrt befindenden Krystallgruben. Auch hat man von ihm einen Nachlaß interessanter Handschriften und Zeichnungen. Im Jahr 1710 hatte er sich mit Maria Elisabeth« Fecr verhcyratct. Mit ihr erzeugte er nebst einigen Töchtern, zween Söhne, beyde geistlichen Siandes. LukaS SchauS. Er erblickte das Weltlicht zu Basel, den l. May lSyo. Seine Aeltcrn waren Herr Joh. Heinrich Schaub No, rarius, und Frau Barbara Krtterlin. Nachdem er den Grund der Wissenschaften zuerst in der Vaterstadt gelegt halle, begab er sich zur Erlernung der französischen Spra, He nach St. Audm. Im Jahr 17 lo kehrte er wieder iurück. Im Maymonat r?l> vcrthaidigte er xro utwgus DoÄorsru sttne Streitschrift'; Os xrsescrixtions sÄionum Uonäum notsrum. Hierauf erhielt er in Bern bey dem außerordentlichen englischen Bevollmächtigten, Herrn L44 ^ Skanran, den Verfasser der Schrift für ä« lL 8m6e, die Stelle eines Sekretairs. Diesen Gesandten begleitete er nach Mailand, und hernach im Jahr 1714 über Holland nach England. In gleichem Jahre noch begab er sich nach Wien, als LegationSsekrctair bey dem englischen Gesandten, Lord Cobham. Nach Abreise des Lords besorgte er in Wien zwey Jahre lang ganz allein die englischen Angelegenheiten. Als Ausländer, hatte er keinen Anspruch auf öffentliche Aemter, erhielt aber eine ansehnliche Besoldung, und den Zutritt zu den Berath« schlagungen. Inzwischen hatte er nicht wenig Einfluß bey dem Kongresse zu Cambray, dem er persönlich bei. wohnte. Wegen seiner Verdienste wurde er im Jahr 1720 von dem Könige Georg I. zum Ritter geschlagen. Der König schickte ihn mit den wichtigsten Aufträgen als außerordentlichen Minister nach Spanien, Frankreich und Polen. Aller Orten empfahl er sich so wol durch gründliche Kenntnisse als einnehmende Beredsamkeit und Lebensart. Von den auswärtigen Höfen kam er in sein Vaterland als vaterländischer Bürger zurück. Im Jahr ,7;6 halte er das Vergnügen, hievon seinen Mitbürgern thätige Beweise zu geben. In diesem Jahre war wegen des Lachs-Fanges zu Klein-Hüningen zwischen Frankreich und dem Kantön Basel ein Strcithandel entstanden. Zur Bey» lequng desselben reiscte der Ritter Schaub nach Paris. Zur Dankbczeugung für seine wohlthätigen Bemühungen be» ehrte ihn unterm 16. Jänner 17;? der grosse Rath seiner Vaterstadt ganz ausser der gewöhnlichen Ordnung "U* dem Beisitze bey dem täglichen und geheimen Rathe. Hier das Diplom, das ihm hierüber mitgetheilt worden. Demnach Wir Bürgermeister, klein und grosser Rath der Stadt Basel in reife Betrachtung gezogen ^ ,> treffenljchen Dienste und sonderbaren geneigten Wille ' „ welche unser getreue liebe Bürger, der wsledle u 24Z- „ feste Herr Lbevslier Lukas Schaub unserm Stand und „ dessen Angehörigen bcv alten Gelegenheiten, absönder- „ lich bey iezter aus Anlaß des Lachsfangcs entstandener „ Verdrießlichkeit getreu cifcrig und kräftig erwiesen, dabey überlegt, wie wir gegen denselben unsern gnädis » gen Wollen und Dankbarkett an den Tag legen könn» » ten, Wir die wolbedächtliche Resolution, gefastet. Ihn —- „ Herrn Llievalier Schaub von nun an zu einem Beyst-- » tzer eines ehrsamen kleinen und geheimen Raths der» » gestalten zu ernamsen, baß, wenn er Herr Ritter Schaub » fremder Herren Dienst verlassen und sich bey uns als in „ seinem Vaterlande als ein anderer Bürger sezen wird, v Er solche kleine und geheime Nathsstclle ohne weitcrs beziehen und aller davon abhängenden Ehren und Lmo- „ lumsms genoß seyn könne: Welche unsere wolbcdächrige ,, Meinung und Entschluß Wir nicht nur Ihm Herm „ Lkeral.ier Schaub durch einige Herren Deputirte aus „ unserm Mittel eröffnen, sondern auch dessen zu urkund »dieses Patent ohne Anstand mit Aufdrückung unserer » Stadt grösserm Insigels bekräftigen lassen. " — Da er bey der Reise nach Paris und bey den dortigen Un» terhandlungen ganz allein für sich selbst die Unkosten getragen, so belehnte ihn der Nach lebenslang mit dem Schloßguthe von Ramstcin. Je mehr nun einmahl Schaub an ausgebreitete Ein. Wirkung gewohnt war, desto lieber gab er die Hand zu jedem Geschäfte wo er sich allenfalls auch nur insgeheim einmischen konnte. In den innern Streitigkeiten vv» Genf, „ahm er sich auf alle Weife der Regierung gegen das Volk an. *) Bey feinest weitlaüftigen Verbindust- Mi, und bey seiner Bekanntschaft mit der grossen Welt, wußte er dann stcylich jeder Angelegenheit einen Anschein * G. David Well 0cbrn§geschichte Irh. Kasp. Esther», Bürgermeisters der Repudltt Kimch- >. roü. 246 von grösserer Wichtigkeit zu geben, indem er eine auch blos einheimische Angelegenheit selbst in die auswärtigen zu vcrwikcln bemüht war. Im Jahr >74». vermählte er sich mit Madame von Büsson, der Wittwe des Herrn äs keime, Lkevalier äe 8t. 8a-x>koriri. Aus dieser Ehe hinterließ er zwo Töch, lern. Er starb zu London den 27. Februar >758.. Zum Andenken seiner Verdienste ließ der Rath zu Basel im Jahr 1772. sein Portrait in der öffentlichen Bibliothek aufstellen. Daniel BernouNi. Er wurde Anfangs des Jahres 1700. zu Grbningen gebohrcn, woselbst damals sein Vater, Johann Bernonlli, den mathematischen Lchrstuhl bekleidete. Im sechsten Jahr seines Alters kam er mit seinen Acltcrn nach Basel; im I. 1716 erhielt er die Würde eines Magisters; zur Erweiterung seiner medizinischen Kenntnisse begab er sich im I. 17'ii. nach Heidelberg und machte sich den Unterricht des vortresilchen Nebels zu Nutze. Von Heidelberg zog er nach Straßburg; hier wiedmete er sich der Zergliedcrungskunst und dem Studium der Wundarz« ncy. Im I. 1720. kam er nach der Vaterstadt, Bast! zurück; als Liccntiat der Arzncykunst haue er eine akademische Streitschrift vom Athemholen vcrthäldlgt. Das väterliche Beyspiel und das Beyspiel eines ältern Bruders, Niclaus, vornemlich aber seine angcborne Neigung füh^ tcn ihn vorzüglich auf die mathematischen und pkw^ scheu Wissenschaften. Nicht ganz indeß setzte er die Arr« ncykunst bey Seite; um sich in dieser Knust zu üben, hatte er sich im I. 172z. zu Michclotti nach Venedig begeben. Im I. 1724. verfertigte er einige Mathematik Abhandlungen, grossentheils polemischen Jnnhalts; 12 s 7S^7 '.V 247 - Venezianer vom Adel, Bernoullis Vertrauter, ließ aus eigne U-kosten verschiedene Exemvlare abdrucken; von dieser Zeit an waren unserm Bcrnoulli alle Arten von Controvcrscn zuwieder geworden. Die königliche Akademie der Wissenschaften in Paris suchte durch Preisfragen die MeHkunst, die Astronomie, die Mechanik und besonders auch dir Kunst des Schiffbaus zu befördern. Sie setzte einen Preis auf die beste Einrichtung der Uhren für die Seefahrer; diesen Preis erhielt die Abhandlung unsers Bcrnoulli. Der ausserordentlichc Ruf des Joh. Bapt. Mvrgagni zog ihn nach Padua. Kaum baß er daselbst angelangt war, so verfiel er in das heftigste Fieber; nur durch die vereinigten Bemühungen der größten Aerzte, eines Vali« meri Mvrgagni, Cogroßi ward die Krankheit endlich besiegt. Während seines Aufenthaltes wurde er im Institut zu, Bononien zum Mitglied ernennt. Auf Errichtung eines ähnlichen Instituts war auch die Republik Genua bedacht; würklich wurde die Anordnung unserm Bcrnoulli aufgetragen; seine Bescheidenheit aber lehnte dieses ehrenvolle Geschäft ab. Im I. 172;. ward er mit seinem Bruder nach Petersburg berufen; daselbst starb lcztrcr in den ersten Monaten nach seiner Ankunft. Schon fünf Jahre lang hatte unser Bcrnoulli der Akademie aus allen Kräften gedient als er jzt wegen geschwächter Gesundheit in das Vaterland zurückkehren wollte. Gleichsam mit Gewalt, auf die schmeichelhafteste und ehrenvollste Weise hielt ihn die Akademie zurück; um die Hälfte ward ihm sein Einkommen vermehrt; er bekam die Würde eines Professors und auf Lebenslang ward ihm ein Jahrgchalt zugesichert, immer mit völliger Freyheit, nach Belieben seinen Aufenthalt in Petersburg zu verlängern oder zu verkürzen. Durch diese Proben der kayserlichcn Gnade ließ er sich bewegen, noch drey Jahre bey der Akademie 248 zu verweilen. Er überreichte ihr seine Hydrodynamik oder die Abhandlung von der Kraft und den Bewegungen der flüssigen Materien; seither ließ er diese Schrift mit Zu» sätzcn im I. :7;8. zu Straßburg herausgeben. Im I. -7,2. harte die köniql. Akademie zu PariS einen Preis ausgesetzt auf die beste Abhandlung über di« Aegenseit'ge giciaung der planetarischcn Kreise; da keine von den eingesandten Schriften der Akademie Genüge Leistete, so wiederholte sie die gleiche Aufgabe mit ver, doppelter Prämie. In einem besondern Programm er, klärte sie hernach, daß die grosse Anzahl der vorlrcflichm Auf,ätze unter den eingesandten sie lange Zeit über die Authe'lung des Preises unschlüßig gemacht habe; drey dieser Aufsätze erhielten das Acccßit und unter zwecs andre wurde der verdoppelte Preis getheilt; bey Eröft vuiig der Billets zeigt es sied,, das dieser Preis den bey» den Bernoulli, Vater und Sohn, zugefallen sey. Im I. 17;;. reifete unser Bernoulli mit einem jün, gern Bruder, Johann, von Petersburg über Danzig und durch die Niederlande nach Paris. Einige Tage nach ihrer Ankunft führte sie Maupertnis in die Versammlung der Akademie; der Sccrctaire legte die eingesandten Preis,chriftcn vor; bevor sie zur Beurtheilung unter die bestellten Richter ausgetheilt wurden, las man die Aufschriften und die Devisen; man zweifelte nicht, daß unter den Abhandlungen auch eine von Bernoulli seyn werde; während der Vorlesung der Devisen waren aller Augen auf ihn und auf seinen Bruder gerichtet, ohne daß sie sich durch Mine oder Bewegung verriethen. Von Paris reifete unser Bernoulli in einer öffentlichen Kutsche nach Elraßburg. In dem Wagen machte er Bekanntschaft mit einem französischen Mcßkünstlcr, Namens Irsm. Ohne einander zu kennen, gcricthcn die beyden Reiscgefehrtcn in Unterredung über mathematiiche Probleme, besonders auch über die Preisfragen,, welche Dcrnvulli bearbeitet hatte. Dessen Schriften erwähnte der französische Gelehrte mit Beyfall. Beym Abschied sagte er zu dem Schweizer: Er hätte so viel Vergnügen in seinem Umgänge gefunden, dab es ihm ungemein lieh seyn würde, noch vor gänzlicher Trennung den Namen eines so liebenswürdigen Gesellschafters zu erfahren. Ich nenne mich Daniel Bernoulli, sagte dieser. Ja wo! erwiederte der Andre, indem er glaubte, man wolle ihn zum Besten haben, — wenn Sie sich so nennen, sh nenn' ich mich Ifac Newton. — Bernoulli aber bewicß ihm, baß er die Wahrheit gesagt habe. Mittlerweile harre man ihn als Professor der Anatomie und Bolanick nach Hause berufen. Gegen Ende des Jahres kam er nach Basel. Bald hernach erhielt' er den physiichcn Lehrstuhl. Immer noch genoß er daS Gehalt eines ausserordcntlichrn Professors von Petersburg; um sich desselben nicht unwürdig zu machen, schrieb er von Zeit zu Zeit verschiedene Abhandlungen, meistens über die Mechanik, und übersandte sie an die kayserliche Akademie, auch unterhielt er gelehrte Briefwechsel mit Mauvertuis, Nouguer, Euler, Clariaut u. a. Zu seinen schon oben erwähnten Schriften müssen Wir noch folgende beyfügen: ve oytimn mollo conüruen6i ^nckoras. 17)7. ve Kuxu A reüuxu maris. ,740. ve oxitimo moclo conltruencii scus magneticsr inclin«. Wrwrir8. 174;. ve optima metkoclo man invenienäi temxoris, pro »nnls 1747. Ve Ibeoris msgnctir. 1742. »744. 1746. 8ur Ig rbeorie äe8 Loursntr L ls meilleure msniers l«8 vblerver eine Abhandlung, die lbm rm I. 17;,. beu gedoppelten Preis erwarb. L§§> 8ur 1s wsnisre 1s plus svsMsZeuls äs kupplrsr s I'sAion 6u Vent lur les xrsnäs Vsiilssux, eine Abhandlung, die ebenfalls im I. 175;. gekrönt wurde. 8ur 1s meilleurs msniere üe climinüer le roulis L le tsnxsgs 6'un nsvire. Einheimische und Ausländer stritten in die Wette, um seine Verdienste zu belohnen. In dem Vaterlande erhielt er im I. 1754. die Würde ekncs Dccans bey dem Petri- nischcn Kapitel in Basel. Ausser dem Bononischen Jnstr, tute und der kayserlichen Akademie in Petersburg gaben ihm noch mehrere andere Societäten den Zutritt. Im 1 .1747. ward er von der Berlinergessüschaft, im I. 2748. von der königlichen Akademie der Wissenschaften in Paris, im I. r?>c>. von der Londner - Akademie, im I. 1762. von der ökonomischen Gesellschaft in Bern, im I. 1764. von der physikalischen Gesellschaft in Zürich, im I. 1767. von der churfürstlich - pfälzischen Gesellschaft in Mannheim zum Mitgliede ernennt. Auch war er einer von den sieben auswärtigen Gelehrten, welche von der Kayserin in Rußland mit jener güldenen Schaumünze auf -en Frieden mit den Türken beschenkt worden waren. Wegen geschwächter Gesundheit erhielt er im 1 .1777. von dem akademischen Senate die Erlaubniß, seine Vorlesungen durch seines Bruders Johannes Sohn, Daniel Bernoulli, den jünger», versehen zu lassen. Seine Schrif- len sind groffenthcils in die Commcntarien der Pcters- burgrr.Akademie, in die Pariser-Memoiren, in die Leib» ziger-äöts. in die Berliner-Memoiren, und in die h^' vetischen, physisch-mcdiziniichcn äölr eingerückt worden. Im Xllltcn Stücke von Bruckners Beschreibung bcr Basler« Merkwürdigkeiten befindet sich von ihm eine Abhandlung über die Höhe der Berge in der Dog"^ Waldcndnrg. Auch hat er verschiedene Aufsätze in dn Ha-nburzische Magazin geliefert. Ein ziemlich vollstänb'- gcs Verzeichnis seiner Schriften findet man bey Mensel UNd in den ^tkenis rsuriciz. Schon im I. 17;r. hatte er die Universitätsbibliothek mit rußlschcn und andern Münzen von Erz, Silber und Golde beschenkt ; im I. l?6-. vergabte er in den akademischen Schatz fünfzig neue Louisd'ors zur Unterstützung durchreisender Studierender. — Er starb den 17. Märtz 1782. Leonard Eüler. * Seine Acltern waren Paul Eüler, Pfarrer zu Riehen unweit Basel, und Margaretha Brukner; das Licht der Welt erblickie er in Basel den i;. April 17»?. Die Kindheit brachte er auf dem Lande zu. Je näher er der Natur war, desto frühzeitiger legte er sich auf Erforschung ihrer Geheimnisse. Ungefähr im vierten Jahre des Alters war es, als er eine Gluckhenne beobachtete und und unter ihren Flügeln aus den Eyern junge Hüncr hervorkriechcn sah. Er schmeichelte sich, dieser Gluckhenne ihre Kunst abgelernt zu haben; in Geheim also sammelte er aus den Nestern die Eyer, legte sie in einen Winkel des Hauses, setzte sich unbeweglich darüber und girng nicht weg, bis er nach langem, ängstlichen Suchen von den Acltern gefunden wurde. Als sie ihn um die Absicht seiner Bemühung befragten, antwortete er: er habe junge Hü. "er ausbrüten wollen. Sein Vater, ein chmaligcr Schü, ler des Jakob Bernoulli, gab ihm die erste Anleitung lu der Naturlehre und Meßkunst; hierauf wurde der Jung, H'ng zur Fortsetzung seiner Studien auf die hohe Schule in Basel geschickt; seine Lieblingsgcschäfte blieben * S. den /Viipenilix zu den ltrdsnis ttkuiici«; s. zr. folg» Wie auch Jvl). Bernoulli Reisen durch Rußland, iVter Band. Naturlehre und Meßkunst; in diesen Wissenschaften genoß er Joh. Bernoullis öffentlichen Unterricht; von die» sem vortrefflichen Lehrer bekam er verschiedene, mathematische Bücher, die er für sich besonders durchlas; was ihm zu dunkel oder zu schwer war, das zeichnete er an, und jeden Sonntag hatte er Zutritt bey Vernoulti , der ihm alsdann nut seinen Erklärungen zu Hilfe kam. Gar bald brachte es der Jüngling so wett, daß ihm den 8. Iunius ,724 die höchste Würbe in der Philosophie konnte mitgetheilt werden» Bey dieser Gelegenheit lieferte er in in einer öffentlichen Rede die Vcrgleichung der Cartesiam- schen Philosophie. — Mehr aus kindlichem Gehorsam, wie es scheint, als aus Neigung wiedmete er sich der Gottesgclehrtheil; besonders fleißig studirte er die heilige» Sprachen. Gar bald aber kehrte er, mit väterlicher Einwilligung und unter Bernoullis Handleitung, wieder zur Mcßkunst zurück. Bernoullis beyde, älteste Söhne, Nikolaus und Daniel, die bey der neulich gegründeten Akademie zu Petersburg den mathematischen Lehrstuhl bekleideten, würktcn daselbst für Eülern das physiologische Professorat aus; auf diesen Beruf hin wiedmete er sich nunmehr der Arzneykunst. Schon war er fertig zur Abreise, als eben in Basel der physische Lehrstuhl erledigt wurde. Um denselben bewarb sich jezt Eülcr und vertheidigte eine akademische Prcisschrisl, über die Natur, den Ursprung und di; Fortpflanzung des Schalles. Das Schicksal woll" nicht, daß er das Lehramt in seinem Vatcrlande davon tragen sollte; er begab sich also im April 1727 nach lersburg. Daselbst war Mcolaus Bernoulli schon den r6. Jul. 1726 gestorben; indeß fand er noch zween ander« Landsmänner, den Daniel Vcrnoulli und Jacob Hermann, einen seiner Verwandten. Eüler zeigte mehr Vorliebe die Meßkunst als für die Arzneykunsi; er stzle diese letzte« bey Seite und wurde zum Adjunctus der höher» Math«- . .- 2-r; sis ernennet. Im I. 17;^ kehrte Herrmann und Bülsin» ger von Petersburg wieder nach Hause; nunmehr erhielt Eüler, anstatt des Leztern, den Lchrstuhl der thcoreli, scheu so wol als der Experimental - Physick. Den 27. Christmvnat 17;; verheurathete er sich mit Catharina Gftll, von St. Gallen in der Eidgcnoßschaft, deren Vater als Hof, Maler Peters des Grossen in Petersburg gelebt und daselbst im I. 1726 als Mitglied Zutritt ben der kayserlichen Akademie erlangt hat. Aus dieser glücklichen Ehe wurden Eülern dreyzehn Kinder geboren; nur drey Söhne und zwo Töchtern kamen bis zum erwachsenen Alter; die ältere dieser Töchtern wurde seither an einen rußischen Hauptmann, Karl Joseph Bell, die jüngere an den Fronherrn von Dehlen im Herzogthum Jülich vermählet. Von seinen drey Söhnen, Joh. Albert, Karl und Christoph werden wir andcrftwo zu reden Gelegenheit haben. In obigem Jahre 17;;. hatte sich Daniel Bernoullr wieder nach Basel begeben; an seiner statt erhielt Eüler den Lchrstuhl der höhcrn Meßkunst nebst der Arsssicht über die geographische Klasse. — Im I. 1755. sollte von der Petersburger-Akademie inner wenig Tagen die schwerste Ausrechnung zu Stande gebracht werden; Eüler vollendete sie ganz allein in Zeit von drey Tagen; durch allzugrosse Anstrengung aber sah er sich von dem heftigsten Fieber an den Rand des Grabes geworfen; endlich gelangte er wieder zu seiner Gesundheit, jedoch nicht ohne Verlust des rechten Auges. — Im I. 1741. gicng er mit dex Gattin und zwey Kindern, nebst vier Neffen, unter den schmeichelhaftesten Bcdingnisscn, als Professor der Meßkunst nach Berlin. Daselbst ward er im I. 1744. Zum Director der mathematischen Klasse ernennet. Un. pachtet seiner Entfernung von Petersburg, fuhr er nicht- desto weniger fort, der dasigen Akademie seine Schriften immer mitzutheilen; dafür erhielt er ein Jahrge» «54 - - .— halt von so« Rubeln. Im I. 17;-. gab er dem Herzog von Würtemderg und (euren Brudern, welche sich damals in Berlin aufhielten, besondern Unterricht in der Meßkunst; gleichen Unterricht gab er den Töchtern des Marggrafen Heinrichs von Schwebt und vorzüglich der jetzigen Fürstin von Dessau; für diese letzte hatte er die physischen und philosophischen Briefe geschrieben, welche im I. 1768. zu Petersburg herauskamen, unter der Aufschrift: I.ettres a uns krmcells ä'allemagne für äl. Vers 8ussts äs kb^ligue L äs kkilolopkis. Nicht selten bediente sich der König selbst in den wichtigsten Geschäften Eülers Hilfleistung und Rathschläge, wie z. B. bey Verbesserung des Finanzwesens, bey Anordnung der Wasserleitung zu Sans - Souci und mehrerer andrer Kanäle, besonders auch des Finow-Kanals zwischen der Oder und Havel; bey Ausmessung dieses letzter« hatte er nebst dem Obrist äs Lauäl und dem Castcllan von Baumann auch seinen ältesten Sohn Johann Albert zu Gehilfen. Im I. 1747. ward unser Eülcr von der Londner-Akabemie zum Mitgliede ernannt. Im I. 1748. suchte ihn die Regierung in Basel nach Hause zu zieh«: allein aus verschiedenen Gründen verbat crs. Im 1 .17;;- ward er von der physischmedizinischen Gesellschaft in Basel, und im I. 1755. von der Akademie der Wissenschaften in Paris zum Mitgliede erwählet. Im Octobcr 17-10. wurde Berlin von den Russe" umzingelt und auch Eulers Landsitz im Lüzow bey Cha" lottcuburg verwüstet; nicht nur erhielt er für jede Kühe von dem rußischcn Feldherrn 100 Rubel, sondern vo" dem kayserlichen Hof aus wurden ihm 4000 Guide" zur Schadloshaltung gegeben. — Nach fünf und zwa"' zigjährigcm Aufenthalte in Berlin ward er von der K"^ serin Katharina ll. sehr dringend wieder nach Ruß^" beruft«-; um so viel lieber folgte er diesem Rufe, er in Berlin von einigen Gelehrten verschiedene Verdrüß, jichkciten auszustehn Hatte. Nicht ohne Mühe erhielt er von dem Könige den Abscheid; er verreisete den v. Jun. 1766. mit seiner Gattin und den zween ältesten Söhnen, wie auch mit seinen zwo Töchtern und einigen andern Verwandten. Der jüngste Sohn stand in preußischem Dienste; zu wiederholten Malen begehrte auch dieser den Abscheid; nicht nur ward er ihm verweigert; sondern er selbst gesanglich verwahret; erst hernach, .auf aus, drückliche Fürbitte der rußischen Monarchie erhielt er endlich die Erlaubniß nach Petersburg zu seinem Vater ju gehn. Nach dem Winke des Fürsten Czartvrisky machte un, ser Euler auf Befehl des Königs die Reise nach Ruß, land über Polen. Zu Warschau ward er so wol von dem Monarchen als von den Grossen des Reiches sehr liebreich empfangen. Von da kam er nach Mietau; auch hier bewillkommte ihn der Herzog von Kurland mit allen Ehrenbezeugungen. Bey der Ankunft in Petersburg ward er sogleich an die kayscrliche Tafel gezogen: zum Ankauf eines geräumigen, steinernen Gebäudes beschenkte ihn die Kayserin mit 8000 Rubeln, und gleichwie er in Berlin, so war er auch in Petersburg von allen mili- tairischcn Auflagen bcfreyt. Im I. 1766. ward er von der freyen, öconomischcn Societät in Petersburg, wie auch von dem erlauchten Collegium, welches die ökono, wischen Angelegenheiten der Akademie besorgt, zum Mit, Sliede ernennet; diese letztre Würde legte er hernach im 3 . 1774- freywillig von sich. — Unter den glänzendesten Umständen erfuhr er die Trübsalen des menschlichen Le, dens. Nach einer gefährlichen Krankheit ward er völlig des Gesichts beraubt. Hiezu kam noch, daß in dcm ent. glichen Feuerbrand vom I. 177». auch sein Haus mir *Mem grossen Theil des Gcrälhcö und der Bibliothek im r/6 .. Rauche ausgieng. Er selbst wäre in den Flammen zu Grunde gegangen, wenn nicht Peter Grimm, sein Landsmann, mit Gefahr des Lebens ihn gerettet hätte. Dir Eulerschen Handschriften und einen Theil seiner Bücher, zog der Direcror der Acadcmie, Graf Orloff, aus dem Feuer, und zur Erbauung eines neuen Hauses wurden ihm von der Kayserin 6ook> Rubeln geschenkt. — In obigem Jahre gelangte er durch eine glückliche Opera» tion dcs BaronS von Wenzel, in Zeit von drey Minuten, wieder zum Gebrauche des Gesichtes. Allein diese Glück» seligkcit dauerte nicht lange. Wegen nachläßiger Be. Handlung verlor er bald wieder die Augen, und zwar nicht ohne die heftigsten Schmerzen. Doppelt empfand rr in diesem Zustand den Verlust seiner Gemahlin, die ihm im I. 177;. durch den Tod von der Seite geraubt ward. — Im I. 177;.. erhielt er das Diplom als Mit. glied der Gesellschaft zu Vlißingcn. — Im I. 1776. vcrhcurathete er sich zum zweyten male mir Salom- Gsell, einer Halbschwester seiner verstorbenen Gattin. Wie unermüdet Eüler gearbeitet habe, bezeugen nicht nur theils seine öffentlichen Schriften, theils so viele seiner Abhandlungen in den akademischen Tagebüchern, sondern auch verschiedene Preisschriften; so erhielt er bey der königl. Gesellschaft der Wissenschaften in Paris z. B. im I. i?;8. einen Drittel des ausgesetzten Preises; in den I. 1740, 1741, und 1744. den ganzen Preis; im I. 1747. den halben Preis von 4000 Livr im I. 17;-. den gedoppelten; in den Jahren 17;;, 1756, 1759, 176s, und 1772. «dermal den ganzen Preis. — Wegen der Verbesserungen in der Mondes,Theorie, deren Meyer sich m seinen Tabellen bediente, ward er im I. 176;. von dem Parlamente in England mit ;oo L-'vr. Sterling, wegen vaterländischer Dienstleistungen an dem preußische Hose von dem Magistrate in Basel mit einer schweren, güldenen Schaumünze, — wegen der wiederholten und zum Unterricht der Seeleute eingerichteten Ausgabe des Werkes: Hisoris somplette 6s la conüruÄivn L 6e la msnosuvrs 6es Vaillesux von dem Könige in Frankreich mit 6000 Livr. beschenkt; als dieses Werk von Golovin ins Rußische übersetzt wurde, so erhielt Eülcr von der Kayserin ein Geschenk von 2000 Rubeln und hernach die grosse, güldene Schaumünze, die bey Anlaß des türkischen Friedens geprägt worden; auch von dem Könige in Schweden ward er mit einer güldenen Schaumünze beschenkt. Mit den größten Männern stand er i» öfrcrm und nicht selten höchst wichtigem Briefwechsel, z. B. mit den Königen von Preussen und Polen, mit den preußischen Prinzen, mit den verschiedenen Gelehrten aus der Familie Bernoulli, mit Halter, d'Alembert, Bouguer, Coiidamine, Maupertuis, Clairaut, la 6mnZe, mit dein Marquis 6s Lon6orcer, mit der Marquistn 6s Lkstelet, mit Gegner, Kästncr, la Lande, le Monnier, Frist, Boscowilsch, Hedlinger u. m. a. Unter Eülcrs erste, litterarische Verdienste zählen wir mit Grunde die väterliche Unterweisung, wodurch er seine tiefen und ausgc. breiteten Einsichten auch auf seine Söhne fortzupflanzen bemüht war. Schon lange zwar konnte er nicht mehr Schwarz auf Weiß lesen noch mit der Feder auf Papier schreiben; aber mit Kreide schrieb er sehr deutlich nud faßte in der gewöhnlichen Grösse seine mathematischen Rechnungen auf eine schwarze Taffel, die alsdenn von einem seiner Adjunctcn, Herrn Fuß oder Herrn Gallo» Win in ein grosses Buch abgeschrieben wurden; aus diesen Materialien wurden hernach unter seiner Anleitung Abhandlungen verfertigt; seit fünf Jahren, welche Herr Fuß jm Eülerschen Hause zugebracht halte, waren auf R diese Weise schon über 120 Abhandlungen zu Stände gekommen. Auch können wir nicht unerwähnt lassen, daß unser Eüler einen sonst ganz unwissenden Menschen, von Handwerke ein Schneider, seinen Famulus, so gebildet hat, daß derselbe im Stande war, die schwierigsten, algebraischen Rechnungen anzustellen und dasjenige, was ihm sein Herr in die Feder dictiere, unter die Presse zu legen. * Unter Eülcrs zahlreiche Schriften gehören vorzüglich auch folgende: Diil'ert. physt 6e 8ono. Lalil. 1727. 4. dlovv Henris üluliLL. I'etrop. 172Y. 17)4. i";y. c. k. 4- maj. lVleclramca snal^tice expoiita. ketrnp. 17)6. 1742» 2. Pow. c. stZ. 4. mas Einleitung in die Arithmctick, deutsch und rußisch. r. Tb. Peterb. 17)8. 8. däerboclus invenienäi lineas eurvas msximi minimive proprisratate xsnäenres, live snlulro prvblemaci8 Isozreri- metrlci, l-mllimv sensu acccpti. Uausan. 1741. 1744. r. 5 . 4. Ideons motuum Planetarium L cometarum. Lerol- 1744. c. k. 4. maj. Beantwortung verschiedener Fragen über die Beschaffenheit, Bewegung und Würkung der Comctcn. Bert- 1744 . 8. Fortsetzung dieser Beantwortung. Ebcnd. 1744- 8 - Neue Grundsätze der Artillerie aus dem Englischen des Robins übersetzt und mit Anmerkungen begleitet. Berlin » 745 . 8 . Varia Opulcula. z. P. Lernt. 1746. 1750. 1741- 4 ' dtovse üc correüa: tabulse sä Inca tun-e cowxutsaäa- Lerot. 1746. 4. * Lüler starb z» PerterSbnrg im 2 - >78. kabulre skronomicL strlis L lunS. ib. snö. 4. Gedanken von den Elementen der Körper. Berlin, 174s. 4. Rettung der Offenbarung gegen die Einwürfe der Freygeister. Berlin, 1747. 8 - IntrostuÄ. in -tnsl^iin Instnitorum. 2. 1 . I-auL 1728. 4- c. f. 8 cienti» nsvslis. ketrop. 1749. 2 . Vol, 4. c. f. Lonjeisturs pk^stcs circa propsgstioncm strni so lumr- N15, uns cum slü« äistertst. snsIz'tiL. Lerol. 1750. 4. dlnva kbeoria stlsgneti8, cum slüs stistsrtst, snslgico Mecksnicis. ib. 1751. 4. kettre ü stterisn, in den Briefen cöncernant le stugs- w-nc 6s 1'^csäsmis 6e Lerlin lur 1'sstaire äs Löniz. Lerlin, i 7 ? 2 . 8. Ikeona bloluum I-uns:, exstibens omnss corporum jnLgusIitstes, cum sästitsmento. Lsrol. 17^;. 4. vitlett. 6c principio Minima: LÄioniz, uns cum exa- mins objeötionum Li. krok. LoeniZii contra boc princi- pium ksüorum. ib« eost. 8- Institution« cslculi äistsrsntialia, cum ejus ulu in ^nsl^ü Inünitorum sc stocstrins kerierum. ib. 17;;. 4° Lonstrulstio leatium objecstivsrum ex stuplici vitro- ketrop. >762. 4. Vernünftige Gedanken von dem Raum, dem Ort und der Zeit, aus den Schriften des Herrn Eülers mitgetheilt. Nebst einige» Anmerkungen und unpartheyischen Geschichte der Streitigkeiten über diese Dinge. Quedlinburg;. 8 , List'. ste novi orbis Inventione. 1764. 1'Irsoris motus corporum solistorum seu rixistorum. ^vstoc. 170;. 4. c. k. Institution« calculi ints^rslir. k, ketrop. 17L8— » 77 °. 4 - 2<5o 7"-^-'-- ^ I^ettres uns ?rinselle ä'rllemsgne für guslgus 8 sujets äs kk^sigus viöptricg. ?errop. 1770. 177k. 1°. 4. c. k. Ikeoris moruum lunse novs meldoäo pertrsÄsts, uns cum tsbulis ssironomiciz; unäe sä yuoävis tempu8 lass 'unT expeäice computsrs liest. it>. 1772. 4. Nov-r ^sbul» lunsies linZuIsri mstdoäo conüruct». ketrop. 1772. 8. Ikievrie completts äs Is Ooniti uction L äs Is IVIsnoeu- vrc äe8 Vsiäskux id. 177;. 8. k.clsirsillemsnx tur Is» csille8 äs« Veuvc8 öcs. id, 1776. 4. Eine Menge Abhandlungen hat er in die Lommsnes- N08 Lcsäemise 8cientisrium keti'opolitsnre, in die novor Lommemsrios ketropolilsnoz, M die novs ^äts >tcsä. 8sicnt. Imp. kcrropvlir wie auch in die däemoirss äs I'äcsä. äes 8cienss8 äs karis, in die Mlccllsnss 6srs- linensis, in die hilem. äs I'scsä. äe3 8cience3 äs Lerlin, in die ^ets Lruäirorum I>iplisntis, in das svurnsl litterri- re ä'^IIsmagns, in die NilcsII. Isurinensis geliefert. Folgende Eülersche Preisfehriften sind von der Acade- mir der Wissenschaften in Paris gekrönt worden. Im I. »7)8- 8ur Isrurs L prvpsxsrion äu feu. 1740. 8ur Is siux L Is reilux äs Is d/ler. 1741. 8ur Is meilleurs msniers äs conltrulre le 6»" beltsn. 174;. 8ur I'incilnsison äs I'simsn. 1744. Hienrie nouvslle äs I'simsn. 1747. 8ur Is meilleurs Nsniere äs trouvsr I'deure an mer pgr obssrvstion fort äsn; Is jnur, fair äsns les crepv- tsulss 7?2. 8ur les 6crangemsn8, gus 8skurne L ^uplcer ts aoussnr mutuellsment plincipolsmenr vsr8 Is tsms äs leur aonjonclion. 17;;. 8ur la moniere 6e lupplssr ä I'ocstion 6u Vcnt. 17^6. 8ur 1S8 inegolits8 6» mnuvement 6e Is terre.,- 17 5 y. 8ur Is rr>u1l8 A le timZsZe. 1768. 8ur Is tkeorie 6s lo Pune L speciolemsnt stir 1'eguotion seculoire. 1772. 8ur Is kkeorie 6e Is Punc. Eülcrs ältester Sohn, Ioh. Albert, wurde zu Petersburg im I. 1714 geboren; schon im siebenten Jahre kam er mit seinen Aeltern nach Berlin; kaum hatte er das zwanzigste Jahr des Lebens erreicht, so erhielt er schon Zutritt als ordentliches Mitglied bey der königl. Acadenüc; diese Beförderung wurde hernach im I. 1756 nur einem Jahrgehalte von 200 Thlr. begleitet; im I. I?;8 ward ihm die Aufsicht über die königl. Sternwarte anvertraut; auf dieser Sternwarte beobachtete er im I. i75y den Kometen, von dem er eine Beschreibung mitgetheilt hat. In gleichem Jahre rcisete er zu seinem kranken Bruder nach Torgau und hielt sich einige Zeit zu Wittcmberg auf, woselbst er n»t den beyden Professoren, Bärmann und Bvflus in genaue Bekanntschaft zu trctten Gelegenheit fand. Im I. ,760 ncrheurathete er sich mit Anna Charlotta Sophia Hagemeistcr, des königl. Rathes und obersten Castellan Hagcmcistcrs ältester Tochter; im I. 17«; ward sein akademisches Jahrgehalt um 4 r-o Thlr. vermehret. Von der Kayserinn in Rußland ward er im I. 1766 als Professor der Naturlehre nach Petersburg berufen; nebst neuer Wohnung versprach sie ihm 2000 Gulden, mit dem Zusatz, daß seine Gattin, wofern sie ihn etwa»» überleben sollte, lebenslang cm Iahrgehalt von 1000 Gulden zu erwarten habe. Umer diesen Bedingnisscn reiscteer also mit seinen Aeltcrn, mit Weibe und Kindern nach Rußland; in gleichem Jahrtz wurde er Mm Mitgliede des erlauchten Collcgiums ernennt, welchem die ökonomischen Angelegenheiten der Academie anvertraut werden; diese Würde legte er aber im I. 1774 wieder vpn sich. Im I. 176, ward er Secrekair des Conferentialrathes; im I. 1776 Aufseher ver adelicben Militairschule; überdieß sah er sich von den berühmtesten Academie» zum Mitgliede erwählt; auch sind bisher sieben von seinen Preisschrifccn gekrönt worden, die eine in Göttingen, drey andre in Petersburg, eine in Mönchen und zwo in Paris. Hier die Aufschrift dieser gekrönten Abhandlungen: Lnoästiä gu-estionis: Auomaäo vis sgu-e msxima cum lucro sä mols8 circumsgenäss slisve opers perstcien- äs8 impenäi pollir? Göttingen, 1754. s ft Lisguilitio äs csuks ele" «8 on en xeuc p>-ocurer s un vsillsäu. P tris. kilouvelle Isisons 6s 1a Luns L äeterminstion lls toutss Ie8 infames 6sn8 son AlouvemeM. Paris , 1770. Verschiedene seiner Schriften sind in die Abhandl. der Baycrschcn Gesellschaft , IN die ülem. cts Lacatlemis 6s Lerlin, in die novo8 Lommentario8 Metropolitan UNd in andre Werke eingerückt worden. Eulcrs zweyter Sohn, Karl, wurde im I. 1740. M Petersburg geboren, und schon im ersten Jahre des Lebens kam er mit seinen Aelrcrn nach Berlin. Unter Lehmanns Handleilung machte er im I. 1756. botanische und mineralogische Reisen durch die Thüringischen Wäl-> der; eine andere litterarische Reise machte er im I. 1760. durch Hvland: Jahrs darauf gicng er unter väterlichem Begleite nach Halle; aus dastgcr hohen Schule wiebmete er sich der Arzncykunst. Im I. 1762. kehrte er mit dem mcdicmischcn Doclvrhute nach Berlin zurück; daselbst verheurathete er sich im I. 1766. mit Anna Aemilia Bell und begab sich als kayserlicher Leibarzt mit ihr nach Petersburg; auch ward er im I. 1772. zum Arzte der Wissenschaften ernennt; im I. 1779. gab ihm die Kay- serin den Zutritt als Beysitzer bey den höchsten Collegien in Rußland. Im I, 1760. hatte die königl. Academie in Paris seine Abhandlung über die Abänderungen der planetarischkn Bewegung bekrönet. Christoph ist Eülers dritter Sohn, zu Berlin jm I. 174;. gebohrrn. Nachdem er in den philosophischen und mathematischen Wissenschaften -einen festen Grund gelegt hatte, trat er in königl. Kriegsdienste. Nicht ohne dringende Fürbitte der Kayserin in Rußland erhielt er den Abscheid. Daselbst ward er zum Direktor des Geschützes, welches zu Systerbeck verfertigt wird, und ?um Major der Artillerie erwählt.' Auch befand er sich unter den Astronomen, welche aus kayscrlichen Befehl ün I. 1769. zur Beobachtung des Durchganges der Venus ausgeschickt wurde«; diesen Durchgang beobachtete er zu Orskava, in der Provinz Orenburq, bey dem Flusse Ural; auf dieser itttcrariichcn Wallfahrt maß und beschrieb er einige Gegenden des rußsschen Reiches, z. B- T'chercask, Dmilry, Taganrock, Krcmentschnck, Saporogskaya, Sjcischa, Samara, Perewotolschna, Gluchow u. a. — Seither diente er un Kriege gegen die Türken. Noch von ihm find verschiedene Abhandlungen in die neuen Commentarren der Petersburger - Akademie eingerückt worden. Ioh. Rudolf Schmid. Ioh Rudolf Schmid ist von adelickien Aeltern Ao. in dem uralten Schmidischen Stammhaus zum Echwarzenhorn zu Stein am Rhein gebohrcn. Sem Vater war Felix Schmid, Stadlhauvlmann und Se- ckclmeister, gebohren Ao. rzz-z. starb auf dem Hammer Jsscnbach im Kleggäu Ao. 1598. *) Er hatte 4 Frauen gehabt, mit welchen er 14 Kmdcr erzeuget, ncmlich 10 Söhne und 4 Töchtern. Unsers Schmids Mutter war Frau Elisabeth Hürus von Konstanz, Onophrins Hürus, des Raths daselbst, und Katharina Ehmgern, Tochter eines Mcmmingischcn Patriciers; sie war die le;te und lebte nach seinem Tode noch ;; Jahre im Wiltwenstandc, und starb Ao. > 6 ,i.; sie gcbahr ihm 6 Sohne und 2 Töchtern; unter den Söhnen war er der drittjüngste. Nach dem frühzeitigen Tobe seines Vaters wurde er zur Schule gehalten, allein seine vornehmste * Dieses Bergwerk hatte er von dem Landgrafen Rudolf von Sulz im Kleggäu in Bestand genommen; er war m»u glücklich dabcv, und mußte sein meiste? Vermögen auloptcrm da er sonst ein sehr bemittelter Mann war, und »coe anderm auch Güter zu Stammen hatte, wo er sich geraume Zeit aufgehalten. Neigung war das Zeichnen; er brachte es ohne a!!e Anleitung zum Erstaunen weit. Seine Mutter und Anverwandten gedachten, einen Mahler oder Goldschmied aus il,m zu machen, als eben ein vornehmer Officier, der ihn zeichnen sah, sich an ihn machte, und verlangte, daß er mit ihm nach Italien gehen möchte. Schmid, der von den Seinigen hart gehalten wurde, bedachte sich keinen Augenblick, und gieng mit nach Verona, wo ihn der Offizier in der Mahler-Kunst und schönen Wissenschaften unterrichten ließ. Durch seine grosse Fähigkeit alles leicht zu begrciffcn, ward ihm der Fortgang in der Kunst sehr erleichtert; und dieses, nebst seiner Treu, brachte ihm die vorzügliche Liebe seines Herrn zuwegen; zugleich lernte er die italiänische Sprache in ihrer Vollkommenheit, legte sich auf die Poesie, welche, nebst der Mahlerey, seine liebste Beschäftigung war. Nach einem Aufenthalt von 4 Jahren gieng er mit seinem Herrn nach Dalmaticn, uns von da nach Ungarn, wo er von ihm (kurz vor einer Schlacht mit den Türken) zum Erben seiner Verlassenfcbaft (falls er bleiben sollte) ein, gesczt worden. Sein Gutthäter blieb würklich; allein Schmid hatte wenig oder gar keinen Nutzen von dieser Erbschaft, denn er wurde zum Gefangenen gemacht, und nach Constantmovcl gebracht; er hatte das Glück, einem sehr gutartigen Türken als Sclave zu dienen. Seine Fertigkeit in der italiänischen Sprache; sein scharfer Verstand, den er in allen Geschäften zeigte; und seine Treue machten auch in diesem sonst traurigen Zustand sein Schicksal erträglich: Er wurde viele Jahre als Doii. nietfchcr gebraucht; welches Gelegenheit gab, daß er Ao. 1624 mit dem Kaiserlichen Bottschafler Cäsar Gallen bekannt wurde, welcher feine Verdienste erkannte» und ihn seinem Nachfolger dem Freyherr», von Kurz empfahl; der dann Gelegenheit suchte, und fand, denselben auszuwechseln und loszukaufen. Der Freyherr vertraute ihm die wichtigsten Geschäfte, und brauchte ihn zu seinen geheimsten Verrichtungen. Dieß bewog den Freyherr», seine Fertigkeit in der Türkischen Spräche, nebst seinen übrigen guten Eigenschaften, dem Hofe zu Wien am», rühnien. Schmid erwarb sich eine gründliche Einsicht in die geheimsten Absichten der Höfe Wien und Constan- tinopcl; und Kaiser Ferdinand II. fand in ihm Vorzüge, die ihm denselben unentbehrlich machten, und die ihn zur Ausführung wichtiger Geschäfte bestimmten; er schickte ihn mit gutem Erfolg, etliche mal an dre Bassa's und Aga's nach Osten und Temeswac. Ao. 1527 wurde er in währendem Fricdensbruch an den Türkischen Sultan Amurath unter augenfchciulicher Lebens-Gefahr abgesandt, und hernach Ao. »629. als Kaiserlicher Rath und Resident bey demselben ernennt; in welcher Stelle ihn Kaiser Ferdinand III. unter der Regierung Sultan Ibrahims bestätigte; er bekleidete diesen Posten in die »; Jahre mit Treu und Ruhm zu bester Zufriedenheit, schcucte keine Gefahr, und übernahm die schwersten Aufträge mit unnachahmlicher Geduld und Schadhaftigkeit, so wol an dem Türkischen Hofe, als bey dem Bassa's zu Offen. Diese wichtigen Dienstleistungen blieben vom Kaiser nicht unbelohnt: er ward den ». May Ao. »647 zum Frcyherrn von Schwarzenhorn erhoben, und der Römische Rcichs-Adler und Schwert, nebst dem Türkische» Greif, mit dem Mond und Säbel in sein Wappen ertheilt. Ao. 1648 kam er nach Wien, und wurde von gedachte«» Kaiser zum Hof-Kriegs-Rath und Obcraufseher über die Wälder und Forste im innern Oesterreich ernennet. Er mußte aber Ao. »649 schleunig wieder als Imermmuur nach Constantinopel gehen, um bey dem neuen K»»^ Mahomct IV. den Frieden auf 20 Jahre zu verlä»' gern; er kam in gleichem Jahre den »9. vbns mit ci»c> 267 Türkischen Gesandten zurück, und hielt einen prächtigen Einzug in Wien. Kaum hatte Schmid die Bestätigung des Friedens mitgebracht, so machte er sich auf kaiserlichen Auftrag schon wieder fertig zur Rükreife nach Konstantinopcl. Daselbst beförderte er nicht nur die Handhabung der Vortrüge überhaupt, sondern auch die Rückgab von -ooo Flecken und Schlössern an Oesterreich. Den ro. May i6;r. kam er glücklich nach Wien zurück. Im I. 1658 bestätigte ihm Ferdinands III Thron, solger, Kaiser Leopold, feine adelichen Vorrechte. Schmid war mit Helena Feldncrin von Feldeck vcr- heyrathet. Mit ihr erzeugte er drei Söhne, welche jung starben, und zwo Töchtern. Die ältere vermählte sich mit dem kaiserlichen Hofkammcrrathe, Baron von Scan; die jüngere mit dem Freiherr» von Rehling. Dieser überreichte den 7. Oktober l6»o. dem Magi, sirate zu Stein einen von feinem Schwiegervater erhaltenen kostbaren Pocal, nebst dessen Bildniß. Im Jahr 166; brach von neuem der türkische Krieg aus. Der Kaiser zu Wien suchte überall Hilfe, selbst bey den Schweizerkantonen. An diese schickte er den Baron von Schmid. Den 27. Fcbr. 1674 langte Schmid mit seiner Familie in Stein an. Bey der Zurückknnst in seine Vaterstadt ward er bis zu Thränen gerührt. Verwaiset und nackend hatte er Stein in der Kindheit verlassen, und nun erblickte er sein Geburtsort wieder, indem er mit Ehre und Glück überhäuft war. Von da begab er sich seiner Gesundheit wegen nach Baden. Hier trat er unter glänzendem Gefolge als kaiserlicher Gesandter vor die gcmeincidgenößische Taglctstunq. Die Tagleisiung bewilligte zum Türkcnkricge freie Werbung und lausend Zentner Pulver. — Den n. Mär; 1664 rcifttc Schmid in vcrichicdcncn Staatsangelegenheiten nach Deutschland zurück. In Regensburg z. B. intereßirte er sich mit Erfolg für die Ramsischcn Angelegenheiten seiner Vaterstadt. In Wien beförderte er durch Unterhandlungen einen zwanzigjährigen Waffenstillstand mir der oßmaiik- scheu Pforte. Er starb den 12. April 1667. und wurde in Wien bei unserer Frauen zu den Schotten beigcfczt. Conrad Pelliean. Derselbe ward den 8 . Jänner 1478. zu Rufach im Elsaß geboren. Im I. 1491. begab er sich auf die Schule nach Heidelberg. Im I. 1496. trat er in seinem Vaterland, wider den Willen seiner Verwandten, in den Orden der Franziscaner. Mit Eifer lernte er die damals beynahe vergessene/ cbräische Sprache; hiezu ward er durch den Dorwurf eines Juden ermuntert/ welcher behauptete, daß die heiligen Bücher m den Uebersezmigen der Christen verfälscht seyen. Zur Fortsezung der Studien gieng er im I. 1496. auf die Schule nach Tübingen; daselbst genoß er Kapnio oder Räuchlins vertraulichen Umgang; auch gelangs ihm, eine in Italien gedruckte, ebräische Bibel zu kaufen; aus dieser schrieb er ein Mvrterverzcichniß; zugleich erhielt er in Handschrift einige Hefte von einer cbräifchen Spracbkunst; bloß durch diese Hülfsmittel allein bracht' crs so weit, daß er mit Rauch- lin kann als Wiederherstcllcr der ebrälfchcn Litteratur angesehn werben. Fleißig las auch Pellica» die Schriften der Klrchcnväter. — Im J..rzoi. ward er zu Pforzheim zum Priester geweyht; seine erste Meß las er zu Bafel; daselbst ward er im I. izoa. in dem Kloster seines Ordens zum Lector der Theologie ernennt. Im I. ^04. erklärte ihn der Kardinal Raymund Gallus zum Llcc»- tiatcn, mit Beyfügen, daß er ivglcich »ach Erreichung feines dreißigsten Jahres den Doctortitel annehmen möge. Dieser Kardinal härte ihn gern mit sich nach Rom genommen; die italienische Luft schien ihm aber nicht zuträglich; von Locarno gieng er nach Basel zurück; daselbst setzte er die theologischen Vorlesungen bis zum I. i;°8. fort. Bey dem baslerschen Bischof Christoph stand er sehr wol, auf dessen Befehl schrieb er einen kurzen Begriff der christlichen Lehre; in demselben erklärte er die Lehre vom Ablaß, von der Beichte, vom Fegfcur als verdächtig; ungeachtet des bischöflichen Beyfalls, ward das Werkgen von den Priestern verworfen. — Von Basel kam Pcllikan nach Rufach; in dastgem Kloster erklärte er seinen Ordensbrudern die xkilolopkicsm und andre Autoren. Im I. i;n. ward er zum Guardian des Klosters zu Pforzheim ernennet. Auf einer Durchreise nach Speyer nahm er zu Bruchsal seine Einkehr bey Wolfgang Capito; gegenseitig eröfneten sie einander ihre Bedenklichkciren wegen der Lehre von der Brodverwandlnnq. — Im I. i;>;. nahm Pcllicanen der Ordensprovin« zial mit sich auf die Visitation der Ordensklöstcr in Oder-Deutschland, dadurch gcrieth er in Bekanntschaft mit vielen Gelehrten. Im I. ,;>6. hatte er einem Kapitel von 70s. Ordensbrudern zu Rouen in Frankreich und im I. 1517. dem allgemeinen Ordens-Kapitel zu Rom beygewohnt. Bey der Zurückkunfl nahm er zu Rufach die Stelle eines Guarbians an. Bey einem Com, menthur zu Müllhausen billigte er Luthers Lehrsätze ge. gen das Fegfeuer; auch las er den jungen Mönchen zu Rufach des Erafmus Umschreibung des neuen Tcstamm. Im I. i;,y. ward er einer der vier Ordensfinitorm und Guardian des Klosters zu Basel. Hier fand er viele Ordensleute, die sich aus Luthers Schriften erbauten. Hierin» bestärkte er sie, er beförderte Luthers Schriften zum Dr icke und begleitete selbige mit Anmerkungen. Im I. i;r;. baten die Dohmherren und Professoren in Basel beym Ordcnsprovmzial um seine Entfernung. Dieser aber setzte sich der Obrigkeit in Basel entgegen. Von derselben ward ihm nebst Oecolampaden im I. 1524. der theologische Lehrstul aufgetragen. Um so viel grösser und verdienstvoller erschienen Pcllicans Bemühungen um die cdräische Litteratur, je mehr noch bisher dieses Studium vernachläßigt worden. — Als im I. 152;. Luther die fünf Bücher Moses in deutscher Sprache herausgab, schrieb hierüber Pellican an Thomas Blaurer: er habe diese Uebcrsetzung mit dem ebräischen Grundtcxte verglichen, >L vekemsMilstms xlacet, ut minor post: kac necss- stts« stt, investigsaäi ksbrgiLsm veritstem, nist tsntum LrLceptoribus. So weit war er also von dem Hochmuth der Pedanten entfernt, daß, ungeachtet seiner Vorliebe sür das morgenländische Sprachstudium, er gleichwol dasselbe nicht weiter, als nur für die eigentlichen Sprach» jehrer für nothwendig erklärte, so bald nämlich richtige Uebersetzungen erschienen seyn würden. — Die vornehmsten Bürger zu Basel begehrten von den Mönchen, sie sollten die vielen Singstunden und Messen in Predigten und Auslegungen des neuen Testamentes verwandeln. Pellican unterstützte dieses Begehren der Bürger; die Mönche aber schrien: das Predigen an den Werktagen rieche nach der lutherichen Secte: von solchen trägen Mönchen zogen die Bürger ihre Hand ab und liessen sie darben. Pelstcan behielt die Nutznießung von seinen» Professorat; um sein eignes Geld ward er aus AdaniPk^ Küche bewirthet. Dies that er, weil er von dem Keller und Küchenmeister, seinen ärgsten Feinden im Kloster eine Vergiftung besorgte. Im I. 152;. wurde zu Basel öffentlich die Refor^ lion eingeführt. Nach Abschaffung der Klöster kam Pel«' DU tan im I. i?26. als Lehrer der ebraischen Sprache nach Zürich. Jahrs drauf erhielt er zugleich das theologische Lehramt. Nunmehr warf er das Ordenökleid von sich. Ungeachtet seiner Neigung zum ehrlosen Leben, ließ er sich von seinen Freunden zu einer Heyrath mit Anna Fricß, der Schwester des Ludimobcrator Johann Fricssen, bereden. In dieser Ehe hatte er einen Sohn, NamenS Samuel, gezeugt, der ihm nebst dessen Kindern zum Trost im Alter gedient hat. Im I. l?28. hatre unser Pellican dem Religionsge. spräch in Bern beygewohnt. Seither schlug er manchen auswärtigen Beruf aus: im I. 1540. erhielt er das Bürgerrecht und ein Canonicat beym grossen Münster in Zürich; auch ward ihm die Aufsicht über die Sliftsbib- liothek anvertraut. Den 6. April ist er in einem glücklichen und ruhmvollen Alter gestorben. Ludwig Pfyffer. * Derselbe ward zu Luzern im I. 1715. gebohren Den Adel seiner Geburt erhöhte er durch glänzendes Verdienst und ausserordentlichcs Genie. — Jm J. ,724. kam er als Eadct in französischen Kriegsstienst; im I. 17;,. ward er Fendlich bey der schweizerischen Leibwache; im I. 17,8. bekam er die Compagnie feines Vaters, ward Ritter von Et. Ludwig und Brigadier; im I. 174?-Feldmarschall. Er wohnte den Feldzügen vom I. 17)4. bis 1747. und in denselben besonders im I. 1744. den Belagerungen von Menin, Apres und Frcyburg, und den Treffen bey Rau, *»ux imJ. 1746 bey Lawfeld 17)6 bey; ward des grossen ^alhs, und i. I. r 7; 2 des innern Raths zu Luzern. Er erhielt "n I. ^76;. ein Regiment nach seinem Namen, welches * G Joh. Caspar Füßling Geschichte der besten Künstler in der Schweiz, Land IV. s. 204. 27 ? —-- er im I. 1768. abgedankt, und blieb gleichwol in franzö.« fischen Diensten, mit der Würde eines Gencral-Leutenants. Im I. 1764. erwachte von neuem seine jugendliche Neigung, ich meyne die Neigung zum Zeichnen und zur Mcßkunst. Ocfters haNe er in frühern Jahren den Pila« tuüberg bestiegen und dadurch an den Vergreisen Geschmack bekommen. Er faßte daher den grossen Gedanken, die ganze Schweiz nach geometrischem Maaßstab in erhabener Arbeit von Wachs darzustellen. Der Staatsgefangne Mi- chcli auf dem Schloß Arburg befestigte diesen Entschluß durch fernern Unterricht. — Pfyffer nahm sich also vor, den Pilatusberg nach dieser Art zu bilden; da dieses kleine Werk gelang, so gicng er immer weiter. Durch das Un, gewohnte in dieser Unternehmung wurden seine Geisteskräfte stärker gcspannct und sein Muth feuriger erhitzt. Warm von dem Bewußtseyn einer so schönen und kühnen Unternehmung, arbeitete er also mit erstaunlicher Mühe und Einsicht, so daß gegenwärtig beynahe die halbe Schweiz, als Zug, Ury, Unterwalden, Engclbcrg, das ganze Lu- zerncrgebiet, der Haucnstei» bis auf Basel vollendet ist. So genau ist alles dieses gezeichnet, daß er nicht nur alle Höhen, Thäler, Flüsse, Seen und Bäche, sondern selber die kleinsten Jägersteige, die er mit Lebensgefahr a»sge- storicht, angebracht bat. — Vielmal mußte er, durch Männer an Seilern gehalten, auf uncrsteigstche Höhen hinausgezogen, und wieder in Abgründe heruntergelassen werden. — Um in der Nachahmung der Natur desto treuer zu bleiben, ist sogar der Unterschied in den Holzungen bezeichnet, so daß z. B. beym ersten Anblick die verschiedene Beschaffenheit eines Buchenwalds und Tannenwalds bemerkt wird. Kurz, alles ist so anschaulich entwickele daß jeder sein eigen Landhaus zu erkennen im Stand n' Wenn das Werk complet ist, so soll es 200. Quadratstn"' den umfassen. Der verjüngte Maaßstab desselben betrag ! l ^ ME MW UMM * HBMM7Ä- !d EOE8ÄÄ 273 xkwas mehr als einen französischen Schuh für eine schwel, zerische Stunde. Sieht man diesen geographischen Schau, platz s vüe ä'oilssu durch ein Vcrgrösserungsglas an, so W, als säh's man vom Olymp auf die Ervgrdirge hin, unter. Noch bemerken wir, daß Pfyffer noch jezt in einem Alter von mehr als achzig Jahren das Feuer und die Energie ju« gendlicher Mannskraft besitzt, und daß rr mit der Lebens, arl eines Weltmanns die Einfalt und das offne West» eines alten Schweizers verbindet. Firmin Abauzit. Die schönste Lobrede auf diesen Mann finden wir in Rousseaus Schrift über die Schauspiele. Je mehr er selber verborgen seyn wollte, desto mehr verdient er hervorgezogen zu werden. Er war zu UezeS gegen Ende des lctzlern Jahrhunderts gebohren. Um der Religionsfreyheit willen führten ihn seine Acttern frühzeitig au§ Frankreich nach Genf. Daselbst genoß er des besten Unterrichts; wegen seines glücklichen Fortgangs erhielt er noch sehr jung die Aufsicht über die Sladlbibliotheck. Gerade dieß war die angemessenste Stelle sür den Philosophen. Der Umgang mit den Büchern diente ihm rum Trost und zu Erholung, wenn er des Umganges um den Menschen müde geworden; sonderhrit die Aller, thümer hatte Abauzit studier. Mit dem Gcnftrschen Bürgerrechte beehret, war er bemüht, um sein neues Vaterland dieses Glück zu ver, dienen. Im I. 17;«. hatten ihm seine nenen Mitbürger eine verbesserte Ausgabe von Jakob Spons Geschichte des gcnftrschen Freystaates zu danken. Diese Geschichte S 274 vermehrte er theils durch Anmerkungen, theils durch Bey- sügung verschiedener Urkunden und Denkschriften. Freylich scheint die Geschichte eines kleinen Freystaates kein so interessantes Schauspiel wie die Reiviuuonen arssser Königreiche vor Augen zu stellen; wenn indeß die Begebenheiten an sich selbst weniger beträchtlich zu seyn scheinen, so bleiben die Leidenschaften doch immer eben dieselben; weniger geräumig ist zwar die Bühne; die Schauspieler aber spielen die gleiche Role, und vielmal eine weit interessantere als auf dem größten Theater. So klein eine Taschenuhr von Grchan ist, so erweckt ihr Mechanismus nichts desto weniger weit mehr Bewunderung als manches noch so überladene Uhrwerk. Ueberbaiwt intereßirt das Gemählde der Menschheit in jedem Zeitalter und in allen Umständen. Ob ausser der Bannmeile, in deren Umkrais der vaterländische Geschieht, schreiber lebt, das Lokale allemal verständlich und interessant sey? Wenig bekümmerts den Mann, dem noch die Larcs und die Penaten, dem Haus und Vaterland wichtig und heilig sind. Er schreibt weniger für die Welt überhaupt als für den Bürger. Ein solcher Autor scheint berechtigt, von den Lesern zu erwarten, was Plantns in dem Prolog zu den Mcnechmcs von den Zuschauern verlangt: „ Der Schauplatz ist zu Evidamne, „ einer Stadt in Macedonien; dahin begebt Euch und „ bleibet daselbst, so lang das Stück kaurt. " — Wen» ich mich noch einige Augenblicke bey diesen NebenbetraM- kungen verweile, so geschieht es zur Recdtweisung derjenigen, welche bloß deßwegen, weil Genf ein kleiner Staat ist, die Geschichte seiner einheimischen Unruhen weniger wichtig als lächerlich glauben. Und wird denn ein Plutarch darum weniger Hochachtung verdienen, weil er eine kleine Richterbcdlenunq in seiner Vaterstadt Chärona dem Amte eines kayserlichen Statt- 2-5 öalterö, nnd zwar unter dem Trajan, vorzog? Je mehr man Menschen, Völker, Zeiten kennen gelernr hat, desto mehr gewinnt man Vergleichungspunktcn zur Ausmessung moralischer und politischer Grössen. Eden weil die Be» griffe von diesen relativ sind, so kann der Aufruhr in einem kleinen Orte mehr oder weniger eben so merk» würdig seyn als in der Hauptstadt der Weit. Gleichwie für den neuen Neapolitaner ein Katilina, so könnte für den alten Römer ein Masanicllo, gleichwie für Genf ein Archives, so könnten für Athen ein Rousseau oder Düco. veray interessant seyn. Wenn uns noch so sehr die Ursa, chen von Roms Grösse und Untergänge beschäftigen, so können wir auch noch einem kleinen Staate, wie der Genfcr»che. unsre Aufmerksamkeit wicdmen. Wichtig ist uns die Untersuchung, wie das Gebäude der Freyheit aufgeführt und befestigt worden; mit Vergnügen und mit Vortheil erforschen wir die Triebfedern der Regierung, den Ursprung der Faclioncn, ihre Einschränkung und ihre Würkungcn, ihren Einfinß auf Gewerbe und Sitten. Ohne Zweifel muß ein solches Studium lehrreich seyn und Jacob Svon setzte mit Grund auf sein Geschichkbuch die Innfchrift: l-exenr h-ea nolkrs nepoten. Sonderheit» lich durch Abauzits Anmerkungen wird diese Innschrift gerechtfertigt. Diese Anmerkungen verrathen nicht nur den lirfforschenden Gelehrten; auch verkündigen sie einen gemeinnützigen patriotischen Philosophen. — Was man in diesem Commentar über Bolscc, Gentilis, Alciat, Gal« lo, Blandrat, Spssam, Ntclaus Anloine u. a. antrift, ist aus den Oriqinalschriftcn gezogen. Aller dieser merk. würdigen Streitbändkl erwähnt Abauzil mit der größten Unparteylichkeit und er wagt es die Prozedur der Rich, ter zu tadeln, wo er sie tadelhaft findt. Die Abhandlung über Cäsars Grenzlinien zur Ver» Änderung weiter» Fortschritts der Helvezier, eine andre S r Abhandlung über die eigentliche Lage der LolvnlL egui- Äri8, drey Abhandlungen über einige alte Jnnschriften, deren ächter Sinn dem Spon entgangen war, und endlich die Bemerkungen über die Naturgeschichte des Gcn- fcrschen Bodens, alle diese Stücke gehören Abauziren allein zu. Dieß ist daS einzige, welches er durch den Druck be, kannl gemacht hat. Ein grosser Verlust ist es für die gelehrte Welt, daß er aus Bescheidenheit manche andre, höchstwichtige Abhandlung zurück hielt. — In Handschrift hinierlicß er verschiedene Auflätze zur Beleuchtung so wol der heiligen als der Profanscribcnten. Die besten, histv- risch>crili,cheu Untersuchungen in Voitairens Werken hakte dieser Abauziten zu danken. So frey lctztrer in seinen Nachforschungen gewesen, so zurückhaltend war er. Harmlose Ruhe zog er geräuschvollem Ruhme weit vor, und mit unverfälschter Bescheidenheit verband er das menschenfreundlichste Wohlwollen. Gegen dem Ende seiner Tage zog er sich noch mehr in die Einsamkeit zurück: unweit Genf starb er auf dem Lande Anfangs des Jahres 1768. Zu Abauzits Leben. Aus einem Schreiben des Pros. Vcrnets. Ends des Jahres 1767 verlor ich meinen Abauzit. Ihm hatte ich vieles zu danken. Er war eben so verch- nmgswürdig durch seinen moralischen Charackter, als durch seine unbegränztc Gelehrsamkeit. In gleich hohem Grade besaß er Gedächtniß und Urtheilskraft. Sein stilles, einförmiges Leben beschrieb einer seiner Freunde, der Advokat dc Vegobre, an der Stirne einiger von seinen Abhandlungen über die Religion, die >m I. 1770 zu Genf gedruckt sind. Unter diesen Abhang lrmgcn befindt sich auch ein Versuch über die Apokalypse den ich von seiner eignen Hand halte. Man steht daraus, daß, wenn Abauzit in jüngern Jahren an der Canonier-? tät dieses Buchs gezweifelt hatte, er seither hierüber seine Meynung änderte, und zwar nicht allein wegen der Ein. Wendungen, die ihm im I. 1752 von einem gelehrten Dritten, Leonard Tcvels, gemacht ivvrden, sondern auch, weil er mit Ligtfoot, Vitringa und andern (nach der syri- scheu (Übersetzung und nach dem Epiphanias) den Schluß machte, daß das Datum dieses Buches keineswegs, wie man gewöhnlich glaubt, aus Domitians Zeiten sey, son' dern vielmehr aus den Zeiten des Nero, wo der Tempel zu> Jerusalem noch nicht crstört war. Aus gramatjschen Anzeigen bcwicß er, daß jene Stelle des Jrenäus, welchs die Verbannung des Johannes nach Pathmos in Demi, tians Zeitalter setze, mißverstanden worden. Dieses brach, te ihn auf die Gedanken, daß eines der merkwürdigsten Stücke der Apokalypse (Kav. XI. flg.) nichts anders sey, als die Erweiterung der Weissagung Christi bcv Malth». XXIV. von den Schicksalen der Juden, in der Schreib, art Ezcchicls und Daniels, die bey solchen Fällen pflegte nachgeahmt z» werden. Auf solche Welse macht er die vier Reuter, von welchen gcredt wird, zu den vier letzten römischen Rittern, Felix, Fcstus, Albin, Floruö, welche in Judäa regierten. Das Thier mit seiner Herrschaft von l26o Tagen macht er zum Sanhedrim. Alles dieses klärt er durch historische Umstände mit gleicher Belehr, samkeit auf, die er auch bey Auslegung des Xltcn und Eilten Kap. des Daniels an den Tag gelegt hatte. Hieraus begreift man, daß Johannes bey Ankündigung so. naher Begebenheiten, aus Klugheit sich eben so, wie Ezc. chiel, in alcgorifchenSchleyev habe einhüllen müssen. Auch begreift man, daß diese räthstlhafte Schrift anfangs nur wenig Händen anvertraut und nicht so bald, wie die gn, den, Bücher des N. Testaments bekannt gemacht worden 278 WauzitS Lobrede find! man auch bey Servan, dem General - Advokat des Pariements von Grenodle, in sei, ncni Reüexians lur les Lonfesslons L le8 Lromensries äs ü. s. Rousseau 178;. In dem schönsten Kontraste zeigt Servan die friedliche Weisheit Abauzits mit Rouffeaus wildem, romantischen Genie. Nichts desto weniger be, merkt er s. rü 6 zwischen beyden die auffallendesten Aehw. lichkeiten. Bouifa; Amervach. ^ Gebohken zn Basel im I. 149?. Sein Vater Johann war der erste Herausgeber der Werke des Auqustins und Hieronymuü. Um seinen typographischen Arbeiten desto mehr Zierlichkeit und Genauheit zu geben, bediente er sich der Bcyhilfc der gelehrtesten Männer, eines Franz WylerS, eines Dodoncus, Cvnr. Pellicans, Erasmns, Conon. Lange Zeit hielt sich leztrer in seinem Haus auf und unterwies seine drey Söhne. Unter der Aussicht dieses Co» nons brachte es der junge Bonifaz in der lateinischen und griechischen Spräche 10 weit, daß er schon im I. i;r; zum Magister erklärt werden konnte. In dem väterlichen Hause genoß er häufig den Umgang des grossen Eras- mus. ** Von diesem ward er zum Vollzieher seines leiten Willens ernennt, auch erhielt er von ihm seine Schaumünzen und andere alte Münzen, Kleinodien, Seltenheiten, nebst dem baarcn Gelde und den Schuldverschrer- bungcn, jedoch nicht zu eigenem Gebrauche, sondern damit er gemeinschaftlich mit Hicronymus Frobenius und Niclaus Eviscopius den Ertrag davon theils unter alte, * S. Reiilneri Icollez , Reimanns deutsche Litterarhistorie, H>tkease ssauriese u. s. w. ** S. Bayle viÄionn. und Samuel KilightS Leben des Erasmus. MM MM AM - - . unvermögende, kranke Personen austheilen^ theils zur Ausstattung armer Töchter und zur Unterstüzung unbemittelter Schüler anwenden möchte. Für seine eigne Person hatte Amerbach ein besonderes VcrmäMniß, und frcywillig verwendete er groffentheils auch dieses zur Er, leichkerung des menschlichen Elendes. Nachdem er zu Freyburg in Ulrich Zasen Hause, wie auch hernach in Italien und Frankreich tiefe und «usge« breitete Kenntniß der Rechte und Gesetze erworben hatte, wurde ihm im Jahr i;?; der juridische Lehrstuhl in Base! anvertraut. Bey schwierige,n Händeln ward er der Rath» geb der Regierung, und nicht ohne Verdienen erhielt er den Namen des Baslcrschcn Pavinians. Er hatte sich mit Mactha Fuchs verhcuralhet; nebst dreyen Töchtern gebühr sie ihm auch einen Sohn, Basilius, einen Erben der Verdienste des Vaters, auch dessen Colleg und Mitge- fthrie bey einer wichtigen Gesandschaft an den Bischof von Basel. Bey der Glaubensverbesserimg ergriff Bonifaz Amer, dach sogleich die Partey der Refornnrtcn, ungcachlet- noch so viele andre, auf Unkosten der Gcwlssensruhe, die innern Gesinnungen des Herzens verbargen. Wege» Blödigkeit des Gesichtes und heftiger Kopfschmerzen that er im I. i;;i Verzicht auf sein acade- mischcs Lehramt. Er starb den 24. April i;6s. Sein kostbarer Büchcrschatz, nebst seiner Sammlung alter Münzen und anderer Seltenheiten kam in die Hände seines Eydams, Ulrich Jsclins, und seines Sohnes Basilius ; nachher wurde damit die Universitätsbibliothek bereichert. In der Bibliothek befinden sich seine Korrespondenzen und andre wichtige Handschriften. Vsn ihm hat man verschiedene Abhandlungen, z. B. wie auch 70 » rx" und kpiüolsm clc urbo Lolilen, welche n, Scb. Münsters Cosimographle eingerückt worder;. « Peter Viret. Derselbe wurde zu Orbe, einer Municipalffadt des Bernerschen Kantons im I. i;n. gebohren. Nachdem er bey Hause den Grund zu den Studien gelegt hakte, setzte er dieselben in Paris fort. Daselbst neigte er sich auf die protestantische Seite. Nun mußte er aus Frank» reich entweichen. Auf Farcls Antrieb trat er bey seiner Heimkunft in den geistlichen Stand; feine Acltcrn bewog er zur Annahme der evangelischen Lehre. So wol in feiner. Gedurtsstadt als in den benachbarten Gegenden sieng er an, diese Lehre zu verbreiten. Zum ersten male predigte er zu Orbe den s. May i;;r. Ein Jahr hernach empfiengen schon i? Personen aus seiner Hände das Nachtmahl. Mit gleichem Eyer pflanzte er Schüler zu Granson und Pctterlingen; grossen Wiedcrstand fand er an leztcrm Orte; daselbst ward er im I. i;;;. von einem Priester auf öffentlicher Strasse vcrwundt. Im I. i;?4 begab er sich in Begleit der Bernerschen Gesandten nach Genf. Mit Farcl beförderte er die Rcligionsände» rung. Darüber zog er sich den priesterlichen Haß zu. Auf Anstiften eines Dohmherrn wurde Gift in seine Speisen gemischt, so daß er zwar mit dem Leben davon kam, jedoch nicht ohne grosse» Nachtheil seiner Gesund» hctt. Von da begab er sich nach Ncuschatcl. Im I. i;;6. wollt' er auf Farells dringende Bttren wieder nach Genf zurückkehren. Unterwegs hielt er sich in Lausanne auf. Alles Wicdcrstands ungeachtet, beförderte er in dieser Stadt die Reformation. Daselbst war er zum Pfarrer erwählt. Diese Stelle verwaltete er bis zu« I. i;6r. Nicht ohne Mühe bewilligten ihn seine Laufs»- nrr für sechs Monate den Genfcrn. Nachher ward er wieder nach Laufanne zurück berufen, und gieng, mit -- L^r obrigkeitlicher Erlaubniß, aufs neue bald nach Nimcs, bald nach Montpellier, bald nach Lion, um aller Orten durch heilsame Rathschläge der Kirche zu dienen. In der Geschichte der rcformirten, französischen Kirchen be- f.ndt sich ein Sendschreiben, von Nimes unterm rz. Jänner 1562. datirt; in demselben ermähnt Viret das Col- loquium zu Montpellier, daß man die Reformirte zur Ergebenheit gegen den königlichen Hof antreiben solle. Weit entfernt also war er von aufrührischcm Parteygeisi, ungeachtet er im. I. i;6;. zu Lion sogar auf offener Straffe, und nicht ohne Erfolg die reformirte Lehre verkündigte. In gleichem Jahre wurde den Hugenotten von Karl IX. verboten, ausländische Prediger zu halten; Viret begab sich also erstlich nach Orange, und hernach ward er von der Königin Johanna von Navarra nach Bear« gescndt. Irgendwo in diesen Gegenden blieb er einige Zeit in verhaft; d'Aubign- erzählt, daß die Hugenotten im I. i;Sy. eine gewisse Stadt erobert und den Gouverneur unter keiner andern Bedingniß frey gelassen haben, als in wiefern auch er dem gefangenen Viret zur Entlcdigung aus dem Kerker bchülflich seyn werde. Vi« ret starb im Jahr 1-171. nach Einigen zu Pau, nach Andern zu Orthez. Er hatte sehr viel geschrieben, und mit besondcrm Erfolg sich gegen die Mißbräuche des Papsiums der Salyre bedient. Is sutem Viretur erst, schreibt Verhciden, * gw mMcsm illsm kspiltsrum Pheo. logism cognitsm ksbebst: gusmrsrlis likrls explicsnr leÄori rilum strpe wovor.-körte intsr lincerio- rez Pheologos nullus 5uit, gui mxliicum illuä romsni Iov>8 regnum ffs »peruit . Oislngi 6 s sonkukione 1 Vlun 6 i. Lenk. 154;. 8 vo. Txpoütion für 1 s 8ymbole äs8 Lxotres. Lenk, 1546. Hvo. Oemonstrstio ksÄa stäelibu? intsr kapistsb, prLsipus nulicis L in äignitste constirui8, guomosto offenäunt Deum, negus fe tsmere csrchcisnt in perisulum vilse L psrlecutionum. Lenf. 1^46. gvo. Os 1 s Vertu L IlksAS 6u 8t. Nirullere ni>8 sc pr»kertim cum Lsptikmo, Ruptii8, hliikrr, kuncribu8 »L exeguiib. Lenk. l>^l. 8va. Lxposttio ksmilisri 8 orütioni 8 äaminiske. Lenk. 1551. 16. He nsturs L 82crsmencorum. Lenk. 15^,4- kc>1. .-.— 28 ? Ocnta äs tliestrica missL 8sItLtkolis cx vetsribu» kostis latinis conssreinstus. 6snf. i;e;. fol. Oilserencs L Lonkerencs äs la lVlesse. 6en5. l;? 4 . 8vo. Lpirres aux stäsles xour les inliruirs Lc lss conloler. 6enf. irey. in l 2 . Oc: I» vraie ksulls KsiiAion touckant Isr vcsux —> L I'Lxcommunication — item äs 1» üloineris tsnc äss äuiks gus äss ka^ens L äss lurss L äss kspil^ i;6o. 8vo. Oislogues sran^sis intitules: Os monäs sll»m ä 1'Lm» xire L le monäs vemoniscls. Oenk. i;6r. 8vo. Inkrucstion ckretienne. II. lom. Oenk. i;64- in toi, Lommentsrius in ^xoltolorum. vislosue 5ur la dlscromsntie. vs orig. veteris L novse läolstri-e. zvv. Oe vliicio dominis. Aniä spersnäum äs concilio universsli? verorum LS tslsorum 8uscsssolsm 5c5u LkiiW in sccleL xsxali. Johann Diodati. Aus einem adelichen Geschlechte von Lucca. Der Religion wegen hatte sich sein Vater nach Genf geflüchtet. Daselbst erblickte unser Johann Diodati daS Wcltlicht den 6. Jun. 1576. Auf Theodcr Vezens Antrieb über« nahm er schon nn neunzehnten Jahre seines Alters daS Professorat der ebräischen Sprache, hernach ward er Professor der Gotlesgclchrtheit, in gleichem Prediger der italienischen Kirche zu Genf. Im I. 1619. schickten ihn die Genfer nebst Theod. Tronchin auf die Synode nach Dordrecht. Bey dieser Unterhandlung gab er glän. iende Beweise von seiner theologischen Einsicht. DaS L84 Zutrauen gegen ihn war so groß, das man ihm zugleich mit noch fünf andern Gottesgelehrten die Verfertigung der Canons auftrug. Durch allzu anhaltende Anstrengung des Geistes hatte er seine Gesundheit geschwächt. Er starb den Ockob. ,649. im vier und siebzigsten Jahre. Er übersetzte die Bibel in die italienische Sprache und gab sie im I. 164,. mit Anmerkungen heraus; »y I. 1444. lieferte er auch eine französische Uebersctznng der Bibel. Ueberdieß hat man von ihm einige Psalmen Davids, in französischen Versen, wie auch die erste» französische Übersetzung von Fra Paolo Geschichte der Tridentinischcn Kirchcnversammlung. Man sehe Ph. Mestrezats kwgrsmm. kun. Spons fälst, äe 6snLve I.. HI. 6» ksul. kreirerr Iks-ltr. Viro- rum eruäitor. Iostas Simler. * Er wurde den 6. Nov. i?;o zu Kappel, einem Kloster in dem Kontor, Zürich, geboren. Wegen der Krie- gesgefahrcn ward er sogleich nach Zürich versezt. Sein Vater war Peter Simlcr, ein frommer und gelehrter Mann, ein Vertrauter des grossen Bullingers. Nach der Glaubensverbcfferiinq beschäftigte sich der bisherige Abt zu Kappel, Wolfgang Joncr, beynahe nur mit geistlichem Un. terricht; ganz unumschränkt überließ er Peter Smunler, die weltliche Klostcrverwaltung. Dieser brachte sie nach der unglüklichen Kappelerichlacht wieder in Ordnung und sorgte vorzüglich für die Errichtung einer brauchbaren Schule. Nach gänzlicher Sekularisirnng des Klosters, wiedmcte auch er seine übrige Lebenszeit dem Predigamt. * 7». 6uilie1en 8tuekü vitrm lot. Limleri HZ. sxuil. kr»- tekvv. ,577. 4to» Er starb den y. Jul. 1557 im ein und siebzigsten Jahre des Alters. Zwey Jahre vorher hatte er seine Gattin, Verena Huser, verloren. Nachdem der junge JosiaS Simler unter Aufsicht deS Vaters zu Kappet den Grund zum Studircn gelegcl hatte, kam er im I. 1544 im vierzehnten Jahre des Alters nach Zürich zu seinem Tanfpalhen, Andrstes Bullingcr. Nach zweyjährigen Aufenthalte in dem Hause dieses leztern, begab er sich den i;. Merz 1546. zur Fortiezung der Studien nach Basel. Hier gcrielh er in Bekannschaft mit Borräus, Amerbach, Münster, Acronins, Curio, Castellio u. a. Wohnung halte er bey Conrad Lvkosthe, neö. Ein Jahr hernach begab er sich nach Straßburg, woselbst er den Umgang des Joh. Sturm, Peter Mac» tyrs, Buccrs, Fagius, Herlmus, Sevenus, Dasipo- dius, Hcdio, Niger, Conr. Huberts und anderer Gelehrten zu gemessen Gelegenheit hatte. Beynahe zwey Jahre blieb er da, und wiebmcte sich mit Eifer jeder Wissenschaft, jedoch den schönen weit mehr als den theo. logischen. Endlich kehrte er den 20. Fcbr. i;4y. nach Zürich zurük. Hier studierte er die Theologie unter Bib- liandcr, Pellikan und Martyr; das Ebräische unter Sebastian Guldenbcck; auch übte er sich im Predigen und im Schulunterricht. Sonderheitlich Conrad Geßnern unlerftüzle er fleißig, und für ihn hielt er bald arithme. tische, bald geometrische, bald astronomische Vorlesungen. Im I. i;;2. im zwey und zwanzigsten Jahr seines Alters begann er seine exegetischen Vorlesungen über die Bücher des neuen Testaments. Den 28. Merz 1557 erhielt er daS Diaconat bey St. Peter, sezte aber sein exegetisches Collegium immer noch fort. Bey den überhand ncmmen den Altersschwachheiten des Biblianders, vertrat nun er seine Stelle und wurde Kollege seines ehemaligen Lehrers, des Peter Martyrs. Den r?. Im,. i;üz. wurde er Bibli, L86 anders wirklicher Nachfolger. So vortreflich seine Vor» llefungen waren, so war er doch zu bescheiden, um etwas davon drukcn zu lassen. Nicht ohne Mühe beredete man ihn, seinen Commentar über den Exodus ins Reine zu schreiben. Um so viel weniger warf er seine Vorlesungen zu Papier, je sicherer er sich auf sein ausserordcntlicheS Gedächtniß verlassen konnte. Geßners Bibliothek, die er selbst beträchtlich vermehrte, konnte er beynahe ganz auswendig. Ungemein erleichterte er sein Gedächtniß Lurch die Genauheil seiner Urtheilskraft uud durch ord» riungsvolle Methode. Da er wegen öfterer Anfälle von Podagra sehr oft zu Haus bleiben mußte, so verkürzte er sich auf dem Kran. kenlager die Zeit mit Verfertigung verschiedener Schrif» !en. Wenn er vor heftigem Schmerzen am ganzen Leib kein Glied regen konnte, so brauchte er wenistens die Zunge, um, ganz ohne alle Bcyhilfc der Bücher, bloß aus dem Gedächtniß zu diktiren, was er unter die Presse hinschiken wollte. Seine Schriften waren theis theologi» schcn, theits mathematischen, theils historischen Jnn- halts. Zu den theologischen gehören die drey Bücher von dem ewigen Sohn Gottes gegen die neuern Arrianer, Tritheiten und Samosatencr; hiezu kommen zwey Bü» eher von dem heiligen Geiste, nebst einer Auslegung der rechtgläubigen Lehre von der Vereinigung beyder Naturen in Christo gegen Simon Budnäus. Gleichwie er auf der einen Seite die Gottheit Christi gegen die Arrianer und Socinianrr verthaydigte, so.verthaydigre er auf der andern Seite seine wahre Menschheit gegen die Wiedertaüfer, Schwenkfeldianer und Ubiquitisten; Zugleich edirte er über dieses Dogma die ältesten Kirchen* lehren mit Anmerkungen. Auch ist er Verfasser der Apologie für die Diener der Zürchcrfchen Kirche gegen die Jnvectiven des Jacob Andreä, und der Antwort 28 ? sn Andreas Musculus wegen der wahren Gegenwart des Leibs und Bluts Christi im Nachtmahl. Endlich lieferte er auch am Ende seiner Lcbensgcschichte des grosse» Bul. lingers so wol desselben als der übrigen Züricherschcn Lehrer Apologie. Noch gehören hieher seine Erklärung über das Mittleramt Christi gegen Franziscus SrancaruS, und seine lateinische Uebersezung einiger deutschen, Bul, tingcrschen Schriften gegen die Anabaptisten, nebst vielen andern. Zu Simlers mathematischen Büchern gehören feine zwey Bücher von den Gründen der Astronomie; auch übcrsezte er aus dem Deutschen in das Lateinische Johann Bluons Beschreibung der fünf verschiedenen Säulenwerker. Besonders stark war er in der Historie und den Hilfswissenschaften derselben. Von ihm hat man drey vortrcfliche Lebensbeschreibungen, nämlich Bullingers, Conrad GcßncrS, Peter Martyrs, auch eine vermehrte und berichtigte Ausgabe von Gcßners Bibliothek. Ueber, dieß schrieb er Anmerkungen zu Acthicus Cosmographie, die vorher niemals edirt war, und zu Kayser Antonius Jtinerar. Vorzüglich verdient machte er sich um die vaterländische Geschichte durch seine zwey Bücher von der Republik der Hclveten, durch die Beschreibung deS Walliserlandes und der Alpengebirge. Er stand in genauem Briefwechsel mit dem grossen Aegidius Tschudi, und gleichwie dieser die vaterländische Historie in deutscher Sprache bearbeiletete, so bearbeitete sie Simler in der lateinischen. Vsläe gutem , sagt ihr Zeitgenoß, Joh. Wilh. Stucki, luam L inlciarim L instßuem cum ergo patriam, tum erxa kos ixlos illius louäis acgue Zlorise prsecones lnxrstituäinem proäuut, gui moäi egregios xstri» 686 sah sich sein Vater aus Frankreich vertrieben. Nur sein Weib und sein kleinstes Kind kvnnre er retten. Unser Johann Barbeyrack hingegen, ein Knab von zwölf Jahren, blieb zurück bey seinem Bruder Karl, einem Arzte. Unter dem Vorwand einer Reise zu seinen Verwandten nach der Provence, begab sich der junge Johann im I. isgs unter vielen Gefahren nach Lion. Von da kam er nach Gens, und endlich zu seinen Aelteru nach Lausanne. In dieser Stadt genoß er des akademischen Unterrichts und wiedmete sich der Gottesgelehrthcit. Indeß waren daselbst seine Äeltern ge» storben. Im I. 169; kam er nach Genf und studirte unter Anleitung des Ludwig Tronchins, Bened. Calan- drins und Bened. Pidlcts. Gegen Ende dieses Jahre- * U, Mhlefs Gesch. jetztlebender Gelehrten, Lbl- I- WMMÜM ^üüü^ü^üüü L8, kehrte er nach Lausanne zurück und wanderte alsdcnn mit seinen Geschwistern nach Berlin. Er ließ ste daselbst und begab sich nach Frankfurt an der Oder. Ungeachtet er sich dem geistlichen Stande gewiedmet hatte/ blieben doch immer d e schönsten Wissenschaften seine liebste Be. schäftigung. Im I. »697 erhielt er eine Stelle bey dem französischen Gymnasium in Berlin. Nach und nach cnt, fernte er sich von den theologischen Studien und zählte sich nicht länger unter die Geistlichen. Vornemlich be, fließ er sich der Rechtsgelehrtheit. Er übersetzte den Pufen- dorf ins französische und erläuterte sein Werk mit An. merkungen. Im I. 17»« errichtete die Obrigkeit zu Bern auf der Academie zu Lausanne einen neuen Lehrstuhl der Rechte und der Geschichte. Diesen Lehrsiuhl bestimmte sie für Barbeyrack. Willig übernahm er dies Amt und freute sich an einen Ort zurück zu kehren/ den er für sein zweytes Vaterland ansah. Seine Installation verzog sich bis zum I. 1711 weil der Stifter dieses neuen Lehramts/ Joh. Jakob Sinner / abwesend war. In seiner Antritts, rede handelte der neue Professor von der genauen Verwandtschaft der Rechte mit der Geschichte. Im 1 .17» ernennte ihn die königl. Gesellschaft in Berlin zu ihrem Mitglied. Im I. 1714. ward er zu Lausanne Rcctor der Academie. Als solcher/ hielt er in der Unterschule einige französische Reden, die man zuvor in lateinischer Sprache hielt. Als Haupt der Academie/ sah er sich in die Streitigkeiten wegen der kormuls conlenlus verfloch. ten. Ungeachtet des Feuereifers der Orthodoxen/ gestat. tete er, daß man diese symbolische Schrift nur Bedin. gungSweise unterschreiben durfte. Diese Toleranz zog ihm Haß zu. Er verthaydigte sich gegen seine Versol. fler. Man sehe hierüber die ülemoires pour lervir a l'kiüoire ckea rraubies »rnvess en Luills, l'oecstwn üa T Konsensus, die zu Amsterdam im I. 1716« herauskamen- und die man unserm Barbeyrack zuschreibt. Im I. 1717. erhielt er einen Beruf als Lehrer der Rechte nach der hohe» Schule zu Groningen. Um so viel lieber folgte er diesem Beruf , da ihm seine toleranten Grundsätze m Lausanne Verdruß zugezogen halten. Er reifere über Genfund Paris. In Groningen handelte er in seiner Antrittsrede von der besten Methode bey dem Studium der Rechte. Einst zeigte er, daß die Vater der ersten Kirche schlechte Sittenlehrer gewesen. Remigius CciMer, ein Benediktiner, verthaydigte gegen ihn die Vater der Kirche. Barbeyrack setzte ihm eine besondere Schrift entgegen. Ohne Namen erschien auch im I. 17;?. im Haag eine Schrift: Lslotiou äe ce gut s'eL passe äsmr rme assemblee teuüs »u bs« äu parnslls, pour la reforme äes belle« lettrer , in Form eines Gespräches zwischen Barbeyrack und lc Clerc werden die Schwächen der Kir, chenvätcr gerügt. Unter BarbeyrackS Schriften erwähnen wir folgender: In den nouvelle« äe la republigue äe« lettre«, vom I. 1702. liest man von ihm einige kritische Anmerkun, gen über Aristophanes Wolken. In dem gleichen Tage. buch und in eben dem Jahre lieferte er Obleivatian« «ilrigue« 5ur guelgues pastazes ä'Liren, äe Eueren, A: äs TVrom-rr, !e Älsitre. Von seinem vroit äs la nsturv L äs« Lcns erschienen fünf verschiedene Ausgaben. Auch ward dieses Werk ins Englische und Deutsche übersetzt. Eben so erschienen «uch mehrere Ausgaben von seiner Uebersetzung von Puffendorft komme Sc Live, welches Buch er gleichfalls rnit Erläuterungen begleitete. Ferner lieferte er eins französ. Uebersetzung von Noodts Abhandlung über die politische Macht und über die Gewissensfteyhrit, nebst «ismea Zuiatzen. Von ihm hat man auch eine französische Übersetzung von Tillotsons Predigten. Iin I. 170.). rückte er in die Libliotbegue cliolsie sein Ickojeick 6'une nouvelle eäckion cis Imerece ein. In gleichem Jahre erschien Hacke 6» seu, oü I'on examlne !e« xrincipsleb gueckionb cle 6roit naturel ! LMWW WUtz MA «W»» H-M einem Hauplmann deS Prinzen von Oranien. Nassau vermählcte. Barbcyrack starb zu Groningen den März 1744. Jacob Bernoulli. * Derselbe wurde den 27. Christmonat r6;4. zu Basel -ebohren. Sein Vater und seine nächsten Verwandte be. kleideten ansehnliche Stellen im Staate. Der junge Bernoulli ward zum Predigramte bestimmt; er lernte latein, griechisch» scholastische Philosophie; nichts von Geometrie. Von ungefehr fielen ihm geometrische Fi. guren unter die Augen; auf einmal ward er hierüber gleichsam bezaubert. Nicht ohne Mühe erhielt er mache« malische Bücher; auch las er sie nicht änderst als ver. stolen; in der Meßkunst halte er keinen andern Lehrmeister als sein eigenes Genie. Ohne wettern Unterricht erhob er sich selbst bis zur Stcrnkunst; alles dieses geschah wieder den Willen des Vaters; um seine Lage zu schildern; wählte er zum Sinnbild den Phaeton, wie er den Son. ncmvagen regiert» mit der Umschrift; Trotz der War, nung des Vaters durchreis ich die Sternen. Schon im achtzehnten Jahr hakte er sehr schnurrige, chronologische Probleme aufgelöset. Im zwey und zwan, zigstcn Jahr gieng er auf Reisen. Zu Genf lehrte er ein Mädchen, welches zween Monate nach seiner Geburt des Gesichtes beraubt worden, schreiben. Hiezu bediente er sich einer ganz neuen Methode, weil ihm die Carda» nische unbrauchbar vorkam. — Zu Bourdeaux verfertigte er allgemeine, gnomonische Tabellen. — Im I. isgo. kehrte er in seine Heimat zurück. Daselbst studierte er * S. Fontenelle Oeuvre«, Lumc V. Noxe äs klr. Kor-^ noulli. s. 9«;. fig. 294 —. - " die Philosophie des Cartesius. Von diesem Mann kernte er immer genug, um hernach mit Scharfsinn wiederlcgeir zu können. — Glücklicher Weise zeigte sich Ends i68->. eine Erscheinung, .die sehr geschickt war, den werdenden Philosophen zu üben. Der Comct, der damals so viele Gelehrte beschäftigte, veranlaßte auch untern Bernoulli zur Versendung seiner ersten Schrift, die er unter w> n, der Auflehnst herausgab: Lvnsmsn novt s^ftemsür cometarum, pro motu eorum lud cslcu'.um revocsnOo, ^ sppsrmonibus prssäicenäl. Die CemcteN hält er für Trabanten eines Planeten, die zuweilen in unserm Ge, sichtskrais erscheinen, ungeachtet ihr Planet selber, b.y seiner weiten Entfernung, sich immer vor unserm Auge verbirgt, daraus schließt er denn, daß die Wiederkehr dieser Comeren lange zum voraus kann vorhervcrkünbigct werden. Nach Bernoulli Berechnung mußte der Comet vom I. i68o. den 17. May. 1719. im 1. rr. der Wage wieder erscheinen. Im I. ,S8s. gab er seine Abhandlung ä« xrsvitsts Ltbsris heraus. Den Druck und der Schwere des Ae- Ihers schreibt er die Härrigkeir der Körper zu. Zu dieser Entdeckung gelangte er auf gleichem Weg mit Mallebran, che, ohne die Schriften dieses lctzttrn gelesen zu haben. Die Verfchwisterung der Meßkunst mit der Naturlehre schien ihm ungcmein wichtig; durch diese wird jene ge. meinnützig, gewiß und gründlich wird letzter durch strenge Anwendung der erster«. Die mathematische Be. Handlung der Naturlehre ward zuerst von ihm in Basel eingeführt. Mit dem I. 1684. entstand für die Geometrie eine neue Epoche, durch den neuen Diffrrential-Calcul des grossen Leibnitz veranlaßt. Ungeachtet dieser noch immer feine Methode geheim hielt, so ward sie gleichwol von unserm Bernoulli und scurrm Bruder nicht nur entdeckt, - . - 2-f sondern, nach Leibuitzens eignem Gestandniß, wirklich vervollkommnet. Im I. 1Ü87. ward Bernoulli auf der hohen Schule zu Basel zum Professor der Meßkunst erwählt. Die un- gemeine Deutlichkeit seiner Vorlesungen zog viele Fremde nach Basel. Als öffentlicher Lehrer hatte er vieles über die 8snes oder über die unendlichen Zah.'enrcyhcn geschrre« den. Archimcd scheint der erste die Summe eines unendlichen, geometrischen abnehmenden Fortschrittes gefunden zu haben; sehr sinnrich entdeckte er dadurch die Quadratur der Parabole; hierauf hatte Wallis seine Rechenkunst des Unendlichen gebaut; noch viel weiter wurde diese Thorie von Bernoulli und Leibnitz getrieben. Bcrnouüis Lieblingsstudium war die Berechnung des unendlich Kleinen. Vermittelst dieser Wissenschaft wurde eine bisher unbekannte Schöpfung, eine ncne Welt, nicht ohne schnurrigen und so gar gefährlichen Zugang entdeckt; »mermcßne Schätze wurden dadurch gewonnen. Der Diffcrcntial-Calcul führte auf die Integralrechnung. Ueber diese letzkre schrieb Bernoulli im I. i6-i. zwo Abhandlungen. Dieselben beziehn sich auf die Berichtigung und Quadratur von zwo verschiedenen Gattungen der Spirallinien; von der logarithmischen kam Bernoulli zu der loxodromijchcn; auf solche Weise gerieth er auf mehrere, neue und sinnreiche Entdeckungen in Absicht auf die Länge des Meeres und auf die Schiffahrt. Zu dieser Zeit beschäftigten sich die Meßkünstler mit dem Problem von der kleinen Kette, welches er auf die Bahn brachte. Nachdem Leibnitz, Hüghcns und Bernoullis Bruder dieses Problem aufgelöst hatten, so bewies er im I. 1692. daß die Krümmung der Kette der Beugung eines von Wind aufgeblasenen Segels gleich sey. Keine«, wcgs blosses Spieiwerk der Geometrie sind solche nähere Sy6 — — —- Bestimmung; sie dienen zur Beleuchtung mancher physischer und mechanischer Fragen. Vorzüglich gereicht ihm die Theorie der krummen, in sich selbst gekehrter Linien zur Ehre. Dadurch gelangte er zu einer bewundernswürdigen Eigenschaft der logaritb- mischen Spirallinie; er gerieth auf die Entdeckung von zwo allgemeinen Formeln für die ganze Catvptrick und Dioptrick. Aus diesen Formeln hatte er em Geheimniß gemacht, welches von L'hopital aufgedeckt worden. Als die königliche Akademie der Wissenschaften in Paris im I. 16--Y von dem König die Freyheit erhielt, ver. einigten sich sogleich alle Stimmen zur Aufnahm der beyden Bruder Bernoulli. Eben so wurden sie auch im I. 1701 in die Berliner-Academie ausgenommen, welche der Churfürst von Brandenburg errichtet und Leibnitz formirt halte. Ungeachtet ihrer Entfernung, waren sie sehr thäli. ge Mitglieder, wie die akademischen Jahrbücher beweisen. Von unserm Bernoulli find die Abhandlungen über den Mittelpunkt der Schwingung, über den Widerstand der festen Körper und über die Auflösung der elastischen , krum. men Linien. Ein edler Wetteifer belebte die beyden Bruder; wäh. rend daß unser Jacob Bernoulli Professor in Basel war, so war sein jüngerer Bruder Professor der Meßkunst in Gröningen. Jeder machte eine Preisfrage bekannt, welche letztrer sogleich zu beantworten im Stand war; er gab aber die Auflösung ohne Zergliederung. Sein Bruder in Basel fand sie zum Theil von der scini, gen verschieden und wünschte die Analyse zu sehn, um den Grund von der verschleimen Auflösungsarl entdecken zu können. Allein so wol in Absicht auf die Richter des Wettstreits als auch in Absicht auf die Richter auf andre Umstände erfolgten Schwierigkeiten, die nicht beygelegt worden; das Problem betraf die Isoperimetrischen Figuren. Bernoulli war es, der in Basel die Ausgabe der Geometrie deS Des-Cartes besorgte. Dieselbe begleitete er mit sehr lehrreichen Anmerkungen. Wegen seines Atzenden, arbeitsamen Leben ward er frühzeitig von dem Podagra geplagt; endlich verfiel er m ein Schleichstcber, woran er den r6. August »70? im ein und fünfzigsten Jahr seines Alters starb. Er befahl , daß auf ftm Grab eine logarithmische Spirallinie zum Sinnbild angebracht werde, mit folgender Aufschrift r Lsäem mutsta relurgy ; dadurch gab er ungcmein glück» lich seine Hofnung der Auferstehung an den Tag. Er hatte ein grosses Werk 6- ^rrs «onjeÄsnäi volle», det; allein dasselbe ward von ihm niemals zum Drucke befördert. Weiter als bey Pascha! und Hughens ist in diesem Buch die Berechnung der Spiele des Zufalls ge, trieben; diese Berechnung wendete Bernoulli auch auf moralische und politische Gegenstände an. Unser Meßkünstler war von gallichtem und melancholi. schein Temperament, welches so wol durch anhaltendes Ctudiren erzeugt wird als zu demselben geschickt macht. Bey allen Untersuchungen war sein Gang langsam, aber sicher; weder sein Genie noch der glückliche Erfolg seiner Bemühungen konnten ihn allzu zuversichtlich gegen sich selbst machen; nichts machte er bekannt, was er nicht vielmal hin und her gekehrt hatte; niemals vergaß er der Achtung gegen das Publikum, welches selber so voll Hochachtung gegen ihn war. Im dreyßigsten Jahr hatte er sich verheyrathet und einen Sohn und eine Tochter hinterlassen. Ausser der Stelle, welche unserm Bernoulli bey der kayserlichrn Akademie zu St. Petrrsburg angetragen worden, hatte er noch verschiedene andere auswärtige Berufe ausgcschlagen, z. B. dik Stelle eines ordentlichen Mitgliedes, wie auch hernach eines beständigen Secrctairs 298 bey der Akademie in Berlin. Zur Ablehnung- dieser und andrer Sollen bewogen ihn theils die Liebe- zum Vaterland, theils die kindliche Zärtlichkeit gegen Aelrern, die ihn ungern in ihrem hoh;n Älter vermißten. Den 4 Fehr. 1747. wurde er der königl. Societät, in Berlin, wie im I. 17;;. der helvetischen, gelehrten Gesellschaft, im I. 17;;. der Akademie zu Nancy, die von dem König Stanislaus aufgerichtet worden, im I. 1782. als auswärtiges Mitglied der königl. Akademie der Wissenschaften zu Paris einverleibt. — Ausser andern akademischen Geschäften, übernahm er auch um Falknern im I. 1712. eine Gesandtschaft im Namen der Univcrsi, tät an den Bischof von Basel. Als im I. 1774. dir wichtige Stelle eines Stadt-Consulenlcn erledigt wurde, und sie, nach dem Gebrauch in Basel, unter dreyen von der Obrigkeit zu ernennenden Rechtsgclehrlcn, einem derselben durch das Loos zufallen sollte, so war BernoM der erste, welchen die Obrigkeit in das Ternarium ernennte. Im I. 1744. hatte er sich mit Snsanna König ver. heurathet. In dieser Ehe wurden ihm fünf Söhne ge- bohren, Johann, B. R. D. und königlicher Astronom in Berlin, der durch verschiedene Schriften berühmt ist; Emanuel, ein Handelsmann; Daniel, Doccor der Arzneykunst und Pros. der Natnrlchrr; Nicolaus, «in Ehymist, und Jacob, B. R. L. Diesen fünf Söh. neu ist das Bildniß des Vaters zugeeignet, welches im 1 .1767. von dem geschickten Baslerkünstler, Ulrich Sam. son, verfertigt worden. Nicht ohne glücklichen Erfolg hatte sich Bernoulli an die Auflösung verschiedener Preisaufgaben der Partsifchcn Akademie gewagt, so r. B. erhielt er im I. 17)6. den Preis eirer Abhandlung über die Fortpflanzung des Lichtes; im I- r-?;?. zugleich mit seinem Bruder Daniel den Preis wegen Erfindung der tauglichsten Meer-Anker; im 1 .1741. den vierten Theil des Carbestan; im 1-746 den dritten Theil des dreyfachen Preises von 7500 Livr. wegen einer Schrift über den Magnet, die er gemeinschaftlich mit seinem Bruder herausgab, unter der Aufschrift : diouvesux Principes äe Nechanigue ^?-' ' O>- ->.. r'---. V. ' .?» ^ ..^O' ^-2. ^ ? »§ k» » >>G- . »- i ^i-'- - >> ' ,^E> >>6 '-* ' .r>r . ..n »>.? ^'»S«L <«-» MW Wd 7'^ ' - . ^ ^ » >« »^ -4 ^ ,.M ^ - >'Hr^ '». 7 ' Ok^- "' -7-»' / >'-U- ;' «» » Helveticas Berühmte Männer in Bildnissen von Heinrich Pfenninger, Mahler, nebst kurzen biographischen Nachrichten von Leonard Meister. Zweyte Auflage besorgt von I. C. Fäsi» Zweyter Band. Zürich 179 y. Im Verlag von Hei nrich P fenninger Mahler. » » » ibl!^>>> >>('01^X18 >'0N Nieolqus von Flüe.*) Derselbe war aus angesehenem Geschlechte von Sareln im Umerwaldner-Canwne. Noch zeigt man in der Kirche zu Kernz den Taufstein, bey welchem er im 1.1417. den 21. März getauft worden. Die Kindheit verfloß dem stillen, fleiffigm Knaben unter den Geschäften und auf den Triften des Vaters. Von seinen Altersgenossen hat er das Zeugniß, daß sie ihn niemals weder unzufrieden gesehn, noch von seinen Lippen ein »«wahrhaftes oder unanständiges Wort gehört haben. In seinem männlichen Alter wohnte er dem einheimischen Kriege und den eydgenösischen Feldzügen gegen Siegmund von Oesterreich bey. Damals soll er das Kloster Caiharinathal bey Diessenhofen vor der Einäscherung verwahrt und die unbändigen Sieger gelehrt haben: „Freund- » de, wenn Ihr den Sieg mit Gott erkämft habt, so schont des »Besiegten! „ — Nachher bekleidete er eine Rathsstelle im Lande; unbeweglich schlug er die höchste Würde eines Land- ammannS aus; unvermögend nämmlich glaubt' er sich zur Verbesserung der herrschenden Mißbräuche, und durch fruchtlosen Eifer besorgte er vielmehr Erbitterung als Einmacht zu stiften. Bey solcher Lage der Sachen ließ er sich theils durch natürlichen Hang zur Andacht, theils durch den Genius der Zeiten, ungefähr in seinem fünfzigsten Jahre, zur Erwählung eines einsiedlerischen Lebens verleiten- Noch sieht man über der Thüre seines ehemahli- ligen Wohnhauses das Gemählde seines Abschiedes von Weib und Famillie, mit einer Aufschriftl, woraus sich erhellet, daß er im I. 1467. sich von seiner Gattin uud von fünf Söhnen und eben so viel Töchtern, nicht ohne S. Helm. Almanach vom 2 - 1780. wie auch Lebensbeschreibungen heiliger Seelen, B. I- und Arnolds Leben der Eläubigcii, nebfi dessen Kirchenhistorie Th.lV.Sen. n. No- iS, A innern Streit zwischen Natur und Menschheit und zrvr« schen religiösen Gewissenstriebe, losgetrennt habe. Umsonst daß ihn dieser letztere in den Wüsten, bald an der Reuß bald an der Aare, hin und her trieb: sein Herz zog ihn zurück; wenn er auch dem Eremilcnbcruf treu bleiben sollte, so konnte es nur in der Nahe bey den Seinigen geschehen, um auch in der Abgeschiedenheit noch immer für diese zu leben. Zum Aufenthalte walt' er sich also das Nanft, ein enges Bergtobel indem quellenreichen Melch- thal. Hier war ein Bret sein Lager, sein Polster ein Stein, sein Dach anfänglich ein grosser Lerchenbaum; nachher bauten ihm seine Landsleute eine Hütte und eigne Kapelle, obgleich er seine Muterkirche zu Sareln fleißig besuchte. Weit und breit hatte er sich durch Betten und durch aus- serordenttiches Fasten den Ruhm eines Heiligen erworben. In der Nähe hatten sich seine Gefährten, auf der einen Seite Ulrich von Bayern, auf der andern Seite Cecilia von Kerns dem gleichen Eremitenlcben gcwiedmet. Den Thaücutcn von Unterwalden und den Pilgrimen, die zu seiner Zelle Herbeyflossen, gab NiklauS die heilsamsten Erinnerungen; die Tugend machte-er zum nothwendigen Beding einer höhcrn Seligkeit. Der Kern seiner Sittcnleh- re bestand darinn: ,, Liebe ist die Mutter aller Tugenden „ im Himmel und auf Erde; an allen ihren Jüngern ans- „sert sie sich sichtbar; an dem Unterthan z B. durch Gehorsam; an den Obern durch Gerechtigkeit. Jeder sey ,, treu und fleissig in seinem Stande; nur wenige (sagt er,) „ sind zu dem meinigen berufen. — Man ehre die Prie- „sterschaft, auch selbst die unwürdige; es ist gleich viel, „ ob lebendiges Quellwasser durch Bley oder durch Gold „ rinnt.,, Auch er selbst that beynahe keinen Schritt, ohne Rath und Beystimmung einiger, benachbarter Priester. Zwar unterhielt er sich gerne auch mit Andern über d;e heiligen Geheimnisse: doch nicht selten sprach er: „ Fragt »nicht den Mann, der weder schreiben noch lesen kann; »fragt enreLehrer!» Das Leiden des göttlichen Erlösers bar er jedermann im Herzen zu tragen, als den größten Trost in der Stunde des Todes. Einmal bestrafte er die Eifersucht einer Frau, die Hoffarth einer andern und den Mmhwiü eines im burgundischcr Ausbeute glänzenden Landmanns. Sein gewöhnliches Gebeth war: » O Gott: »nihm mich mir, und gieb mich ganz zu eigen dir!» Den EidSgenoffen empfahl er die Eintracht! „Auch bey Euch, »meine Freunde, sprach er, leite die Liebe alles zum Be- » stcn. Unfriede zerstöhrt und wird zerstöhrt; darum stellt »nach dem Frieden. Einigkeit hat eure Feinde geschlafen und Euch in Ansetzn gesetzt; Eigennutz kann Euch »trennen. Wessen Glück sich auf Erde vermehret, wie »das eure, der soll zufrieden und Gott dankbar seyn, so »mehrt es sich auch noch im Himmel. Greift niemand »feindlich an, aber wiederseht Euch der Gewalt und beschützt Witwen und Waisen gegen Ueberdrang wie biS- »hcr. Macht den Zaun eurer Freyheit nicht zu weit; »auch öfnet ihn nicht jedem, der anderwärts ausgesagt » worden. Meidet fremde Herren und ihre Gaben und » glaubt meinen Worten, ehe sie unnütz sind!,, Von Figur war der NiklauS ein hagerer, aber nicht steifer Mann, von ungewöhnlich langem Ebenmaasse, so daß er in seiner sechs Schuh hohen Zelle nicht ausrecht stehen konnte. Die Spitzen glatter Haarlocken berührten feinen braunen Nacken und die ruhige Stirne. Ein dünner Bart gab ihm mehr ein bescheidenes als furchtbares Aussetzn. Sein schwarzes Aug hatte einen anziehenden Blick voll Freundlichkeit; wenn er lebhaft redete, so schienen die schwellenden Halsadern eher mit Luft als mit Blute angefüllt. Er selbst genoß dauerhafter Gesundheit; seine Kinder hingegen waren alle schwächlich, und zwar am Geiste wie am Körper. Bey der Uneinigkeit zwischen den Kantonen im J. 1481. hatte Niklauö eine ehrwürdige Rolle gespielt. Zu Anfang dieses Jahres meldeten sich die Städte Freyburg und So- lothurn um den Beytritt zu der cydSgenößischen Verbindung. Den städtischen Kantonen, Zürich, Bern und Lu- zern waren sie, als Freunde zu gelegener Zeit, sogleich willkommen; von den Kantonen Uri, Schwytz und Unter- walden hingegen wurden sie als geheime Feinde betrachtet; von jenen erhielten sie das Jawort, von diesen den Abschlag , von Zug und GlaruS zweydeutige Antwort. Fruchtlos wurden Tagsatzungen nach Tagzatzungen gehalten. ES war ungefähr acht Tage vor Weyhnacht, als sich, auf Anhalten der Schiedrichter von Zug und Gla- ruö, und, wie es scheint, durch Veranstaltung des Eremiten , die cydSgenößischen Gesandten zum letzten male in Stanz versammelten, um entweder Krieg anzufangen oder Frieden zu schliesset — Zu Stanz lebte ein frommer Priester, Hermann im Grund, von Luzern, des Eremiten Vertrauter. Als dieser sah, daß der Handel je länger je gefährlicher geworden, begiebt er sich in der Nacht vierthalb Stunden weit zu Niklaus und kömmt erst in der Mittagsstunde wieder. In vollem Schweisse läuft er in alle Gast- döfe, wo die Gesandte sich eben zur Abreise auf den Nachmittag anschickten. Mann für Mann bat er mit wachenden Augen, um Gottes willen, noch einen Augenblick zu säumen und des frommen Einsiedlers Rath zu vernemmen. Der unerwartete Schritt that seine Würkung. Die betroffenen Gesandten hatten sich eben versammelt, als Melaus zu ihnen hereintrat. Vor dem wichtigen Unterfangen des Mannes und vor seinem ehrwürdigen Anstande stehn alle von den Stühlen aus; er aher sprach mit entblößtem Haupte: „Liebe Herren, ich komme aus meiner Einöde „und weiß nicht- von menschlicher WciShiit: aber Gott „Hai mich unterichtet. Laßt (fach er zu den Städten,) „'das Bürgerrecht fahren, welches nur Unrath gebühren „kann*). Ihr aber (und wandte sich an die Länderkanwne) „seyd erwiesener Gutthaten eingedenkt und nehmt Frey- „burg und Sokoihurn gerne zu Eidsgenoffen auf; es „ kömmt eine Zeit, wo Ihr Euch der Befolgung meines „ Rathes freuen werdet. Dann hab ich mit Bedauren verkommen, daß Ihr, anstatt Gott für eure Siege zu dan- „kcn, beständig über ihre Ausbeute streitet. Lieber'. theilet in Zukunft herrschaftliche Eroberungen nach den Kan- „ tonen, und die bewegliche Beute nach der anwesenden „Mannschaft. Ihr vier Waldstädte bleibt bey der natürlichen „Billigkeit der gleichen Sätze. Und Ihr alle endlich vereinigt eure vorigen, absonderlichen Bündtniffe in ein allgemeines Band der Liebe, der Treu und guter Ordnung. „ Nichts mehrers. Der Herr sey mit Euch! » — Hierauf allgemeinen Beyfall und Dank von Seite der erstaunten Gesandten. So sehr unterstützte der Ruhm der Tugend und Heiligkeit des Redners den Vertrag, daß er plötzlich auch den Wicdersvenigsten einleuchtete. Wenige Tage hernach erschien das Verkommniß zu Stanz und der eydsgenößrsche Bundesbrief für Frcyburg und Solothurn. Das Stanzervcrkommniß und sein Stifter, der Trennte von Flüe, erweckten aufs neue die erloschenen Natio- nalgrundsätzc; daher ruft schon der Eingang alle vorigen Verträge in das Gedächtniß zurück und will die Gelübde der Väter nicht auflös n sondern erfüllen; daher ward der Psaffenbrief vom I. i;?-- zur Handhabung des Lan- dcöfriedcns und der weltlichen Gerichte, — daher die Scm- pacher- Kricgcsordonanz vom I. -zy;. wörtlich bcygerückt; daher werden für die Zukunft alle heimlichen Gemeinden, Sammlungen oder Anträge verboten und jedem Kanton ftine gegenwärtige Verfassung zugesichert; daher verbinden Die Städte Cantone hatten nemicb ein einseitiqes Bünduiß mit Freodara und Solotburn geschioffen, und dadurch Haupt, sachlich ine Arr!0.mftrß recauiaßt. 6 sich alle Contrahenten zu gegenseitigem Schutze gegen den Uebervracht eines einzelnen aus ihnen und gegen frevelhaften Auszug der Unterthanen. Zugleich versteh» sich die Cantonc unter einander, liegende Eroberungen wie auch DranLfchatzuugen zu gleichen Theilen zu theilen; die beweg' licheBeute aber denTruppen nachMarchzal M essen zu lassen. Damit die neuen Bundesgenossen, Freyburg und So- lothurn, den Arm der Verbündeten nicht zu gefährlicher Vergrösscrung mißbrauchen, so wird ausser dem bisherigen eydgenößischen Bezirke f r sie ein gewisser HilfskraiS fest- zesetzt, der ihr Gebiet umfaßt. Zween Puncte unterscheiden diesen Bnndesbrief vor den ältern; die beyden Städte, Freyburg u- d Svlothurn dürfen, ohne den Willen aller oder dermehrern von demVIII. ältern Kantone, in keine neue Bündtnisse tretten; nur behalten sie sich die Freyheit znr Mittheilung ihres Bürgerrechts vor, in so fern nämmlich diese Mittheilung den eydgenößischen Bündtnif- fen unschädlich seyn werde. — Ein anderer Punkt verpflichtet die neuern Bundesgenossen, daß sie den rechtlichen oder friedlichen Verglich mit ihren Gegnern annehmen müssen, wofern es die mchrern oder alle acht alte Kantone verlangen. Von allen eydgenößischen Ständen erhielt, NiklauS schriftliche Versicherungen des Danks und der Ehrfurcht nebst verschiedenen Geschenken, die er zum Schmucke seiner kleinen Capelle anwendete. Er starb sechs Jahre hernach im I. in dem siebzigsten seines Alters, nach achttägigem Leiden, an einer Nervenkrankheit. An dem Tage seiner Begräbniß zu Saxeln wurden die Werkstätte im Lande beschlossen, und der gewohnte Gottesdienst selbst eingestellt; denn alle Thäler von beyden UnterwalLen zogen mit ihren Priestern herbey, dieses erste Gedächtniß seines Todes zn feyrcn. 2» 2oh. 2^ c. Grassets sckweüerschen Heldcnbuch wird das 2. 150 -. als sein Todesjahr angegeben. Zween seiner Söhne haben die höchste Würde eines Landammans bekleidet. Ihr Portrait mit dem Portrait des Vaters befindet sich auf dem Rathhause zu Sarnen. * * Noch müssen wir über das wunderbare Fasten unsers frommen Nielaus einige Zeugnisse — und zwar der Zeitgenossen selbst anführen: In dem Jahrbuche der Pfarrkirche zu Sächseln findet man unterm Jahre 148c. folgende Urkunde: „Um das I. „Christi 1417. war ein frommer Mensch, Nieolaus von »der Flüe, gebohren und erzogen in der Pfarre Sächseln , — der hernach in eine Wildniß gegangen, die man „ den Ranft heißt, allda ihn Gott erhalten hat ohne Spei- „se und Trank, eine lange Zeit, nämmlich achtzchen Jah- „re, da dieß geschrieben worden, und er war noch selbi» « gcr Zeit guter Vernunft und heiligen Lebeus. „ — AusS I. 1488. steht im Kirchbuche zu Sächseln der kurze Bericht vorn Leben und Sterben Nieolai, Darauf hat auch im I. 1491. die Obrigkeit zu Unterwalden die Wahrheit der Sache durch eine authentische Schrift bekräftigen lassen. — Von Gundelfingen, ein Zeitgenosse unsers heiligen Helden, war der erste, welcher so gleich nach dessen Hinschied im I. 1488. sein Leben beschrieben und der Regierung in Luzern zugeeignet hat. Eben dieses Leben beschrieb bald hernach, nemlich im I. izvi. der Ber- uersche Gelehrte, Heinrich Wöstin. In seinem Chronieon drückt sich ThrithemiuS bey dem I. 1480. über unsern Nielaus so aus: „dieser Mann Gottes ist zu dieser Zeit „ein Wunder gewesen; siehe, itzt ist eS schon das zwanzigste Jahr, daß er in die Einöde trat und keine menschliche Speise genoß. „ - In den ältern Lebensbeschreibungen wird seines langwierigen Fastens unter folgenden Um ständen erwähnt: » Mehrere argwoneten, -aß Clauß sich heimlich Spei- »se zubringen lasse. Auf obrigkeitlichen Befehl wurde ,, alles genan untersucht und nicht der geringste Betrug ,, entdeckt. Im Jahr 1469. sandte der Bischof von Con- » stanz seinen Weihbischof, Thomas; nach Unterwalden, „nach vielen erbaulichen Gesprächen fragte dieser den ,, Eremiten welches die größte Tugend eines Untergebenen sey? — Er antwortete; Gehorsam. — Hierauf legte »ihm der Weihbeischof drey Stücke Brod und ein wenig »Wein vor, mit Befehl davon zu kosten. NiclauS er- »schrak; schon achtzehen Monate nämlich hatte er sich von »aller Nahrung entwöhnt; gleichwohl nahm er eines von „den Stückgen Brod, mit Bitte, daß er es in drey klei- » nere theilen börste. Nach erhaltener Erlaubniß nahm „ er ein Bröcklcin und ließ auch ein wenig Wein durchge- „ hen; dieß gieng mit solcher Beschwerlichkeit und schmerzvol- „ler Empörung der ganzen Natur zu, daß man besorgte^ „er würde daran sterben müssen. Von izt an ließ man „ ihn seine Lebensart ungehindert fortführen. „ *) In der Einsamkeit schrieb NiclauS verschiedene geistliche Lieder und kleine Erbauungsschristen; unter diesen ist wohl die merkwürdigste sein Büchelchen von der Abgeschiedenheit. Dasselbe hatte Peter Canisius herausgegeben; auch ist eS in Arnolds Leben der Gläubigen und in Taulers Schrift vom armen Leben eingerückt worden. Zum Beschlusse liefern wir'S im AuSzuge: l. » Ich habe der Schriften viel gelesen, und mit Ern- »ste gesucht, welches die nächste Tugend sey, wordurch »der Mensch sich am innigsten mit Gott einfügen, und Man sehe Connor in seinem Lvangelium AleNici, welcher diese Entbehrung der Nahrungsmitel theils aus dem Austroknen des Lignoris x-llterci, theils aus dem Einathmen stärkender Hräutergerüche n- s. w, erkläret. „also aus Gnaden werden könne, was Gott von Natur „ist, damit der Mensch am gleichsten dem Bildesey, „wie er in Gott war, bevor er Mensch wurde, als zwischen ihm und Gott kein Unterscheid war, ehe noch Gott „die Namr schuf: — so viel ich erreichen mochte, so „finde ich nichts anders als daß lautere Abgeschiedenheit „ das nächste sey. Alle andern Tugenden nehmen einige „Rücksicht auf die Creatur : Abgeschiedenheit aber hat „ Ledigkeit aller Creaturen. 2 . * „ Die Meister loben die Liebe über alle Dinge: so »lobe .ich Abgeschiedenheit über die 'Liebe. Die Liebe „zwingt mich, daß ich Gott liebe; Die Abgeschieden- „heit zwingt Gott, daß er mich lieben muß. Nun „ ist dieß lezte viel adelicher; denn Gott kann sich leichter „ zu mir fügen als ich mich mit ihm vereinigen könnte. „Daß aber Abgeschiedenheit Gott zur Liebe gegen Mich „zwingt, beweise ich damit, weil jedes Ding gerne seinen natürlichen, eigenen Platz einnihmt. Lauterkeit und Einig- „keit kömmt von Abgeschiedenheit, darum muß Gott noth- „ wendig sich einem abgeschiedenen Herzen ergeben — Zum „andern lob ich Abgescheidenheit über die Liebe; die Lie- „be nämmlich zwingt mich dazu, daß ich alle Dinge lei- „de durch Gott: Abgeschiedenheit aber bringt mich dazu, „daß ich für nichts mehr empfänglich als Gott. In jedem „ Leidem nihmt der Mensch Etwas Rücksicht auf die Kreatur, von welcher er das Leiden hat. Abgeschiedenheit „ aber ist nichts anders empfänglich als Gottes. Was em- „ pfangen werden soll, muß in etwas empfangen werden. Nun „ ist Abgeschiedenheit so kleingefügig,daß sich kein Ding darin» »enthalten mag als allein Gott: Gott ist so einfältig und innig, „ daß er sich in den Abgeschiedenen Herzen wol enthalten mag. Dieser §. r. befindt sich nicht bey Arnold, hingegen bep L«uler. „Abgeschiedenheit ist mehr als Demut; ohne jene „kann diese nicht bestehn. Vollkommne Demut neigt sich „ unter alle Kreatur: Abgeschiedenheit aber bleibt in ihr »selbst. Kein Auögang ist so edel, -aß nicht das June- „ bleiben noch edler sey. Davon spricht der Prophet David „Ps. XI.V. 14. des KönigS Tochter hat alle ihre Ehre » von innen. Lauter Abgeschiedenheit hat nicht die gering- „ste Rüksicht auf keine Kreatur; sie will weder unten noch „oben seyn; sie will also stehen von ihr selbst, niemand zu „Lieb noch zu Leid, und will weder Gleichheit noch Ungleichheit mit keiner Kreatur, noch dieß oder das; sie „ will nichts anders alö Seyn — keineswegs dieß oder das „seyn; denn wer dieß oder das seyn will, der will Et- „ was; die Abgeschiedenheit aber will nichts. »Nun sollst du wissen, daß die Liebe und Demut „Gott dazu gebracht hat, daß er sich senkte in'menschliche' „ Natur, und so war lauter Abgeschiedenheit unbeweglich „ in ihm, als er Mensch ward: also that er, da er Htm» „und Erde schuf. s. „Auch lob ich Abgeschiedenheit über alle Barmher- „ zigkeit. Barmherzigkeit ist nichts anders als daß der „Mensch aus sich selber geht auf seines Nächsten Gebre- „chen und sein Herz davon betrübt wird: Von aller Betrübniß ist die Abgeschiedenheit ledig und sie bleibt in „ihr selbst. DionysiuS spricht also: der geistliche Adel „der Abgeschiedenheit ist so groß, was sie schaut, das ist „wahr; was sie begehrt, das ist ihr gewähret; und wem „sie gebeut, das ist ihr gehorsam. Aenn der freye Geist „ steht in rechter Abgeschiedenheit, so ist alles gr.ß, was „er schaut, so zwingt er Gott zu seinem Wesen; und „mögte er stehn formlos ohn' allen Zufall, so nähme er Gottes Eigenschaft an sich. Dieß mag aber Gott nir- „mand geben als sich selbst; davon mag er dem abgeschte« „denen Geist nicht mehr mittheilen, als daß er sich ihm „selbst giebt; in gänzlicher Abgcscheidenheit werd der „Mensch also verzückt in die Ewigkeit, daß ihn nicht» ,, Zugängliches zu bewegen im Stande ist und daß ihm ,, weiter nichts Jüdisches schmeckt, und so ist er der Wett »todt. Gal. II 20. 6 . „Rechte Abgeschiedenheit wiedersieht unbeweglich je- „dem Zufalle, der Freude, den Leiden, der Schande, „dem Laster, gleich einem bleycrnen Berge, den kein „Windstoß erschüttert. In grössere Gleichheit mit Gott „kann der Mensch nicht gelangen als durch die Abgeschte- „denheit. Was die eigentliche Natur Gottes ausmacht, „das ist eben seine unbewegliche Abgeschiedenheit; von der „Abgeschridenheit hat er seine Lauterkeit, seine ungcmisch- „ tc Einfalt und Unwandelbarkeit. Wenn also der Mensch „ soll göttlich werden (in wiefern eine Kreatur Gleichheit „mit Gott haben mag,) so muß es geschehen durch Ab- „geschiedcnheit. 7 . „Atlhic sollst du wissen, daß Gott in dieser unbeweg- „liehen Abgeschiedenheit immer gewesen ist und immer „seyn wird. Da er Himmel und Erde schuf, so änderte „dieß in seiner unbeweglichen Abgeschiedenheit so wenig „als ob nie keine Kreatur erschaffen wäre. Ich sage noch „mehr: Alles Gebeth und alle gute Werke des Menschen, „die er in der Zeit thut, verändern Gottes Abgeschieden- „ hrit so wenig, als nimmer gute Werke oder Gebcther „ in der Zeit geschehen, und wird Gott dadurch nimmer „ mehr desto milder oder huldreicher Ja, ich sage noch „ mehr: Als der Sohn in der Gottheit wollte Mensch wer- „den und da die Natur lidt, so gierig dieß eie unb.neg- 12 »liche Abgeschiedenheit Gottes so wenig an, als ob er nie » Mensch worden wäre und Marter geübten hätte. 8 . »Nun mögte einer sprechen: Also hör' ich wol, daß »alles Gebeth und alle gute Werke umsonst sind! Allein »hier sollst du wol merken und mich weislich verstehe», »daß Gott in seinen ersten Anblicken (sd wir einen ersten »Anblick da nennen sollen, alle Dinge ansah, wie sie geschehen sollten und in demselben Anblick sah er, wenn und »wie er die Kreaturen schaffen wollte, und sah, welches » Gebeth er erhören wollte oder sollte; er hat dein Ge- » beth erhört in seiner Ewigkeit ehe du je Mensch wur- »dest. Ist dein Gebeth unmöglich und ohne Ernst , so »verweigert dir Gott nicht izt deine Bitte; er hat sie dir »in seiner Ewigkeit verweigert; also würkt Gott nicht »von neuen Dingen; alles ist vorgewürkt Ding, und also » steht Gott allezeit in seiner unbeweglichen Abgeschiedenheit. 9 . »Nun mögte einer sprechen: Hatte Christus auchnn- » bewegliche Abgeschiedenheit als er sprach; Meine Seele ,, ist betrübt bis in den Tod! Und Maria, als sie wim- » merte unten am Kreuze? — Allhie mußt du umerschei- »den zwischen dem innern und dem äussern Menschen, ,, d. i. zwischen der Kraft der vernünftigen Seele und der »Sinnlichkeit. Nun sollst du wissen, daß der innere Mensch, »welcher Gott lieb hat, seine Kraft dem äussern Mcn- »schen nicht mehr mittheilt, als in wie fern eö die fünf » Sinne zu ihrer Leitung bedürfen. Bey jedem höher» Gegenstand zieht der innere Mensch die Kraft, die er den »äusseren Sinnen geliehen hat, einwärts und heißt als. »denn verzückt und sinnlos. Nun sollst du wissen, daß „ der änsscre Mensch mag in Uebnng seyn, ohne daß da- »rinn der innere Mensch be-vegt wird. Nun war in «Christo auch ein solcher äusserer Mensch, -er gerührt „war, ohne daß der innere in seiner Abgeschiedenheit ge- „ stört wurde. Nihm zur Erläuterung folgendes Gleich- „ niß; Eine Thür geht in den Angeln auf und zu; nun „ gleich ich die Angeln dem innern Menschen und das „Brettan der Thür dem äüssern Menschen; dieses Brett „ wandelt hin und her; die Angeln bleiben unverändert ,, an gleicher Stelle. 10 . „ Und was ist nun der Gegenstand lautrer Abgeschie- „denheü? — Sie steht auf einem bloßen Nicht. — Nun „ steht derjenige am höchsten, in dem Gott nach allem sei- ,-rrem Willen würken mag. Wiewohl Gott allmächtig «ist, sd würkt er doch auf die Dinge nur nach ihrer „ Empfänglichkeit oder Bereitschaft; sein Würken ist an« „derst im Menschen alö im Stein. Und finden wir ein „Gleichniß in der Natur: Wenn man einen Backofen heitzt „ und legt einen Täig darein von Hafer und Wäitzen nnd „einen andern von Gersten, so ist zwar nur Eine Hitze im „Ofen, und gleichwohl würkt sie nicht gleich in den Tai- „gen -, dieß aber ist nicht der Hitze Schuld, die gleich ist, „ sondern der Taige, die ungleich find. Eben so würkt « Gott in den Herzen nach ihrer verschiedene» Bereitschaft, „voll das Herz die höchste Bereitschaft oder Emvfäna- «lichkeit haben, so muß eS stehen auf einem bloßen Nichts. „Dessennihm ein Gleichniß in der Natur: Will ich schrci- „ben auf eine WachStafel, so mag keine Schrift so klein „seyn, die sich schon in der Tafel befindt, so verhindert „sie mich, daß ich nicht so gut darein schreiben kann; „ well ich wol schreiben, so muß ich das vorher geschrie- „ bene tilgen. ri. „Nun fra^ i b: Was ist des Abgeschiedenen Gebeth? »Ich antworte: Ganz lautere Abgeschiedenheit kann nicht „bethen. Wer bütet, begehrt etwas; das abgeschiedene „Herz begehrt nichts; all sein bethen ist nichts anders als F „einförmig sein mit Gott. — Das gute Gebeth nihmt ^ „den Ursprung in gu en Gedanken des Herzens, und erst l« «ergießt es sich in Werte: soll nun das Gebeth aufs n „höchste kommen, ss muß es wieder zurückgehn und sich 3 „vorerst scheiden von der Hülfe der Wörter. Alsdcnil n „ kömmt die Seele G-Kt so nahe wie die Morgenröthe der i, », Sonne, die sich in dieser verliert; also zieht Gott die d „Seele in sich, daß sie an ihr selber nicht ist und ist sie s „ alsdenrii Gott mit Gott Auf solche Weise steigt die An- s „dacht aufs höchste. Die Einförmigkeit mit Gott entsteht s „daher; wenn der Mensch sich Gott unterwirft; hingegen e ,»je mehr er sich den Kreaturen unterwirft, desto weniger 2 „ ist er mit Gott einförmig und desto weniger seines göttli- § „chen Einflusses empfänglich. Dieß meint Paul Köm. j „ Xlll. 14. wenn er sagt: Legt an Euch Jesum Christum, , „ und meint Einförmigkeit mit Christo. Wisse auch, daß, , „als Christus Mensch ward, so nahm er naht an einen , « Menschen, sondern menschliche Natur. Geh also hin . „ auS allen Dingen, so bleibt noch allein dasjenige, was „Christus an sich nahm, und also haft du Christum ange- „ zogen. Christus sagt Ioh. XVl. 7. Es ist euch nützlich, „ daß ich von Euch gehe u. s w. — Recht als wollte er „sagen: Ihr hängt Euch zu viel an mein gegenwärtig „BiiL; darum genießt Ihr den vollkommenen, heiligen „ Geist nicht. Scheidet weg die äusser» Bilder und einigt „ Euch mit formlosen Wesen! 12 . „Wenn aber das Wohlgefallen an dem leiblichen Bil- „de Jesu Christi uK säumt an der Empfänglichkeit des „h. Geistes: wie viel mehr wird uns nicht das Wohlge- „ fallen an andern zugänglichen Dingen hieran verhindern?„ So weit der Auszug einer Schrift, welche eben durch Bestreitung aller sinnlichen Empfindlichkeit die tiefste, in- uere Empfindsamkeit in dem Karaeter unsers NiclauS von als Flüe an den Tag legt. Bey gefühlvollen Seelen nichts hink Sichler und gewöhnlicher als der schnellste Urbergang von erst lebhafter Anhänglichkeit zu gänzlicher Abgezogenheit; un- mfl möglich können sie sich zwischen beyden Extremen in der sich Mitte erhalten. — Nur im Tone oder im Kolorit, kei- enst ueswegs in dem Grunde oder in der Quelle selbst scheidet nen die Betrachtungen unsers abgeschiedenen Eremiten von die den Empfindungen ;. B eines weltscheuen Rousseau ver- i sie schieden.*) Wenn dieser seinem Einsiedlerleben einenmi- An- samropischen, so hat von Flüe dem seimgen einen musti- ieht schen Anstrich gegeben. Seine fromme Methaphyfik scheint gen er von den bessern Mystikern, z. B. Johann Tauler und iger Thomas u Kempis gelernet zu haben. Gleichwie ehmals rtli- gegen den Despotismus des heydnischen RomS die stoische öm- Philosophie, so wurde nunmehr gegen die Hierarchie des im, christlichen RomS die mystische Theologie als Zuflucht, als >aß, einziger Seehafen erwählt. Bey durchgängig herrschendem neu Sittenverderbm und bey verschwindender Hofnung zur hin Heilung desselben, was schien einem Man von so reinen Das S. Rousseau'» Oeuvr. 1. XXIV. Lettr. L Mle. v. M. sie k Li8, schreibt er/ comtnen 1e betoin li'attacileiiient reuä EiZLLiite Lvx coeurs kenkchtes, t'iinpvUidiiite si'en knr- mer. sie ksis eomdicn cet «tat eü triüe ; mais je kais «pu'it s xourtLirt Nss siooceurz; il kalt verker sie ruiikeaux sie lar- ckorms uns urslaneotis ^ui nous reuä teinoi^nrxe rep»8 sians l'etoi^uement Ne kvi-merne, L je kens mieux, sie jour ea jour, <)u'on ne peut etre lieursux kur in terre, (ju'u Proportion cpl'on 8'siloizne si.8 ekokes L ^u'<>n r^pprvebe sie koi. — Rouffea - fand nichis ausser sich; weit erhabener fand NiclauS nichts .sie Gott tu sich noch um sich. ige- vy, : er mg gen ngt Zil- des !ge- i?„ rÄ in- Religionsgefühlen, wie Nielaus, noch übrig zu bleiben, als sich der Welt zu entzieh» und in sich selbst, in näher!» Umgänge mit dem Himmel zu leben? Sonderheitlich auch unter den einsamen Alpenbewohnern hat man zu allen Zeit ten den Hang zum Mysticismus bemerket. Matthäus Sch inner*) Derselbe ward in der letzter« Hälfte des XVien Jahr« hundert zu Milibach, in dem Zehnten Gombs, im obern Wallis, geboren. Sein Oheim, Nielaus Schinner, war Bischof zu Sitten und General - Vtcar Pavsts Alexanders VI. Ungeachtet eines so angesehenen Verwandten, Mußte der junge Neffe sich gleichwol armselig durchschleppen. Er besuchte die Schule zu Sitten; gleich andern armen Schülern sang er ums Brod vor den Häusern. Wegen seiner witzigen Einfälle prophezeyte ihm ein angesehener Greiß, daß er einst zu den höchsten Würden empor steigen werde. Ungemein ward der Jüngling durch solche, noch so entfernte Erwartungen zum Fleiß im Studiren ermuntert. Um desto mehr in Künsten und Wissenschaften zu wachsen, gie^ er nach Zürich und Eomo. Bey seiner Heimkunft erhielt er anfänglich nur einen gemeinen Pfarrdicnst. Wege» seiner schon bekannten Gelehrsamkeit und Wolredenheit ward er von Jest von Silencn, der zufälliger Weife vor bey reifere, mit einem Besuche beehret. Dieser Jost von Silenen war jener berühmte Walüffer-Bischof, von dem wir im Vorbrygehn nur folgendes bemerken: derselbe hatte viele Kirchen und Schlösser erbaut und auch die Sil- ber- 6) S. Paul Iovius LloZta, killll. 1577. wie auch Utü. üri, tcmj'nn's. I^s. 1577. chü- A cut- ^ , S»V MM NÄÄ WZ ---------- i7 der - Mine m dem Banier - Thal eröfnet. Wegen sehr geringer Veranlassung hatte er mit seinem Bruder im I. 1487^ den Grafen von Arona überfallen. Von dem Lcbn- herrn dieses letzter«, dem Herzog von Mayland, würd' er geschlagen. Dieser Vorfall und die allzugroffe Anhänglichkeit , welche Jost von Silenen gegen Frankreich bezeugte , empörten gegen ihn einen der angesehensten Einwoner den Georg Supersax, oder auf der Flüe. Auf Anstiften dieses Georgs, zog im I. 1496. das Landvolk vor die bischöfliche Burg Majoria; man ließ ihm die Wahl, sich entweder gefangen zu geben oder sogleich und für immer und rwig das Land zu verlassen. Der Bischof wälte das letzt- re. — Dieses Mannes erwähnten wir etwas umständlicher, da wir ihn mit Grund als den ersten Beförderer unsers Schinnerö ansehen können. Von demselben ward er im 3 -1490. zum Dohmhcrrn zu Sitten ernennt. Als Dohm- herr, trug er vieles bey , seinen oben gemeldten Oheim, Ricinus, a„f den bischöflichen Stul zu erheben; in dessen Nmnmen besorgte er die meisten Geschäfte- Im I. * 497 - ward er Dekan zu Valleria. — Mittlerweile hatte der entsetzte Bischof, Jost von Silenen, verschiedene Bergungen zur Wiedererlangung des Bistums gemacht, die aber alle fruchtlos geblieben, so daß er genöthigt war, A) mit dem Bistum Grcnoble zu befriedigen. Sein Nachfolger zu Eilten, obiger Niclaus Schinner, fand die bischöfliche Regierung so unruhig und beschwerlich, daß er sie im I. 1500. aufgab. Nach Einigen soll sein Neffe, unser Matthäus Schinner, so wol von dem Dohmstist alS von den Landeöbcwonern zu dieser Stelle ernennt worden schn, nach den meisten Nachrichten aber ein Andrer, für welchen Schinner die päbstliche Bestäkhigung in Rom dätte abholen sollen. Daselbst aber kartete dieser letztre die Sache so, daß der Papst ihm selbst, die bischöfliche Würde auftrug. Bey seiner Heimkunft fand er freylich B gegen sich das Landvolk änsserst erbittert: indeß blieb er, vermittelst der Empfehlung seines ehmaligey Schülers, des oben erwähnten Georg auf der Flüe in dem Besitze des Bistums. Seit jener unglücklichen Expedition der Walliser im Mayländischen wurden dieselben völlig von Frankreich entfernt; um sich ihnen gefällig zu machen, trat Schinner in die gleichen Gesinnungen; so sehr sein vormaliger Beförderer, Bischof Iost von Silenen, dem französischen Hofe ergeben gewesen, so sehr war nunmehr der neue Bischof diesem Hofe zuwieder. Freylich haue er im I. i;oo. Ludwig Xll. seine Dienste anbieten lassen, allein unter solchen Bedingungen, daß der König keineswegs Lust hatte, die Freundschaft eines einzigen Mannes so theuer zu kaufen. Schinner ließ ihm sagen: Nunmehr soll Frankreich empfinden, jpie sehr viel an einem einzigen Manne gelegen seyn könne, und hiemit trat er auf Seite des Herzogs von Mayland, des Papsts und des KäiserS. Durch seinen Einfluß und durch seine rührende Beredsamkeit brachte er's im I. i;oi dahin, daß in der Eidgenoß, schaft, zum Nachteil der französischen Anwerbungen, die Pensionen bey hoher Strafe untersagt wurden. Im I- ward auf seine Vermittlung zwischen obgedachtcm König und zwischen den Eidgenossen Friede geschlossen; Kraft dieses Friedens siel die Grafschaft Bellenz an die Kantone Uri, Schweiz Unterwalden nid dem Wald; auch hinterhielt er die Schweizer, daß sie diesem König keine Hilfötruppen zu seinem Zug nach Neapel bewilligten. Im I. hatte er die Kriegsflamme, welche zwischen Wal- lis und Savoien ausbrechen wollte, in der ersten Funke gelöscht. Als päpstlicher Legat befand er sich im I. 1501. auf der eydgcnößifchen Tagleistung; dafelhst bewog er die Eidgenossen zu fünfjähriger Verbindung mildem . 'mischen Smle. Auf zwey verschiedenen Wegen zogen sie, zu Gunsten des Papstes, bey 6000 Mann in Italien. Bey ihrem Durchmarsch zuMarünach und über den Sauet Bernard sah sie her Bischof vorüber zieh», indem er ihnen sogleich das erste Soldgeld bezahlte. Aus Mangel an Proviant, zogen diese Truppen u. verrichteter Zacken wieder nach Hause. Hierüber liessen sich die Eidgenossen beym Papste entschuldigen und zugleich dee noch rückstänorge Besowuug abfedern. Nach Verweigerung dieses Begehrens, wandte sich nunmehr Georg auf der Flüe mir seinen Waüisern auf die französische Seite und ganz wurde der Unwillen des V.lks auf Schinmers Nacken geladen. Schon war es im I. r;n. vor seinem Palaste mit der Mazze verfanunelt. — 7^ Im Vorbeygehn bemerken wir, daß dieses Wort in d-r «tuschen Sprache und auch itzt noch in der spanischen, Matta, so viel alSTödcn bedeutet wie denn Matt im Schachspiel den gleichen Sinn hat. *) Die Mazze bey den Walltsern ist eine Keule, mit Nägeln beschlagen. Unter allerley Schimpferden wird sie im Begleite des Volkes vor das Hause des verhaßren Bürgers getragen; bey Vermehrung des Zulaufs ist für denjenigen, auf welchen die Mazze abzielt, alle Rettung verloren. Kaum hatte Echinnern dieser Ostrazismuö getroffen, so flüchtete er sich in eines Feld- siechen Kleidung über das wilde Ge- birg, mitten durch das französische und ferrarische Kriegsherr. In Rom erhielt er zur Belohnung seines politischen Martyriums den Kardinalshut nebst der Würde eines päpstlichen Legaten in der Lombardie, in Deutschland und wo noch sonst der Papst sich seiner Dienste zu bedienen bereit war. Bey seiner Zurückkunst in die Eidgenoßschast arbeitete er eifrig gegen die Vereinigung -er Eidgenossen mit Frankreich. Eine kleine Beleydigung, die einem Läufer aus Schweiz von einem französischen Soldaten im Mayländi- schen angethan worden, kam ihm eben gelegen, unter dem Verwand, die Beschimpfung zu rächen, die Eidgenossen B - S. Leerrg aä texem. lÄicLin. 20 aufznfodern, daß sie bey i°ooo stark gegen die Franzosen ins Mailändische zogen. Im I. i?ir. trafen die eydgenößischen Gesandte, welche nach Venedig geschikt worden, daselbst den Kardinal an; ihn ersuchten sie, den Papst zur Auszahlung des ausstehenden Solds zu bereden. Anfangs stellt' er sich schwierig, allmählich mach-e er Hofnung; nebst einem andern päpstlichen Legaten brachte ers durch Indulgenzen, durch rührende Worte und besonders durch ausgestreutes Geld dahin, daß zum Beystand des Papstes sich bey 20000 Eidgenossen nach Italien begaben. Diesen sollten bis zu gänzlicher Auszahlung des Soldes alle gemachten Eroberungen zum Unterpfand dienen. Unter Mitheilung eines kostbaren Hutes und Schwerdtcs wurden sie von dem Kardinal nach Mailand geführt. Daselbst verjagten sie das Kriegesheer Ludwigs des Xll. und setzten den verlaßne» jungen Maximilian Sforzia im I. i;iz. wieder in sein väterliches Her- zogthum ein. Zur Vergeltung erhielten sie die Herrschaften Lauis, Lugarus, Mendriö und Maynthal; dieGrau- bündtner aber das Veltlin; Eleven und Wodmö. Der Kardinal ward von dem Herzog mit der Stadt Vigevano beschenkt. Vom Papste erhielten die Eidgenossen nebst kostbaren Kriegespannern, den Titel der Kirchenbcschützcr. Noch in gleichem Jahre wollte Ludwig Xll, Mayland dem ncueingesetzten Herzogen wieder entreißen. Er ließ Novar- ra belagern. Die eydgenößische Besatzung von 8°c>o Mann that einen Ausfall auf das verschanzte franzößische Lager; sie erstiegen dasselbe, richteten das eroberte Gesch 'tz gegen den Feind und zwangen ihn, mit eiliger Flucht aus ganz Italien zu ziehen. Seither wagte sich im I i;i;. Franz l. wieder an Mailand. Zahlreich zogen ihm die Eydge- riossin üwr den Gotihard entgegen. Von Frankreich aber wurden die Einen bestochen, die andern wußten selbst nicht, was sie wollten. Der kleinere Theil griff das französische 2 ! Lager bey Mar-gnan an. Die VerschanMM E dem Geschütze wurden robert; und der Konrg se ^ . Gefahr. Die Nacht hinderte den Fortgang der eydgmoß- schen Waffen. DeS folgenden Tags vereimgte sich der »e. netianische Feldherr Alviano mit dem französischen m g ^ Heer; dieser Umstand zwang die Eydgenoffen zum Avz g , die Feldstücke luden sie auf ihre Schultern; dre Verm trimm hatten sie in die Mitte genehmen; m bester Ordnung zogen sie nach Mailand, mit sEm Erstaunen der Franzosen daß von ihren ganzen Heer nicht Emer e g - sie zu verfolgen. Dieß ist das Zeugniß deö Gmccardmö. Der Unterkönig von Neapel und der papftttche seldherr a'tstatt. vermöge des Bündnisses, den Etdgeuvssm zu Hilft zu kommen, waren.unthätig geblieben. ^ len hierüber, verliessen nun letztere Italien und verglich sich mit den siegreichen Franzosen. Durch, ihren ewtgc Frieden mit Frankreich vom I- i;i6. war Franz 1. zu r higem Besitz von Mailand gelangt. . Die Schuld von der erkalteten Freundschaft zwtschen den Eidgenossen und dem Herzog von Mayland warf der Kardinal, auf den Bischof Sforzia von Lodi. Dieser aber beschuldigte jenen, er habe von den, wegen Eroberung May- landS empfangenen 500200 Dukaten für sich silbst auf die Seite gebracht. Auf Anstiften des Kardinals wurde der Bischof zur Verantwortung gezogen und zur Bestra- mrg dem Papst übergeben. Der Haß gegen den Kardinal wurde in WalliS ss groß, daß er nicht langer im Lande bleiben durste. Er begab sich zum Kaiser nach Jnsprugg. Diesen suchte er znr Widerroberung von Mayland zu bewegen; auch schrieb er an die Eydgenoffen, um sie zur Rache gegen Frankteich zu reitzen; alles blieb fruchtlos. Nichts desto weniger liest sich Franz I verlauten, daß er die Feder dieses Kardinals ") S- «nch ksM. tvvu Uik. L. xv. für fürchterlicher halte als manche Schwerdter -er Feinde. — Keineswegs schien Schinner der Kirchenverbesse- rungunabg'neigt; ob er sich nur so gestellt habe / um den Awinglizn seinem Werkzeüg zugebrauchen/ oder ob er sonst Lurch seine nachherigen Schicksale von der Partey der Reformatoren entfernt worden sey, mögen andre entscheiden. — Schon im I. i;i;. hatte er dem Viren Lateranensische» Conzilium in Rom beygewohnt und daselhst den Johann voi Medicis/ nachher Leo X. bev der Papstwahl begünstigt. Hätte er seine Stimme einem Andern gegeben/ so wäre er wahrscheinlich bey einer künftigen Gelegenheit aus den h. Stuhl befördert worden. Nach Einigen soll er im I. i?i4. in England durch seinen kkilixpic» gegen Frankreich den König Heinrich VIII von näherer Verbindung mit dieser Krone entfernt haben. — Auch dem Kaiser Karl V. war er zum Nachtheil der ftanzös. Krone eifrig ergeben Niemals indeß vergaß er indessen über der Theilnahme an öffentlichen Geschäfte«/ seine Privatrache.— Seinen Wiedersächer, den Georg ab der Flüe/ welcher daS Bürgerrecht zu Bern besaß/ klagte er in dieser Stadt an/ und machte ihn überall bey den Eidgenossen verdächtig. Dem Kardinal war eö gelungen/ ihn zu Rom in päpstlichen Verhaft sezen zu lassen. Aus des Königs in Frankreich Fürbitte ward er wieder aus dem Gefängnisse befrcyt. Seither hatten sich beyde Parteyen tödtlich verfolgt und je einer des Andern Verbannung aus Dallis befördert.*) Aus der eydgcnößischen Tagleistung klagten die Walliser, daß ihnen der Kardinal die für sie empfangne Besoldung verweige t habe **) Abermal ward vor seinen Pallast di^ Mazze getragen; seine Schlösser wurden erobert; seine Beamten / seine Freunde und Kräder vertrieben und er selbst des Bistums unwürdig erklärt. — Mittlerweile hat- S- bimnilers VsIeLa I. 51. und Stettter l. L58- S. epdn. Bbsch. Frech. 27. Sept. und 18 Ocwb. 1798. re er in Rom für dieses Bistum die größte Sorge getragen. Schon im Z. 151;. hatte er von Papst Leo X zwo günstige Buken erhalten; vermög einer derselben trat das Bistum Sitten in den Genuß jener schon vorher zwischen dem h. Stuhl und zwischen der teutschen Nation errichteten Concordaten; vermög der andern wurde das Bistum so wol als das ganze WaMrland von der geistlichen Ober- Gerichtsbarkeit des Erzbistums Taramaise entledigt. — In Wallis war unterdessen eine dritte Fattion entstanden; ste nennte sich neutral, errichtete ein Landgericht- zog die bischöflichen Güter zu gemeiner Hand und versprach jeder Partey rechtliches Verhör. An die Eidgenossen begehrte der Kaiser die Wiedereinsetzung des Bischofs. Nach wiederholten Gesandschasten und Tagleistung thaten diese den Vorschag; sie wollten die geistlichen Puneten des Streithandels der Entscheidung entweder eines päpstlichen Legaten oder eines rydgenößischen Bischofs überlassen, und nur über die weltlichen Klagen, jedoch ohne Appellazion urteilen. Diesen Vorschlag schien der Kardinal zu genehmigen , mit der Ausnahme, daß es ihm vergönnt sev, den ab der Flüe zu Rom am Rechten suchen. Durch die Freunde dieses letzter« wurde der ganze Vorschlag vereitelt und von neuem mit Thätlichkeiten gegen den Kardinal und seine Anhänger verfahren. Mit Acht and Bann wurden hierauf ihre Widersächer verfolgt. Nichts desto weniger bewilligte der Dohm - Deean zu Sitten, ein Sohn des ab der Flüe, eigenmächtig die Fortsetzung des Gottesdienstes und, ungeachtet aller Aufforderung von Seite des Kaisers, wollten sich die Eidgenossen keineswegs zur Bekanntmachung der Acht und des Banns gegen die Waüiser in ihrem Lande verstehen. Umsonst versuchte es der Kardinal sich wieder nach Wallis in den Gomscr - Zehnten zn wagen; gar bald sah «r sich wieder aus seinem Vamlande vertrieben Von Rom 24 aus kam die Erklärung , daß Wallis bis zur Widereinft- tzung des Bischofs im Bann bleiben solle. Immer blieb unterdessen hie und da sein Einfluß in der Eydgenoßschasi noch ungemein groß. Zu wiederholten Malen hatte der Papst helvetische Truppen begehrt, das eine mal wurden ste ihm abgeschlagen das andre mal wieder bewilligt. In seinem Namen mußte Verulan von neuem Zuzug begehren. Da dieser wenig ausrichtete, so ward dem Kardinal vcN Sitten, als damaligen kaiserlichen Abgesandten, der gleiche Auftrag gegeben. Vorläufig , um desto eher Eingairs zu finden, ließ der Kaiser versprechen, daß der Kardinal den Walliscrrr in Betrcf ihrer Klagen gegen diesen Genugthuung leisten werde. Ganz sachte grif der Kardinal das Geschäft an» Zum voraus lehnte er den Verdacht von sich. als wär er abermal zur Stöhrung der Ruhe in die Schweiz gekommen ; heilig versicherte er, daß er einzig M Beförderung dcreydgenöfischen Ehre und Vortheile dasey: mit den schmeichelhaftesten Liebkosungen indeß verband er die unverschämtesten Drohungen. Endlich erhielt er zu Zürich für den Papstes. Mann. Äusserst war hierüber Zwinglierbittert. „Ich wollte,sprach er,daß man durch des Papstes Bun- „ deSbrief ein Loch gestochen und ihn dem Boten zur Heimreise „ auf den Rükken geheftet hätte. Ueber einen Wolf, fuhr „er fort, stürmt man; den Wölfen aber, welche Menschen „ verschlingen, wehrt niemand; sie tragen billich rothe Hü- „te und Mäntel; schüttelt man diese, so fallen Ducaten „ und Kronen heraus: und werden sie eng zusammengewun- „dcn, so fließt aus denselben das Blut deines Sohnes , ,, Bruders, Vaters und Freundes. „ In Person trat der Kardinal vor die Rathsversamm- lung in ss strich, um wegen Genehmigung seiner Bitten zlt danken. Unvermerkt aber gab er sich bloß. daß die bewilligten Truppen zur Ver.rctbung der Franzosen aus May- lanb sollten gebraucht werden. Ganz betroffen hierüber, ist» ich ufl der den Jir cn. vcn lci- urg !ial ug- das vor» die M ry: die eich icr- uii- 'eise Uhr Heu HÜ- rtcN un- >es, klM» izit vrl» ay- er, entschloß sich der Rath zur Abhebung der Werbung. Die Kreaturen des Papstes, besonders Joachim a , wußten diesen Entschluß wankend zu machen ; um, mehr da itzt Schmner aufs neue gelobte, daß e Haufen nicht änderst als auf päpstlichem Boden g s werden follte. Kraft des römischen Bündnisses gl sich endlich Zürich zum Nachgebe» genötigt. Ungeachl» die übrigen Kantone alle päpstliche Werbung bey Lebens- strafe verboten, so konnten sie doch den Zulauf der ^ ^ zum Kardinale nicht ganz verhindern. Schon hatte s 6-»° Eidgenossen, nebst etlichen tausend Bundmcrn und Wallisern gesammelt. - Nach erhaltenem Bericht, daß selbige gegen Mayland geführt werden , ward durch Ei boten der Kardinal von den Kantonen htevon gemahnet und den Truppen beym Eid untersagt, daß sie nrchto fei - seliges gegen die Eydgenoffen in Mayland vornehmen sollen. Hierüber entstand unter dem Kriegeshausen Vermr. rung; viele gaben den Reißaus; andre fluchten dem Kardinal vor die Stirne. Dieser hob die gefaltenen Han zum Himmel: „Allmächtiger Gott, rief er, du Missest, „warum ich das thue, und wie viel ich leide. Der gute, „Mann weiß nicht, was er sagt.,. Sonst pflegte er zu sagen: „ Um der Kirche willen muß ich viel dulden: Nachts „ aber schüttle ich meine Mütze, jage alle Unruhen von nur „ und schlaft. „ Ungemein stark hatten die Franzosen den Fluß Adda verwahret. Der Kardinal sah wol ein, daß er seine Völker an den Rand des Abgrundes geführt hätte. Schon war er darauf bedacht, sich bey nächtlicher Weile aus dem Staube zu machen. Mit äusserster Gefahr schlug Caspar Göldin sich durch; nunmehr wollte man das Heer mit gros. sen Verheißungen zur Vereinigung mit den päpstlichen und käiftrlichm Truppen an dem Fluß Adda bereden, um alsdann mit gesammrer Macht die Franzosen aus Mayland zu 26 schlagen. Die Befehlshaber von Zürich erklärten sich; Wenn diese Zelte und alles, was darin» ist, lauter Gold wären, so Nahmen mirs nicht an, wofern wir dafür die geschworne Ordonanz übertreten sollten. Bey diesem Entschlüsse blieben die Zuger und Zürcher. Die übrigen Eidgenossen stiessen zu dem päpstlich-kayserlicheu Heere. Ohne Schwertstreich eroberten sie Mayland. Bald hernach starb der Papst, nämlich den i;. Christm. i;rr. Nach einigen an Vergiftung; nach Andern wegen ausschweifender Freude über den Sieg. — Der Kardinal von Sitten begab sich ins Conclave, einen neuen Papst zu erwählen. Plötzlich ward er daselbst todt gefunden. Als nämlich nach einigen Stimmen die dreyfache Krone auf sein Haupt fallen sollte, war dieß Andern zuwieder, so daß er (wie man vermutet,) durch Gift aus dem Weg geräumt worden. Noch wollen wir kürzlich der Schicksale Georgs Su- persax erwähnen. Ehmals war er Schinners Schüler und Freund; hernach aber hatte er zugleich mit den politischen Gesinnungen auch sein Herz gegen Schirmen verändert. Nachdem auf Anstiften dieses letzter« sich die Schweizer mit dem Papste vereinigt hatten, so bewog Supersar die Graubündtner und einen Theil der Walliser zu einer Verbindung mit Ludwig XII. — Georgs Supersax Soh» war damals Decan des Dohmstists zu Sitten; an der Spitze eines Kriegeöhaufens zog dieser nach Mayland. — Dem Kardinal Schinner gelang es, Georg von Supersak wegen empfangner, französischer Jahrgchalte verdächtig zu machen. Mit Hintansetzung aller Formalitäten war» er verurtheilt. Er wollte nach Bern gehn/wo er das Bürgerrecht haue, in der Absicht, sich daselbst zu rechtfertigen. Unterwegs aber ward er zu Freyburg ins Gefängniß geworfen. Daselbst lag er beynahe drey Monate; drey -) S Schinners Vo-sxe äsnr Is 8uills vccickeut,!e, 1. u Lll. IX. sich- Sold > die Lnt- Eid- Oh- nach »räch ifen- ittcit >len- nach fal- ma« Su- ülcr litt» :än- wei- rsar iner oh» der i-sak HM ar> -ür- !kti< ng- rr» tt. Tage nach einander ward auf die Folter geschlagen, wenig Begriffe hatte man in jenen barbarischen Zeiten von Namr- und Völker- Recht, daß man nicht Unrecht hat, sich über solch gesetzwiedriges Betragen zu befremden. Su. persar hatte eine sehr schöne Gemalin; ihm hatte sie drey und zwanzig Kinder geboren; sie begab sich nach Freyburg, um für ihren Gemal um Gnade zu bitten. Arsent, der Schultheiß dieses Freystaats, hatte Mitleiden mit der unglücklichen Familie; dem Supersar war er zur Flucht aus dem Kerker behülflich. Morgens daraus entstand hierüber allgemeiner Tumult. Der Schultheiß hatte sich wegen Entwischunq des Gefangnen verdächtig gemacht. Um der Wut des Volks zu entgehn; rettete er sich in eine Kirche: man riß ihn heraus, setzte ihn in den gleichen Kerker, in welchem Supersax gewesen war, und auf der Folter ward er zum Geständniß gezwungen Mittlerweile hatte Super- fax sich nach Neuenburg geflüchtet. Die Freyburger liessen ihn herausfodern. Ludwig von Orleanö der damalige Beherrscher von Neuenburg , befand sich bey dem französischen Kriegsherr m Italien. Supersax rief die Neuenbur- ger um Schutz an, und sie wicderfttzten sich seiner Auslieferung. Unter dem Vorwand, daß er mit Bern im Bürgerrecht stehe, zog dieser Kanton den gan;en Prozeß vor seinen Gerichtshof. Kein Bedenken fanden die Neuen- burger, ihn dahin zu liefern. Immer indeß waren die Freyburger aus ihren Ansprüchen beharre; bey ununterbrochen verweigerter Auslieferung des Supersax, suchten sie sich an seinem Ermer, dem Schultheiß, zu rächen. Weder sein Rang noch feine Vermälung mit der Tochter des Bernerschen Schultheiß Meßbuchs konnten ihn der, Wut des Pöbels cntkeisen; er ward verurcheilt, auf -er Blutbühne den Kopf zu verlieren. Ungeachtet Abgeordnete von Wallis und Frerchittg nach Bern gekommen waren, um die Auslieferung des 28 Supersar zu verlangen, so ward sie gleichwol verweigert; er selbst wurde von dem Bernerschen Tribunal ledig gesprochen; jedoch unter Bürgschaft, daß er alle Prozesun- kosten bezale und daß weder er noch jemand von den Sei- nigen jemals wegen der erlitnen Unbilden sich räche. Air gleichen Gelübde wurden auch die Verwandte des Unglücklichen Schultheißen in Freiburg verpflichtet. Supersax wagte sich nicht wieder nach Wallis zurück- zugehn; er starb zu Vevai im Bernergebiete. Phillppus Aureolus Theophra-r stus Parazelsus genennt Bombast von Hohenheirn.*) Nach den Einen fällt sein Geburtsjahr in das Jahr 148;, nach den andern in das Jahr 14-;. Eben so wird fein Hinschied von den einen in das Jahr 1541. und von den andern in das Jahr ie;i. gesellet. Auch über sein Geburtsorts find die Meinungen verschieden; nach den Einen war e§ Einsiedeln im Canwn Schrveyz: nach den andern Hundwyl im Appenzeller - Kanton. Sein Vater wird für den unehlichen Sohn eines Edelmanns von Ho- henheim, gencnm Bompast, gehalten; nach andern war sein Vater ein Commenthur deutschen Ordens zu Abe- nau an der Eiffel. Desselben wird unter dem Namen «)S. SchrScks gelehrte Lebensbeschreibungen, I. Sammt. No. -täLMi Vit-le wedicor. Lonrinz. de ktermet. msdie, B. u. C. ir. Der deutsche Merkur vom Julius 177S. u. a. Wilhelms vonHohenheim. als eines ArMM VEach rn Kärnchenerwähm. Dieser unterwies den Sohn m der ei z «eykunft; in der Lateinischen Sprache scheint er ihn e. absäumct zu haben. Conring vermutet, aus Mißverstan - «tß habe der Jüngling jene Worte beym Hieronymus g - gen den Jovian: extsr suieoluL Ikeoxbrsüi l er M gelesen: exmr Lureoil IksopttrsÄ lchsr, und daher yc mit dem Namen Aureoluö Theophrastus geschmückt. - Herrinnen stimmen Thomas ErastuS und von Helm ^ «herein, daß er schon in der Kindheit sE Mannhut beraubt worden sey: lrtzirer schreibt den Zufall dem B ß eines Schweins zu; erstrer erzählt, d.iß es von unem Soldaten auf der Wayde geschehn sen- Von umgu, h- mcn Geistlichen, besonders von dem Abt Emmmv zu Spamheim und von Sigmund Fugger von Sch v z er in allerley chemische Geheimnisse eingeweiht. Auf -lesen erweiterte er seine medieinische Kenntniß; mait die Gelehrten, sondern auch Bader, alte Weiber, e - meinte Schwarzkünstler zog er zu Rathe. Er selb! nu - der, daß erun Finnland und Lappland gewesen; auch l er Arabien und Aegypten besucht haben. Seinen AM - gen indeß darf man nicht allemal tränen, da er cm grosser Praler gewesen. In Rußland wurde er von den Tar- raren aufgefangen; der Chan schickte ihn mit feinem Sohn nach Konftanstinopel; daselbst fand er, nach eigenem Vorgeben , im acht nnd zwanzigsten Jahr den Stein der We^ sen. In seinen medicinischen Fragmenten *) rühmt er sich sechshundert ganz nene Entdeckungen gemacht zu haben. Fleißig hatte er die alten Handschriften in den Bibliotheken durchblättert. In einem Sendschreiben deö kcuser t- chen Leibarztes Kram von Krafftheim an Joseph Sealt- ger **) wird cr beschuldigt, er habe seine größten Geheim- -'0 S. lom. I. Opx. S» izi. S. Lxerclcrrr, evMr» LsläM. Nisse aus der Handschrift eines ungenannten Mönchen aus , dem XIII. Jahrhundert entlehnt. In dem Aufsatz von s der Pestseuche behauptet er gegen die Gegner, daß er Es- z lens Anweisungen weit besser als sie selber verstehe. »Ihr - »werdet, schreibt er/ in der Stadt Braunschweig und , » auf der böhmischen Gränze in einem Kloster ein Buch fin- - »den / mir den ungesälschten Commentarien des Galens i „ und Avieenna: ist ein Buch / grösser als sechs Manns» »spannen in der Länge / und dreu in der Breite; ist Sün- „de und Schande/ daß ein so köstlicher Schatz soll ver- ,, graben bleiben. — Ein solches Buch ist noch bey einest »alten Bürger in Hamburg vorhanden , und noch viele ,, eigene Handschriften des GalenS und Avieenna auf bir- „kenen Rinden und wächsernen Tafeln. Aber was ists? » So bald es unsre Gelehrten sehn werden / werden sie sa- »gen/ es sey Negromantie oder sonst Gauckeley u. s. w.,, Im 1 .1527. ward Parazelsuö durch Joh. Occolam- padenS Vermittlung', als Leh-er der Chemie nach Basel berufen. Sowol an Patienten als an Schülern war sein Zulauf ungemein groß. Bitter beklagt er sich in der Vorrede der Lertkeonea über den Mißbrauch und über die Verdrehung seiner Vorlesungen; wenn er die meisten seiner Schüler für Betrüger erklärt / so gedenkt er hingegen Johann Oporins als seines redlichen Vertrauten/ ungeachtet er auch diesem durch ausschweifende Lebensart/ be- sonders in der Trunkenheit, viel Verdruß verursachet hatte. — In seiner VerthaydigungSschrift *) schreibt Parzel- sus von sich selbst: » Er sey von Natur nicht subtil ge- »spönnen; es sey auch nicht seines Landes Art/ daß matt »das mit Seidenspinnen erlange; sie werden nicht mit » Feigen erzogen; noch mit Meth / noch mit Wäizenbrod, »sondern mit Käst/ Milch und Haferbrod. Diejenigen »die im Frauenzimmer auferzogen werden/ und sie/ dio «) S. 1 '. I. 0p. s. r6i. „unter Tannzapfen erwachsen, versteh« einander mcht au- ,, wol. „ - Von dem pralerischen und beleydigendcn Ton vo» seines Dortrages mag folgende Stelle aus der Emlcmuig Ja- zu seinem ksr^r^num zum Müstergen dienen; » d^r Zhk » nach, ich nicht Euch nach. Ihr mir nach, mir nach, and „Avicenna, Galen, Rhasis, Montagnana, M esue u. a. fim » Mir nach, und ich nicht Euch nach, Ihr von Pans, eB »Ihr von Montpellier/ ihr von Meißen, von Wien» in-' » Ihr Inseln im Meer, du Italien, du Athen, du Ara- ün> » her, Du Jsraelit / mir- nach, und ich nicht Euch nach; -er' »euer wird keiner im hintersten Winkel bleiben, an dem reck »nicht die Hunde br — werden. Ich wird Monarch , wlt »und mein wird die Monarchie seyn, und ich führe die )ir- »Monarchie und gürte cu e Lenden. Wie gefällt Euch .§-? »LLLvpbiitkuz .' Diesen Dr — müßt Ihr effcn. » Um sa- seine Verachtung gegen die Alte» zu zeigen, ließ er die „ Schriften des Avicenna össenmch verbrennen. — Daß er im- Zauberer und Geisterbeschwörungen verabscheuet habe, bo- steht man aus seinem Buch cke ** , Die Zauber- ei» Worte und die Geisternamen in seinen Schriften scheinen or- die ie« ge- m- brat- el- ge- an nit d, e« sie nichts anders als Benennungen seiner Heilmittel zu seyn. Nach zwey Jahren sah er sich genöthigt, Basel zu verlassen. Cornel von Lichunfels, Schnlherr unter den Dohmhcrren daselbst, wurde von Magenschmcrzen heftig geplagek. Für die Befteyung davon versprach er Parczel- sen hundert Gulden. Dieser schickte ihm drey Pillen von feinem geheimnuSreichen Laudanum. Der Dohmherr fühlte Erleichterung; dem Arzt aber schickte er nicht mehr als sechs Gulden. Darüber kamS zum Prozesse; die Obrigkeit sprach Parazelsen nicht genug Lohn zu; unwillig hierüber , stieß er Schmähworre aus; baun flüchtete er sich ins Elsaß, ferner nach Nürnberg, Bayern und endlich nach Salzburg. An legerm Orte starb er — nach einigen im Gasthof, nach andern im öffentlichen Lazarett,, S. lom. l. S und y i. S. Oxp. lam tt, L. », S- in einem Alter von ungefähr 47. Jahren. Umsonst also, daß er von seinem Llixir propristgtib ein Leben von etlichen Jahrhunderten und freye Todeswahl erwartete! Der Erchischof ließ auf seinen Grabstein setzen/ daß er die G'cht, die Wassersucht Mnd den Aussatz habe heilen können, und daß er sein Vermögen unter die Armen ausgetheilt habe. — Er war ein abgesagter Weiberfeind und hatte sich niemal verheyratet. Parazelsus wußte zuerst das Opium und Quecksilber heilsam zu gebrauchen; ungeachtet seine vorgebliche Entdeckung des Steins der Weifen Charlemnerie war, so hatte er eö doch in der Chemie überhaupt weit gebracht; die Krankheiten leitete er aus dem Tarrerus und aus chemischen Bestandtheilen her; von der schneidenden und brennenden Wundarzney hielt er nicht viel, dagegen empfahl er sympathetische Heilmittel. Seine Künste vcrbüllete er in dunkle Worte und Bilder Sein Vertrag war Deutsch, mit Latein vermischt. Hellmont *) vermuthet, daß er theils aus Verachtung und Unkunde der lateinischen Sprache, theils aus Liebe zum Vaterland sich der Mutersprache bedient habe. — In Absicht auf die Religion schien Pa-azel- sus weder mit der römischen noch mit der protestantischen Kirche zufrieden. Die Kenntniß der Wege Gottes in der Natur hielt er für die einzige Grundlage ächter Gottes- gclehrtheit. Da, nach seiner Lehre, Gott im Gnadenreich eben so handelt wie im Naturreich, so glaubte er aus der Naturwisscuschast und aus der Chemie Gott und seinen Willen am besten kennen zu lernen; daher war sein theologischer Vortrag ganz in chemische Kunstwörter ge. hüllet. In neuern Zeiten ist diese Theosophie durch Robert Fludd, Valentin Weigel, Jakob ^öhm u. a. fortge- pstanzt worden. Hie und da liegen mehrere seiner Handschriften N) S. Iliil. IsNrri. s> Lr;. ---------- - ?z Fristen vergraben. Unter denselben befinden sich seine Lvmmenbsrii in omnes pene dl. 1. lidroS Diese hak Diorhof (Lol^bik u. I. 6 X) in Jsaae Vossen Bücher- saminlung gesehen. Andre Handschriften, besonders auch sein wichtiger, sehr vertraulicher Briefwechsel mit Bar- cholomäus Schobinger z» St. Gallen, waren vormals kzterm Orte in der Schobingerischen Famillie verwahret. Von diesen Schriften sagt Goldast, *) ea surs romrs Lars esse. Da sich keine einzige von des Parazcl- sns Schriften findet, welche vor seinem Sterbejahr, öffentlich erscheinen, so istS wahrscheinlich, daß er bey seinem Leben nichts davon habe drucken lassen. Dieß ist um so mehr zu bedauren, da seine Anhänger Bodenstein, Alexander von Suchten, Dornäus, Thurnhaüser, Peter Seherin Croll, Scheüncmann u. a. seine hintcrlaßnen Papiere in der größten Unordnung zum Drucke befördert ha- öen. Unter diesen ragt besonders der Peter Scvekin hervor , welcher vieles auö stinem Gehirn zu den Theophra- siischcn Schriften hinzugefügt hat; wie davon folgendes zum Beyspiel dienen kann: ,, Dem Arzte ist nöthig zu »wissen, daß im Menschen ist der Drachenschwanz, der »Widder, die Polarare, die Mittagslinie, der Auf- und »Untergang der Sonne u. s w. „ — Dieser Meinung von der Unordnung und von den Zusätzen in Theophrasts Schriften ist auch Jshanes Opori us; in seinen Briesen an die Aerzte Eolenander und Johann Wie uS drückt er sich hierüber in folgenden Worten aus: ,»Ich muß mich »in der That wundern, daß so viele Schriften zum Vorschein -«kommen, welche alle dcm Theophrast zugeschrieben werben » und aus dessen Verlassenschast seyn sollen; denn ich bin über- »zeugt, daß er den Innhalt einiger dieser Schrillen nie ge- »träumt, geschweige denn wachend dergleichen gedacht habe.,, ^ Parazelsus Schriften sind in drey Folio- Bänden zu- S. GUbast ssom. III, rerum -riewsn- in xrotez;. C samengedruckt; die bceden ersten sind im I. 1616. und der dritte im I. 1618. zu Straßburg erschienen. Die beste Ausgabt seiner Werke ist die Genfer vom I. i6;8. in drey Folio- Bänden. Joh. Jacob Wepser. Gehobren zu Schafhausen den 2; Christm. im 1 .1620. Nachdem er in der Vaterstadt den Grund in den Humanitäten gelegt hatte, bezeugte er ausserordemliche Neigung zur Urzneiwiffenschaft. In dieser Absicht begab er sich nach Basel und Straßburg. Hier hörte er den SebitiuS, dort den Bauhin, Stupan, Plater und von Brunn. Seine glücklichen Fortschritte bewieß er durch Verchäidi- gung einiger voktreflicher, akademischer Schriften Nach vollendetem akademischem CurS gieng er nach Italien. Daselbst übte er sich fleißig in den Hospitälern, und genoß deS Umgangs der gelehrtesten Aerzte, eines Veslingius, Rho- dius, Marchette- In Padua gerieth er in vertrauliche Gesellschaft mit Bartholin und Zwölfer, die sich daselbst des Studirens halben aufhielten. Im I. 1647. kehrte er in die Schweiz zurück. In diesem Jahre empfieng er zu Basel den Docktorhut und hielt eine Disputation 6e xslpl- tione cvräis , wie auch bald hernach eine akademische Rede cke tkermsrum xotu. Noch in gleichem Jahre ward er zu Schafhausen zum Stadtphysikus ernennt. Seine glücklich Praxis zog nach seinem Wohnorte eine Menge auswärtiger Studirender. Durch die ganze Eydgenoß- schast und in den benachbarten Provinzen ward er von den Hohen und Niedern zu Rache gezogen. Im I. 1675. ernennten ihn der Herzog von Würtemberg und der Markgraf von Baden- Durlach zum Leibärzte. Im I. 168;. WM WMM MWW 35 Mrde er von dem Churfürsten in der Pfalz in seiner kez. kn Krankheit auf der Eile nach Heidelberg berufen, und auch von ihm zum Leibarzte erwälc. In gleichem Jahre nahm ihn die kaiserlche Akademie der distur« Luriolsrum, Unter dem Namen Machaons M. zum Mitgliede an. Auch bereicherte er die Verhandlungen dieser Akademie mit sehr interessanten Beobachtungen. Im I. 1691. hat ihn der Churfürst von Sachsen, welcher bey der Armee in Schwaben an der Lagersucht krank war, zu sich: er durfte aber den Herzog von Würremberg; der die gleiche Krankheit hatte: Uicht wol verlassen. Mit ungemein grosser Praxis verband er die writläuftigste Korrespondenz. Auch.war er ein eifriger Liebhaber der Anatomie. Bey Höfen und zu Hause war sie, wie er selbst zu sagen pflegte, für ihn Oüum äv'.cM. rnum. Altes, was er so wol bey den anatomischen Versuchen als bey dem Krankenbethe beobachtete, schrieb er sorgfältig auf. Ausser seinen gedruckten Schriften hinterließ rr daher einen wichtigen Schatz von Handschriften. In den lezten vier Jahren konnte er wegen Engbrüstigkeit nicht länger reisen, und endlich wenig mehr außer dem Hause gehn, besorgte aber seine Patienten nichts desto weniger durch schriftliche Anweisungen. Sein Ende erfolgte den 28. Jenner 169?. Er starb, — wie das Basier, Lexikon sagt, — an einer Brustwassersucht, die aus ganz sonderbaren Ursachen herrührere. Diese Ursachen fand man, nach Anatomicrung desselben, gerade so, wie er sie vermuthet hatte. Hierüber drückt sich der Herr von Halter folgender Gestalt aus: Lx loaxo mslo morisi» zuMr ineläi cvrxms luum, guv etrum born tenio ollere kgMmis Vsris klierst.*) Im 1.1650. hatte er sich mit Barbara Rink von Wil- benberg verheyram. Von neun Kindern, die sie ihm ge- S. Hallere LiKUotd. xrsetlc». 1. M. S. 6;. C » bahr, überlebten ihn zwey Söhne nnd drey Töchter». Die jüngste von -lesen vcrhcyratete sich mit dem Churpfälzi» schcn, geheimen Rathe und Leibärzte. Iah. Conrad vo» Brunn odcr Brunner, Baron von Hammerstein, der seines Schwiegervaters Leben in die Ephemeriden der dlscv- rse Luriosvrium einrücken ließ. *) Werfers medicinische Verdienste erbten sich fort auf seine Söhne und Enkel. IN dem dritten Bande der Libliocli. Alecliain« prscU- «e giebt Halter unserm Wcpftr folgendes Zeugniß: „Er „war eine von den vornehmsten Zierden seines Jahrhunderts, ein arbeitsamer Zergliederer, äusserst unvcrdros- „sen bey Unterncmmung seiner Versuche, ein berühmter „Arzt. Leicht kann man ihm vcrzcyhn, daß er noch an „ einen Archaus glaubte, dem er als anherrschendem Gei» „ste alles das zuschrieb, was man sonst der Reizbarkeit „oder Lebenskraft zuschreibt. Um die Arzneykunst machte „ er sich verdient durch folgende Schriften: „ Uilbori« ApozrleeUcorum observarionjbus L 8ckolür» snswmico meclicis illultrstL. 8c<>pkuf xvo; >6-; soo ^msterä. i 68 l 4 to; 1724 8vo „In diesem Werke „zeigt Wepftr, daß der gehinderte Lauff des Blureö nach „dem Gehirn eine von den Hauvmrsachen des Setilag- „siusses sey. Zu diesen Ursachen gehört auch die Drü- „cknng des GehirnS, die durch ausgetretenes Blut verur- „ fachet wird. — In dem Werke kommen viele seltene „Versuche und Beobachtungen vor. Es wäre zu weit- „ künftig wenn man sie alle anführen wollte. Bücher von „ solchem Gewichte muß man selbst und ganz lese». „ Wepftr lriliorioe snstomicse cle puella lins cerebr» nsta 8cspkul. 466;. 8vo, wie auch in k. dl. L Oec. I. »nn. IV. v) In den Ttct. Kat. Lur. 1 '. IV. Lpp. i 14. findet man auch C. von Brunn Leben. Dieser große Mann war zu Diessenhofe» im I. lüzz. gebohrcn; im I.17-0. hatte er das Bürgerrecht in Schashausen erhalten; im 1 .172z. starb er zu Mannheim W>>I>>I>>IIlllllllIIIIIIIIIII>IIIIIII>IIIIIIIl>lIIIII!III«IIIIIIIII»I»»I»Il»I»IIII» Eben desselben aleut-e sguatisR kistorlD L N.0XL Lom- msneario illustratX R-M. 1697. 4lv. 1716. 4tS ttsiä. 17;;. dt>o. „ In diesem unsterblichen Werke, sagt Haller, ist »ei» unermeßner Schatz von Erfahrungen. Zur Bericht», »gnng derselben waren ihm auch sein Tochtermann, Brun- » ner, nnd I. I. Harder behtlfiich. „ » Auch hinterließ Wepfer sehr viele Handschriften- Ei° »nige davon edirken seine Enkel, Bernard und G. Mi^ » chael Wepfer, unter der Aufschrift: 0Klsrvrmon.es me- »clieo prgl^ticse 6s akksÄlkus s-ipicis kntern'ls 8: extsrms ,)8crpkul'. 1727.4W. In diesem Werke findet man die Ge- »schichte von 222 Krankheiten.,, — Wepfers Verdienste um die Anatomie findet man in Hallers- kiklimk. LNLtomiLL 1.1. S. 469. und seine Verdienste um die Kräuterkunde in der klkttork. KotLMLz 1 . I- S. 602. beschrieben. In den Upksmeriäer Xsr. Lu- rwst liesr man seine Lebensbeschreibung, vecur. III. snn. lv. Vül. XXI. Peter Martyr Vermillo^) Derselbe erblickte das Licht der Welt den 8ten Herbstm. I?2V. Als einziger Sohn begüterter und vornemmer Ael- tern genoß er die beste Erziehung. Die Mutter unterwies ihn in der lateinischen Sprache, und erklärte ihm frühzeitig Terenzens Lustspiele. Hieraus srudirre er unter dem gelehrten Marcel Birgitts, dem damaligen Sorenri- nischen SraatSschreiber. DeS jungen VermilionS Freunde und Mitschüler waren Franz von Mcdicis, Alexander Cavoni, Franz und Raphael Ricci, Peter Vettori u.a. Alceron r. XXIII. ;8 - Um so viel schneller war sein Fortgang in den Wissenschaften , da er mit den glücklichsten Anlagen den größten Fleiß verband, und von allen jugendlichen Zerstreuungen und Spielen weit entfernt war. Im scchszchnten Jahr seines Alters verließ er die Welt, um sich zu Fiesoli unweit Floren; bey den Augustinern einschreiben zu lassen. Durch sein Beyspiel gerührt; begab sich seine einzige Schwester, FclieitaS, gleichfalls inS Kloster. Ungrmein war über solche Entschliessung sein Vater erbittert. Bis anö Ende schien dieser letztere sich rächen zu wollen, indem er sein ganzes Gut den Armen bestimmte und dem Sohn nichts weiter als ein Jahrgehalt von fünfzig Gulden zurück ließ. Standhaft indeß beharrte unser Peter Martyr bey seinem Entschlüsse. Nach abgelegtem Klostergelübde, studiere er mit Eifer, theils die Rhetorick, theils die biblische AuslcgungS- kunst. Nach dreyjährigem Aufenthalt zu Fiesoli kam er für acht Jahre lang nach Padua in das Kloster des heiligen Johannes von Mrdara. Daselbst beschäftigte er sich mit der aristotelischen Philosophie. Vorzüglich gefiel ihm dieselbe wegen der Strenge in ihrer Methode. Um stein der Grundsprache selber kennen zu lernen, gab er sich alle Mühe , die griechische Sprache zu studiren. Auch auf die Theologie vcrwendte er mehrere Stunden; seinen theologischen Unterricht hatte er theils einem Eremiten, theils zwey Dominieanern zu danken. Nachdem er sein sechs und zwanzigstes Jahr erreicht hatte, ward ihm das Predigramt aufgetragen. Mit Erfolg bekleidete er dasselbe und zwar Anfangs zu Brescia, und hernach in den vornehmsten, italiänischen Städten, zu Rom, zu Bologna, zu Pisa, zu Venedig, zu Man- tua, zu Bergamo. Hiebcy vergaß er nicht, den jungen Ordenöleuten zu Padua, zu Ravenna, zu Bologna, zu Verteil philosophische so wol als exegetische Vorlesungen zu halten. Auf Anhalten des Benedict Cusani las er an letztem Orte über dert Homer. — Sein Lieblingöstudium indeß blieben die h. Schriften. Um die e desto besser zu versteh», nahm er noch als Superior zu Bologna Unterricht in der hebräischen Sprache; sein Lehrmeister war ein jüdischer Arzt, Namens Jsaac.-Nicht lange hernach ward er zum Abt von Spolew erwählt. Sehr verdient machte er sich an diesem Orte, theils durch Wiederherstellung der Discirlin in den Klöstern, theils durch Beylegung der bürgerlichen Unruhen. Nach dreyjähri- gem Aufenthalt ward er von dem Generalcapitel des Ordens, als Aufseher über das Collegium des heiligen Petrus, nach Neapel gesendet. Hier hatte er Gelegenheit, Zwinglings und Bucers Schriften zu lesen; der Geschmack an denselben ward bey ihm durch den Umgang mit I. A. Flaminio, Joh. Valdes, Galea; Caraccioli vermehret, wesentlich erklärte er damals den i- Brief des Paulus a» die Korinthcr. Beym iz. und 14. Vers des dritten Haupt- stückes behauptete er, daß dicke Stelle nichts für das Feg- ftuer beweise. Hierauf ward er der Freyheit zu predigen beraubt. Hierüber beklagte er sich bey dem Papste, und von diesem ward ihm die Freyheit zu lehren wieder geschenkt. Wie er zu Neapel mit Zwinglings, BucerS und Luthers Schriften bekannt worden sey, findet man in einem Werk, unter folgender Aufschrift! „ Sumarische Historie; und wahrhaftig Beschicht von dem Leben, Lehr, Bckannrnuß vnd Ableyben Martin Luthers vnd Ioann „Caluini, auch etlich anderer ihrer Mitgehülfen und Die- » ner deß New- offenbahrten Evangcly, Erstlich aus ftan- «zösischer Sprach, durch 5 ocobum Lsins^um 8 cotum, « der heiligen Schrift Ooclorem 8orboniLllm zu Paris , ins » Latein gebracht: Anietzo aber zu gutherziger Warnung, " vnd nothwendiger Erinnerung, was von solchen Lehrern »vnd andern newen Coacordisten zuhalten, auch wie sie »aus ihren Früchten zuerkennen seyn, traulich vertauscht. „Gedruckt zu Ingolstatt im I. i?82, in 4to. „ In der ZueignungSschrift an F. I. Naß, Bischoffen zu Bellin, Hofpredigern des Erzherzog Ferdinands, und Wcybischos- fen zu Vrixen unterschreibt sich M. Johannes EngerduS der heiligen ksacslsureus , ?oecs lsurestus, Professor zu Jngolstadt, auch der Artistenfacultät Dechant — In diesem Werke werden die Hauptbcförderer der protestantischen Lehre auf alle nur mögliche Weise verkleinert. Von unserm Peter Martyr heißt eö S. : „ In der Stadt „NeapoliS ist er durch Ketzerei) eines Spaniers vom Adel „mit Namen soksnn vslclesso, der seiner Ketzcrcy halben, „von dem Hof Kaysers Laroii quinU hinweg gcmüst, vnd „ inn derselben Statt schon viel Bürger in etlichen seinen „Büchern beredt und betrogen, das kein Gott sey, schendt- „lich verführt vnd vergiftet worden. Darumb Petrus „ Martyr, der gute Gesell - und Freundschaft mit dem „Spanier gemacht, heimliche Raihschläg gleich wie die „Katzen vnd Nachteülen zu Nacht mit ihm bucketc, vnd „sein Ketzerey begierlich gelerncth, sengt an, nach Ar; „ der Vogel, deren Gesang man erstlich nicht leichtlich „versteh» kann, öffentlich zu lehren, erwehlet ihm die er- „ste Epistel zu den Corinthern: Aber so bald er im dritten Capitel aufdise Wort: Es wird das Fewer eines je- „dm Werk probieren, wie es sey, kommen, lest er von „ Stund an hören, was er von seinem zaubrischen Lehr- „ meister gelernt, vnd will, daß dieser Ort vom Feqfewer „ nicht zu vcrstehn, daß ja auch gar kein Fegfewer sey. „ Um so vielmehr hatten Valdessv und Perer Martyr sich verhaßt gemacht, da sie, ausser andern Personen, besonders auch einen Mann aus einer der angeschliffen Familien auf ihre Seite gebracht und dadurch die Ruhe und Eintracht dieser Familie gänzlich zu Grunde gerichtet hatten. Dieser Mann war GaleakiuS Caraccioli. Sein Vater war Marchese von Vico, seine Mutter, aus dem Geschlechte Earaffa, eine Schwester des nachherigen Papstes Paulus Im I. 15Z7. hatte sich der junge Caraeeioü im zwanzigsten Jahre seines Alters mit Victoria, einer Tochter des Herzogs von Nocera vermählt. An dem Hofe des Kayftrs Carls v. hatte er die Stelle eines Truchsessen, und zugleich genoß er wegen seiner guten Lebensart und vorzüglichen Kenntnissen der besondern Gnade des Monarchen. Da nun auf einmal Valdeffo und Peter Martyr ihm ihre Grundsaze cingesiößt hatten, so wurden hierüber sein Vater, seine Gemahlin, seine Verwandte äusserst er- bmert. Den 22. März izzi. verließ Caraccioli Neapel, und zwar unter dem Verwände, sich nach Augspurg an den kaiserlichen Hof zubegeben. Von Augspurg aber flüchtete er sich nach Gens. Durch einen seiner geliebtesten Freunde suchte ihn die Familie zur Rückkehr nach Neapel zu bereden. Auf einer Zusammenkunft zu Verona iui I. izzz. wiederholte sein Vater den gleichen Versuch. Im Z, izzz. anerbot ihm sein Schwager, Papst Paulus iV. freyen Aufenthalt in dem Venctianischen, ohne einige Einschränkung der Gewissens freyheit. Alle Bemühungen blieben fruchtlos. Mittlerweile begleitete er den Calvinus uach Basel. Hier begegnete ihm einer seiner ehemaligen Bekannten, Celsus Marimilianus, Graf von Martinengo. Mit diesem kehrete er nach Genf zurück. Der Graf wurde Pfarrer bey der dortigen italiänischen Kirche, Carac- cioli aber erster Kirchenältester. Durch öftere Zuschriften, Bitten und Flehen, vermochte diesen Leztern seine Gemahlin, daß er im I. ie?8. eine Reise nach Lesina in Dalmatien vornahm, um nach getroffener Abrede daselbst mit ihr in Unterhandlung zu treten Sie kam aber nicht, sondern schickte nur seine zween ältesten Söhne. Traurig kehrete er nach Genf zurück. Zu grösserer Sicherheit «ahm er Unterwegs das bichdtnersche Bürgerrecht zu Chur an Auf wiederholtes Zubringen begab er sich von neuem nach Lesina, und endlich selbst nach Vico im Neapolitanischen. Hier hielt er sich einige Zeit aus. Weder srcund- licheS noch hartes Zureden des Vaters, auch selbst nicht das herzbrechende Flehn der Gemahlin und Kinder änderten seine religiösen Gesinnungen. Er versprach seiner Gc, mahlin alle Gewissensfreyheit, wenn sie ihm nach Genf folgen wollte. Sie weigerte sich, und er reisete allein nach Genf zurück. Da ihm seine Gemahlin nicht hatte folgen wollen, und ihm auch bey der Zusammenkunft zu Vieo, auf Einrathen der Priester, die ehliche Wicht versagt hatte; so erklärten die schweizerschen und genferschen Got- teSgelehrten dieses als muthwillige Vcrlassung Im I. i;6o. schritt er also zu einer andern Ehe, und verheiratete sich mit einer vertriebenen Hugenottin, Anna Fcrmcr von Rouen. Mit ihr vollbrachte er die übrigen Lebenslage in sehr eingeschränkten Umständen. Mehrere Nachrichten von ihm findet man in dem Mus. ttelv. 1. VIII, ! 22 , bey Tbuan und Teißier, wie auch in seinen besondern Lebensbeschreibungen. — Von dieser Episode kehren wir auf unsern Martyr zurück. , Noch befand sich Martyr nicht völlig drey Jahre in Neapel, als er gefährlich krank ward. Seine Obern schrieben die Krankheit der Neapolitanischen Lust zu; um ihm eine Luftveränderung zu verschaffen, ernennten sie ihn zum General-Visitawr des Ordens. Die Strenge < womit er diesem Amt vorstand, zog ihm Haß zu. Die Folgen hieven empfand er in dem General - Capitel, welches zu Mantua gehalten wurde. Daselbst ward er zum Prior von St. Fridian in Lucca erwählet. Ehrenvoll genug war zwar die Würde; dieselbe ist nämlich mit der bischöflichen Gerichtsbarkeit über die Halste der Stadt verbunden : Die Bürger daselbst aber waren Todtfeinde der Florentiner, und so erwärmen die Feinde unsers Martyrs, ... 4 ? daß er sich an diesem Orte grosse Verdrießlichkeiten Mir, den u erde. Martyr wußte ihre boshaften Absichten zu vereitle», und sich ganz die Liebe der Bürger zu Lueca eise» zu machen. Unte seiner Aufsicht befanden sich daßige Tctzulcn m btühenoem Zustand. Auf denselben unterrichtete Paul Lacist von Verona in der lamniichen Sprache; Celsus Marünengoim Griechischen; Emanucl TremelliuS im Ebräischen; Martyr selber erklärte die Briefe des Paulus , auch predigte er fleißig. » Dieser Zeitpunct in Martyrö Leben berührt der oben angeführte/ verdeutschte Eorbonnist in folgenden Worten: » Nachdem er seine Irrthümer wiederruffen/ ist alles durch » Mühe und Fleiß seiner Freunde / der er damalen zu Rom »viel hätt/ gestillet und befriedet worden; über dieses « nicht lang ist er wieder zu dem Amt und Dignität bc. »fürderet worden / alle so Augustinerordenö visitiren. In » solcher Dignität hat er viel ihrer Aempter / sonderlich »die er strafwürdig und eines bösen Leben fand, entsetzt. «Insonderheit aber einen alten Mann/ der dem ganzen -- Orden vor Jahren wol fürgestanden war / mit etlichen «seinen Gesellen / verschuffe er durch Falsch und Betrug »in ewige Gefängnuß, darin« er auch gestorben ist. Son, »sten aber weil er in diesem Ampt gewesen, hat er viel » Bruder über alle Maß verirr / wider welche er mehr »aus Neid sie zu peinigen und zu plagen / dann auö lieb »zu bessern nnd zu strafen getrieben. Aus welcher Ursachen »er von gemeldm Dignität abgcsezt, und Meinem Prior ,, St. Fridiani gemacht worden.« Zu Genua» woselbst sich das General-Capitel versammelte. zog sich ein grosses Ungewitter über seinem Haupte zusamen. Vor diesem General-Capitel sollte er sich persönlich wegen Ausstreuung vermeintlicher Irrlehren rechtfertigen : allein sorgfältig wich crö aus / und dachte lieber darauf, wie er aus Italien wegkommen und irgendwo un» tcr den Pestsäulen Zuffucht finden möchte. Nachdem er seine Sachen tn Ordnung gebracht hatte, begab er fich in Geheim aus Lucca hinweg. Ihn begleiteten Theodosius TrebelliuS, Julius Teremianus und Paul Lacifi, welcher lcztcre hernach als Professor der griechischen Sprache zu Straßburg gelebt hat-. Anfangs gieng unser Martyr nach Pisa; daselbst genoß er mit einigen Vertrauten das Nachtmal nach protestantischen Gebrauche. Nachdem er fich gc^ nugsam in Sicherheit glaubte, schickte er Briefe an Re- nald PoluS, und an die Bürger in Lueea, um sein Betragen zu rechtfertigen und um ihnen von seiner Glaubensänderung Nachricht zu geben. Hierauf begab er sich nach Florenz; daselbst riech er* dem Bernhardt» Ochin, anstatt zur Verantwortung nach Rom hinzureisen, lieber in fremden Ländern Sicherheit zu suchen. Nachdem er für ewicx von seinem Vaterland Abschied genommen hatte, kam er im I. i;42 nach Zürich. Daselbst ward er von Pellican, Bullinger und den übrigen zürcherischen Kirchenlehrern sehr wol empfangen. Da eben keine stelle ledig war, so- gieng er nach Basel. Kaum war er einige Wochen an diesem leztern Orte, so erhielt er, Lurch Martin Bueers Vermittlung, einen Beruf nach Straßburg. Fünf Jahre lebte er da mit seinem Freund Lacisi. Im I. 1546. verheyratete er sich mit Catharina Dampmartin von Metz, einer Nonne, welche acht Jahre hernach, kinderlos, in England starb. Im I. 1547. nämlich ward er, unter der Minorität Eduards Vl, von Eduard Seymour, Herzog von Sommerset und Protektor des ReichS, wie auch von Thomas Cranmcr, Erzbischof von Canterburi, nach England berufen. Dahin reifere er in gleichem Jahr mir Bernhardin Ochinus; einige Zeit wohnte er zu Lambeth bey Cranmern. Hieraus gieng er nach Oxford; daselbst ward er vom König zum Professor der GotteSgelehrtheic ernennt, mit einem Jahrgehclt von Mark» In die- " 45 sem Beruf hatte er öftere Disputationen gegen die Papisten. In den Gegenden von Oxford entstand unter den Bauren ein Aufruhr zu Gunsten des. Papsttums. Mit äusserster Lebensgefahr flüchtete sich Martyr nach London, und erst nach Beylegung aller Unruhen kehrte er nach Oxford zurück. Im Jenner i;;?. erhielt er vom König ein Canonieat bey der Christ-Kirche, nebst einem Haus bey dem Collegi- nm, woselbst er sich mit seiner Gattin niederließ; und man bemerkt, daß sie die erste Frauensperson gewesen, die zu Orford in dem Collegium gewohnt habe. — In gleichem Jahr ward er zu der Commitce verordnet, welcher Eduard bie Verfertigung der englischen Kirchensatzungen auftrug. Nach dem Tod dieses KönigS im I. 15?;. ward von der Königin Maria das Papstum wieder hergestellt. Martyr verließ also Oxford und flüchtete sich nach Lambeth zu dem Erzbischof von Canterbury. Nachdem dieser leztcrestn Verhaft gebracht worden, sah ersterer kein besseres Schicksal vor §eh. Ohne ausdrückliche Erlaubniß der Königin wollte er gleichwol England nicht verlassen. Nach erhaltner Erlaubniß zur Wegreise, blieb er noch Einige Tage im Verborgnen; hierauf begab er sich in geheim nach Antwerpen, und von da weiter nach Straßburg. Mit Freuden nahm uian ihn an lezrerm Orte auf und gab ihm den Lchrstuhl, den er vor seiner Wanderung nach England im Besitz gehabt hatte, jedoch ward er genötigt, sich schriftlich zur Augspurgischen Eonfeßion zu bekennen; auch mußte er in Betref solcher Lehrpuncte, über die er nicht Lntherijch dachte, alle Mäßigung versprechen. Ueber die Lehre vom Abendmal nämlich dacht' er völlig wie Zwingli. Er fieng an mit Auslegung des Buches der Richter. — Beym Mangel solcher Professoren, denen man den philosophischen Lchrstuhl hätte anvertrauen rönnen, ward auch dieser Lehrstuhl von den beyden Professoren der Gottesgelehrcheit -Meidet. Martyr erklärte also die Schick des Aristots aii den Nieomachus. — Verschiedene Verdrießlichkeiten, die er sich wegen einiger Abwei»ung von dem Lutherischen Lehrgebäude zuzog, bewogen ihn zur Aufsuchung eines ruhigern Aufenthalts. Nach Conrad Pelikans Hinschied den April 1556. ward er als Professor der Theologie und der Ebräischen Sprache nach Zürich berufen. So groß die Verdienste dieses leztern gewesen, so waren sie gleichwol bey zunehmenden Altersschwachheiten durch Ei« gensinn und selzame Laune befleckt. Bibliander hatte sich durch einige Abweichung vom herrschenden L. hrbegriff verdächtig gemacht, und überall hatte sein Colleg mehr Beyfall gefunden. Aus Unmuth gieng er so wert, daß er Liesen auf einen Zweykampf ausfordere und ihn zur bestimmten Zeit, an bestimmten Ort mit einer Hellparte erwartete. Hierauf ward Bibliander im I. i;6o. seines Amtes entlassen, jedoch behielt er die Einkünfte bis aus Ende deS Lebens. In Zürich ward Martyr mit dem Bürgerrechte beschenkt, obgleich der Senat daselbst seit einiger Zeit in Mftttheilung desselben sparsamer geworden. Nach sechsjähriger Verwittwung verheuratete er sich wieder in Zürich, mit Catharina Merenda von Brescia Dieselbe gebar ihm einen Sohn und eine Tochter, welche in der Minderjährigkeit starben; nach seinem Tod hinterließ er sie schwanger. Noch kein volles Jahr war er in Zürich, als er zum Nachfolger des Martinengo nach Genf berufen wurde. Ohne Erlaubniß des Zürcherischen Magistrats wollte er den Beruf nicht annehmen. Auf dringendes Anhaften desselben blieb er in Zürich. Aus gleichem Grund schlug er einen neuen Berns nach England aus, ungeachtet ihn die Königin Elisabeth sehnlich verlangte. Von dem Zürcherischen Senat ward er im I. r;6r. 47 sufgefor-m- mir Theodor Beza dem Religionögespräch in Poißi beyzuwohnen. Unterm Vorwand, daß er der französischen Sprache nicht mächtig genug sey/ begab er sich, auf erhaltne Erlaubniß, nach Zürich zurück. Daselbst 6 arb er den 12. Winterm. in einem Alter von zwey und sechzig Jahren. — Durch das liederliche Betragen ihres Ehegenoffen, sah sich seine einzige, nachgelaßne Toch- ter, Maria, in die äusserste Armuth gestürzt. Aus Achtung für ihren verstorbenen Vater ward sie von der Regierung in Zürich anständig verpflegt. Dü Pin giebt unserm Martyr folgendes Zeugniß: » Den Calvin ausgenommen, schrieb unter allen Reformatoren keiner besser als Petrus Martyr. Den Calvin --übertraf er noch an Gelehrsamkeit und an Kenntniß der »Sprachen. Fleißig hatte er die Kirchenväter und die »alte Kirchenzucht studirt. Er hatte mehr Mäßigung » und Sanstmuth als kein andrer von den protestantischen » Lehrern, und zwar nicht bloß im Ausdruck und Vertrag, »sondern auch in den Gesinnungen selbst. Wenn man »ihm hätte Gehör geben wollen, so wäre er ungemein darr zu geneigt gewesen, nicht nur die Lutheraner und die » Reformirren, sondern auch mit diesen die Catholischen zu »vereinigen.,. Von Petrus Martyr hat man Commentarien über verschiedene Bücher des alte» und des neuen Testaments. Anstatt der buchstäblichen Erklärung, findet man viele gekehrte, dogmatische und kasuistische Ausschweifungen. Die meisten dieser Commentarien sind in Zürich gedruckt. Ebenfalls in Zürich ist sein Commcntar über die Aristotelische Ethick erschienen. — Unter mehren andern Werken erwähnen wir noch der geologischen Locomm Lommunium , die in drey Folio-Bänden zu Basel gedruckt sind. Verschiedene seiner Werke sind von Anton Märten ins Englische überleit worden. Im I. 1562. edirte Conrad Hubert bey Oporin dit Ulkorism R. Lucsri L ?. sssgli. Im Anhange befindet sich ein Schreiben des Jacob Calfhillus an den Bischof zu London, Edemund Grindall, das wir hier verdeutscht im Anszugc mittheilen wollen. Nach der Verbannung der Kardinal Polus, heißt es, schweifte er Jahre lang herum, bis er im I. 1554. von Ler Königinn Maria nach England zurück berufen worden. Sogleich erneuerte er die päbstlichen Gebräuche, die Eduard VI. abgesckaft hatte. Unter der Regierung dieses Monarchen lehrte zu Oxford Peter Martyr Vcrmilio. Die Gattinn dieses Gelehrten starb im I. i;;r, und ward als eine fromme und wolthätige Matrone von jedermann bewäint. Von dem Kardinal aufgehest, hielten einige katholische Prälaten ängstliche Nachfrage, in was für einem Glauben die Ehegenoßinn des Peter MartyrS gestorben. Aus Haß gegen diesen, verfolgte der Kardinal auch jene noch in dem Grabe. Er schrieb an den Dechant Marschall: Weil die Leiche der Catharina Vermtlio neben den Reliquien der heiligen Fridesuida beygesezt sen, so müsse sie hervorgcscharrt werden. Es geschah, und unter den abscheulichsten Unfugen, wurde die Leiche in unreinen Koth hingeworfen. Unter der Regierung der Königin Elisabeth aber holte man sie in einem Stall des Dechanten, noch unverwesen, aus dem Unrathe hervor, sammelte die Gebeine in ein Gefäß und ließ sie von den Küstern bewachen. Inzwischen entdeckte man in dem abgelegensten Winkel der Kirche die Reliquien der heiligen Fricdesuide. Ich vermischte sie mit jenen Gebeinen der Catharina Ver- milia und Anfangs des Jahres 1591 ließ ich sie bey einander begraben. Am nächsten Sonntag hielt Rogerson zum Andenken von Peter Martyrs Ehegenoßinn öffentlich eine erbauliche Leichenrede. Ioh, 49 Johann Ludwig von Erlach.*) . Ein grosses Werk, nicht eine kurze, biographische viachricht münen wir schreiben, wenn wir die verdienten Männer aus Rudolfs von Erlach, des grossen Siegers bey Laüpen , Stamme alle herzählen sollten, welche sich im Diente des allgemeinen und besondern Vaterlandes so wie in den Diensten fremder Mächte berühmt gemacht, auch bey aller Veränderung der Gesinnungen und Verhältnisse die Hochachtung der Nachwelt er-worben haben. Unser Johann Ludwig von Erlach wurde zu Bern den ;v.Jet.i;y5. geboren.Schon in seinem sechzehnten Jah- ^ trat er in Kriegesdienste. Bey dem Treffen vor Prag defand er sich bey dem Heer des Herzogs von Braunschweig, ^tichofs von Halberstadt. Er gerieth in die Hände deö ^tafcn von Tilli, kaufte sich aber los, kehrte nach Bern zurück^ vermählete sich da, und erhielt im I. 1726. Zu-> ^"t im Rache. Er bekam den Auftrag, zwischen dem Kdnig in Frankreich und den Reich-städten Ulm und Nürn- d"'g ein Bündtniß zu schliesset Nicht genug mit friedli- ^n Unterhandlungen beschäftigt, warb er im I. r6;o. dt'eytansend Mann für Frankreich und führte sie, gegen den Willen der Bernerschen Regierung, als Oberst in das Piemontesische. Aus dem französischen Dienste trat ^ im I. 1621. jn den schwedischen hinüber und dienere unter dem Herzog Bernard von Sachsen-Weimar. Nach dem S. tVISmvires tiikorigues, cvneersns M. le gsnerzt N'Lr- , Louverneur äe Lrilsek, A xl»ees cn ^0. pour z 1 'UiN. cle M zuerrs äs trente sus L rexnez lte Louis XUI L lte Louis XiV, x»r Ltd. ä'Lr- tüel,, Lsrvn cke 8 xier. VvorNon. 1784, D Tode des' Königs Gustavs schickten ihn die Berner zur Bedeckung der Eydgenößischen Grenzen gegen die kayserli- chen und spanischen Truppen nach Müllhausen und Basel. Im 2 - l6;4. umerstüzte er im Veltlin den Herzog Rohan gegen die Partey der Spanier. Hernach begab er sich inS Brisgäu. Nachdem der Herzog von Weimar Bei. fach, Elsaß und einen großen Theil des Bistums Basel weggenommen hatte/ trat Erlach von neuem zur.Fahne dieses Herzogs / der ihn zum Gubernator von Brisach ernannte und zu wichtigen Unterhandlungen nach Paris absandte. Nach dem Tode deö Herzogs im I. 16)9. wurde nun er das Haupt des Weimarischen Heeres. Im 2 » i;zo gab ihm der König ein Gehalt von itzooo. Livres, nebst der Benuzung aller Eisenschmidtcn im Elsaß/ jedoch unter Beding / daß er für gewisse, angewiesene Festungen Kugeln und Bomben in seinen Unkosten herschaffen sollte. Ueberdieß gab er ihm Naturalisationspakeme, um derentwillen er auf seine Rathsstelle in Bern Verzicht that Der Prinz von Conds erkannte selbst, daß er den Sieg bey Lens über den Erzherzog Leopold im 2 ahr 1648. einzig unserm von Erlach zu danken gehabt habe. Kaum war der deutsche Krieg beygelegt, so wurde Frankreich durch innere Zweytracht beunruhigt 2 » den ersten Tagen des 2 ahre 6 1649. empörte sich das Volk gegen den König. Dieser blokirte Paris und forderte unsern von Erlach zur Beyhilfe auf. Selbst Türenne war bereit, das Parlament gegen den Hof zu unterstützen; allein man kam seinen Unterncmmungen zuvor, und es erschien bey seinem Heer eiu königlicher Befehl, daß es nicht mehr ihn, sondern den Erlach als Generalen verehren sollte. *) Unter solchen bedenklichen Umständen versicherte sich dieser leztcre vor allem aus, des Beystandes Carl Gustavs, des Generalißimus von Schweden, wie auch deö ") S- Ui!t. rniüt. äe8uilse, xir 2ur1»uben, 1.IN, S- 464 , sl Landgrafen von Hessen, und des Marschall Wränget. Tü- *cnne flüchtete sich von Spcyer über Heilbrunn und Kassel nach Holland, Um die Truppen in guten Gesinnungen zu Malten, bezahlte sie Erlach selbst und borgte das Geld auf Kredit. Man glaubt, daß es ihm leicht gewesen wäre, sich TürennenS Person zn bemeistern: allein je mehr sie schon vorher uneinig gewesen, desto sorgfältiger wich Er, lach allen Verdacht der Rachbegierde aus. Gar bald wurden in Frankreich die einheimischen Streitigkeiten beseitigt, als die allgemeine Gefahr von Aussen alle Gemüther wieder vereinigte. Gegen die Spanier schickte der König unsern Erlach als General, und zwar wit der unumschränktesten Vollmacht, I» diesem Feldzug verlor er seine Gesundheit und endlich das Leben. Er schrieb an seine Gemahlin: »Unsere Truppen betragen sich »sehr schlecht, und sie machen mir mehr Mühe als der »Feind selbst. In ganz Frankreich sind wir verabscheut, »und mein ehmals erworbener Ruhm leidet Gefahr. Ich »kann aber nichts ändern; alles überlaß ich der Vorsicht, »welche wol weiß, daß ich an diesen Verwirrungen nicht »im geringsten Schuld bin.» Vor Verdruß fiel er in ein Ehrliches Fieber; er ließ sich nach St. Quintin bringen ; von da kehrte er nach Peronne zurück, woselbst der Graf von Harcourt ihn aufs zärtlichste verpflegte. Er bat bey Hose um die Erlaubniß, nach Brisach zurückkehrn zu dürfen, um sich der Griesbacher-Bäder zubedie- nen. Seine Ungeduld war so groß, daß er sich auf den Weg begab , ehe noch die Erlaubniß anlangete. Er konnte sunen Ruhm nicht besser behaupten, als wenn er sich in sein Gouvernement einschloß. Seit TürennenS Abfall Mte es sich beträchtlich erweitert. ES erstreckte sich von brm Bodensee bis an die Mosel. Der Winter war für ihn wider ruhig noch glücklich. D s Die Einwohner der Marggrafschast Baden waren müde, immer nur fremde Truppen zu füttern, und selbst zu darben z sie empörten sich, und wurden nur durch Gewalt der Waffen gebändigt. Die Gefängnisse von Stollhofeir waren angefüllt mit Schultheiffcn und Bürgermeister»/ die sich weigerten, milden Truppen zur Plünderung des Volkes in Verbindung zu wetten. Gerecht war ihr Mieder- stand , allein die Brandschazungen waren die einzige Aushilfe für den ausgehungerten Soldaten. Zur Erleichterung der dringensten Bedürfnisse anerbot sich Erlach, sein Silbergeschirr einschmelzen zu lassen. Der Hof schickte dem Heere kaum den dritten Theil von dem, was er versprochen hatte. In Philipsburg entstand eine Empörung, und zu ihrer Besänftigung bedurfte eS aller Standhastig- keit und Klugheit des Gubernawrö. Erlach schrieb an den Hof bald für das Volk, bald für die Truppen, für die benachbarten Fürsten, zuweilen auch für die Kantone- Immer erhielt er die schmeichelhaftesten Versprechungen für seine eigne Person, aber wenig thätliche Unterstützung» Acht Tage vor seinem Hinscheid forderten seine Regimenter entweder Sold oder Entlassung. Er fühlte die Billigkeit ihrer Forderung, und konnte sie doch nicht gewähren, Er starb den 26. Jenner i6§o, in seinem fünf und fünfzigsten Jahre- Drey Tage vorher hatte ihn der Könrg zum Marschall von Frankreich ernennt. Er erfuhr die Nachricht hievon nicht mehr. Seine Wittwe bat bey Hofe um die 200,000. Livres, die ihm der König schuldig war. Umsonst forderte sie die §00,000. Livres, zu deren Bezahlung sich Herwart anheischig gemacht hatte. Sie starb fünf Jahre nach dem Tod ihres Gemahls. Erlach ist auf feinem Guth zu Casteln begraben. In dem Europäischen Theater sindt man sein Bildniß mit folgender Jnnschrist: lloc rLäise vulw, MVIILLL guem maximus bieror PGM - 2 ^ ^ >'E-ß SMM! WEM Lernksköuz kelll äeüinat ipss Ducsm. Relvcticum 8snZuen, ^Lnu8 I^uäovicus sb Lrlacl» Ltlus Lrilsci; 6c tibi lldens xster. Johann Jacob Stocken Im Jahr i6e;. Im Jahr 1651. starb -er Prinz Statthalter Wilhelm li, ein Eydam König Karls I. Er hinterließ einen Sohn in -er Wiege. Lromwell beredete sich, den Niederländern mrde eben so wenig mit einem neuen Statthalter , als den Engländern mit einem Monarchen gedient seyn. Schon hatte er mit kühnen Geist beyde Sraa- tcn nur in Einen zusamengeschmolzen. Diesem Entwurf tviedersezten sich die Freunde des Hauses Oranien und nunmehr kündigte Lromwell den Niederländern denRrieg ün. Ohnehin war hie und da die protestantische Kirche vedränt; noch mehr war sie in Gefahr, alsjezt, ungeachtet der Religionsverwandschaft, die Flamme der Zwey tracht steh über diese sonst schwesterlichen Staaten zu verbreiten ansieng. Jene Blutscenen auf dem entlegenen Meer sahn von der Höhe ihrer Gebürge die protestantischen Can- tone; voll Wehmuth und mit religiöser Theilnehmnng suchten sie das Feuer des Krieges zu löschen. Umsonst daß sie n.ch so dringend zum Frieden ermähnten! Nachdem alle Zuschriften fruchtlos geblieben waren, so entschlossen sie sich mrnmehr auf der Taglcistung im Jenner 165;. beyden epubltken durch Johann Jacob Srocker Stadtschrei- r r ^ Schafhausen, ihre Yermittelung anbieten zu »anen. »4 Den io. Februar trat Stoker die Reise an. Wegen den Innern Unruhen in Frankreich nahm er seinen Weg über Deutschland nach Hamburg. Daselbst erfuhr er durch den englischen Residenten die Ankunft eines schrve» disnen Gesandten, Namens Lagerfeld, in Hamburg; Auch dieser hatte von seiner Königin Christina den Auf» trag zur Vermittelung zwischen beyden kriegenden Staaten. Während daß derselbe zur Ucbcrfahrt auf günstigen Wind wartete, eilte ihm Stocker zuvor und reiset« über Land nach Dünkirchcn ; von da sezte er glüklich hinüber und kam noch vor Lagerfelden nach London. Sogleich führte ihn Düräus zu dem Sprecher des Parlaments; dieser cmpficng die eydgnößischcn Briefe, und las sie TagS darauf in der Versammlung des Parlaments vor. Da. Stocker aus Mangel eines Gefolges, die Ehrenbezeugungen eines Borhschafters auSschlug, so schoß der Staais- xath acht Glieder aus, die ihn mündlich verhörten. Inzwischen hatten die Staaten von Holland und westfrießland nach der Einbusse in dem Treffen bey Portland unterm i8 Merz bey dem Parlament den Frieden verlangt. Hierüber war zwischen beyden Republiken ein weitläufiger Briefwechsel entstanden, und mitte, lexweile die Antwort an Steckern verzögert. Bald hernach, den 20. und zs. Aprill erfolgte die Aufhebung des Parlaments. Die Klägern in dieser Versammlung, denen Cromwell zu furchtbar geworden, glaubten in der Forrsrzung des Krieges einen Verwand zur Vergrößerung der Flotte, und eben deßwegen zugleich zur Verminderung der so gefährlichen Landmacht zu finden. Cromwell errieth ihre Absichten, so wie sie die se-nigcn. > Von den auserlesensten Officirö und Soldaten begleitet, trat er in den Parlameinösaal. Sobald er Plaz genommen hatte, sprach er: Ich denke, daß das Parlament zur Aufhebung reis genug ist'. Einige beschuldigten ihn W , Undanks; er trau in die Mitte des Zimmers: Der Herr, schrie er, bedarf euer nicht weiter; er wählt andere Werkzeuge zur Vollendung seiner That. Nach diesem schwärmerischen Auftrag, ruft er die Officiers und Soldaten herein; sein Generalmajor Harisson geht sogleich auf den Sprecher des Parlaments los, und reißt ihn mit Gewalt weg. — Ihr , schrie -er Heuchler, zwingt mich zu diesen, Verfahren; denn die ganze Nacht durch hab ich den Herren gebethen, daß er mich lieber töde als zu ei. «ein solchen Unternehmen verleite. — Und damit stieß er ein Glied nach dem andern heraus, schloß die Thür zu, nnd schob Schlüssel in seine Tasche. Anstatt des Parlaments wurde nunmehr ein Staatsgut!) geordnet. Inzwischen erschien unterm 9. May ein Schreiben von den Generalstaaten, in welchem sie dem Parlamente vorschlugen, daß man an einem dritten Orte durch Bevollmächtigte am Frieden arbeiten möchte. Da das Parlcment entsezt war, so überreichte der Abgeordne- ie das Schreiben dem General Lromrvell. Unter freund- ucherVersscherutig schlug dieser dieStadt London zum Mittelpunkt der Unterhandlungen vor. Ungeachtet aller Will- sahrigkeit von Seite der Holländer, geriethen nicht desto fettiger beyde Parteyen den 2. Iunius an den Flandrischen husten aufs neue stark an einander. In aller Eile begab ach hierauf Beverning, einer von den holländischen Bevollmächtigten , auf London, mit Versicherung, daß die andern bald nachfolgen werden. Da in seinem Vorteag weder p^gen der Genunglhuung noch der Gicherstellung ge. Le« das Haus Orange gedacht war, so erfolgte keine Antwort. Die drey andern holländischen Bevollmächtigten, Taeuporl, Iongsthal und perre langten jezt auch an, und thaten den ztveyten Vertrag. Cromwell fuhr fort auf Bezahlung beträchtlicher Geldsummen zur Schadtos- HEung, und zur Sicherheit auf Adtrettung verschiednex dlaze zu dringen. Stocker und andere Vermittler vermochten wenigstens so viel, daß CromweU, bis auf die ostindischen Händel in Am botna, wie auch in Brasilien, Grönland und Moskau, für einmal auf weitere Genugthuung Verzicht that: Hartnäckig aber bcharrte er daß ihm von den Niederländern zur Sickierstellung einige pläze möchten eingeräumt werden. Endlich bequemten sich die Holländer, daß sie zur Beruhigung der britischen Eifersucht den damals 4. jährigen Prinzen von Oranicn, nebst allen «einen Nachkommen für immer und ewig von allen Aemtern < die seine Vorfahren besessen hatten, von der Statthalter-Feldherren — AdmiralLsteüe — auSzuschlieffen versprachen. Da aber dieser Artickel so wol die Partey des Prinzen, als auch die übrigen Provinzen beleidigen mußte, so ward er bis zur Eröfnung deö Friedens verheimlichet, und Holland entschuldigte sich hernach, daß dieses Bedingmß, das einzige Mittel zum Frieden gewesen. Bey diesem altem geschah den 29. IM zwischen beyden Parteyen das dritte blutige Treffen, in welchem die Holländer den Admiral Troinp eingebüßt hatten. Wegen Ungewißheit des «usgangcS und Verzögerung der Unter- handlungen wurde nun Srocker von den Lamonen nach Hause berufen Während seines Aufenthalts zu London war er bey den Großen so wol als bey dem gemeinen Mann sehr wol geübten. Man liebte und ehrte die Schweizer, die bey der so weiten Entfernung, ganz ohne politische oder kaufmännische Verhältnisse, einzig aus Religionseifer sich so treuherzig und biderb in diese Händel eingemischt hatten .Auch bey LromwellZ hatte Stocker vertraulichen Zutritt. Schon bey der ersten Unterredung NWßte xx Hm ausführlich die StaatSvcrfassung der Eygenossen beschreiben, auch gab er ihm verschiedene Erläuterungen über IosiaS SimmlcrS Buch, cls republica üelvstorum. Bey einem andern Besuch erklärte ihm Cronwell umständlich alle Ursachen und Triebfedern des Krieges zwischen Holland und England — Mehr weniger vertraulichen Um, Sang pflog Stocker mit den niederländischen Gesandten und mit gutem Erfolg bedienten sich di.se seines Raths und seiner Dienste. — Ungeachtet seiner Zurückrufung, welche doch auch nicht durchaus bestimmt war, ließ er sich auf dringendes Anhalten so wol von englischer als von holländischer Seite zum Aufschub seiner Abreise bereden. Seither giengen die Frtedcnsunterhandlungen so glücklich fort, das nun vom Herbstm. bis zum Crlstmonat alles in Richtigkeit gebracht war. — In dieser Zeit geschah abermals eine ausscrordentliche Veränderung in der englischen Regierung. Nachdem Lromwell das obenerwähnte parlement abgeschaft hatte, änderte er selbst mit seinem Krieg: - arh die ganze Verfassung, indem er 144' Dolksmänner erwählte, grossentheils aus den Werkstätten und aus den Krambudcn; das angcsehnstc Mitglied dieses neuen Parlaments war ein gewisser Kupferhändlcr, Namens Barebone; auch hieß es das Parlament der Ba- tebone. *) Durch ein Circularschreiben ließ Lromwell sie alle zur Theilnchmung an der Regierung von England, Schottland und Jrrland auffordern. In Zeit von fünf Monaten lösete sich dieses' verachtete und unfähige Parlament von selbst auf, und übergab frcywiüig alle Gewalt dem Rriegsrach. Der unaufhörlichen Abänderungen müde, sehnte sich die Nation wieder nach einem Haupte, und so ließ sie's geschehen, daß der K.iegcörath Cromwelln Zum protector der drey Röntg - Re che ernenn« te- Unumschränkter herrschte er nunmehr als kein Kö .ig, iedoch vermied er sorgfältig den königlichen Namen, der "verhaßt war, daß die Engelländer auch in dem Unser ^latcr, anstatt, vcniat regnum tuum, lieber veniat res- publica zu sagen anfiengen. Nichts dcstoweniger wurde 3m englischen heißt Barebone so viel , als geschundene Knochen der Proteetor als Hoheit geehrt; man instalmte ihn z» witehal in dem Palast der Könige, woselbst er nunmehr seine Residenz aufschlug und auch von auswärtigen Staaten eben so wie von seinen eignen Landleuten verehrt ward. Diese Staatsveränderung änderte nichts in den Unterhandlungen mit Holland. Alle Puncte waren berichtiget bis zur Unterschreibung, wozu sich unter den holländischen Gesandten zwar Levernings und Neuport nicht ungeneigt zeigten; ihr College Iongsthal hingegen drang vermög der Instruktion durch, daß noch vorher seine Principalen von allem sollten benachrichtiget werden. Ungemein war der protector durch dieses Zaudern beleidigt; rund heraus erklärte er sich, wofern sie ohne zu unterzeichnen verreise», so werde er die ganze, bisherige Friedenshandlung als nicht geschehen betrachten; aller Fürbitte von Seite Scockers und anderer Vermittler ungeachtet, beharrte er bey dieser gegebenen Aeusserung. Nicht ohne bange Erwartung waren jetzt die holländischen Gesandten nach dem Haag abgereiset. In wenigen Tagen kam Be- vernings wieder zurück, und zwar mit gänzlicher Vollmacht zur Unterzeichnung des FriedensvemageS. Da aber seine Mitgesandte mit der Einwilligung der übrigen Provinzen noch zurückblieben, so begehrte Cromwell die Unterzeichnung nicht mehr. Levernings war äusserst verlegen; Stocker, welchem Cromwells geheime Absicht bekannt war, daß diese Verzögerung eben nicht ernstlich gemeint, sondern nur ein stiller Verweiß sey, weil die holländischen Gesandte vorher ebenfalls zur Unzeit gezögert hätten munterten ihn wieder auf. Aufdie Nachricht von Sever- ntngs Zurückkunft, waren Cromwellen vor Freude ausdrücklich die Worte entfallen; Ooäbes blsleä jsnivsryAlsö. Daß Scockers Vertröstungen begründt gewesen, hat der AuSgang bewiesen, indem bald hernach, den April! 1654. zur Zufriedenheit beyder Staaten so wol als auch aller wolgcsinmen RcligionSverwandten der Frieden erfolgte. 59 Bey dieser glücklichen Aussieht machte sich anfangs des Jahrs 16^4. Stocker fertig zur Abreise. Beym Ab? , schieb, und so oft er sonst sich mit dem Protektor Unterwelt, geschah eS von beyden Seiten mit entblößtem Haupte, auch ließ dieser den eydgenößischen Abgeordneten mit gleichem Gepräng wie die königlichen Minister begleiten, welches gleichwol dem venetianischen Residenten, Pauluc- ei, nicht wiedersuhr Bey Stockers Entlassung bediente stck> Lromwell unter andern ausdrücklich folgender Worte: „ Schon mehrmal hab ich euch versichert, nicht nur, „daß euer Auftrag überhaupt uns sehr angenehm gewe- »sm, sondern auch daß euere Vorstellungen nicht wenig "den Frieden befördert haben. Versichert daher eure »Prinzipalen, daß sie keine bessern Freunde haben als »»uns, die englische Nation. Jede Gelegenheit wird uns "Willkomm seyn, euch hievon thätliche Proben zu geben. ' "Durch die Natur befindt ihr euch zwar in der günstigsten "Lage, zur Abhaltung auch der mächtigsten Feinde: wo- "ftrn aber, wie wir besorgen, sehr bald ein Religionskrieg auSbrechen sollte, alSdenn würdet wol ihr die Er. "sten einen Angriff ausstehen müssen; in solchem Fall "Wünschten wir euch aufs nachdrücklichste unterstüzen zu "können, und nicht erst bey schon vorhandener Gefahr " allzu spät hierüber benachrichtiget zu werden. Die An- »zeigen sind häufig; auch meine Briefwechsel, die ich hin »und wieder so gut habe als ein Staat in der Welt, "versichern mich, daß der Papst auf die Aussöhnung mit " Spanien und Frankreich nur darum bedacht sey, um "diese Kronen gegen die resormirte Kirche zu wafnen. » "Vielleicht daß der helvetische Boden ihnen zum Schauplatz sehr bequem scheint. Auf der einen Seite können »sich gegen euch Oestreich und Spanien verbinden; auf " der andern Seite habt ihr Frankreich zu fürchten. Geigen dieses leztere Reich fehlt es uns nicht an Mittlen 6o „ zur Erwcckung nöthiger Diversion» Wofern euch ande« „re und kräftigere Mittel bekannt sind, so wünschten wir, „ daß ihr sie uns zur rechten Zeit mittheilt und nicht euch > „selbst versäumt. Das erste Mittel besteht ohne Zweifel „ in einem vertraulichen Briefwechsel zwischen den III. Re- „ publiken, der eitrigen, England und Holland „ u. s. w- Beym Abschied erhielt Stocken ein Geschenk von dem Protektor, von 200. Pfund Sterling, mit der Entschuldigung , daß er ihn nur darum nicht mit einer güldenen Kette beehre, weil nach einer neuen, sehr scharfen Sazung, die englischen Gesandten nirgendwo Geschenke annehmen, und auch die auswärtigen Gesandten von England nicht beschenkt werden dürfen; würklich hatte man dem schwedischen Gesandten, welcher gleichen Auftrag mit Stocker hatte, weder Geld noch andere Geschenke gegeben. — Zur sichern Ueberfahrt nach Holland wieß man dem schweizerischen Gesandten ein kleines KriegSschif an, mit ;6. Ka- * nonnen und ;oo. Mann. Den 28. Jenaer i6;4. brach er von London auf; den vierten Tag hernach kam er glücklich nach Dünkirchen; von da begab er sich ungesäumt nach dem Haag, um auch bey den Generalftaaten seinen Auftrag zu besorgen. Zu Middelburg ließ ihn der Magistrat meinem eignen Schift unter-kostbarer Bewirthungnnd in Begleit einiger Rathsglieder bis nach Rotterdam führen. Aus das" Gerücht von seiner Ankunft eilte das Volk strohmweise' ans Ufer, die redlichen Schweizer zu sehen, die sich so großmüthig um Wiederherstellung des Friedens bemühten. So bald er im Haag angelangt war, wurde er von Neu- port, der auf die Unterschreibung des Friedens wartete» mit Entzücken empfangen; gleich darauf ward er im Na. » men aller Provinzen von dem Agenten der Generalstaaten mit besondern Ehrenbezeugungen empfangen, und hierauf in einem StaatSwagen zum Verhör abgeholt. Indessen traf die Bewilligung der VI. andern Provinzen zur Unter- MM WUIWI WWW »IUMIIIII» rerchnurrg des Friedens auch ein. Den 28. Aprill 1654. wurde er im Haag feyerltch ausgerufen. Hierauf machte sich Gtocker fertig zur Abreise; die VII. Provinzen beschenkten ihn mit einer güldenen Kette, von 1200. Gulden am Werthe. In dem Vaterlande langte er gerade zur Zeit der Sem-hmen Iahrrechnnng an, und -wurde anf der Tagleistung zu Laden mit Beyfall nnd Freude empfangen. Bald hernach langte ein englischer Resident, Herr pell, mit der Einschliessung der resormirten Kantone in den englisch - holländischen Frieden zu Zürich an; mit ihm kam auch der berühmte englische GottSgelehrte, Duräus, welcher mit allem Eifer, jedoch ohne Erfolg, an der ver. einigung der protestierenden Riechen arbeitete. Jvhann Jacob Bürlamaqui. Ursprünglich stammt er aus einer italiänischen Familie von Lucca. Im I. 1591 hatte sie sich nach Genf gesuchter, woselbst der Vater unsers Gelehrten im I. 1728. als Rath und Staatsseeretair gestorben ist. Unser Bürla- magni wurde in Genf den 19- Jul. 1694. gebohren. Ju dem Studium der Philosophie und der Rechte brachte er es in kurzer Zeit so weit. daß er schon im sechs und zwanzig, sten Jahre zum Professor derselben ernannt wurde. Doch ehe er seine Vorlesungen anfieng, bediente er sich der Er- kaubniß zureisen, und hielt sich einige Zeit in Holland und England auf. Barbeirae, den er zu Eröningen besuchte, kchäzte ihn ungemein hoch. Seit seiner zurückkunft in Genf gab er in die zwanzig Jahre den Studirenden sehr 8) S, Strodtmanns neues gelehrtes Europa Th. III. S. 639, fleißigen Unterricht. Wegen schwächlicher Gesundheit erhielt er endlich seine Entlassung^ Auf dringendes Zureden nahm er nicht lange hernach eine Stelle in dem kleinen Rath an. Seine Schwachheit nahm überhand, und sein Tod erfolgte den April 1748 Seine kri'.clpes äu choir . kLtursi, chie zuerst im I. 1747. zu Genf an das Licht trat« ten, wurden durchgängig ungcmein gut aufgenommen. Nach seinem Tode erschien auch aus seiner Handschrift da- bürgerliche Recht im I. 1751. Von Jugend auf hatte Bürlamaqui ein sehr gesezteS Wesem Schon in der Kindheit ermunterte er die Mitschüler zum Fleiße. Er besaß nicht allein eine sehr lebhafte Liebe zur Wahrheit, sondern auch ausnehmende Ge-> schicklichkeit, sie auseinander zu wickeln. Sein blödes Gesicht verhinderte ihn so viel zu lesen, als er wol wünschte. Desto mehr schärfte er sein eigenes Nachdenken. In seinem Unterricht herrschten Kürze und Deutlichkeit. Der Prinz Friedrich von Hessen Cassel, welcher seit dem Jahr i7;r. vier bis fünf Jahre zu Genf zubrachte, hatte sich gcraumme Zeit seiner Unterweisung bedient. Bürlamagui begleitete ihn nach Cassel zurück, und kam, mit Gnaden- bezeugungen überhäuft, wieder nach Genf. Bey seiner Abreise beschenkte ihn der Landgraf mit sechshundert Pistolen. Als sich der Prinz Georg in den Jahren 1744. und i74s zu Genf aufhielt, war Bürlamaqui seine liebste Gesellschaft. Er hatte einen sehr feinen Geschmack in der Mahler-Bildhauer-Bau-und Tonkunst, und besaß auch selbst eine schöne Sammlung von Gemälden und Kupferstichen. Er war der Erste, welcher an dem Entwurf der inGcnf bis zur Revolution blühenden Zeichnungsschule arbeitete. Seinen Vorrath an Büchern und Schilderungen schenkte er der akademischen Bibliothek. Menschenliebe, Urbanität und reine Religiosität zierten seinen Cbaracter. Jac. Datier prägte sein Brustbild. HM Vor wenigen Jahren erlosch sein Geschlecht mit dem Tode seiner einzigen Tochter. Niclaus Manuel*) Ursprünglich stammt er aus angesehenem, französischem Beschichte. Im XIVten Jahrhundert lebten in der Provinz Saintonge Carl und Robert Manuel, die Herren von Cholard; nachdem der englische Feldherr ihr Schloß in die Asche gelegt hatte , flüchteten sie sich im I. i;4> mit Weib und Kindern nach Lyon. Als Robert nach seiner Heimach zurückkehren wollte, ward er unterwegs von den Feinden erschlagen. Karl hatte Söhne- deren einer, Namens Niclaus, sich zu Türin niederließ nnd hernach in einem Kriegeözug gegen die Türken umkam. Der Sohn dieses Niclaus setzte sich zu Bern fest und war der Anherr desjenigen, von welchem wir reden. Noch müssen wir von dem oben erwähnten Karl Manuel nicht unbemerkt lassen, daß er mit der Tochter des Felix von Nogaret, Freyherr» ?u Calvison vermählt gewesen. Dieß war jener Noga- ver, welcher im I. rzoz. von dem Könige Philipp an den Pabft Bonifaz VIII. geschickt worden. Der Pabst schalt ihn einen albigensischen Käzer und schimpfte selbst auf den König; Nogaret gab ihm hierauf mit dem eisernen Handschuh eine Maulschelle und nahm ihn gefan. Im Verfolge werden wir sehn, daß sich der edle Trotz dieses Nogarets auf unsern Niclaus Manuel fortge- vstanzt habe. Derselbe ward zu Bern im I. 1484. gebo- vrn. Sejiw Mutter war die Tochter des gelehrten, Ber- "^schen Stadtschreibers; Thüring Frickarts. — Nebst dem S. Bernrrsches Mausoleum, Etück V. f. 206. 64 häuslichen Unterricht genoß der junge Manuel zugleich noch den öffentlichen Unterricht des fürtreflichen Schulmannes , Heinrich Lupulus; frühzeitig beschäftigte er sich mit den beyden verschwisterten Künsten, der Malerey und der Dichtkunst; unter seine noch heut zu Tage übrig gebliebnen Gemälde gehört jenes Stück beym Moses-Brunnen, gegen dem grossen Münster, welches die Verführung Salomons durch fremde Weiber vorstellt; auch das Haus am Oelberg vor der Stadt gegen der Nideck-Kirche wurde von ihm gebaut nnd mit Gemählden geziert; anstatt so vieler andrer seiner Kunstwerke erwähnen wir noch des sogenannten TodtentanzeS, den er bey der izigcn französische» Kirche, an der Mauer des vormaligen Dominica- nergartcnS gemalt hat; dieser Todtentanz war das Original von demjenigen, tvelchen man in Basel dem Holbetn oder noch glaubwürdiger HolbeinS Schüler, Hugo Glau- bern, zuschreibt; die Figuren, deren einige, wie z. B. -es Ritters von Mülinen nach dem Leben gezeichnet gewesen , hatte der Künstler zugleich mit erbaulichen, und zuweilen sinnreichen Reimen begleitet. — Um Erweiterung der Gasse willen wurde die ganze Malerey im I. 1560. auf die Seite geschaft; in zwo Kopeyen aber, die eine von Albrecht Kauw, die andre von Wilhelm Srettler, erhielr sie sich bis auf die heutigen Zeiten. Dieses und andrer Kunstwerke unsers Manuels erwähnt Sandrart auf die schmeichelhafteste Weise *) Mit vieler Laune bediente sich unser Künstler sowol des Pinsels als der Feder zur Ver, spotmng des Papsiums. Unter anderm hatte er zwey Schauspiele verfertigt, die in Bern öffentlich vorgestellt und hernach gedruckt wurden; in dem einen eontrastirt auf die auffallendeste Weise der Auszug des Papstes mit dem Auszuge Christi; wenn diese auf dec einen Seite der Strasse ») S. Sandrarts Akademie -er Mahler und Bildhauer. Strasse im Gefolge der einfältigen Jünger und vieler Armen, Blinden-, Lahmen, Kranken u. s. w. auf einer schlechten Eselin und mit der Dornenkrone erscheint, so erscheint jener im Harnisch mit der güldenen, dreyfachen Krone, von den Grossen der Erde und von gewaltigem Kriegesheere begleitet. Der h. Petrus kömmt hervor und auch mit der Brille auf der Nase kann er seinen Nachfolger nicht sehn. — DaS andre Schauspiel heißt der Tod- tenstesser; auf der Bühne erscheinen einige Priester, die steh bey dem Sarge eines verstorbenen Reichen beglückwünschen über die fette Beute , die ihnen der Tod ver schasst hat. — Den wolthätigen Eindruck, welchen diese beißigen Saryren auf das Volk gemacht haben, beschreibt der Bernersche Geschichtschreiber, ValeriuS AnShelm, *) in folgenden Worten: „ Durch diese wunderliche und vor- »bin als gotteslästerlich gedachte Anschauungen ward ein »groß Volk bewegt, christliche Freyheit und päpstliche » Knechtschaft zu bedenke» ; eS ist auch in dem evangelischen »Handel kaum ein Büchlin so oft gedruckt und so weit »gebracht worden als diese Spiele. „ Nachdem unser Manuel auf solche Weise die Hierarchie öffentlich an den Pranger gestellt hatte, wurde er im .zum Vogte nach Erlach ernennt. Während seiner Entfernung von der Stadt erhob die katholische Par- wy von neuem den Nacken. Kaum war das erste Mandat, nur Gottes Wort zu predigen, verkündigt, so wurde bald darauf im I. 1524. der Prediger der reinern Lehre, Docwr Sebastian Meyer, und bcynahe mit ihnstauch Berch- wld Halter verwiesen; in dem folgenden Jahre 1525. schrieb man ein anders Mandat aus, welches das obige umstieß und Messe m>d Bilder, wieder zurückbrachte; im 1526. kam es so weit, daß man sich endlich zur Bey- *) S- Hake. Anshclm- geschriebene Chronick vvm I. 15--. E behaltung des römisch-katholischen Glaubens verpflichtete. Unser Niclaus Manuel aber kam nunmehr von seiner Vogtey nach Bern zurück und mit ihm auch das Licht wieder, welches die Finsterniß von neuen besiegte. Den 2;. Aprill i;27- wurde das Mandat vom I. 152z. hervorgezogen und bestätigt. Bey dem Religionsqespräch im I. 1^27. hatte Mnnuel keine geringe Rolle zu spielen. Er war bey der Disputation obrigkeitlicher Rüser, d. i. derjenige, der im Namen des Bernerschen Magistrats die anwesenden Gelehrten einlud und aufforderte. Als Beweis seiner Mäßigung und Unparteylichkeit mag folgende Anrede dienen, die, wie er sie gehalten hatte, den gedruckten Akten einverleibt worden; *) „ Ehrwürdige Gelehrte, es soll niemand erachte»/ „daß Uns. Gn. H Herren allein begirrig seyn, daß die „vorgetragenen Artickel durch ihre Predicanten sammt „der Lehre, die daraus fleußt, erhalten werden: sondern „ allein ist ihr Fürnehmen, die Wahrheit von göttlichem „Worte zu erforschen, ob die Artickel in göttlicher Schrift „bestanden oder ihr widersprechen? Ihr seht auch, wie „ sich die, so die Artickel für gut bekennen, so treulich zu- „ samenhalten; darum bitt und ermähn ich Euch abcrmal „um Gottes willen, Ihr, die Piedersprecher, wolet Euch „auch zusamen thun, einander tröstlich seyn mit Hilfe, „ Rath, Schreiben und Reden. Dieß werden Uns. Gn. „ H Herren zum höchsten wol für gut und als ein gnädig „Wolgefallcn mit grosser Dankbarkeit annemmen; doch „ daß dieses allweg geschehe nach Ordnung, Innhalt und „ Anweisen des christlichen, darum angesehenen Mandates.,, Zu der Disputation waren nicht nur die IV. benachbarten Bischöfe oder an ihrer statt bischöfliche Gesandte, sondern überhaupt die gelehrtesten Männer aus der Nahe 2) S. dieAkren bey der andern Schlußrede, in der Quarkane- qabe vom I. iSoz. feite 177, 178. Änd aus der Ferne eingeladen und ihnen alle Ehre bewiesen. Alle Geistlichen in dem ganzen Kanton waren zur Beywohnung des Gespräches verpflichtet; dasselbe wurde öffentlich und in deutscher Sprache gehalten/ damit auch die Ungelehrten zuhören könnten. Mehr als einmal wurden obrigkeitliche Abgeordnete an alle Unterthanen aus der Landschaft ge,chickt oder ein Ausschuß von diesen in die Stadt berufen/ um auch ihre Meinung zu vernehmen. Nach beendigter Disputation schwur die ganze Bürgerschaft den Eid der Treu/ und hierauf wurden ohne grosse Verwirrung die Bilder und Altäre aus den Kirchen weggeräumt. Diese Bilder und die Messe ließ unser Niclaus Manuel nicht ungetröstct begraben. Er verfertigte mit geistreicher Laune eine poetische Klage der Bilder/ daß iie dem wahren Gott Platz machen sollte. Dieß Büchelge» erschien unter der Aufschrist: »Klag und Verjähung der armen/ verfolgten Gözen »und Tempelbilder über so ungleiche Urtheile und Stra. »sen, die gegen sie gebraucht werden; mit Uebersehung "vieler lebendiger und größrer Gözen und Abgöttereyen.,, Unter anderm werden die Bilder also redend einge- sührt: Daß wir in solcher Not gestellt Ob uns wird Ritter alle Welt Und müssen stehn in solcher Fahr Bekennen uns hie offenhar Daß -wir im Tempel gstanden sind Glych wie des Himmels HauSgesind Und haben gführt so guten Schyn Als wären wir Gott selber gsyn. Daß habet Ihr selbst gfangen an, Mit uns / die wir kein Leben hond 68 Und dennoch jtzund tragen son (sollen) Die Schuld und Straf für ander Lem, O war der Falsch damit gewendt! Daß wöllte Gott vom Himmelrych, Wie güllt es uns so ganz gelych Das wir izt also brennen müssen, Möchten wir auch nun anders büssen Für so viel Götzen tausend hundert, Das ists, was uns izt,also wundert: Ob man dieselben auch werd müden Und mit so grossem Ernst bekryden; Sie strafen nach jr Sünd so hart Wie uns dann izund wiederfart. Vtel grösser Götzen, die noch lang Nit werden leiden solchen Drang Wie wir; das lassen wir doch sin Wiewol wir nit so bös sind gsin. O das die Welt all ires Leiden So willig trug und Räch könnt meiden Wie wir still gschwygen hond biShär Das wahrind köstlich neue Mär. Daß man so wild mit uns umgaht Und zücht uns hin und her im Kath: Und sind doch tausend Götzen mehr Zu denen man sagt: Gnad Herr, Gnad Herr! So wie Manuel über die Wegräumnng der Bilder gescherzt hatte, 10 scherzte er auch über die Abschaffung der Messe; diese stellt er auf dem Sterbebeth vor und schildert Hiebey die Bestürzung des Papstes und seiner Priester »Doktor Rundeck besah die Patientin, d. i. die Messe, »griff ihr den Puls, fand sie sehr schwach, muthmaßte, »sie sey irgendwo unter die Weißgerber gefallen, die ihr »die Rippen zerflossen haben. Doktor Heyoho brachte »bey: Es sey ein alter Schaden, und sie habe das Gebre- »chen mit sich an die Welt gebracht; sie sey von Geburt »an niemals inwendig ganz gesund gewesen, wie schön ro- »the Backen sie immer von aussen gehabt habe. Wenn »wir, sagte er, nur noch einige Zeit ihr Leben aushalten »können, so würden wir fett und sie würde uns die Mühe »reichlich bezahlen. Darum, Herr Doktor, so laßt unS »schnell eilen mit unsrer Kunst! Hier habe ich allerley »Confect , römische Stücke, Gewürz und Kräuter aus »den aristotelischen Garten. Mir sind Schmär und Sal- »bey von Rom geschickt worden. — *) So wie unser Manuel als Schriftsteller, so beförderte er auch als Staatsmann die Elaubensvcrbefferung. Den 24. Aprill 1528. gieng er mit dem Schatzmei- sier Bernhard Tillmann als obrigkeitlicher Gesandter nach Basel. Daselbst beförderte er mit den zürcherschen Gesandten das ReformativnSwerk. In dem folgenden Monate war er zur Begünstigung der Protestanten im Toggen- burg nach Zürich gegangen. Mittlerweil hatten sich die Bernerschen Landleute in Hasle, besonders zu Jmerlavpen, von neuem auf die alte Lehre genüget; schon hatten sie sich deS Klosters bemächtigt; mit Mühe konnte der dasige Kasivogt nebst dem Ber- tlerschen Gesandten entfliehen; um so viel kühner wurde das Landvolk, da er auf mancherley Weise und unter al- kerley Vorwande sich von den benachbarten, katholischen Kantonen unterstützt sah. Schon war der Abt von Engel- Es versteht sich, daß nir mir als Geschichtschreiber erzählen, °h> e Antheil an dem beleidigenden Tone unsers Helden zu nehmen. 7 « berg persönlich nach Brienz gekommen, um daselbst die Messe zu hatten. Unterm 24. Jul. 1528. erhielt er von Bern aus ein oberkeitlicheS Schreiben, worinn ihm freundlich so wol als ernstlich das Lesen der Messe auf Berner- schem Boden untersagt wurde. Der Abt aber ließ sich nicht abschrecken, bis das Kriegespanner von Bern heranrückte; durch das unwegsame Gebürg flüchtete er sich in sein Kloster nach Engelberg. Inzwischen waren sechs bis acht hundert Unterwaldner über den Brünigberg in das Ber- ncrgebiet eingedrungen, theils um den Abten zu rächen, theils um sich des CollacurrechtS zu Brienz zu bemetsteru Inzwischen hatte sich Bern der Treu seiner übrigen Unterthanen so wol als auch des Beystandes andrer Eyd« genossen - besonders der Zürcher, versichert. Zu wiederholten Malen wurden an die unruhigen Bauren ansehnliche Gesandtschaften abgeordnet; bey diesen Gesandtschaften befand sich unser Niclaus Manuel, der um diese Zeit zum Mitgliede des innern Raths erwählt worden. — So lang die Gesandten zugegen waren, hinderten sie durch ihr Ansetzn und durch ihre Beredsamkeit jeden Ausbruch der Zusammenverschwörunssi kaum aber waren sie nach Bern zurückgekehrt, so brachen schon wieder unter der Asche die Funken des Aufruhrs hervor. — Wegen der Religionö- unruhen, welche zu gleicher Zeit so wol in den gemeinschaft. lichen Herrschaften als auch im Kanton GlaruS entstanden warm, befand sich nunmehr unser Manuel auf der eyd- gcnößischcn TaIeistung zu Einsiedcln. Indeß konnte man ohne äusserste Gefahr eines einheimischen Krieges die Bey- legung der Streitigkeiten in dem Schosse des Bernerschen Kantons selbst unmöglich länger aufschieben. Gegen Ende des HeumonatS wurden also von Bern aus auögeschossene Boten von Stadt und Land, d. i. von IV Städten, IV. Landschaften, von IV. Landgerichten verordnet; sie sollten sich zu Thun versammeln und von 71 ^ sich weiter zu der Landesgemeinde zu Haöli verfügen; fruchtlos blieben auch diese Bemühungen. Nach wiederholtem, langem Umtreiben wurden jctzo von Bern aus Gesandte auf die Landesgemeinde nach Unterwalden geschickt : umsonst blieb jede angebotne Vermittlung: Endlich sah Bern sich zu strengern Maßregeln genöthigt. Den 2s. Wcinm. zogen die Schützen mit ihrer Fahne voraus; das Volk ward zum Zuzuge aufgemahlter; die, Einwohner Zu Feurigen und Aesche leisteten den Eid der Treu; der Kanton Zürich verpilichtcte sich zu wachsamer Aufsicht über das Argäu. Ungcmein thätig bezeigte sich hiebe» Manuel. Er erhielt von der Obrigkeit in Bern schriftlichen Auftrag, um 200 Mann von Thun aus nach Untersten zu zieh». Schon von Ferne machte der kriegrische Anzug die Unwitli- t so muthlos, daß sie nunmehr versprachen, den 28. - Horn. in Thun vor Recht zu erscheinen; auch die Unter- söldner entwichen vor dem heranrückenden, Bernerschen Heere. — Auf den 4. Wintern» wurden den muthlostn Oberländern XII. Artickel vorgeschrieben, die sie sogleich Unterzeichnete»; auf Gnade und Ungnade hin mußten sie vor Kloster Jnterlacken auf osnem Felde erscheinen, hier wurden sie von dem ganzen Kriegcsheere umzäunet; die Gehorsamen zur Rechten, — die Aufrührer, bey fünfhundert, zur Linken; nachdem hierauf das grobe Geschütz lostrennt war, so hielt Schultheiß von Erlach eine männliche Rede; lobte die Treu und den Gehorsam der einen; descholte den Meineyd der andern, forderte ihre Panncr und Urkunden heraus, ließ die Zeichen von den Stangen Leistn, die Stangen zerbrechen und mit Füssen tretten; — Triumphe zogen die Berner, nebst den gewöhnlichen Stadt- und Landsahncn, auch mit dem Adler von HaSlc lMd mit dem Steinbocke von Jnterlacken nach der Häuptel zurück. Aus Befehl der Obrigkeit wurde die ganze Geeichte von unserm Niclaus Manuel und von dem Stadr- M-eiber in Schrift verfaßt. 72 Da die Bernerschen Landleute hauptsächlich von den Unterwaldnern waren aufgehetzt worden, so setzte nunmehr, von Zürich unterstützt, Bern eine Klagschrift auf gegen den Untrewaldner-Kanton. Mir dieser Klagschrift wurde Manuel nebst andern Abgeordneten auf die Tagleistung nach Baden gesendet. Die Taglcistung gieng fruchtlos vorüber; eben so zwo andre Tagleistungen, welche im Icnner 1529. wiederholt wurden. Endlich erkennten die eydgenößischen Schiedrichter: Umerwaldcn solle den Vertier» zooo. Kronen an die Kriegskosten bezahlen; hernach wurde diese Summe auf 1500 hinuntergesetzt. Die Bcr- ncr begnügten sich mit diesem Ersatze, ungeachtet ihnen dieses allzugelinde Nachgeben bey den Zürcher» zum Vorwürfe gereichte. Im März 1529. begab sich unser Manuel auf die evangelisch - eydgenößische Tagleistung nach Solothurn; daselbst berathschlagten sich die protestantischen Kantone, was sie bey der Verbindung der v. katholischen Stände mit dem Hause Oesterreich zu thun hätten; Ends dieses Jahres hatte er sich abecinal nach Solothurn begeben, um (wo möglich) auch diesen Kanton von der Rückkehr zum Katholicismus abzuhalten. Eben so eifrig arbeitete er hernach auf der Tagleistung in Baden an der Reformation so wol dieser Stadt als des benachbarten Klosters W erringen.. Weniger glücklich waren an diesen Orten seine Bemühungen als hernach zu Schaffhauscn, woselbst er zur Einführung der Glaubenöverbesserung nicht wenig beytrug. Im Winrcrm. 1529. befand er sich abermal auf der Tagsatzung zu Bade ; daselbst sorgte er eifrig für die Ge- wissenSfreyheit in den gemeinen Herrschaften. Das Ende dieses Jahres brachte er in Basel und Staßburg zu, um mit diesen Städten in Bernerschem Namen ein Burgrccht aufzurichen. - Im I. iz;c>. begab er sich zu Beylegurig der innerlichen Kirchenunruhen nach Solstburn, von So. lothurn zu Bcylegung des Zwistes zwischen dem Abt zu St. Gallen und den IV. Cantonen nach Baden. Seine letzte Gesandschast gieng nach Zürich. Daselbst wurde abermal über den Vertrag der V. kathol. Kantone mit Oesterreich g-erarhschlaget. Er starb den zo. Aprill im sechs und vierzigsten Jahre seines Alters. »S Johann Geiler.*) Er wurde im I. 144?. zu Schafhausen gcbohren. Sein Barer war daselbst Sradrschreibcr. Nachdem er stch aber mit Anna Zuber vcrhcyrathet hatte, zog er ein Jahr hernach als Notarius nach Ammerschweil, und nahni seinen nengebohrncn Knaben mit sich. Drey Jahre hernach wurde er auf der Jagd von einem Bären so heftig angefallen, dass er an der Wunde starb. Der verwaysete Knabe wurde hierauf von dem Großvater zu Kayscrsberg erzogen. Nach der ersten Grundlegung der Künste und Wissenschaften kam er auf die Schule zu Frcyburg. In Basel wicdmete er sich hernach der Gottesgelehrtheit, und erhielt den Doktorhut. Es währete nicht lange, so wurde er als Prediger nach Freyburg beruffen. Kaum hatte er stch daselbst ein Jahr aufgehalten, so kam er als Prediger nach Würzburg. Wie beliebt er gewesen, zeigt sich dar- *') S. 4oI>. tteilsri Oolslircinont^uii VitLin per Ue^t. ItvenL- num i;io. 'Wimxlislinz, Ltozlum Keiler! iZio Leuen Lericvnum Art. Geiler. Wielands deutschen Mercur, April 177b. Lüre krr^burgcnk. ^elsmi Vit« Hieoloxor, Meusnek in seinen ^conic. 74 aus, daß die Einwohner sich freywillig anheischig machten für ihn aus eigenem Beutel ein Iahrgehalt von zwey- hundert Goldgulden zusammen zu legen. Eben war er auf einer Reise nach Basel, um daselbst die zurückgelassenen Bücher zu holen, als ihn Peter Schott, ein RathSherr zu Straßburg, beredete, in dieser leztern Stadt das Predigt-Amt auf sich zu nemmen. Da vorher in der Kathedralkirche die Religiösen mit Predigen umwechselten, und durch einen solchen ungleichen Lehrvortrag das Volk mehr verwirrt als erbaut worden war, so erhielt nun erwähnter RathSherr Schott durch eine sehr beträchtliche Geldsumme von dem bischöflichen Capellan so viel, daß dieser unserm Geiler das Predige« ganz und allein überließ. Drey und dreißig Jahre bekleidete er in Straßburg das Prcdigiamt, und zwar^ ungeachtet er niemanden schonte, mit immer gleichem und durchgängigen» Beyfall. Er verbesserte die Klostcrzuchr, sammelte eine vorrrefliche Bibliothek, unterstützte die Armuth , zog gelehrte Männer herbey. Sein Herzensfreund war Jacob Wimphe ling von Schlettstatt. Thomas Wolph, der jüngere, genoß seines besondern Beystands. Sebastian Brandt kam auf seine Einladung von Basel nach Straßburg. Die Karthäuser und Johanniter schäzten sich glücklich in seinem eben so angenehmen als lehrreichen Umgang. Selbst der Kayser Maximilian pflegte häufig seinesRathS und würdigte ihn ganz besonderer Vertraulichkeit. Für denselben schrieb er einige Regierungvorschriften zusammen. Ueberhaupt war er in seiner ganzen Lebensart bescheiden und mäßig, nur daß er zuweilen ein Glas Wein zu viel trank. Vor seiner lezten Krankheit, sagt BcamS Nhenanuö, erhielt er von einer frommen Tochter aus Augsburg , die keine Speisen zn sich nahm, übrigens aber als eine redliche Perlon bekannt war, ein merkwürdiges Schreiben, in welchem ste ihm seinen nahen Tod ankürr- - 7s ^§te. Nicht im Geringsten beunruhigte ihn diese Zei- 'Ung. Sie wurde aber erfüllt, und er starb den 10. März Immer hatte er gegen den Verfall der Kirche ge- ^'ert und sich nur damit beruhigt, daß bald ein grosser ^formaler hervortreten werde. Unter seinen herausgegebenen Werken erwähnen wir folgender: Opers ffosnni8 6srlosi8. Lrgentor. 1488, Orstwnes vsnse sä Uerum Sermones in Orsr. äominie, tlrgsnt. 1488- smovenäis Loncubinis communicsnäi8 bis, gni nltimo lüpplicio M- ciuntur. Postill über die Evangelia samt dem Quadragesimali. De leptem peccstis montslihv8. dlsviculs kstuorurn. tlrASnt r;ro. 8ermone8 sä kopulum I.ib. I. htsvicuis poenicentiX. Gedruckt hab ichs nirgend ge- funden. In Handschrift hat es BentuS RhenanuS gesehn. kereZrinstic,, wird ein LeuenS Lexteon angeführt, ^iehn hab ich es nicht. Do hvc, guoä pueri non 6nt instigsnäi sä rsligio- in huibus reguls non lervstur. Ovntrs 8tstutum, guo leüsmcntum cives kscere ^^ohih^nrur. I'ropi üve 8s1e8. llrgentor. izoy. 4. Ds äecem prseoepti8. ^rsZments ksilisnis, Haas im Pfeffer, oder Predigten über Prov. . Wenn man aller Orten in Geilers Schriften den ^oßten Eifer gegen die Mißbräuche der Kirche bemerkt, fo steht man daraus , daß er von Michaelis in <^atsl. Libl. uäe^viß x ^ s -o. nicht ohne Grund unter die Beför- ?exer hex GlaubeuSverbcssermig gezählt worden. 76 Wie ungemein hoch Geiler Brandts Narrenschiff geschätzt habe, sehn wir daraus, daß er über dieses Gedicht hundert und zehn Predigten gehalten. Nach dessen Hin- scheid wurden sie im I. ,;il. von Jacob Otther gesammelt, unter der Aufschrift: Xaviculs, 8, 8x>eLulum ka- tuorum, auch im I. l^iz. nebst GeilerS Leben von Bea* rus RhenanuS zum'zweytenmale herausgegeben. Eine deutsche Ausgabe hat man unter folgender Aufschrift! «Wcltspiegel, oder Narrenschiff, darinn aller Ständt »Schande und Laster, üppiges Leben, grobe narrachte « Sitten vnd der Weltlauff, gleich als in einem Spiegel ,, ge'cbn und gestraft werden: alles auf Sebastian BrandS «Reimen gerichtet; aber mit viel andern herrlichen, christlichen, auch nützlichen Lehren, Eremplcn und Vermab- « nungen zu einem ehrbaren christlichen Leben. Sampt ge- « wisser Schellen Abtheilungen, dadurch eines jeden Stan- « des Laster zu erkennen. Weiland durch den Hochgelehr- «ten Johann Geiler, Doetor der Heil- Schrift, in latei- « nischer Sprache beschrieben, itzt aber mit sonderm Fleiß „auö dem Latein in das rechte teutsch gebracht, und erst- „ mals im Druck ausgegangen. Durch Nicolaum Höni- «ger von Tauber Konigshoffen. Gedruckt;» Basel, Lurch «Seb. Heinr. Petri i?74. In dieser Ausgabe machen Seb. Brandts Reime den Text, und GeilerS Abhandlung den Comemar aus. „Auch «als Urkunde der Sitten, hcißtS in Wieland Merkur, «Fcbr. 1776 , der Lcbenvart, Moden in Kleidung, Putz, « Ergötzunge» u. s. w. würde dies Buch von einem deut- «sehen Hüme zn benutzen seyn. Diejenigen, welche Geilern übelgenommen haben, daß er diese Homilien öffentlich gehalten, müssen nicht überlegt haben, daß seine „Art in den besondersten Detail der sittlichen, häuslichen «und bürgerlichen Thorheiten zugchn, gerade die einzige „ist, wie man Moral predigen müßte, wenn wirklicher ----------- 77 « Nutzen dadurch geschast werden sollte. Diese Art zu predigen war im XVten Jahrh, sehr gewöhnlich u. s. f. Zum Beyspiel von Getiers mahlerischer Manier nur folgende Stellen: »Die dritte Schell der seltzam Narren »ist das Haar zieren, geel, krauslicht und lang machen, »auch ftembdeö Haar der Abgestorbenen unter ihres ver- »mischen vnd dasselbig zum Schauspiegel aufmutzen. ES »Ziehen die WeibeS jetzund daher wie die Mannen, und «denken das Haar dahinden ab bis auf die Hust, mit aufgesetztem Paretlin und Hüllin gleichwie die Mannen. »Die Weiber zieh« in ihren Schleyern daher, vnd haben «i>e aufgesprinzt neben mit zwo Eckken oder Spitzen, gleich »einem Ochsenkopf mit Hörnern » Von den damaligen Kleidermoden heißt eö: » Es dörft einer nicht weit zieh», »fremde Kleider zu beschaun, er könne in jeder geringen » Stadt allerley Nationen Kleidungen finden.» Wenn man nicht wüßte, daß in den damaligen Zeilen manches höfiich war, was jtzo grob ist, und daß man auch auf der Kastzel Dinge mit eigentlichen Namen nannte» darüber man jtzt auch nur im gemeinen Umgänge erböthet , so würde man mit Lambacher *) versucht werden, glauben, eö müsse Geilern in seinen Predigten vieles untergeschoben und verdreht worden sevn. Allein der Ueber- fotzer versichert, er habe nichts hinzugesetzt. Im sünfzig- >ren Narren, in der andern Schelle der Wollustnarmr heißt es naiv genug : ,, Die andere Schell ist ein Wol- » tust suchen in dem — mit Küssen oder Empfahnngen. » So einer nothalben sich oder einen andern also an. » greift, so ist es keine Sündt, so man aber solches Wol. " lusthalben thut, ist eö eine grosse Sündt. „ Und M dritten Schelle: ,, Die dritt Schell ist ein Lust ha- " ben auf blosse Haut zu greiffen, nämlich den Weibern » oder Jungfrauen m s. w. „ Im ein und sechzigsten diimdLcUxr Lli-Iiotli. sntiq. Vinäobonenk. sivica, s. -55« ?8 Narren heißt es in der dritten Schelle d»r Tanznarren^ » Darnach findet man Klötz, die tanzen also scuisch, daß „ sie die Weider und Jungfrauen dcrmassen herumschlven- ,, ken und in die Höhe wcrffen, daß man jn binden und » und vornen hinaufsieht bis in die Weich (Hüfte,) alft ,, daß man jn die hüpsche weiße Bemle sieht, und schwärzt „ oder weiß Stiffele, die oft so voller Kach vnd Unratk „ sein, daß einer darob sp uen oder undeuen sollt. Auch » find man etliche, die haben dessen Ruhm vnd Hoffart, » wenn sie die Jungfrauen oder Wvber hoch in die Höht » können schwenken, vnd haben eö bißweilen die Junß- » sraucn (so anders solche Jungfrauen zu nennen sein,) » fast gern, und ist ihnen mit Lieb gelebt, daß man ib- ->, neu, ich weiß nicht wohin siehet. „ — Mehrere Verspiele eines so derben Ausdruckes führt Flöget in der Geschichte der komischen Litteratur an. Wir verweisen auf den lilten Band, s. irg. So schlüpferig uns Geiler scheinen mag, so sehr eiferte er doch selbst gegen schlüpferige Gemählde i» den Poeten. Von ihm hat Jacob Wimpheling einen Brief aufbewahrt, den wir um seiner Sonderbarkeit hier ganz einrücken wollen: Logic ^ollsnns8 Le^lersbeig, Isseo- lsgu8 A Loncionstnr llrgentineniis eormina Niult.orvin sse^clslbergeniium 8chowitiLorum, §r «fniänsm eis lentiret, jullieium oe -ellimstionem Lu-im all nos remiü^ in moäum L tenorem, qui Lequirur: stosnns8 Lsiler Mimxkelingio 8IetiiMtcino 8. k. ^ Lceepi Usrlisü tusni ^ sliorum clebenLonem eent prokeöto ingenia ; placee xericia : 6 slkuerit Del arno- ciÜA , - qns ) 8ufchs llirigers in wuäern Lei 8ün«ll:orvmgue ejus compellsret: in (fun 8olo k!src> pnwc keems sämistüM ri in rexnblics llsbere, 6, incfuam mlis Lei junckt» ot- 79 ist ich !!>- NÜ Ist >ch lch -t, he g- ') h- «- stuf r- eu ef iL o- m is ^ smicitia, summe plscerent corum inZenia: 8sel pau- sclinoilum sunt, czuos non 6etinsnt sciultcrina liLL (lusm nescio) in lezenäo koeM8 voluxtss, us^ue aäeo ^ kers omnium aliorum, c^use lunt kiäei noltrse, m'stil ^ stlsÄum (etiamü mirs 6e eis scricant L loquantur ^üsr krTäicstorum ) tralrsnt. Iltinam ?oeta8 tslee, i;uU- kuei-zni: llironymu8, lluZuktinue, slh.ryfotlomue L eia ^'wilss nutriret nokra lLts8: utiigue aurea eiset. 8eä "si- Ev8, sed ?ropertlo8, seä Lstul!o8, leä Nartialee L Ovicjigg nobie xiZnit terra li-ec mslcäieta. d^on vmnes ssä mult08 ') ()uiä äicsm 6e mea Zente? AIuI- 'sksvloAoe, 1steopkilo8 vero proclucit psucillimoe« ^ tsmen slrquox acutos nimium visputatores proxima- ^>n K »ei Dileum kumsnorum üuäiorum, sec! >L äiviuorum, in c;ui- ^ ntique nuZ-e sunt: äum Oei lcrutamur mszellstem, ^ nvltrum nezlißimus consicierars inürmitsten, ignorsn- ^ A malitiae. Uikil 6e virtutibus, yuemaämoZum eiN-. ^>Smur Koni, calli, manliicti, Kumile8, liberalee, moäs- /' temxemri, ckaritacivi, misericoräe8, Patienten vc, uvL c,uiz si° IKeoloZgrum etism religiosorom inrromitcit? emo hxxc äiscit; nemo circa lucc se exercet, 6bi vim kseit, veum Ki8 aäipjscsnciis exorat. dlemo sei irasc, ^^uani, (i^uidu8 tamen kpiKolis ksati ?suli öc lsortameri- ^ 8snÄcrrum ?atrum refertL sunt, quse kxec tsnquam nolira re1iZioni8 inculcant, aurem aäkibet. Lv Argentina. Diesen Brief las Wimpheling öffentlich in dem Gym- ulium vor, nnd er machte auf die Zuhörer den heilsam- ") Schade, daß der fromme Geiler nicht einige von den Ovidcn und Tidullen des XVten Jahrhunderts mit Namen glimmt hat! Vielleicht Waiden wir sie freylich eben so wenig für solche erlen mi, a s die Angustin und Hiervnymus für wütdr« se Dichter eines güldenen Alters. 8 -> stem Eindruck. So erzählt eö Wimpheling selbst. MaN sehe dessen lläole8cemia, cum Novis gv>il>U86sln sääitioM b>U8 pü7 Lsllinsrium 6enuo recuks sc elimsts, s. 6;, 64« Gedruckt zu Straßburg bey Martin Flach, auf Unkosten Johannes Knoblauch, im I. 1^1. 4w. Noch führen wir zum Beschluß an, daß über GeilcrS Werke, so wie überhaupt über die Elsassischen Minnesin- ger eine besondere acadcmische Abhandlung des Herrn Pros. Oberlins im I. 1786. erschienen ist. Johann Steiget. Er wurde im I. 15,9 zween Monate und etliche Wochen nach seines Vaters Tod gebohren. Von seinen Ackern hatte er grossen Reichthum geerbt. Sein Vormünder , Paul May, verschafte ihm Unterricht in allen ritterlichen Künsten und Spielen. Schon im dreyzchntcn Jahre verreisete er, zur Fortsetzung der Studien, von Bern nach Chambery. Zum Aufseher hatte er Ru'olf Herport. Mit diesem that er eine Reise durch Savoyen und Frankreich. Sehr beliebt machte er sich besonders an dem savoytschen Hofe. Im I. i^; 6 . commandirte er eine Compagnie unter Hans Franz Nägetin, unterdessen Anführung die Verner das PayS-de-Vand einnahmen. Sehr wahrscheinlich in diesem Feldzuge war eS, daß der erste Funke der tödlichen Feindschaft zwischen ihm und Nä- gelin in Flammen anöbrach. Den May i;;?. verhcyrathete sich Steiger mit Barbara Willading. Die ganze Feyerlichkeit der Trauung, ^ >/ --------- rr «ung, des Gastmahls und der Tanzspielen findet man noch M zu Rolle in einem Gemählde dargestellt. Im I. i?;i. erhielt er Zutritt in den grossen Rath. Im I. 1540. im r>n und zwanzigsten Jahr des Alters ward er Landvogt nach Nvon. Im I. i;4s- erhielt er Benutz in dem täglichen Rathe. Im I. 1446. wurde er Landvogt nach Ny- dau Im I. l?47- bekam er aufs neue eine Stelle ni dem täglichen Rathe. Zween Tage hernach im neun und zwanzigsten Jahre wurde er Nenner. Kaum war er zu Bern angelangt, so reifere er mit Wolsgang von Weingarten als Abgesandter nach Genf, und hernach gen Lusanne und ins Münstcrthal. Im I. 1548. wurde er Sekelmei- ster des maischen Landes , und bald darauf Gesandter nach Burgund. Auch in den folgenden Jahren übernahm er verschiedene Gesandtschaften nach Genf, nach Burgund und an den Grafen von Grcycrz. Im Jahr 155;. kaufte er von dem Grafen von Warras, die Freyherrschaften Solle, Mont le Vieur, Mont lc Grand, Roscv, Bierre, Peginin, Couarnarn, Sepcy undMolans, sämmtlich um ryoooo. Gulden; und cmpsicng vom Rathe zu Bern die Belehnung. Im I. 15;?. übergab ihm der Graf von Gry- erz für seine Schuldforderung die Freyherrschaft Oron. Diese Herrschaft verkaufte er imJ i;; 6 . dem Rathe Im 3 . 1^7. gieng er als Gesandter nach Wallis und Genf. Im I. 1561 wieder nach Genf, wie auch nach Savoyen, Neuenburg, Basel. Ungeachtet seiner Jugend war er in der ganzen Evdgnoßschaft, besonders zu Bern in ausseror- bentlichcm Ansehn. So eifrig er alle Aemter von sich ablehnte, so eifrig drang sie ihm der Staat auf. Im I. 1562, glS der Schultheiß von Wattmweil auf dem Sterbebeth lag, anerboth man ihm die Würde eines Schult, bcissen oder Oberhaupts. Er schlug sie aus. Hierauf übergab man sie Wolfgangen von Weingarten. Dieser F entschuldigte sich wegen Altersschachheiten, und drohere - lieber das Land zu verlassen/ als eine solche Last auf sich zu nemmen. Man wendete sich an Niclaus von Grafen» ^ ried, und hernach an Hieronymus Manuel. Die Besorg- niß eines Krieges mit Sovoyen bewog auch diese Männer zur Ausschlagung des Amtes. Damahls nähmlich war ein Schultheiß zur Anführung des Heeres verpflichtet. Das ganze Volk forderte wieder Johonn Steiger auf. Er vergaß seiner versöhnlichen Vortheile und Bequemlichkeit, um dem Rufe des Vaterlandes zu folgen. Als Schultheiß gelang es ihm, mit Savoyen einen günstigen Frieden zu treffen. Im I. ^6z. begab er sich als Gesandter auf die Tagleistung nach Baden, wie auch nach Basel und Neuenburg. In gleichem Jahre trat er zu Nyon mit Savoyen wegen der eroberten Länder in Unterhandlungen. Um diese Zeit kaufte er von den Edeln von Stein ihren Antheil an der Herrschaft Münsigen und Wichtracht. Im I. 1564. gieng er als Gesandter nach Genf/ Freyburg und Basel. Im I. i;66. abermal nach Genf/ Basel/ Wür- temberg / Wallis und Bündten. In gleichem Jahre starb seine Gemahlin nach einer neun und zwanzigjährigen/ kinderlosen Verehlichmig, Hierauf dachte er auch eine zwote Verbindung, und zwar auf eine solche, die ihn mit dem andern Schultheiß, Hans Franz Nägelin, aussöhnen könnte. Der Groll zwischen beyden was bisher so tödlich, daß keiner von ihnen ohne starkes bewafneteö Gcfolg auf das Rathhaus, zur Kirche oder vor die Sladt gehen durfte. Fruchtlos waren alle Bemühungen, sie zu versöhnen. Auch die angesehnsten Männer wagten es nicht, für unsern Steiger bey Nägelin auchnur einWörtchen zu redchen. Mit edlcrlEntschlossenheik gieng also Steiger selbst geradezu auf das Schloß zu Breim garten, wo Nägelin die schöne Jahrszeit auf dem Lande zubrachte. Kühn näherte er sich dem Schloßthor, gieng so 8Z 2 ^ in Vorhof, erblickte da Rägelins schöne Tochter, -Nagdalena, mit fliegenden Haaren, die sie sben in Ordnung brachte, während daß sie auf einer Rasenbanke das sedervieh um sich her sammelte. Voll Ehrerbietung neige. ^ ^ sich gegen ihr. Sie erkanhte in ihm hen ärgsten Seind ihres Vaters und wollte entflichn. Es gelang ihm, lhr auf der Flucht eine güldene Kette mit Demanten um den Nacken zu werfen. Ihr Vater, durch die Bedienten von dem Besuche seines Erzfeindes benachrichtigt, eilte so ^sich bewaffnet herbey. Da er vernohmen hatte, daß seiger allein gekommen wär, kam auch er ohne Begleite, in der festen Erwartung, daß ein blutiger Zweykamvfih- ^ Feindschaft beylegen werde. Unter solchen Gedanken "rf er ihm zu: Was sucht du hier, Unglückseliger? — ruhiger Gelassenheit antwortete Steiger: — Den wenn du unversöhnlich bist; bist du aber großmü- ^g , deine Freundschaft und deine Tochter! — Bey die« Erklärung warf Nagelin sein Gewehr auf den Boden, "niarnite Steigern mit väterlicher Liebe, und beyde schwu- einander unauflösliche Freundschaft. Hierauf ver- Mhlte sich Steiger im acht und vierzigsten Jahre des Al- ^vs den 22. Jul. l;67. mit der Magdalena Nägelin. 4. Augstmonat wurde daö Beylager von dem gan- ^ grosse« Rathe, von der Geistlichkeit, vom Adel, von m Bürgern mit Gastmalen, Maskeraden, Turnieren ge- nvert; den Neuvermählten zu Ehren wurde ein Schaufel, die Königin Esther, öffentlich an der Kreuzgaffe ge- felt. Jm J. ,;68 ward ihm ein Sohn gebohren. Im f zog er als Oberst über 1200 Mann gegen favoyen. In den folgenden Jahren mußte er wieder kksthiedene Gesandten über sich nehmen. Er starb den Febr. i;zi. im zwey und sechzigsten Jahre. Sehr uhrend wird fein Tod in Hallerö Chronick beschrieben. F- 84 - - Ein Portrait von ihm ist zu Rolle im Schlosse, und eiü anderes zu Bern in der Stadtbibliothek. Ein Jahr nach seinem Hinschied verheyrathete sich seine Wittwe mit Johann von Wattenweyl, ebenfalls Schult, heiß in Bern. Nach dessen frühzeitigem Tode heyratheke sie auch in der dritten Ehe abermal einen Schultheiß, Albert Manuel. Steiger besaß für einen Partikularen in Bern ausser» ordentlichen Reichthum. In der Erbtheilung bekamen die Söhne voraus drey Frevherrschaften und neun andere Herrschaften, nebst verschiedenen Landgütern an demBie- lersee, zu Murten, am Genfcrsce, zu Thun, Kilchdorf, Thürnen, Bollingen Altenberg und an der Muristrasse. Die sämtliche Verlassenschaft zu Geld angeschlagen; belief sich nach jzigcm Wehrte auf 20,00000. Kronen. Bey in- solvabeln Schuldem blieb vieles zurück. Der König in Frankreich blieb ihm i;o,ooo. Kr. schuldig; vom J. 158». bis auf izo beträgt es mehrere Millionen. An die ganze Schuld wurden nicht mehr als i1,000 Kr. bezahlt. Beträchtliche Summen giengen auch an dem Grafen von Greyerz, an dem Grafen von Valendts, an dem Freyherr!» von Brandts; dem Freyherr« von Aubonne, dem Marquis von Vergy und andern verloren. Johann Buxdorf.*) Er erblickte das Weltlicht im I. 1564. zu Camin i" Wcstphalen, woselbst sein Großvater die erste, weltliche, sein Vater die erste geistliche Stelle bekleidete. Nachdem S. l>»n. lollsai Vitain 7o. Luxtorlli, L»LI, lüZo, 4t»- er diesen frühzeitig verloren hatte, so begab er sich znr Fortsetzung der Studien nach Marburg, und bald darauf «ach Herborn. Fleißig besuchte er die Vorlesungen des OlcmaiiuS und Piscators. Mit besonder»! Eifer wiedmete er sich dem Studium der Ebräischen Sprache. Von Her- born gieng er nach Heidelberg. Wegen der Wuth der Kriegeöffammen zog er sich im I. 1588. nach Basel zurück. 2 n Basel besuchte er die Vorlesungen des GrynäuS und des sich damals selbß aufhaltenden HospimauS; in Zürich machte er Bekanntschaft mit Bullinger; in Genf mit Theodor Beza. Auf Joh. Jac. GrynäuS Antrieb wählte er seinen Wohnsitz in Basel. Hier unterwieß er den Leonhard Cu- rio; einen Sohn des berühmten ColiuS SecunduS Curie. 2 m I. 1591. erhielt er den Ebräischen Lehrstuhl. Zwey Jahre hernach verheyrarhete er sich mit Margaretha, einer Nichte des eben erwähnten C. S. Curio, und Tochter des Leo Curio, der mit Flaminia Muralt von Locarno vermählt war Das ehrenvolle Geschlecht der Burtorfen in Basel entsproß also von müterlicher Seite aus Italien, nnd aus Deutschland von väterlicher Seite. Die Angelegenheiten des Hauses hinderten unsern Burdorf keineswegs, tagtäglich den Studien acht und Mehr Stunden zu wiedmen, und diese Gewohnheit setzte " beynahe bis an seinen Tod fort. Nicht nur besaß er in ganz Europa die beträchtlichste, ebräische Privatbibliothek, sondern oft ganze Monate lang unterhielt er bey sich die Mehr-resten Juden, von welchen er die geheimsten Lehren und Gebräuche lernete. Dardurch zog er sich Verdruß zu, 2 m Jnnius 1619. hatte er einen Juden Namens Abraham . mit seiner ganzen Familie im Hause. Das Weib des 2 uden kam mit einem Sohn nieder. Mit Erlaubniß des Obrigkeitlichen JudenauseherS, Georg Martin GläserS, ^m;y zur Fevcrlichkeit der Beschncidung einige fremde »chden in die Stadt. Diesel' Beschncidung wodneten auch Burdorf und sein Eidam, König, nebst andern Stadtbürgern bey. Auf die Nachricht hievon wurden Burdorf und König den 16. Juuius >619. jeder um hundert Gulden gebüßt; der Jude Abraham aber um vierhundert Gulden. Gläser uud die übrigen anwesenden Stadtbürger wurden zu dreytägiger Gefangenschaft verurtheilt. So erzählt es aus den Jselinischen Handschriften der Pros. Herzog in den tlchenl8 rauricis, Im I. iso2. edirte Burdorf sein Manuale; im F. i6yz. die juäsicsm; in gleichem Jabre die LxilrvjSü bebl-sicsd; im I- 1604. den Pheksurus grsmmr- ticL; im I. I6e>e die Lpitome; im I. 1607« das I.exl- c»n Uedrsicum UNd sein Werkgen cle ^bbrevigturix ke- brÄllis; im I. 161;. den ThallUUUd Und die kibüotkecam iZbbiriiLÄM; im I. läiz. die cbaldäische und syrische Grammatik; im I. 1618. die grosse ebräische und chaldäi- sehe Bibel; im J. 1619. die libermäs, oder den Masore- tischen Kommentar. Seine ausserordcntliche Gelehrsamkeit erwarb ihm die Freundschaft und Hochachtung eines Philipp Mornay dü Plessiö, eines Joseph Sealigers, Daniel Heinsius u. a. Im I i6n. bekam er einen aeademischen Beruf nach Sa- mür, und einen andern nach Leiden, er blieb aber bey seinem theologischen Lehrstuhl in Basel, und zog der dortigen hohen Schule eine Menge Smdirender aus allen Gegenden der Welt zu. Seine Demuth und Frömmigkeit waren nicht weniger erbaulich, als bewundernswürdig seine Gelehrsamkeit. Er starb im I. i6;o. im fünf und sechözigsten Jahr seines Alters. Unter seinen sieben Kindern hinterließ er einen Sohn, Johannes, als Erben seiner gelehrten Verdienste. Bey Burtorfs Hinschied war noch sein Coneordantieu- werk unter der Presse. In Handschrift hinterließ er sein chal- dmscheö, rabbinischeS und TalmundischeS Wörterbuch- ferner einen chaldäischen Comeniar über die chaldäische Umschreibung der ebräischen Bibel, und kühnem ^»r. Uni liüxmunäi gegen die Juden. Johannes Zwinger.*) Er wurde zu Basel den 26. August 16^4 gebohren Schl Vater war der berühmte Theodor Zwinger. Seine Mutter Magdalena Burdorf, eine Tochter des gelehrten Johann Burdorf. Sein Großvater war der grosse Arzt und Naturforscher, Jacob Zwinger. Sein UrgroßSvater Theodor Zwinger, der Verfasser des Schauplatzes der Anschlichen Natur. Nachdem der junge Mensch den Grund zu den Wissenschaften gelegt hatte, erhielt er im 1 .16? 2. den Zutritt rn dem Predigamt. Bey dieser Gelegenheit verfertigte er eine akademische Streitschrift julkiüc2cione llomini; kecLstoris corsm veo. Nach Vollendung der akademischen Studien that er eine Reise nach Genf und verthei. digte daselbst unter Theodor Tronchin eine Disputation eie peccsto original!. Ends des I. l6;4. wurde er von seinem sterbenden ^ater nach Hause beruffen, fand ihn aber nicht mehr bey ^ben. Er kehrte nach Genf zurück und bekleidete acht Sonate lange das dastge deutsche Pfarramt. Wegen einer ^iidtenen Krankheit begab er sich im 1 .16;^'. wieder nach ^njel. Hier verthaydigte er eine akademische Streitschrift 2 LstiLfactionL Lkrilli. Nach gänzlicher Wiederherstel- nng seiner Gesundheit gieng er nach Heidelberg und hörte ) -lo. koä. ^etkeliü Or^t. cle Vit» /o. 2^vMZcrl, ksf. *696, 4to, daselbst die gelehrten Professoren, Ioh. Heinr. Hottinger und Friedrich Spannheim. Von da begab er sich nach ^ Utrecht, und studine unter Gisbert Voetius, Andreas Essen und Match. Merken. Zu Leydcn machte er Bekanntschaft mit Abraham eycidamus, Johannes Coccii, Ioh. Hornbcck, Adrian Heerebord, Georg Hornius; in Groningen mit Samuel MaresiuS, AbdiaS Widmams, Match. Pasor, Gcrard Cocceiius, Franziscus JuniuS, Jacob Alting, Joachim Borgcsius. Gegen Ende des I. is§6. wendete er sich nach seiner Vaterstadt zurück. Beynahe in eben der Stunde, in welcher er anlangt, wird er einmüthig zum Professor der griechischen Sprache ernennt. In der Amritsrcde handelte er äs nesrälitste A utilitLte litersruml grLcsrurn. Im März 1657. verhcyrachete er sich mit Esther Burkhard, der Tochter eines angesehenen Handelsmanns. In dieser Ehe erzeugte er eilf Kinder, nämmlich acht Knaben , und drey Mädchen. Im I. 1661. erhielt er die Oberaufsicht über das Marianische Gymnasium, und bey dieser Gelegenheit hielt er eine vortrefliche Rede äs karksrie luperiorum leculo- rum orts ex prosiuncla linAUX grXLX iFNorLmis. Im I- 1682. übernahm er das Amt eines Obechiblioihekars. Vorr seiner Thäthigkeit zeugen so viele seiner gelehrten Abhandlungen, z. B. äe ä ri ltotsl ir Orchoäoxiz. äs munäi ortu; eine andre Abhandlung ezusäsm LcsgiritL lsncsneism rs- terens 6e provicisncis Lei, ferner äs eempore cksstionis mnnäi; Ol 5 xutsrions 8 logieo - metspk^lic» qustuor 6s chdÜLnris; «ine politische Abhandlung äe vuell!8; eine ande e 6« bssio Lbrickisnis lisits Zereliäo; äscisis guse- ^ üionum eriiica - xoliricsnim; äisputskio äs Unitste snl- NHL; eine andere Disputarion 6e le6e SNIMT rstionsl^ Im I. 1664. bewarb er sich um den erledigten Lebr- sttihl der Coruroversen, und zwar durch eine Disputation äs Osnoniz 8. lcnpturse integritste L äoÄnnT 8sluti8 in ES eontentX psrkeciione, wie auch durch eine andere Disputation äs iäiomgtnin Lommunisutione, Einhellig erhielt er hierauf im Mär; 1665. den theologischen Lehr- stuhl. In der Antrittsrede handelte er äs origine, pro, Lressu. vsnitsle, nonnulli3 etisrn sbuüdus tlieologise äog. Mstisse. Als Professor der Gomsgelehrtheit verrhaydigte er zwo und vierzig akademische Streitschriften äs pescato. Unter denselben befinden sich eine äs concurlu vei cum csulis secunäls, und eine andere äs csuls impulllvu repro. bstionis. Auch edirte er theologische Disputationen äs fs- llo Lorporis Lbriüi ; äs vit» impuäics öc lcelsrstu kon- tillcum romsnorum; äs vsrimre kiKon-e äs ssobsnns kspisss. Wenige Tage vor seinem Hinschied vollendete er Noch sein Werk äs kege 8slomone peccume, öjusgue peccsts infesutis Osi poenis. Sehr trocken find freylich unsere Nachrichten von Zwingern, indeß characteristiren fie nicht nur seinen Geschmack, sondern auch den Geschmack seiner Zeit. P e t er de N 0 q u e s. *) Tr ^erblickte das Licht zu La Caune in Langucdock den 22. Iul. 1685. Sein Vater, David de Roques, war ein protestantischer Edelmann; seine Mutter war aus dem adelichen Geschlechte de Froment. Nach der Aufhebung des Edikts von Nantes sah fich David de Roques wegen seines Glaubens ins Gefängniß gcworffen. Nicht ohne Mühe erhielt er die Befrcyung, durch dringende S. I-ettrc S Mr, l'Lllbe Ksinsl wr I» vie ,Ic keu Nr. kisrrr äe ko^ies, xar Mr, kre^, I^ieut. LolouelLe, KLÄe 178s» Wie auch Gölten, SHmersal und Jöcher. Fürbitten eines seiner Verwandten, des Herrn de Roques de Marveilh , aus d«m Geschlechte der Herrn ClaussE nette, eines Offiziers -bey der französischen Leibwache. Unter solchen traurigen Aussichten, mitten im Sturm der Verfolgung, gerade in dem Jahre der Aufhebung deS Edicts von Nantes, erblickte Perer de Roqnes das Welt- licht. Die Taust erhielt er von David Martin, dem damaligen Prediger zu la Caune, der sich seither nach Holland flüchtete und immer fortfuhr, mit seinen Rathschlägen den jungen de Roques zu leiten. Der alte de RoqueS opferte der Gewisscnfrcyheit sein Vaterland und einen beträchtlichen Theil seines Guts auf. Um desto weniger Verdacht zu erwecken, begab er sich zuerst ganz allein über die Gränzen Sechs Monathe hernach folgte ihm die Gattin mit den Kindern nach Genf. Unterwegs ertappt man ihren Begleiter und knüpfte ihn auf. Die ganze Familie setzte sich in Rolle, einer kleinen Stadt des Waatlands. Zur Fortsetzung der Studien gicng der junge de Roques im Jahr 1700. nach Genf. ImJ. 170;. beschenkte ihn der Rath in Bern mit dem Bürger- recht im Pays - de - Vaud. Er begab sich also nach Lausanne , um sich daselbst zum geistlichen Stande einweyhen zu laßen. Bey noch unverdorbenen Volkssitren und bey der herrschenden Religiosität wiedmeten sich diesem Stande Jünglinge aus den vornehmsten Geschlechtern und von den größten Talenten. Auf Werenfelsen Empfehlung kam de Roques als französischer Prediger nach Basel. Hier lebte er in der Gesellschaft der Bernoulli und Bauhin, der Werenstls und I. C. Jstlin. Einen Herzensfreund fand er in feinem Amtsgenossen , I. R. Osterwald, dem würdigen Sohn des Reu- enburgischen Gottcsgelehrtcn. Seine Antrittsrede hielt der nenerwählte Prediger den zi. August 1710. Groffcntheils aus armen, französischen Flüchtlingen bestand seine Heerde. Uebelverstandene Po- luik und blinde Eifersucht entfernen so viele Andere, dir welcher in England und Holand und in einigen Gegenden von Deutschland den Kunstfleiß verbreiteten De Roques verhenrathetc sich mit Lonise de Maumont, einer vertriebenen Französin auö adelichem Geblüte, aber Er Glucksgüter beraubt. Bey allem Eyfer für die Reli- Pon, hauen doch sie so, wol alöihr Vater eine solche ei- t"e Schwachheit, daß sie nicht eher in eine Verbindung E de Roques einwilligten, bis dieser seine adeliche Hcr- Eunft zubeurkunden wußte. Die Ehe war glücklich und veich mit Kindern gesegnet Seine gelehrte Laufbahn eröffnete de Roques mit einer Schuzrede für Osterwalden gegen den Professor Nauds in Berlin. Nauds hatte gegen Osterwalds EatechismuS und Segen seine Schrift über die Quellen des Sittenverderbens ^schrieben. Ziemlich bitter beantwortete er des de RoqueS Apologie. Schon war dieser mit einer Duplique fertig, vls sie der friedliebende Ofterwald selbst unterdrückte. Im 2 - -72). erschien des de Roques Ermahnung an alle die- ^vige, welche sich wegen des herrschenden Sittenverderbens E Absöndernng von der Kirche berechtiget glauben. Verrutscht erschien diese Abhandlung, unter der Aufschrift: Wahrer Ausgang auö Babel- Auch wurde sie von F. E- Nambach in einer deutschen Uebersetzung dem zweyten Theile von Chatelains Predigten vorgesetzt. *) Es war ein Ver- *vahrungsmittel gegen die damalige Seuche des Pietismus. Noch in gleichem Jahre edirte er seinen evangelischen Leh- , oder Versuch über die Natur und den Werth des Pre- rgtaims. Ohne es selbst zu wissen, schilderte der Ver- sMr in diesem Werke seinen eigenen Charakter. Kaum erschien es, so wardS ins deutsche, ins Holländische und Dä. vische übersetzt. Lord Wacke, Erzbischof von Kanterbüry, ") S. Zöcher im Articke! Roques- §2 gab sich alle Mühe, dieses Buch ins Englische übersetzen zu lassen. Ob es ihm gelungen sey, bleibt uns unbekannt Im I. 1728. verfertigte unser Schriftsteller einen Cathechismus, unter der Aufschrifft: LlemenZ 00 Premier» Principes 6s verites Ibistori^ues- äoxmstiques L mo- ralss. Auf Befehl des Senats ward das Buch auch ins Deutsche übersetzt und zum öffentlichen Unterrichte gewiedmA In regelmüs'gem Briefwechsel stand de Roques mir den Predigten verschiedener, gedruckten Gemeinden in Frankreich. Zu Gunsten derselben schrieb er im I, 17;°. I.et-, tres eorives ä un Protestant äe krancs au stijet 6es ms- risges äes stekormes, 6c 6u baprems cks leurs enkans stsris I'eZlise romsine. Eine vermehrte Ausgabe erschien im I, Im I 1701. hatte er das Buchte vrarkietistn? herausgegeben. In demselben bekämpft er mit eben so viel Nachdruck als Anmuth die Fiebergrillen des Fanaticis- mus. Unter der Aufschrift: Abb ldung der wahren Gottseligkeit wurde dieses Buch im 1 .1748. von Rambach verdeutscht. G. H. Richerz führt es in seinen Zusätzen zu L., A. Murawri Werk über die Einbildungskraft oft mit besondern, Lob an°. Würklich enthält es für den Scelenfor- scher U"d Sittenlehrer sehr interessante historische so wok als philosophische Bemerkungen. Im I. 17)4. hatte de NoqueS ohne Namen einen Band Predigten edirt. Auch dieses Buch ist hernach in einer deutschen Uebersetzung erschiene«. In dem ü^ercure 8wsts von Neuschatel befinden sichi (im December 1718. und im Februar 17;?') Briefe von unserm Verfasser an Bourguet über das Leibnitzische System. De Roques sah die Leibnitzische Erklärung von der Verbindung zwischen Leib und Seele für einen blossen philosophischen Roman an. Er drang nicht tief genug in dieses sinnreiche System ein» , Jedermann kennt die Dilcour? bistongue^, criti'gues, t^evlo^i^u» L morsuxturles svenemens Iu 8 plu 8 memorsb- 6 e 1 'ücririire sginre, die mit so viel typographischer Pracht ^ Haag in sechs Foliobänden, mit Kupferstichen nach Pe- ^r le Romain, erschienen. Man weiß, daß der berühmte Saunn dieses Werk übernahm Der Verdruß, den er 6 ch wegen einer Abhandlung über die Dicnstlügen zuzog, vergiftet sein Leben. Kaum zur Hälfte hatte er das grosse Werk zu Staude gebracht, so starb er. Zur Fortsetzung desselben forderte man unsern de Roques aus. Er vollendete das alte Testament, und der jüngere Beaufobre das Neue. Im I. 1740- verfertigte unser Schriftsteller ein Werk IribunLvx äe juäicstuie. Hicvon erschien eine deutsche Uebersetzung, mit einer Einleitung von Böhmen ^chon einige Zeit vorher im I. 1777 hatte de RoqueS eiN Werk: leg äevsrrs lles sujetn expügus8 en gustre 6il- °our« herausgegeben, welches auch ins Deutsche übersetzt ^Ütd. Im I. r7;y. erschien seine Oisteration tkeologi- gne L critigue, äuns laguelle vu läclie äe prouver pur üiverz pg 6 üge 8 lsinte 8 ecrimre 8 > gue I'sme 6 e ss L. ^sir Is Liel uns inrelligeuue pure L glorieuls» ^ue ä'etre uuie ä un corps iiumsin äan8 Is lein ^ in bieuüeureuse vierge Narie, ü I^onllre 8 in 12m«. ^egen diese Hypothese schrieben de la Chapelle in dem XXlVten Bande der Libliotkegue raisonues, und der ^enferschc Prediger de Noches in dem Uten Bande seiner Verthaydigung des Christenthums gegen den Verfasser drr Xelix. ellentielle, Des de Roques Beantwortungen befinden sich in den beyden ersten Theilen des Zournul l.ir. kersire zu Genf vom 1 .1740. In diesem Jahre edirte der bannöversche Gotteögelehrte, Laurenz Hagemann, diese Abhandlung in lateinischer Sprache, mit einer Widcrle- E"vg, die de Roques wegen anderer Beschäftigungen unbeantwortet ließ. -4 . De RoqueS veranstaltete auch eine neue Auflage der Bibel, lelon la Version äs Nr. Nsrcin, in zween Ouart- bänden. Idcher macht ihn übcrdieß zum Herausgeber einer llülercocion biliorigue lur les Luels ^ Ie 8 Oräres äs Lksvaleris xs.r Nr. kslniiZs, sveo un ätscours pce- liminuirs, oä I'on entrsprsnä äs montier, que le Ouel konäe lur les msximez äu poim ä'konneur etl uns vsnge- rmcs barbare, injuüs L lleccrils->nte. Mehrere zerstreute Stücke übergehn wir. Noch hatte er die Aussicht über eine neue Auflage von Morreri Dictionaire, welche zu Basel in sechs Bänden, mit vielen Zusätzen herauskam. Hübe» bediente er sich des Beystandes seiner beyden Söhne Sein Suplement in drey Foliobändcn erschien in den Jahren 174;- und 1745. Der Abt Gouiet, CanonicuS von St. Gcncvicve, beschäftigte sich zu gleicher Zeit mit einer ganz ähnlichen Arbeit, jedoch ohne so viel Freyheit und Hilfsquellen, wie de RoqueS, zu haben. Er suchte die BaSlersche Ausgabe zu verschreyn, und hingegen die Parisische in An sehn zu setzen. Mit so viel Nachdruck als Bescheidenheit verthaydigte sich de RoqneS in dem XXXtcn Bande der kiblivch- Lr-mqoiis und in dem Neroure äs Lm'lle vom I> I7ZY. Beynahe dreyßig Jahre hielt er ununterbrochen philosophische Vorlesungen. In der Vernunftlehre folgte er dem Leitfaden der nre äs penler von Port-Royal; sehr dringend empfahl er Bcrnouillts mathematische CollegieN' Solche Collegien hielt er für weit geschickter als selbst die logischen zur Aufklärung und Leitung dcö Geistes. Unge- mein verdient machte er sich auch durch seinen Curs über das Naturrecht. Obgleich er die lateinische Sprache eben so zierlich und flieffend redete, als seine franfösiM Muttersprache, so bediente er sich bey den Vorlesungen doch immer der letzten. „ Dadurch, sagt Frey, erwarb „ er sich eine Menge Zuhörer, welche, ohne eigentlich« »Gelehrte zu seyn , sich diesem Studium wiedmet«. --Und wie wichtig ist uicht dasselbe in unsern Frey- --staaten, wo ohne Unterschied jeder Bürger Zutritt zum "»Senat hat! Wie wichtig ist eS nicht besonders auch für --diejenigen/ die zur Unterweisung des Volkes aus der Kan- --;el bestimmt sind!,, Zum Lehrbuche wählte de Roques PuffendorfS Buch von den Wichten des Menschen und des Bürgers, nach Barbeyraes Uebersetzung. Ueberdieß gab er jedem Schüler noch seine eigenen Hefte zum Abschreiben "ach Hause. In den Lehrstunden hielt er über jeden Abschnitt einen mündlichen Vortrag. Hernach warb dieser '"Fragen und Antworten, Gesprächsweise, entwickelt. Obgleich de RoqueS in verschiedenen, gelehrten Tagebüchern Proben von seinen Einsichten in die Methaphysick begeben, so weigerte er sich doch immer, über diese Wissenschaft Vorlesungen zu halten. Er glaubte, daß solche ab- siracte Untersuchungen sich nur für Wenige schickt n, und baß auch diese Wenigen sich nicht eher damit beschäftigen lallten, brs in dem reifern Alter, wo der Verstand über b'e Imagination Meister geworden. Beym thätigsten Leben genoß er der dauerhaftesten ^ksimdheit, und er dankte sie der Ruhe seine Gemüths, Heiterkeit seines Charakters, der Mäßigkeit und Ord- """g in seiner Lebensart. Ein. bösartiges Fieber, nebst bam zurückgetrmenem Podagra, entriß ihn der Welt den Apriu ^ 748 . , Er hinterließ drey Söhne und drey Töchtern. Erst ""längst stM einer von jenen als Hofprediger und ober- "er Consistorialrath des Landgrafen von Hessen Homburg, ^"tcr anderm besaß er ähnliche Leichtigkeit mit dem Pater a la Rüe, der seine Predigten lateinisch schrieb, und sie gleich französisch hersagen konnte. Der Hofprediger de . siues hielt in deutscher Sprache Predigten, die er in lkanzösicher Sprache aufgesetzt hatte, er viae verlä. Ein zweyter Sohn unsers Peter de RoqueS ist Prediger ß" Zelle in dem Chursürstcnthum Hannover. Als während des letzter» Krieges diese Stadt für eine Zeitlang von den Franzosen besetzt war, genoß er von den beyden Marschat- len von Richelieu und 6 'Nrmentieres der vorzüglichsten Achtung. Diese Achtung erwarb er sich durch den edelsten Weltton, verbunden mit den auSgebreitesten Kenntnissen. Mit dem Feuer und der Lebhaftigkeit eines Franzosen vereinigte er helvetische Naivetät und Freymüthgkeit. Man sah es ihm an, das er zu gleicher Zeit den verschiedenen Nationen zugehöne, und von dem Charactcr einer jeden besaß er die Vorzüge, ohne ihre Gebrechen. Die Gewogenheit, womit ihn die Feldherren beehrten, benutzte er einzig und allein, zur Erleichterung der Kriegesbesckwerdcn in der Stadt und in der umliegenden Gegend. Bey der Rückkunft nach Frankreich schickte ihm der Marschall 6 'är- menneres das Oictionnsiie enciclopsäigue, und zwar zNt Dankbezeugung, ( wie er sagte, ) daß ihm der würdigt Prediger Mittel und Gelegenheit zum Wohlthun aus fremden Boden vcrschast hätte. Dwscr Prediger heyrathcrc eine Thelüsson von Basel. Drey seiner Söhne befinden steh in Hannövccschem Kriegsdienst. Von ihm hat man im Drucke: Sendschreiben an einen Freund, während des Aufenthalts der französischen Truppen zu Zell in den Iah rcn 1767. und 1768, und zu Mastricht im I. 1775. Für diese Schrift erhielt er die schmeichelhaftesten Billets vo" Friedrich und von dem Herzog Ferdinand von Brau»- schweig. — Unlängst edirte er auch eine Abhandlung übet die Meerpolypen. Ein dritter Sohn unsers Peter de RoqueS ist Prediger bey der französischen in Hanau. Eine seiner Töchter" erwarb sich frühzeitigen Ruhm. Schon vor dem zwanzigsten Jahre lieferte sie verschiedene Aufsätze in den Journal üel. 97 öelvstique. Diese Auffätze machten so viel Eindruck auf einen Dänischen Oberst, Herrn Mazar de la Garde» daß er , ohne sie jemals gesehn zu haben, um ihre Hand bat «nd sich nach Basel verfügte, um sich mit ihr zu vermähln- Eine andere Schwester verheyrathete sich mit einem Edelmann im Payö- de - Band , der sich alS Oberstlieutenant bey dem Regiment von Erlach in französischem Dien- ste befand. Die dritte lebt im ehelosen Stande. Ihre ehrwürdige Mutter überlebte bey fünf und zwanzig Iah. ren den Gatten. » Die Geschichte dieser Familie, sagt Frey, kann »zum Beyspiele dienen, was von so viel tausend andern --Familien, die sich nach Aufhebung des Edicts von Nan- »tes in Holland, in England, in der Schweiz, in Deutsch- »land, in den tiefsten Norden und in entfernte Welttheile »verbreiteren, hie und da Gutes hervorgebracht worden.» Anton Court de Gebelin. *) Er wurde im I. 1727. zu Lausanne gebohren. Sein Darcr, der daselbst Prediger war, gab ihm eine sehr sorg. faltige Erziehung. Schon im zwölften Jahre las und co- * ritte er deutsch, lateinisch, griechisch, ebräisch; in seinem fünfzehnten Jahre verstand und sprach er die beyden erlern Sprachen mit großer Leichtigkeit. Auch auf das Fran, Iskleau kill. äe I'elxrit L äu LLrrÄere äei lättergteurs krsn^oiz , 1 . IV. ä VerllliNes L Vuris i 7 ; 8 - s. ryz. wie auch lie Air. Lourt äs Lebelin xar Air. <^uetnL^ >1« 8t. Lermrin, und ein anderes Llo§e xur Air. le Lomts ä'AIboir. Man sehr auch AnLhfts äes OuvrLZes äe I. i. llonNLsu L äe Lourt äe 6ebelin, 6eueve. 178;, s. ryr. G 98 zösische/ feine Muttersprache, wendete er ganz besondere Aufmerksamkeit. Seine Wissensbegierde war so heftig, daß, wenn er nicht ganze Nächte hindurch über den Büchern sitzen sollte, seine Aelrern ihm Licht und Feuer verweigern mußten. Wofern es indeß die Zeit erlaubte, si> unterließ er nicht, selbst beym Mondschein zu lcW. Im J. '76z. begab er sich nach Paris. Gleich dem Bias trug er seinen ganzen Reichthum mit sich, nämlich außerordentliche Gelehrsamkeit und grosse Einfalt der Sitten. Wegen Abwesenheit der Personen, an die er Empfehlungsschreiben mitgebracht hatte, sah er sich genöthigt, durch sich selbst Bekanntschaften zu suchen. Nahe bey seinem Gasthofe wohneten in glücklicher Dunkelheit zwey Frauenzimmer von reiferm Alter und von mittelmäßigen Glücksnm- ständen. Ihre gegenseitige Freundschaft war so innig daß sie ihnen keine andere Verbindung gestattete. De Ge- belin hatte Gelegenheit, diese beyden Damen kennen zu lernen. Die Armuth ihres Charakters und die Anständigkeit in ihrem Betragen gefielen ihm so wol, daß er nichlS schnlichers wünschte, als in ihrer Gesellschaft zu leben. Er hingegen fiößte auch ihnen solche Hochachtung ein, daß sie bald anfiengen, gegen ihn die zärtlichste Freundschaft zu äusser«. Von dreser Zeit an bewiesen sie ihm die großmüthigste Fürsorge. Diese verehrungswürdigen Freundinnen verschafften ihm die glückliche Lage, die er zur Einsammlung und Bearbeitung jener gelehrten Materialien für fein Werk Äkoncte primiti'f so nöthig bedürfte. Von diesem außerordentlichen Werke erschienen noch vor seinem Tode neun Quartbände. Die eine von seinen beyden Freundinnen, Mamscl Ljnwt, übte sich im Grabstichel, und zwar einzig in der Absicht, ihm damit bey seinen gelehrten Unternemmungen behtlfiich zu seyn. Von ihr sind verschiedene Tafeln in s.incm Werke. Die andere Freundin, Mamsel Fleury, --- §9 ^rekte ihni zur Herausgabe des ersten Bandes fünftausend ^ivres vor. Nach dem Tode ihres Freundes und ihrer Freundin, scheint dieses schäzbare Frauenzimmer nur noch für die Familie des Verstorbenen zu leben. Court de Geblüt starb nemlich im Maymonat 1784, bevor er noch seine Schwester und für zwo Nichte»/ die er nach Paris kommen ließ/ ein sicheres Einkommen zu Stand gemacht ha^e. Diese Nachricht giebt Herr Quesnay de Saint- ^rrmain in seinem Oilsours pour lsrvir ä I'eloge äs iVIr. Oourt 6 s Osbslin, der zum Besten der Gebelinschen Fa- ^>llie gedruckt worden. Der Hang zum Studieren und zur Einsamkeit war Kindheit aus bey unsern, Gelehrten so groß, daß er trüber sein zeitliches Glück gänzlich vernachläßigte. ,, Lie» " der, pflegte er zu sagen, mache ich den Hof dem Pu- " blicum selbst / als einzelnen Personen / welche das Pu- "blicum entweder verachtet oder verabscheut.» Wenn ^ in Armuth lebte/ so wußte er doch immer seineWün- fHe und Bedürfnisse mit seinem Vermögen in Verhältniß ^ setzen Ohne zu Errathen gestand er/ daß es ibm in ^ erstern Jahren seines Aufenthaltes zu Paris vielmal segnet wäre, Wochenlang lieber nur von Brod und Wäs- ^ ru leben / als sich der Gefahr auszusetzen / einem Freun- ^ beschwerlich zu fallen. So groß seine Gelehrsamkeit war / so groß war auch seine Bescheidenheit. An der Spitze deölersten Bandes von f^nem üionäs xriinitik und überhaupt bey verschiedenen gellen dieses Werkes sieht man/ wie sorgfältig er seine ^üfSquellen anführt / und mit wie viel Erkenntlichkeit er dcn Gelehrten spricht, die ihn mit Beyträgen unter- harwn, , Der berühmte Doetor Quesnay, das Haupt der Oe° Momjsten, nennte ihn seinen geliebtesten Jünger, in den vos meiste Zutrauen setzte. G-; roo Die französische Akademie theilte ihm zweymahl nach einander den jährlichen Preiß von >200 Livres zu. Ein Preist der von dem Grafen von Valbelle zur Belohnung des- Migen Schriftstellers gestiftet worden, welcher von seine» Talenten den besten Gebrauch machen wurde. Gegen jedermann war de Gebelin äusserst gefällig. So entfernt er davon war/ für sich selbst Gnadenbezcu- gungen zu suchen/ so eifrig und unermüdet war er / wen» «s darum zu thun war/ für irgend jemand ander» noch so beschwerliche Schritte zu machen. Eines Tages bat ihn ein Gelehrter/ den er sich verpflichtet hatte, daß er ihm doch Gelegenheit zu Gegendiensten darbiete» möchte. „ Wenn sie mir / sprach er / ihren Dank auf eine „ für mich angenehme Weife an den Tag legen wollen, „ so mußten sie überzeugt seyn / daß ich selbst Ihnen Dank „ schuldig bin/ da sie mir das Vergnügen verschaften / Hb' „ nen Dienste zu leisten. „ Kaum war er mit dem neunten Bande seines Nonsts primicif zu Stande gekommen/ so fiel er in eine gefährliche Krankheit. An seinem rechten Schenkel zeigte sich eine schmerzhafte Geschwulst; zu gleicher Zeit lidte er den sen- gendesten Durst, den keine Limonaden oder Tisanen zu stillen vermochten. Hiezu kamen noch beschwerliche Hämor-- roiden, Unreinigkeit der Haut und andere Uebel, die aller Arzneykunst Troz boten. Unter solchen Umständen führte ihm ein Freund einen fremden Arzt zu, der ihn in wenige» Tagen wieder herstellen wollte, und zwar ohne einigen Gebrauch innerlicher oder auch nur überhaupt fichtbahrerMittel. Dieser Wunderthäter war der berüchtigte Mesmer, und der Genesene, der seit neun Monaten zu jeder Arbeit unfähig war, ergriff nunmehr zum erste» male wieder die Feder , und wiedmete sie zur Verthaidiguug und zum Lobe seinesmagnerisirenden Arztes. Den ;i. Julius 178;. machte er eine Schrift über den thierischen MagnetiMiö be- kannt. In dieser Schrift sagt er: ,, Wird man meine --Genesung einem blossen Zufall zuschreiben, Wird man -- langer behaupten wollen, daß Mesmers magnetischeHeil- --art unbegründt wäre^ Ich weiß, daß man auf alle nur "Mögliche Weise diese Behauptung durchsetzen will, daß " man sich gegen diejenigen empört, welche für MeSmern als Zeugen aufstehen dürfen , baß Männer vo« den größ- "tea Talenten und Einsichten der magnetischen Methode -- spotten: allein wenn ich auch der schwächste von MeSmerS " Verthaydigern seyn mag, so sprechen doch Thatsachen und "Wahrheit zu seinen Gunsten so triumphierend, daß es --mit solchen Waffen mir nicht darf bange seyn lassen, her- " vorzutreten und das Publikum einzuladen zu näherer » Untersuchung von Mesmers merkwürdigen Entdeckung. „ Hierauf versichert der Verfasser, daß Mesmer eine ^ftnge Patienten von jedem Rang, Alter und Geschlechr Ketzer hergestellt habe, auch führt er wirklich verschiedene Beyspiele an. Nach Bekanntmachung dieser sonderbahren Schrift, errieth der Verfasser bald wieder in den vorigen, bcjain- ""bnswürdigen Zustand. Er erhielt von Mesmern, daß er m seine eigene Wohnung aufnahm, allein die magne- «sche Kunst scheiterte und Gebelin büßte mit dem Leben seine "ichtglaubigkeit. Er starb den May 1784. GcbelinS System findet man entwickelt in einem Werk, vnter folgender Aufschrift: ssnslzcke äes ouvrsges äs s. s. ^Olissezu äe KenevL 3r!!> zusehn. 2°. Die Urgeschichte der Vorwelt führt ihn auf die Erklärung der alten Denkmale, Fabeln, Dichtungen, deren Schlüssel er in den alten Künsten und Wissenschaften entdeckt. — Sehr sinnreich ist seine Auslegung des Sanchonia- tonö, des HesiodS , deö Kalenders und der Werke des Herculs. In der Erklärung der historischen Denkmale schneidet " alles weg, was Rom und Griechenland lehrten. Diese Völker, sagt er, kamen zu soäte, um noch die Wahrheit in ihrer Blosse zu finden. Die ältern Zeiten theilt er in !wo Klassen; Zeiten, die allen Nationen gemein sind, und Zeiten, eigenthümlich jedem besondern Volke. In jenen ist eine vollkommene Harmonie; in diesen stößtman aufnichrs, das einer solchen im Weg stehe« könnte. Die ursprüngliche Schöpfung (monäs Mimitik,) dauerte bis auf ungefähr 8oo Jahre vor Christus. Die moderne Welt beginnt ^itNabuchodonosor, einem chaldäischen König. Bey dieser Epoche erscheint die Zweytracht, d. i. die Feldarbei- ter werden in Soldaten metamorphosirt. Von dieser Zeit ^ ist weder Friede, Eintracht, noch Brüderschaft. Alles ver- attdert sich, und die alten Schriften verlieren ihre Verständlichkeit. Die dießmaligeWelt verkündigt eine glückliche Revolution. Seit demXVten Jahrhundert nach Christi Erscheinung beginnt eine "neue Epoche ihrer Vervollkommnung , und sie neigt stch nach ihrer ursprünglichen Glückseligkeit. Wenn auf der einen Seite Gebelins Werk einen Mann von ausserordentlichker Belesenheit und vielem Scharfsinn verräth, so verräth es auf der andern Seite nicht weniger "neu Liebhaber von Paradoxe, der sehr oft in die Luft baut. In dec sssn. Issee. 1784. X. 8. wird es mit Wilhelm Postels Schlüssel zu den von Anfang her verborgenen Geheimnissen verglichen. k24 Johann Conrad Brunner. *) Er wurde den i6. Januar 16;;. zu Dlessenhofen geboren. Keinen ersten Unterricht erhielt er bey einem gelehrten Landprediger, dem Pfarrer Deozler. Zur Erlernung der Arzneywissenschast ermunterte ihn sein Anverwandter, der berühmte I. I. Wcpfer. In de n sechs» zehnten Jahre besuchte er die Schule zu Straßburg, in dem zwanzigsten Jahre edirte er eine akademische Streitschrift über eine zwcyköpfige Mißgeburt. Im Jahr 1672. beoab er sich zur Ausbildung seiner Kenntnisse nach Paris. Hier machte er unter andern Versuche mit der grossen Ma- gcndrüse bey lebendigen Hunden. Bey dieser Gelegenheit, kam er in vertraute Bekanntschaft mit dem berühmten Zergliederet Düverney, und durch diesen mit dem Ba- ronet de Poles, einem sehr reichen Brüten. Der Baro- nel interessiere sich mit Leib und Seele für die Arzncykunst; er nahm Brunnern unentgeltlich in seine Wohnung und an seinen Tisch auf. Dieser rechte hernach nach England, wir wissen nicht, ob mit oder ohne den Baronet. In England machte er Bekanntschaft mit Lower, Willis und Oldenburg. AuS England wandte er sich nach Holland, woselbst er ebenfalls die intressantesten Bekanntschaften machte, z. B. mit Ruyfch und Schwammerdam. Auf der Rückreise inS Vaterland, nahm er im Jahr 1675. zu Straßburg den Doktorhut an, und hielt sich alsdenn Wechselweise bey den Acltern zu Diesscnhofen, und zu Schafhausen bey seinem Anverwandten, dem grossen Wepfer, auf. Umsor ft suchten ihn de Volles nach England — und Dü- ycrney nach Frankreich zu ziehen: Er blieb für einige Sowohl von Brunnern als von W epftrn , findet man auS sührlicke interessante Lebeneb schreibungen, von Herrn D- Aepli in Rahns Archive L n. Ty. rr. No. r. MM« WEW MM )ÄK Zeit an seinem kleinen Geburtsort, und versäumte rund umher keine Gelegenheit zu anatomischen Versuchen. Diejenigen, die er mit der grossen Mageadrüse gemacht hatte, wurden im I. 168;. zu Amsterdam ecdrukt. Im Jahr 167;. hatte er sich mit Wepfers jüngster Tochter verheyrathet, mit der er in die 49 Jahre das glük« lichste Leben genoß, und zehn Kinde e zeugte. Weit und breit wurde Brunnen von dem umliegenden Adel, von vergebenen geistlichen und weltlichen Fürsten, als Arzt zu Rathe gezogen. Im Jahr 1685 hatte er durch Wepfern einen Beruf nach dem Chnrpfälzischen Hofe erhal. ten, und ihn angenommen. Vermittelst dieses Hofeö, kam er auch in Verbindung mit dem Hofe zu Kassel. Im I. 1685. wurde er unter dem Namen HcrophiluS ein Mitglied der Kaiscrl. Akademie der Naturforscher; im folgenden Jahre Professor der Zergttcderungskunst zu Heidelberg; Zugleich besorgte er von Heidelberg aus, die Gesundheitspflege der Besazung zu Philippsburg. Bey der Verbrettung der KriegSflammcn, schickte er ferne Familie nach Diessenhoffen in seine Vaterstadt zurück, und, nach kurzem Herumreisen folgte er ihr. Im I. 1690. begleitete er als Leibarzt den Landgrafen von Kassel zu der Armee. Standhaft aber schlug er die wiederholte Einladung an den Kaffelschen Hof auS. Im I. 1692. besuchte ' er den Churfürsten von der Pfalz zu Düsseldorf. Im I. 169;. Hat er mehrere Reisen an verschiedene Höfe, und begab sich abermal nach Düsseldorf. Zur Erholung kehrte er hierauf in seine Vaterstadt zurück. Von da aus, schickte er weit und breit seine medizinische Gutachten 3 m Jahr 1696. gab er den wiederholten dringenden Bick ten des Churfürsten von der Pfalz nach, und sezte sich mit seiner liebenswürdigen Familie zu Düsseldorf. Unter seinen Bemühungen erhob sich die Schule zu Heidelberg, und dahin zog er den Professor Schweizer aus Zürich. Im I. 169«. reime Brunner mit dem Churfürsten nach Wien. Im Frühjahre 1700 besuchte er als Arzt den Churfürsten zu Kölln. Im I 1721 praktizierte er in Jü- lich, und am Ende des Jahres besuchte er die Landgräfin zu Kassel. Im Sommer 170; begab er sich nach Braun« schweig. Auf Befehl der Kaiserin. Mutter und des Churfürsten, physiognomonisirte er da eine Prinzessin, die der Kaiser hermachen sollte. Von seinen Beobachtungen giebt er dem Churfürsten folgende Nachricht: „ Die gesuchte » Prinzessin ist weiß von Angesicht und Haaren, einer leich- » ten angenehmen Nöthe mehr und weniger durchströhmct. »Die Nase und den Mund wohlgestaltet, mit schönen ro- »then Lippen, hübschen Zähnen. Das Angesicht mehr »langlicht als rund, ohne Pockennarben; die Augen ohne »allenMangel, und blond; istwohlgewachsen nach ihrem »Alter, mehr mager als fett. Die Ohrenläppchen und »Fingerspitzen sind schön roth; sonst aber so gestaltet, daß „ man sagen kann, sie sey eine schöne Prinzessin; doch »kann aus dem Ansehen ein Physiognomist erkennen, daß „sie noch nicht menstruirt sey. — Nun werde ich suchen, »mit dem Arzte zu sprechen, um in eine noch genauere »Kenntniß zu kommen, und mich so zu versichern, daß »man.auf mein Urtheil zahlen kann.» Im Jahr 1728 ließ ihn der Kaiser Joseph I wegen seiner kranken Frau Mutter nach Wien holen. Im gleichen Jahre schikte ihn sein Churfürst in geheimen Geschäften nach Holland. Im I, 1709 berufte ihn der König von Preussen zur Konsultation nach Berlin. Im I. -7" erhob ihn der Churfürst von der Pfalz, als damaliger Rcichsvikar, in den Adelstand und schenkte ihm die Herrschaft Hammerstei» im Bergischen. Im Jahr 171; zog ihn auch der König von England zu. Rathe; im Jahr 1720 der königliche Prinz, der damals zu Hannover krank lag. — In diesem Jahre gab ihm nebst seinen Nachkom- men der Kanton Schafhausen da6 Bürgerrecht. Er war iU 67. Jahre, er hatte seine drey Töchtern an die angesehenen Häuser in Schafhansen vcrheyrathet. Vier sei- Ar Söhne standen hie und da in Fürstlichen Diensten. Brunner gab wenig Schriften heraus, und that desto mehr. Von seinen Umständen giebt er Nachricht in den Schriften-der kaiserl. Akademie der Naturforscher von 1727 Als vier und sicbenzigjähriger Greis that er noch im Jahr *726 mitten jm Winter und mit grosser Eilfertigkeit eine Reise von Mannheim nach München. Auf der Wkreise beehrte er seinen Geburtsort Diessenhoffen zum legen Male mit seiner Gegenwart. Bey dieser Gelegenheit, besrcy, leer seinen Vater, den würdigen Prediger des Orts, von einem gefährlichen Darmgeschwür, so daß er bis über das neunzigste Jahr sein Leben erhielt Brunner starb zu Mannheim den 2 Oktober 1727. Daselbst befindet sich in der reformierten Kirche sein Denkmal. Das Verzeich- uiß seiner Schriften von Dr. Aepli, befindet sich in Dr. und Canonieus RahnS Archive gemeinnüziger phys. und mediz. Kenntnisse, in der zweyten Abtheil. des ersten Bandes. Unter den grossen Verdiensten, die er um die Arzneykunst überhaupt, und besonders um die Zergliederungskunst hat, ist keines der geringsten daß er das Vcrdauungs- gcschäfte besser untersuchte. Er zeigte, daß es nicht durch Gährung, sondern grossentheils durch Auflösung vermittelst der Magensäfte geschehe. Auf solche Weise arbeitete er triumphierend der damals noch herrschenden Schule der Sylvianer entgegen. Ebenfalls richtig sind seine Entdeckungen der Drüsen im Zwölffingerdarm und der Schleimdrüsen im Gehirn. Karl Wilhelm Ludwig von Bochat. K.W.L. von Bochat, Lieutenant Baillival undCon- trokeur - General zu Lausanne, war-daselbst den n.Nov. 169;. geboren. Von Kindheit auf wiedmete er sich den Wissenschaften mit ausserordentlichem Fleisse. Den Lehrmeister, der ihn im Griechischen unterrichtete, ließ er bald hinter sich. Wirklich überraschte man den Schüler , wie er seinem Mentor Handleitung gab. Die Philosophie studierte Bochat unter Crousaz, das Naturrecht unter Bar- b irac. Im sechzehnten Jahre begab er sich nach Basel, woselbst er in der Theologie die Unterweisung eines Frey und Werenfelsen genoß. Durch eine bösartige Blat- terkrankheit wurden seine Studien unterbrochen. Er kehrte nach Lausanne zurük und änderte seine Bestimmung. Von neuem begab er sich wieder nach Basel. Im Jahr 1716. vertheidigte er daselbst eine juridische Streitschrift: 6« optimo Princips. In gleichem Jahre wurde durch Bar- hciracs Abreise die juristische und historische Professur zu Lausanne erledigt. Bochat erhielt sie mit der Erlaubniß, drey Jahre zu reisen, um sich desto besser dazu vorzubereiten. Er besuchte die vornehmsten Schulen in Deutschland, ankam durch Frankreich wieder nach Hause. Die Wahl einer Gattinn ist beym Fortkommen eines Gelehrten keine gleichgültige Sache. Wenn ihr richtiger und geübter Verstand ihn durch geistige Gespräche unterhält, wenn sie durch Gefälligkeit ihn ermuntert und durch Ge- schiklichkeit ihm die häuslichen Sorgen abnimmt, so erleichtert sie dadurch den Gatten die gelehrten Bemühungen. Alle diese Vortheile fand Bochat. Im Jahr 172;. gieng er wieder nach Holland, daselbst heyrathete er Susanna Francisca Triffonniere, eine Nichte des englischen Residenten im Haag. Ihre jüngere Schwester vermählte sich mit MMU «S los «ÜMSSSSk Nauelere, k. preußisch. Kappellan, Bochats Vertrautem. Die Geschichte, welche Bochat in den öffentlichen Stunden lehrere, bekam umer seinen Händen eine ganz neue Gestalt. Er säuberte sie von vcrdrüßlichen und gleichgültigen Kleinigkeiten, und machte sie weit mehr zur Beschäftigung des Verstandes und Herzens als des Gedächtnisses. Unter seiner Anleitung lieferte sie Stof zum Unterrichte in dem Naturrechte, Völker- und Staatsrechte, in der Politik und Sittenlchrc. Vor andern bearbeitete er die Kirchengerichte. Mit diesen öffentlichen Bemühungen verband er noch besondere Vorlesungen über das natürliche und römische Recht. Ihm dankt man auch verschiedene, weise, akademische Verordnungen. Auch die Muffe wiedmete er den Studien. Er sammelte Materialien zu mehreren, vaterländischen Werken. Patriotismus war seine erste Leidenschaft. Gelehrsamkeit war bey ihm dem Patriotismus untergeordnet. Im I. 172;. wurde er Beysitzer bey dem Vogtgerichte. Häufige und schwere Rechtsfragen, Prozeßverglci- che, Familienangelegenheiten, Anlauf von Advokaten, Witwen, Waysen, Armen, — alle diese Zerstreuungen raubten ihm die Zeit zu gelehrter Erholung. Nichts desto weniger verrieth er nie die geringste Ungeduld. Inzwischen entstand zu Lausanne die Gesellschaft der Likliotkegue imligue. Diese Gesellschaft bestand, nebst Bochat, aus den gelehrtesten Männern, Seigneux vonCor- revon, Bourgnet, Rüchat, Dülignon, Vernet u.a. Bo. char führte bey diesem gelehrten Comtoir das Hauptbuch, auch lieferte er zn diesem Journal sehr viel vortrefliche Stücke über alle Theile der Rechtsgelehrsamkeit, des kanonischen Rechts- der weltlichen und Kirchenhistorie. Der Streit, welcher sich im I. 172;- zwischen dem Papst und dem Kanton Luzern erhob, gab unserm Bochat Gelegenheit, seine Talente auf einer glänzenden Seite zu zeigen. Ein Landvogt in de m Luzernergebiet Hütte den Bäii- ern an einem Festtage das Tanzen bewilligt. Der Geist* liche des Ortö , der dem Schenkwirtb nicht gut war, ver* bot nun das Tanzen. Die Bauern machten sich die von dem Landvogt erhaltene Freyheit zu Nuze. Der Geistliche donnerte. Der Landvogt wiese die Sache vor dem Magistrat zu Luzcrn. Der Pfarrer wiedersehe sich der Vorladung , indem er Vcrmög seiner Freyheitöbriefe von aller weltlichen Gewalt befreyt wäre. Der erzürnte Magistrat sehe ihn ab und verbannte ihn aus dem Kanton. Der Bischof von Kostniz und der pabstliche Nunzius verchaydig- ten ihn. Der Papst selbst mischte sich in den Streik Standhaft aber behauptete der Magistrat sein Arischem Nach langen Unterhandlungen verglich man sich in solchen AuSdrüken, welche die Hauptfrage unentschieden liessen. Die Verbannung des Geistlichen blieb, Und dem Papste ward zum Schein eine Arr Genugthuung gegeben. Bey dieser Gährung gab Bochat sein Werk heraus, Der erste Theil ist gänzlich historisch. In dem zweyten befinden sich vier Briefe eines Luzernerschen Pfarrers ein einen römischen Abt, nebst den Antworten deö leztern über folgende Fragen: 1. ) Ob das Recht zum Verbotte deö Tanzenö, dem Pfarrer oder dem Magistrat zustehe? 2. ) Ob der Magistrat einen Geistlichen vorladen dürfe? Ob der Magistrat, bey hartnäckiger Weigerung des Geistlichen, ihn zu verbannen befugt sey? In diesem zweyten Theile verbreitet der Verfasser den feinsten Scherz über die Litteratur. Mit Auslosung der Hauptfrage ist die Auslösung der interessantesten Rebenfra- gen verbunden. Ein mittelmäßiger Geist bleibt immer unter dem Titel seines Werks; ein Mann von Genie liefert mehr als er verspricht. Bochat war sehr tolerant. Von ungefähr siel er auf die Kirchengeschichte des berühmten Arnolds, jenes grossen Rächers der durch alle Jahrhunderte verfolgten Irrgläubigen. So sehr BochatS vertragsame Denkungsart mit Arnolds übereinkam, so war er doch kein blinder Nachbeter von diesem. Er nahm sich vor, Arnolds Kirchenge- Mchte tnS Französische zu übersezcn, und seine Ueberse- iung mit kritischen Anmerkungen zu begleiten. Dieses Werk, das ihm so viel Arbeit und Kosten verursachte, blieb aus emem Beweggründe liegen, welcher Bochats Gewissenhaftigkeit so viel Ehre macht, als seiner Gelehrsamkeit. Aus Besorgnis, daß seine Lehrsätze von den Freygeistern mißbraucht werden möchten, opferte er die ganze Arbeit auf. Ohngesähr um diese Zeit rückte ein Ungenannter, vermuthlich Hn v. St. Hyacinthe, in das Journal litteraire von Haag eine. kleine Schrift gegen die fremden Kriegsdienste ber Schweizer ein. Bochar edirte eine Rechtfertigung dieses Kriegsdienstes. Ein anderer Ungenannter drukre im I. *7;,. zu Genf ein Pamphlet, unter der Aufschrift: Ke. kutarion äe Is Oillertmion cke Nr. cle Locüsc Lc. Einige Jahre hernach lieferte dieser sein Werk x>our L con- tre les 8ervices Mllimires etrangers, den er die beyden vorhergehenden Schriften beyfügte^ Bochat behandelt seinen Gegenstand als ein Mann von tiefer Kenntniß in der Rechtsgelehrtheit, der Staatskunst, der Moral und Geschichte. B. »läufig löst er andere, verwandte Rechtsfragen auf, z. B. von den gegenseitigen Verbindlichkeiten der Blutsfreunde und Landöleme; von dem Schiksale der Mar- stiller, als sie den Cäsar und PompejuS die Eröfnung ih- ver Stadtthore verweigerten; von der Ungerechtigkeit des 'Kriegs des Cäsars gegen den Pompejus; von der verschrobenen Beschaffenheit der Verträge u. s. w. Unter der Menge von Schriften über die Reforma- stonsgeschichte war noch keine, welche die Reformation ganz Und eigentlich von der politischen E eire betrachtete. Aus biesem neuen und interessanten.Gesichtspunkte betrachtete n» sie Boch at. In einer besondern Schrift setzte er die bürgerlichen Vortheile der Reformation aus einander. Airs Besorgniß allerley Mißdeutungen unmdrükte er auch diese Schrift. Durch unermüdeten Fleiß schwächte er seine Gesundheit. Besonders griffen die akademischen Vorlesungen seine Brust sehr an. Er legte daher sein Professorat nieder, und erhielt im 1 .1740. die Stelle eines Licmenant-Bailival zu Lausanne. Da er seiner neuen Geschäfte wegen öfters ausgehen mußte , so zog ihn dieses von dem vielen Sizcn ab, welches für einen Gelehrten so betrübte Folgen hat. Wirklich verbesserte sich durch die Bewegung seine Gesundheit, -r eff mehrerer Muffe faßte er den Vorsaz, eine Geschichte seines Vaterlandes in französischer L prache zu schreiben. Schon hatte er einen reichen Vorrath von Materialien gesammelt, auch unterhielt er in alle Gegenden der Eydgcnoß« schaft die weitläufigste Correspondenz. Damals kam Lauf- ferö Schweizer-geschichte heraus Sogleich übersezte Bochat den ersten Band in das Französische. Lauffer war zu kurz und dürftig in der alten Geschichte. Diesen Mangel ersezte NUN Bochat. In den Rsmoires Lric'-iucs 8ur l'hi- lkoirs gnsi'snns äs lu 8uills T. III. sagi er: „der „ siebente April war der Tag, den dieHervorgrabung einer „ Steinschrift der Lausannem merkwürdig machen muß- „Diese Schrift zeigt ihren wsshren, alten Namen, den „Namen ihrer Stadt, den Vorzug, den sie im zweyten „ Jahrhunderte vor andern schweizerschen Städten harre, „ihre Regierungöverfassung, einige Umstände von ihrer „ Lage und von der Lage Helveticas überhaupt. Bey dem „ Anblik dieses Denkmals reizte die Liebe des Vaterlands „ meine ForschungSbcgicrdc u. s. w „ Die Auslegung, welche Bochat von der entdekten Steinschrift gab, wurde von einem andern Schweizer-gelehrten bestricken. .. — n; ^stritten. Bochat stellt neue Untersuchungen an, und seine dbiuthniassungen wurden von dem gültigsten Richter, von dem Präsidenten BouhierS, bestättigt Im dritten Bande der Nem. crit. lur I'Uill. unLiennects M 8uilld ürt. k,au- lsnne führt Bochat die Innschuft selbst an, und erläuterte sie so, daß sein Gegner nichts weiter einwendete. Die helvetischen Alterthümer waren sein Hauptstudi- um Zur Erholung schweifte er in andere Felder der Literatur aus. So z. B. untersuchte er die Verehrung der ägyptischen Götter und besonders der Isis zu Rom. Hiezn veranlaßte ihn ein Streit, der sich in Italien über eine dem Apoll und der Clarra zugeeignete Tafel des LerperiuS erhob. Man weiß, daß Bourguet diese und die Eugn- dinische Tafel, welche Skaliger, SalmasillS und Peires- e>us für unaufhörliche Räthsel ansahen - glücklich erklärt bar. Die Tafel, die er mit den hebräischen, samaritani- ichen, griechischen, arkadischen oder lateinischen, pelaSgi, üben und etruScischen Alphabeten herausgab, bestärkte nicht nur seine Erklärung, sondern zagte auch zugleich den Weg, auf dem er zu seiner Entdeckung gelangt war. Bocharen hatte er seine ersten Gedanken mitgetheilt, und dey der Arbeit unterstüzte ihn dieser. Ein italienischer belehrter, der Abt Olivicri, schrieb gegen Bourguet, Und behauptete, daß das Denkmal des LerperiuS untergeschoben, und wenigstens sechshundert Jahre jünger sey. Den HauptbcweiS gründete er darauf, daß die ägyptischen Götter, OsiriS und Isis, welche unter dem Namen Apoll Und Clarra zu verstehen wären, zu Romuluö Zeiten in Rom noch unbekannt gewesen. — Bochat war damals mit der Untersuchung über die Religion der alten Helveten beschäftigt. Dieß bewog ihn zu genauer Untersuchung alles dessen, was die Verehrung der Göttinn Isis betraf. Er entdeckte das Seichte in dem System des Olivieri, und H Niederlegte es in fünf Briefen an Bourguet, die er in das Zournal KelveciquL einrücken ließ. Seine Nachforschung über die Verehrung der fremdem Götter zu Rom, gierig nicht über die Zeiten der Könige hinaus, weil Olivieri auch seine Nachforschung nur in diesen Zeitraum einschloß. Nachher aber trieb er seine Entdeckungen weiter. In fünf andern Briefen erschöpfte er alles, was man von der freyert Verehrung fremder Götter zu Rom, unter jedem Käyser bis auf Conftantin, zu wissen verlangen kann. Diese fünf leztern Briefe aber behielt er zurück. Aus seinen antiquarischen Untersuchungen entstand sein Werk: Nemolre» critiques pour lsrvir ckeclmrLillsmeii!: lur äivsrs Points ckc 1'IMoire snciennc äe !a 8uills. Die drey erstern Bände in Quart, kamen bey seinem Leben heraus. An dent vierten arbeitete er bis an sein Ende. Die Untersuchung über den Ursprung der helvetischen Nation ist ein Theil seiner Werke, der ihm die meiste Mühe gekostet hat. Bisher wurden die Helveten von den Einen als germanische, von den Andern als gallische Co- lonisten betrachtet. In der Geschichte kommen sie nicht eher zum Vorschein als in Roms zweytem Jahrhunderte, und zwar nur dunkel, zweydeutig und im Vorbeygehn. Bochat glaubte schon lange, was hernach Pclloutier ausführte , daß Europa in den ältesten Zeiten von einem einzigen Volke, den Celten, bewohnet gewesen. Die Lettische hielt er für die älteste Sprache, und für die Mutter aller abendländischen. Er studierte also die Namen der helvetischen Städte, Schlösser, Flecken, Wälder, Flüsse und Seen, und verglich sie müder celtschgallischen und altdeutschen Sprache. Den Teutonischen Dialekt kannte er bereits von Grund aus, noch war er fremd in dem cel- tischgallischen. Mit unermüdetem Fleisse studierte er auch diesen. Izt fand er in der alten helvetischrömischen Sprache, welcher sich noch jezt unser Volk bedient, sehr viele ganz keltische Wörter. Unvermerkt gründete sich sein System von dem gallischen Ursprng der Helme«. Endlich brachte er es so weit, daß er eine Karte von dem alten Helvetica verfertigte. Auf dieser Karte befinden sich wehr als 1202. keltische Namen. Bochat spürte nun unter den Galliern das besondere Volk auf, von welchem die Helvctcn abgestammt wären. Dieses Volk fand er in dem S warm der Gallier, welche in Roms zweytem Jahrhunderte aus dem südöstlichen Gallien auswanderten. Die Auswanderung geschah unter Anführung des Bellovesus und SigovesuS, auf Befehl des gallischen Königs Ambi- M. Die helvetischen Streifhorden hält Bochat für die Helvii beym Cäsar, die Helm beym Piinius, die Heloui deym Scrabo. Gegen seine Hypothese erhob sich ein Gegner in dem fünften Bande der riouveüe Lldliotkegus 6er- wsniqus. Bochat antwortete ihm in dem ßovrnal blelve- Ugue vom Jahr 17^. Gänzliche Gewißheit darf man bey Elchen Untersuchungen schwerlich versprechen Wachter scitet den Namen der Helmen von Eip oder Alp, und be- ' ten, besten, d. i. warren, wohnen, her. Helmen waren also Alpenbewohner. Sehr interessant ist auch Bochats Remoire lurle 6onveK- tus cle l'llelveus. Die Abhandlung dient zur Aufklärung silier alten lateinischen Jnnschrist die aus dem Rathhause iu Lausanne aufbewahrt wird. Der Marnwrstein wurde 'm Jahr i7;y. am See bey dem ehmaligen Hafen Vidi gefunden. Die Schrift lautet also: 8o!i 6emo nunse 8s- orum ex vow pro 8sIutS ssvZMorum k. Lloä 6orn. kri- Mv8 Lurator Vicanor 6ousonnenllum It. Imil. vir äu- Lullgl o. 6. II. Lonventus llelv. V. 8. 6. Die alte tcl- tische Gewohnheit die Landesangelegenheiten in öffentlichen Versammlungen zu behandeln, ward, mit dkr Geneh- wigung der Kaiser, auch unter der römischen Botmäßigkeit beybehalten. Hs In den Mscellaneis läxllsnli'ous N0VI3 hatte ein Ungenannter Cäsars Stelle Äe 8. 0. guu äe couL üolvetl! yuoque reüquos LsIIos virtute prsecellunt Lc. anstatt auf die Helmen, vielmehr auf die Beigen gedeutet. In dem Nulcum lielvsticum wiederlegte ihn Bochat und ret- tete den Heldenruhm der Helmen. In einer andern Schrift wiederlegte er den Folard, der in seinem Polyb T. I. s. ?y, hey Erwähnung der Schlacht zwischen den Schweizern und den Mayländern bey Bellinzone im Jahr 1422. ohne hinreichenden Grund behauptete, daß 18000. Schweizer sich von 6<-°o. Mann Reuterey hätten entweder einschliefst« oder todtschlagen lassen. Im Jahr 17?« erhielt Bochat das Amt eines General« Controleurs. So sehr dadurch seine gelehrte Müsse eingeschränkt wurde, so gerne opferte er sie dem unmittelbaren Dienste des Vaterlands auf, Im März 1754. überfiel ihn ein Schnuppen, seine gewöhnliche Frühlingsbeschwerde. Es kam ein Fieber dazu. Sein Blut war erhitzt, seine Brust entzündet, und er starb den^;. Aprill im neun und fünfzigste« Jahr deS Alters. Er rasele siebzig Stunden ununterbrochen. Der Jnnhalt seiner Phantasien waren seine alltägliche, gelehrte und politische Geschäfte. I. Philipp de Loys de Cheseaux.*) Ein Enkel des Crousaz, im Jahr -718. zu Lausanne gebohren. ' Frühzeitig widmete er sich mit außerordentlichem Erfolg der Astronomie, der WeltweiShett, der Got- teSgelehrtheit, der Rechtswissenschaft, der Arzncykunst, ") S. StrvdtmannS neues gelehrtes Europa Th.vur. §576, feg. H7 der Geschichte und Erdbeschreibung, den Profanen und Alterthümern. In jedem Fache war er so groß, daß man ihn in keinem hören konnte, ohne es für sein ausschließendes oder LieblingSfach anzusehn. Auch den alten Sprachen widmete er seinen Fleiß, und er war nicht weniger geschikt im Griechischen und Lateinischen, als im Syrischen, Arkadischen, Acgyptischen, Chinesischen. Zur Erholung übte er sich in der Mahlerey und Tonkunst. In einem Alter von siebzehn Jahren verfertigte er drey zur Naturlehre gehörige Abhandlungen: i) LlLis OynLmiyvie. Diese Schrift enthält eine Erklärung der neuern Erfahrungen vom Stosse der Körper, zu Folge des Grundsatzes von den bewegenden Kräften in ihrem Verhältnisse gegen die Produtte der Maaffen der Körper durch ihre Schnelle. 2.) Ueber die Kraft des Schieß- pulverS, erklärt durch die Wirkungen des Triebes der Lust. z.) Ueber die Bewegung der Lust bey der Fortse- zung des Schalles. In diesem Aufsätze hatte der Verfasser die Absicht, die Säze näher zu entwickeln, welche Newton BII. §. 8 seiner Mathematik nur bloß angezeigt hatte, Im Jahr 174;. erschienen diese Abhandlungen, unter der Aufschrift HMis äe kkytigus im Drucke. Ohngefähr um gleiche Zeit schrieb er Wahruehmun- gen am Saturnuö. In denselben erläuterte er dasjenige, was Caßini hierüber itt die Alemoires äs l'^cräemre koygle äe- Leiences eingerückt hatte» Caßini bewunderte das Werk des jungen Gelehrten. Eine langwierige Krankheit, von welcher Chefeaur bloß durch eine ganz ausserordentliche Diät wieder aufkam, verhinderte ihn an der Ausarbeitung, aber nicht an der Entwerfung verschiedener anderer Schriften- ES half nichts, daß man ihm die Bücher wegnahm. Sein unab lässiges Nachdenken erschöpfte ihn je länger je mehr. I» diesem ohnmächtigen Zustande lebte er vom Jahr i?z6. bis bis zum Jahr 1741. Ein Comet, welcher im December 174; erschien, per« anlaftte ihn zu einem Briefwechsel mit Reaumür, le Mou- nier, von Mairan, Racine und andern. Bereits vorher stand er in Briefwechsel mit Polcni, Caßini, König, Dan. Bernouilli, Calendrin u, a. OeftcrS fand er durch eigenes Nachdenken, was Ren- ton bereits gelehrt hatte. So z. B. brachte er im Jahr ,7;6. eine Theorie der Bewegungen des Mondes beynahe zu Stande, als ihm erst hernach die Nemonischc Thorie in die Hand fiel. Neuton leitete die Theorie aus den Gesetzen der anziehenden Kraft her; Chcseaur gründete sie auf Wahrnehmungen. Kaum hatte er die Werke des Neuton gelesen, so beförderte er mit Enthusiasmus die Ausbreitung seines Systems Neunzehn Tage nach Erscheinung des oben erwähnten Comeren, wagte eö Cheseaur ihm, zu Folge des Neuwni- schen Lehrgebäudes den fernern Weg vorzuzeichnen. Bey Zeiten besorgte er die Absendung einiger Abzeichnungen an auswärtige Astronomen. Wie groß war nicht ihre Verwunderung, da sie den Cometen während eines sechs mo» nailichen Laufes genau den Weg nehmen sahn, den ihm Chcseaur gebahnet hatte? Wie sehr wurde nicht durch eine solche Erscheinung die Gewißheit der Grundsätze bestätigt? Auch im Febr. 1749 schrieb Chcseaur an Dan. Bernouili und König, daß der Comet im Anfang des folgenden Monats mit einem gedoppelten Schweife erschienen würde, und abermal traf seine Vorhersagung ein. — Eine gleiche Vorhersagung that freylich auch Caßini; die seinige aber konnte man nicht wol anders als wie eine glückliche Muthmaßung betrachten. Bey Wahrnehmung des im December 1680 erschienenen Cometen hatte Caßini verkündigt, daß er eben die Bahn nehmen werde, welche der von Ty- cho de Srahe im Jahr iz ?7 beobachtete Komet nahm. Da er den meisten ConmEHren eigene» Weg oder ThierkreiS angewiesen harte, so entdeckte er nun den Stern, der im Jahr lüzo. erschienen war, in dem Thierkreis desjenigen, den man im Jahr 1577. gesehen. Cheseaur Wahrnehmungen über den Cometen vom Jahr 174; wurden im folgenden Jahre durch den Druck bekannt gemacht. Durch zween Vorzüge zeichnet sich dieses Werk aus: Auf gewisse Weise sezt es nur eine allgemeine Theorie der sichtbaren Bewegungen desjenigen Co« weten voraus, dessen Lauf man ausrechnen will, und die Berechnung selbst ist kürzer und leichter, alö die Berechnungen des Gregory und Neulon. Ueberdieß ist Cheseaux Arbeit mit zwo Zeichnungen versehen, wovon die eine die lvahre Bewegung des Cometen am Himmel, und die ander sichtbare Bewegung desselben zwischen den Fixsternen beschreibet. Bisdahin sah man dergleichen noch nicht, selbst uicht in den Tabellen des Whiston und Halley. Mehrere astronomische Berechnungen hinterließ er in Handschrift. Um gute AnfangSgründe und besonders Abrisse der Wissenschaften zu machen, muß man die Wissenschaften selbst nicht bloß in den Anfangsgründen verstehen: dringt >nan aber einmal ganz in ihre tiefsten Geheimnisse hinein, so kehrt man nicht ohne Mühe zu dem ersten Noiviciate zurück. Nichts desto weniger war bey unserm Cheseaur der Eifer für die Ausbreitung der menschlichen Kenntnisse so groß, daß er willig sich zu den Anfängern herabließ, um desto sicherer auch sie auf seine Höhe zu leiten. In den Jahren 1747 und 1748 verfertigte er für einen vornehmen Jüngling, den man seiner Anleitung anvertraute, An- sangögründe der Cosmographie und Astronomie, ein wahres Mcisierstük eines Abrisses, bey dem Kürze mit Deutlichkeit gepaart ist. Für eben diesen Jüngling schrieb er auch einen historischen Auszug- Beynahe zu gleicher Zcj; übersandte er der königlichen Akademie zu Paris eine Co- rnnemheorie, und die Akademie hechele sie mir ganz bcson- I2Q derm Beyfall. Bisdahin hatte man diese leichte und schnür- gerechte Methode zur Berechnung des ComctenlaufS noch nicht gefunden. In Ermanglung einer solchen Methode, sagte de la Caille, sieht man sich genöthigt, zu falschen Säzcn und verwickelten Muthmaßungen Zuflucht zu nein- men. Und dieser berühmte Verfasser der Siemens stkrono- miguss war es, der hernach Cheseaux Methode bewunderte. . In Lausanne vereinigte sich, besonders zum Unterricht eines fremden, jungen Herrn, eine gelehrte Gesellschaft. Eines der vornehmsten Glieder war Cheseaur. In der Gesellschaft las er verschiedene Abhandlungen, z. B. über den Nutzen der Künste und Wissenschaften, über die Glückseligkeit eines zukünftigen Lebens, u. a. m. Sie blieben in Handschrift so wie seine Abhandlungen von der Einbildungskraft, von den Eigenschaften nnd Kräften der Seele, wie auch ein Brieflicher die von Phlegon bemerkte Finsterniß, ein Aussatz von Verbesserung der Calender, ein Verzeichmß der kaum merkbaren Sterne, und eine im Julius i 7 ?l in der Akademie der Wissenschaften zu Pures geles «e Rede, von der Figur der Erde. Auf seinem Landguthe Cheseaur, hatte er ein astronomisches Observatorium aufrichten lassen. Er brachte öfters ganze Nächte daraus zu. Um sich von seiner wahren Lage zu versichern, machte er verschiedene Versuche» deren Schußfolgen er seinem m Jahr 1744 gedrukten Irsire Is Oome tü beygefügt hat. Seine Beobachtungen belehrten ihn, daß die eigentliche Länge der Schweiz noch wenig bekannt sey. Er that deßwegen in Ansehung deS Pays de Vaud und des Genftrftcs eben das, was er wegen seines Observatoriums gethan hatte. Hieraus entstand eine Charre dieses SccS und der umliegenden Gegend, die von den bisherigen Chanen sehr abgeht Der Theil deS PayS de Vaud zw sehcn dem Geuftrste und Neuenburgeo- irr fte ist schmaler alö auf den andern Charten , und man steht Genf fünfzehn Minuten weiter Westwärts, als auf den Charten des Le l'Jslc. Ein gelehrtes Mitglied des Raths zu Lausanne arbeitete an der helvetischen Geschichte. Diese Geschichte wurde mit Cheseaux Charte geziert, jedoch ohne Namen ihres Verfassers. Die Charte feines Vaterlandes war nicht die einzige die er verfertigte. Unter seinen Händen erhielt Pallästina eine neue Gestalt, und er setzte die Länge der Stadt Jerusalem mehr westwärts, alö in den ehemaligen Charten. So ausgebreitet auch seine Gelehrsamkeit war, so sättigte sie allein seine Seele nicht ganz. Er schäztc die Wissenschafien nur in so weit, als sie ihn auf der Leiter der Geschöpfe zum Schöpfer h inaufleiteten. Mit Schmerzen, voller Webmuth betrachtete er den um sich fressenden Unglauben,und er faßte denEntschluß zur Vertheidigung der heiligen Bücher. Er las zu dem Ende die Propheten mit besondern» Fleissc »n der Grundsprache, und studierte sie mit eben der Anstrengung des Geistes, mit welcher er seine mathematischen Probleme auflösete. Auf solche Weise fand er befriedigende Auslegungen von verschiedenen bereits erfüllten, und bisher nicht verstandenen Weissagungen- Er gieng wirklich so weit, daß er auch den Sinn noch unerfüllter Weissagungen festsczete. Hierüber edierte er im Jahr 1751 ein Werk UNter folgender Ausschrift: vistt-rtorions Lriris,nes lur Ig psrrie kropkeriques cie I'ecricure 8aint6> Sein Nachforschen in den Weissagungen brachte ihn so gar auf astronomische Wahrheiten. Nach den alten heiligen Büchern verbesserte er die Theorie der Sonne und deö Monds, «nd er wagte eS so gar die Figur der Erde durch Zahlen aus der H. Schrift zu bestimmen. Verschiedene der be. rühmtesten Sternkundigen in Paris, welche die Handschriften haben, urtheilen davon in den vortheilhaftesten Ausdeuten. Cheseaur Ruhm hatte sich überall verbreitet. Aus Rußland erhielt er von dem Grafen von Rasumovski, Präsidenren der kaiserlichen Akademie zu Petersburg, eine seht verbindliche Einladung zur Stelle eines Direcwrs des dortigen Observatoriums, ersten Professors der Astronomie, und Mitglieds der Akademie, nebst der Erlaubniß, durch Frankreich, England, Deutschland und Norden, auf akademische Unkosten zu reifen. Alle diese Vortheile opferte er auf, um in dem Vaterlande bleiben zu können. Im Anfange des Jahrs 1748 nahm ihn auch die königliche Aka, Lemie der Wissenschaften in Paris zum Correspondent auf. Während seiner leztcn Krankheit empficng er auch ein Schreiben von dem grossen Haüer, mit dem Diplom eines Mitglieds der göttingischen Akademie, und einige Tage vor feinem Tode ward er in die königliche Gesellschaft zu Lon- den aufgenommen. Auch soll er ein Mitglied der schwedischen Akademie gewesen seyn. Cheseaux harre ein freundliches und einnehmendes We- ^ sen. In der Kleidung und in seinem ganzen Betragen herrschte die edelste Einfalt. Sein tiefes Nachsinnen und seine öftcrn Krankheiten verursachten bey ihm einen Hang ^ zur Schwermuth. In den leztcn Jahren war er zu einer > ziemlich festen Gesundheit gelanget, und nunmehr ward er geselliger. Wolthun war so sehr seine Freude» daß ihn der Hang dazu öfters zu einer sonderbaren Sparsamkeit führe«. Während seines Aufenthalts zu PariS z. B. bediente er sich blos deßwegen keines Miethwagens, damit er von dem auf solche Weise ersparten Gelde zu demjenigen etwas beylegen könnte, welches er zur Untcrstüzung der Elenden bestimmte. Aeufferst bescheiden, sprach er nie von sich selbst. Mehrmal stieß er den Ruhm, der ihn gleichsam,verfolgte, mit Vorsitz von sich, und er wäinte vor Be« trübniß, wenn man ihn seiner Meynung nach, zu sehr erhob. Weit mehr Vergnügen schöpfte er in dem Umgang I2Z «nes ehrlichen Mannes, der weit geringer als ex war, alv in dem Umgang einer Person von weit höherm Rang, welche dieselben guten Eigenschaften nicht gehabt haben wür- Eine seiner angenehmsten Erholungen war, daß er einem Lusthayn oder an dem Ufer eines Bachs seinen bedanken nachhieng. Man hatte Mühe, ihn zur Reise "ach Paris zu bewegen Er entschloß steh dazu, theils aus Hochachtung für einige Glieder der Akademie, theils aus Liebe für einen jungen Prinzen, welcher ihn dahin zum üührer berieft Chcscaux war ein eifriger Protestant, allein nakh genauer Prüfung der meisten Hauptreligionen, erkannte er gleichwol das Gute in jeder derselben. So z B. erklärte stch in Ansehung der Mahomcdanischen, daß sie wett Weniger ungereimt wäre, als man sie gemeiniglich vorige. Liebreich gegen jedermann, war er nur intolerant ^'8en Imolcranz. Die Bauern auf seinem Landguthe wa. "e» in seinen Augen ehrwürdige Geschöpfe, Philosophen ^ Natur, und seiner vorzüglichsten Tbeilnehmung wür. HP. Er theilte gute Bächer unter sie aus, unterrichtete ijf selbst, und gab ihnen bey ihrem Krankcnbelhc Besuche. Einen besondern wachsamen Blik warf er auf die Erzieher der fügend. Er selbst hatte an dem Entwurf eines Lehrbuchs für das Landvolk gearbeitet. Von dem Zukünftigen Leben, hatte er die erhabensten Begriffe. Er starb nach einer achttägigen Krankheit, zu Pariö den zo Nov. i-zi. Nach sei. "tm Tode sammelte sein Vater alle seine Werke und edierte iw zu Lausanne, unter folgender Aufschrift: Nemmres xost. humsz ä^Lllronomie ucsrne. t W.^ WIN »UIIIIIIII! WIIMI lrchem Crftlge. Bey Hause studierte er die ältere und neuere Geschichte, besonders die römische, welche in seiner warmen Seele den Enthusiasmus sür Vaterland und Freyheit entflammten. In Welschland verband er mit dem Stu- i dium der höhern Wissenschaften die Uebungen in ritterlichen Spielen und Künsten, — Fünf Jahre hernach ! kehrte er nach Luzern zurück. In dem letzten einheimischen Kriege vom 1 .1712. dienere er als Hauptmann. Nach geschlossenem Frieden that er eine Reise nach Frank- reich. Bey seiner Zurückkunftward er im 1 .17^. Stadt- ! schreibet zu Willisau; sechs Jahre hernach Staatssecretair des Kantons. Auch dieses Amr verwaltete er nicht länger als sechs Jahre, indem er auf erfolgten Hinscheid seines ältern Bruders in den innern Rath befördert wurde. Als er noch an dem Staatspulte saß, war jener Streirhan- del zwischen dem Papst und dem Kanton entstanden. Merkwürdig ist es, daß gerade unter seiner Verwaltung be« Segnete, was sein Vater geweissagt hatte, als er bey Anordnung der Staatsarchive seine jüngcrnKanzleybedienten jur Behauptung der vaterländischen Rechte und Freyheiten ermunterte, indem er beyfügte: Es kömmt eine Zeit, wo die Pricsterschaft sie durch ihre Eingriffe in die weltlichen Rechte zu endlicher Verthaydigung derselben nöthigen wer. de. Diese Zeit kam, als der Senat zu Luzern imJ. i?r;. den Priester von Udtingenschwyl wegen seines Ungehorsams aus dem Lande verbannte. Von jedem der Rathöglieder, auch selbst von denjenigen, die wegen Krankheit nicht aus. gehen konnten, mußte der Staatsschreiber einen Eyd abfordern , daß sie die landesherrlichen Rechte gegen den Papst in Schutz nehmen wollen. Je länger je mehr entwickelten sich Balthasars ge. meinnüzige Kräfte. Sein ParrioüsmuS u,.d seine Verdienste erweckten ihm Neider. Sie erkannten die Vortref- lichkeit seiner Rathschläge, und sie hinderten die Vollen- düng derselben, blos aus Besorgnis, daß sein Einfluß allzu groß werden möchte. In den Jahren 17;«, , und ?2, reiste er als Gesandter in die italiänischen Vogteyen und erwarb sich auch dort den Nachruhm eines uneigennützigen , aufgeklärten Rechtsprechers. In den folgenden Jahren befand er sich bey den ordentlichen und außerordentlichen Tagleistungen zu Baden und Frauen seid. Nicht ohne bange Kümmernisse sah er daselbst der Auslöschung deß alt- eydgenößischen Geistes entgegen. Bey neuem AuSbmch der Eifersucht zwischen Oesterreich und Frankreich befand er sich in den Jahren 17??- 1744. als Repräsentant des Staates in Basel. Unter den verschiedenen Aemtern, die er im Vaterlande bekleidete, erwähnen wir nur des beschwerlichen Bau-und SpitalamtS, die er beyde mit uneigennütziger Treue und ökonomischer Klugheit verwaltete. Während dieser Zeit war eö, daß er jene fünf Reden verfertigte, welche so sehr die öffentliche Aufmerksamkeit erregten, und zwar besonders auch die der französischen Par- Ky in der Schweiz. Die erste von diesen Abhandlungen über die Bundesbrüche, liefert das Gemählde der von den Eyd- genosscn geleisteten Kriegsdienste, ohne daß sie dazu durch Verträge verpflichtet gewesen. Mit Grund kann man solche Kriegesdienste, die ohne Oberkeitliehe Bewilligung geschahen , als eine von den Hauptursachen des Verfalls der Eydgenoßschaft ansetzn. Balthasar zeigt, durch waS für Mittel und Wege das Vaterland sich wieder zu dem ehma- ligcn Glanz empor heben könnte. — Zum Jnnhalte seiner zwoten Abhandlung macht er den Abscheid der Badischen Taglcistung vom I. iz8o. In auffallendem Lichte zeigt er den Unterscheid der ehmaligcu und der dießmaligcn Manier , mit Frankreich in Unterhandlung zu treuen. — In der dritten Abhandlung liefert er die Uebersetzung des LXlsten HauptstückeS von Boccalini'ö politischen Werken. i -------- ,27 Boccalim schildert das Schicksal der römischen HilfSvöl- ker. Hiebey rühmt Balthasar Anlaß, die Eydgenoffcn auf die Folgen ihrer auswärtigen Kriegsdienste aufmerksam iu machen. — Die vierte Abhandlung, die allein durch den Druck bekannt gemacht worden, hat folgende Aufschrift : Patriotische Träume über die Wcderausebung der veralteten Eydgenoßschaft. Balthasars Vorschlag geht auf eine öffentliche oder Naüonalerziehung; es ist der Eut- tvurf zu einem helvetischen Seminar, wo aus jedem Kantone die hofnungSvollestkn Jünglinge sich vereinigen sollten, um die allgemeine und die besondere Geschichte, die vaterländischen Gebräuche und Rechte, die innern und ausser» Verhältnisse, Verträge, Bündrmsse, die Stari- stik u. s. w. kennen zu lernen, und so von Jugend auf in vertraulichem Umgänge sich gleichförmige Gesinnungen eisen zu machen. Wenn auch dieser Entwurf nicht ganz ausgeführt wurde, so veranlasete er doch eine von den vortregichsten Anstalten, nämlich jene patriotische Wallfahrt , welche alljährlich die edelsten Söhne des Vaterlandes bald zu Schinznach, bald zu Ölten v reinigt. Nicht tvenjgcr merkwürdig ist BalthasarS fünfte Rede: Politi- sche Betrachtungen über den Bund der katholischen Eyd- Senoßschaft mit der französischen Krone im I. »7^. Unter denjenigen Schriften, die den Kanton Luzern besonders betreffen, erwähnen wir nur seines historischen Versuches über die Luzerncrsche Verfassung. ES ist dieß gleichsam ein politisches Testament, welches er seinem Sohn/ dem einzigen, der ihm von sieben übrig blieb, zum Andeuten zurück ließ. „Erinnere dich, sagt er unter anderm "ZU seinem würdigen Sohne, daß nichts süsscr, nichts --ehrenvoller ist als wenn man Gutes thut und auch An- "dere zum GnteSthun antreibt Der Tugendhafte gefällt Gott und den Menschen; der Lasterhafte und der Mü- --ßiggärger sind dem Menschen verhaßt und Gottes-Ge- „richt unterworfen. Ueber alles liebe Gott/ und nächst »Gott sey dir nichts theurer als das Vaterland, keines- »wegS aber (wie es so gewöhnlich ist, aus Eigennutz, »sondern aus edlem Srolz und kindlicher Anhänglichkeit» »Derjenige, der nur aus Ehrgeitz emporstrebt, weiß nichts »von der wahren Grösse der Seele, von Recht,'chaffenheit »und Patriotismus. Vermeide auswärtige Jahrgehalte „sie nähren Hochmuth und Ueppigkeit: in ihrem Begleite »sind Elend und Armuth. Wett mehr beförderst du dein »Glück durch häusliche Wirthschaft und gemeinnützige » Thätigkeit als durch die Pensionen der Grossen. Ueber- „lege alles, was du thust, bleib aber nicht unentschlos- »sen; sey sparsam, nicht geizig, zutraulich, aber behüt- »sam; fromm, aber nicht heuchlerisch u. s. w.„ Bey zunehmenden Alteröschwachheitcn zog er sich in sein Haus, in sich selbst zurückt. Den z Christm. 1760. erschien er in voller Rathsversammlung und begehrte seine Entlassung. Ihm ward sie von den versammelten Vätertt verweigert. An ihn schickten sie zwey von den angesehensten RathSgliedern, die im Namen des Senates dem Greisen so lange zuredeten, bis er endlich nicht mehr wider' stehn konnte. In der hierüber beschlossenen Rarhserkannt- niß heißt es: » Er sey ersucht worden, seine Rathsstelle „ beyzubehalten, Lieb und Leyd fernerhin mit U. U. G- » G. H Herren und Oberen zu tragen und mit seiner »Klugheit und Erfahrenheit, mit seinem Fleiß und Eifer „ Hochdenselben mit rathe» zu helfen, mit angehängter „tröstlicher Versicherung, daß er zur Bcsuchung der »Rachsversammlungen keineswegs angehalten, sondern „ einzig und allein erbetten seyn soll, sich in dringenden, „schweeren Vorfällen gebrauchen zu lassen, in wiefern »seine Gesundheitsumstände ihm solches gestatten.» Ungeachtet dieses Ansuchens entschloß er sich hierans, jedoch nur «nur Unter EydSnachlassung, bey-er Regierung mit Rath, « That und Treu auszuhalten, so lang ihm der Allmächtige L b n und Kräfte schenken werde.» Von jetzt an erschien er nur selten bey öffentlichen Rathsversammlungen; seine Gesundheit wurde je länger ^ schwächer Er starb den ;o. Maymonat 176;. in einem Alter von vier und siebzig Jahren, und zwar an eben dem -^ge da ihm des Abends vorher jenes schmeichelhafte Schreiben unsers Salomon GeßnerS im Namen der helve- üschen Gesellschaft überreicht worden war Dieses Schreien und BalthasarS letzte Wünsche eines helvetischen Pa- kivten findt man in den Verhandlungen d:r Schinznacher- ^esellschast vom I. 17^- Franz Urshrnterlitseinen Sohn, Joseph Anton Felix e» Balthasar, den noch lebenden gewesener ^ taatö-Seckel- Mister Nach dem Vorbilde des Vaters ist er ein Wohlthäter es Volkes und mit Eifer hat er überfein Vaterland grössere Aufklärung verbreitet. Unter seinen gedruckten Schriften erwähnen wir folgender: Dekenle äs Luillaume Teil. 8. 2 uric. 1760. Tettrs ä un krancolb cvntenant uns legere Lbaucke Iz 8uiltze Urceraire. Journal äe dleuchsltel, Quillst Schutzschrifq für die Thebaische Legion oder den h. Rlauritius und seine Gesellschaft. Luzern 1760. Zusatz zu dieser Schutzschrift Luzern 1761. Ds Üelvetorum juribus circa 8scra , d i. kurzer, Dorischer Entwurf der Freiheiten und der Gerichtsbarkeit der Eydgenossen in so genannten geistlichen Dingen. Zürich 1^8. killorigue äe IVIsurice Äntoins Lsppeler, Ovc- e^ur en Neäecins ^ourrr äc Neucbatel dlov. 2869. öluleum Virorum Lucernatuni kama L meritis illu, üum. ftucern 1777. I Lobrede auf Albrecht von Haller. 8. Basel 1778. Lobrede auf der Zürcherischen Bürgermeister Job- Cour. Heidegger. Basel 1778. Moralische Empfindungen beym Grabe Jos. Leod' Ant. von Keller, Schultheiffen zu Luzern. Luzern 178^ Fragmente zur Geschichte der Denkungsart und der Sitten der alten Schweizer. Luzern 1781. Urkundliche Geschichte der eydgenößischen Verkomni- niß zu Stanz im I. 1481. Luzern 1731. Urkundliche Geschichte des Luzerner- oder Vierwald- - städter-Bundes. Luzern 1782. Gedanken und Fragmente zur Geschichte des gemein- eydgenößischen Rechtes. Luzern 178;. Nachrichten von der Stadt Luzern und ihrer Regierungsverfassung. Luzern 178;. - Historisch Topographische und ökonomische Merkwürdigkeiten des Kant. Luzern ; Thle. Johann Tobler. Er ward den i->. Aprill 17)2. zu St. Margarethen im Rheinthal getauft. Sein Vater war damals Pfarrer daselbst. Da dieser im März i?;8. als Pfarrer nach Meila kam, so ging der junge Knabe mit ihm. Unter der väterlichen Aufsicht übersetzte er ein Paar lateinische Klaßiker, das neue Testament, die Ebräische Genesis und das Deuteronomium. Auf Anrathen eines Freundes las er für sich selbst Baumeisters Logik und Metaphysik. Im Sommer 1747. kam er nach Zürich und besuchte bis in den December die philosophischen Lehrstunden als Honorarius. Unter glücklich eintreffenden, zufälligen Umständen ward er hierauf in die theologische Classe erhoben. Den >2. Aprill 1750. erhielt er die Einwcyhung zumKirchendienst. Es herrschte eine Belletristenepoche. Grossen Reitz hatte für unsern Toblcr die Dichtkunst. Halter und Klopsiock entzückten ihn. Mit letzter»! pflog er, während seines Aufenthaltes in Zürich, persönlichen Umgang. Fleißig laS er BodnierS und BreitingerS kritische Schriften, unter andern! wegen der darinn übersetzten Stellen aus dem Homer. »Den Homer, schreibt er selbst, „las ich schülerisch, »ziemlich lang, ohne ihn so rrefiich zu finden, wie ich sei, »nen Ruhm allgemein fand, also zum Theil aus Eitelkeit „ Sehr srühzetiig kam der Jüngling inS Schreiben hinein. Nicht bloß übersetzte er aus Bükingham, Thomson und andern, sondern ehe er noch 24 Jahre alt war, lieferte er Prosa und Verse in verschiedene Wochen-und Monatsschriften, in einen fliegenden Merkur zu Schaffhausen, inZieg- lers vermischte Schriften und hernach ins Angenehme mit dem Nützlichen. Seine Uebersetzung von Thomsons Frühling erschien mit einer treflich geschriebenen, empfehlenden Vorrede von und bey Geßner, im I. 1757. Im-J. 1754. wurde Toblcr Pfarrer zu Ermatingen, also in gleichem Jahr, als sein Vater, als CanonikuS und Stadtprediger nach Zürich kam. Vou Ermatingeu schikte Tobler im Jahr 1755. einen Versuch heamettscher Uebersetzung des ersten Gesanges derIliaö an seine Freunde in Zürich Dieser Versuch erhielt durchgängigen Beyfall. Besonderöer- hob man seine meist wörtliche Treue. Er wollte noch treuer s Seitdem Hir-cl diesem Feldbauer ein Denkmahl ge« wevht hat, darf es niemand befremden, ihn in dem Chöre berühmter Zürcher zu sehen; obgleich er weder ließt noch schreibt, so nimmt er seinen Platz bey den Gelehrten, da er mit besondern, Erfolg das wichtigste Buch, das Buch der Natur und das menschliche Herz studirt, da er durch eignes, lebendiges Vorbild weit nachdrüklicher als so mancher Schriftsteller durch todten Buchstaben gelehrt ha. Keineswegs werden an seiner Seite weder der Feldherr noch der Staatsmann sich schämen. Im Kleinen zeigt diesem sein Hauswesen das schönste Bild der grossen Hsushaltung des Staates; mag jener durch die Waffen die Gränzen deS Landes erweitern, so kämpfte Klcinjogg mit dem Spart und der Hacke; seine ehrenvolle Beute zieht er aus drm Schosse de? Bodens; als Held verfolgt er die Feinde; seine Feinde aber sind Borurtheile und Laster, die vor seinem hellen Blicke verschwinden Gleichwie für die öffentliche Ehrbe-- gierde Curia und Forum, Academ und Olimpischer Spiel- plaz, so sind für die häusliche Ehrbegierde Haus und Meyerhof und Werkstätte das schönste Theater. Und wer könnte wol besser so viele fade Romane als ein häuslicher Plu- jarch oder Nepos verdängen? Würde nicht zur Bildung des gemeinen Mannes eine Sammlung von Lebensbeschreibungen guter Bürgersleute und Bauern weit lehrreicher seyn als kckne Welt - und Staatengeschichte ? Jacob Gujer wurde in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts zu Wermetschweil bey Uster im Zürichgcbiete geboren. Bey dem vollblütigen Jungen waren Fleisch und Geist immer im Streite; ihn lockte die Sinnlichkeit in die Lustgesielde der Wollust, der Pfarrer hingegen riß ihn S. Hirzels Wirthschaft eines philosophischen Bauren T-Uc E-P«^WO «G» Mt'EAW- r^-ZLÄMLitzAi« i^MchMtzH» >W» ,»»:^-«zr:.) srr «MilMSr --A-?» »< mit sich in dir Labrinthe des Mystikismus; in der Verwirrung war ihm die weite Welt zu enge geworden; wie ein Besessener/ von den Schattenbildern bald der HouriS/ bald der Dämone verfolgt / lief er über Gebürge und Thäler ; etwas ruhiger fühlt er sich nach der Ermüdung / dar- burch greng ihm ein neues Licht auf; er verbannte Bücher und Grillen und fieng an von Morgen bis Abends sein Feld zu besorgen; unterm Tagwerk vergaß er beydeS/ die Ptctistischen und die wollüstigen Grillen. Gemeinschaftlich lebte er mit seinem Bruder Felix auf Mein Hofe von ungefähr 94 Jucharten Lands. Der Bohrn war wenig ergiebig und über dieß mit Schulden belastet. Anstatt deswegen muthloS zu werden / spornte viel. wehr Kleiniogg seinen Fleiß an; unermüdet war seine Hand: ersindsam war sein Kopf; sparsam wußte er jeden Strohalm, jedes Tannreis, jeden Augenblick zu rathe zu Nehm; nicht blos die Früchte seiner Arbeit, die Arbeit selbst wachte ihm Freude. Niemals stand er still bey den einmal gemachten Beobachtungen; durch immer folgende bekräftigte und erweiterte er die vorhergehenden. Nur zu bebauten ist es, daß er, als ein »«gelehrtes Genie, sie nicht allemal auch andern in üblichen Worten mitzutheilen im Stande ist: indeß hat er sich eine eigne, bilderreiche Sprache erschaffen; wer einmal mit dieser vertraut ist, versteht ihn und sieht, daß er sich selbst vollkommen versteht — Bleich einem weisen Monarchen, denkt er nicht an Vermehrung der Güter, als nur in so fern sie zur Verbesserung des schon erlangten Eigenthums entweder unvermeidlich erfordert wird, oder dieses Eigenthum schon den höchsten Grad der Cultur erreicht hat. So wenig als immer Möglich bedient er sich fremder Hilföhände; patriarchalisch ist seine und seines Bruders Haushalmng nur in eine einsäe zusammengeschmozen. Gegen die Gewohnheit der Leu- ic seines Standes klebt er so wenig an den hergebrachttu IZ6 — ^ ' Uebungen, daß er vielmehr mit Dank sich jede ihm mitgetheilte Erfindung zu Nutze macht „O wie sehr, sagte „ er oftmals , könnte nicht unser ganze Zustand verbessert „werden / wenn der Herr in der Stadt und der Bauer „ausdem Lande mehr gegenseitige Theilnehmung hätten? „ Hiebcy fuhr er fort, könnten die Prediger am meisten „ausrichten/ wenn sie Luden Predigten und bey Besuch- „ en die Leute genauer mit den Pflichten ihres besondern „Berufes bekannt machen würden. Diese Herren sind „gemeiniglich in ihren Predigten gar zu gelehrt, hingegen „ sagen sie nicht deutlich und einfältig genug, wie matt „und was man thun solle. Daher glauben die meisten, „es sey genug, daß man zur Kirche gehe, daß man singe „und bete; alsdann habe es nichts zu bedeuten, wenn „ man sich Müßigang, Klcidcrpracht, Unmäßigkeit, Be- „ trug und Ränke erlaube. — Ueberdieß, meinte er, sollten die Landvögte fleißig die Feldgüter durchreisen, und „ jeden bestraffen, der die seinigen verwahrloset. „ AlS man ihm hiebcy die Schwierigkeit zeigte, erwiederte er: „Ein einziges Beyspiel kann oft auf eine grosse Menge „ würfen. Habt ihr ncch nie gesehen, wie eine widerspen- „ stige Heerde so leicht folgt, wenn nur einmal eins der „ Schafe über Brücke geführt wird? Glaubt ihr denn „ nicht, daß das Gute in rechtem Lichte gezeigt, nothwen- „ dig Beyfall erpresse? „ Kleiniogg ist zwar der jüngere Bruder, allein der ältere hatte Verstand genug, die grösser» Fähigkeiten deS jünger» einzusehen und ihm die Herrschaft in der Haushaltung abzuwetten. Um so viel lieber würden ihm die meisten Menschen diese Herschast gönnen, da Kleinjogg nur herrscht, um zu dienen; je grösser Macht und Fähigkeit sind, desto grössere Verpflichtung zum Wohlthun; als Hausvater ist er bey jeder Arbeit der erste und der lezre; wenn er befiehlt, so giebt er den Befehlen Nachdruck durch IZ7 eigenes Beyspiel, Der Hausvatei ist die Wurzel, sagt ee seiner met^horischen Sprache; wenn die Wurzel keinen Saft treibt, so welken die Pflanzen; die Haushaltung Reicht einem Wagen; wenn unter den vorgespannten Aferdkcn das erste den rechte« Weg geht, so folgen von s^ber die andern. — Sein Freund klagte über die Trägheit und Nachläßigkeit eines Knechtes. Findest du ihn auch müßig, fragte Kleinjogg, wenn du neben ihm arbei, lest? das kann ich nicht sagen, erwiederte jener; dafür aber gab ich ihm den Lohn, daß er ohne mich die härtere Arbeit verrichte, — Haltest du also solche Arbeit für eine Mühe, die dich unglücklich machen würde? — Wenn du dieß glaubst, so verwundere dich nicht, daß dein Knecht in beiner Abwesenheit müßig geht; natürlich ist es, daß ein irder glücklich seyn will. Ich selbst befinde mich ni:malS gesunder und glücklicher als bey der Arbeit. — Mit unerschütterlicher Standhaftigkeic führt er mit seinen Hausgenossen aus, was er einmal als gut ausicht. Sein Grundsatz ist, daß man in der Haushaltung, wie auf dem Felde, zuerst dem Unkraut begegnen müsse, bevor man mir. Erfolg den guten Saamen ausstreuen könne. Mit größtem Eifer wiedersezte er sich daher dem Sittenverderben. Nicht ohne eisernem Widerstand konnte er die Eiltelkeit und Weichlichkeit der Weiber in seiner Haushaltung besiegen. Er war der einzige Weinschenk in seinem Dorfe; dem Anschein nach bezog er beträchtlichen Gewinnst; bey näherer Untersuchung schauerte ihm vor dem Gedanke, daß die Kinder durch das Beyspiel der Gäste möchten angesteckt werden; auf einmal nahm er den festen Entschluß, keinem Gast mehr Wein zu geben, als er nach harter Arbeit oder Ermüdung auf Reisen, nöthig hätte zur Erholung der Kräfte. Nach eigner Erfahrung sezte er dieses Maaß auf einen Schoppen, ungefähr ein medizinisches Pfund am Gewichte; hierüber grenzen die meisten Gäste und damit zugleich ein grosser Gewinnst verloren. Die Hausmütter , von denen die eine in einem WirthShause erzogen war, wurden äusserst erbittert; sie warfen ihm vor, daß er mit seinen seltsamen Einfällen die ganze Haushaltung zu Grund richten werde. Es ist wahr, sagte er lächelnd, daß der Gewinnst an Gelde grösser war, als derjenige, den uns die Feldarbeit 'verschaff; allein glaubt Ihr, daß ein selber Gewinnst von Gott gesegnet seyn könne, der aus and, rer Leute Schaden erwachset? Habt ihr noch nicmal das Weib eines lüderlichen Saüfers klagen gehört, wie unglücklich sie durch die Schwelgerey ihres Mannes geworden ? Denkt ihr nicht, daß das Elend solcher Haushaltungen zu Gott um Rache schreyt über die Wirthe, die ihn hiezu gereizt haben? Die Kinder solcher Weinschenke gewöhnen sich an lüderliches Leben, sie verlieren die Lust zur Arbeit, und indem sie gewohnt werden, bey fremden Sachen sich zu bereichern, so werden sie betriegerisch und boshaft. Wollt Ihr, daß unsre Kinder in gleiche Gefahr kommen und daß sie einst in einem Tage mehr durchjagen, als sie in zwanzig Tagen mit diesem niederträchtigen Ge- winnste erwerben? Thu, was du willt, war die Antwort; immer muß es nach deinem Kopf gehn. Eine andere Quelle des Verderbens in den Haushaltungen entdeckte Kleinjogg in der Gewohnheit, bey Kind- tauffen, Iahrwechsel u. s. f. die Kinder zu beschenken. Diese Geschenke, sagte er, kommen meistens niemand zu gute; sie erheischen Gegengeschenke und gewöhnen zur Eitelkeit und zu einer sträflichen Neigung, auf andre Weise als durch Arbeit Vortheil zu suchen Er machte sich also ein Gesetz, weder von Gevattern noch Verwandten, »och irgend jemand Geschenke anzunehmen und auch keine zu geben, als würdigen Armen. Die Allmosen gegen Unwür, Lige erklärt er als Verderben des Volkes und rechnet sie den Gebern zur Sünde. Seine Kinder haben nun keine ——- begriffe von der Annehmlichkeit der Geschenke; desto glück-, sicher find sie bey dem zufriedenen Genusse des Nothwendigen. Mit nicht geringerer Standhaftigkcit verbannte er den Unterscheid der Tage; widerst nig fand ers an Sonn-und Fest- oder andern Ruhtagen dem Leib mehr und besser^ Nahrung zu geben als an den Werktagen, da doch in diesen leztern die Kräfte durch Arbeit mehr verzehrt werden; darum vermehrte und verbesserte er die Malzeit nach Beschaffenheit der grösser« Geschäfte. Seinen Leuten sagte er zum voraus, daß sie beym Beschluß der Acrndte nichts kiehrers zu erwarten hätten; sie sollten aber dieses nicht dem Geize zuschreiben; lieber wolle er während der harten Arbeit die Malzeit verbessern. Bey Tische trinkt er keinen Dein ; sein bestimmtes Maas nimmt er mit sich aufs Feld und erquickt sich, wenn er anfängt von dem Tagwerk müde N werden. Das Schweinefleisch macht kein besonders Gericht auf seinem Tisch; täglich wird ein Stück klein zerschnitten unter das Gemüse verkocht, wodurch dieses nach seiner Erfahrung nährender gemacht wird. Je schwerer die Speisen zu verdauen sind, desto stärkender sind sie; daher zieht er die Erdäpfel allen andern Speisen vor und Roggenbrod dem Waizenbrod. Ueber alles wandte er seine Aufmerksamkeit auf die Kindererziehung, Er unterwiese sie selbst und wiedmete die, ser Beschäftigung die sonntäglichen Ruhestunden; auS Be- sorgniß, sie möchten in dem Umgänge ungesitteter Kinder verderbt werden, laßt er sie nicht einmal in die Schule stehen, viel weniger den öffentlichen Lustbarkeiten, Jahrmärkten , Kirchmessen u. s. w. beywohnen Damit zieht " sich viele üble Nachreden zu; man nennt ihn einen sec- tirischen Mann, einen harten, geizigen Vater. Wenig bekümmert ihn dieß; er weiß, daß man schuldig ist, für den guten Namen zu sorgen, aber daß man nicht gut und 142 weift seyn kann, so lang man sich scheut, den Thoren ver- achtungSwürdig, oder lächerlich zu scheinen. — Du thust Unrecht, sagte ihm ein Nachbar, daß du gegen deine Kinder so grausam bist und ihnen keine Freude gönnen magst- Wer sagt dir, war seine Antwort, daß ich ihnen keine Freude gönne? — Du lässest sie ja, vcrsezte jener, niemals zum Wein oder Tanz gehn. — Meinst du, fraate Kleinjogg, man könne sich nicht anders als im Wirthshauft belustigen? Kannst du im Wirthshauft mehr als satt essen? Kannst du mehr als froh seyn? — Dieß alles können meine Kinder hey Hause. Mit mir finden sie das Vergnügen bey der Arbeit. Niemals wird sie der Arbeit reuen; wol aber die deinigen, daß sie im Schenkhause Geld und Zelt verlieren, und, anstatt sich zu erholen, nur desto weniger zur Arbei- bereit sind. Auf folgende Weist ermuntert er durch gereizt Ehr- hegierde die Kinder zum Fkeiffe. Die jüngste, so lang sie zur Feldarbeit untüchtig sind, gemessen ihr Mittagessen auf dem Boden; so bald sie den andern auf dem Felde Hülfe leisten, sitzen sie mit den andern zu Tische. Uebri- gens hütet er sich gewissenhaft, nicht den geringsten Unterschied unter den Kindern zu machen; er liebt sie alle gleich, die Kinder des Bruders wie seine eigene; auch wird er gleicher Weist von allen geliebt und geehret. Sein Beyfall ist ihre einzige Belohnung. Er verabscheut'S, lccker- hafte Speisen zu machen; daher haben die Kinder keine Leidenschaft für besondere Speisen; derselben bedienen sie sich nichts anders als zur Stillung des Hungers, eben darum kann er ohne Gefahr alle Vorrathökammern und Schränke beständig offen lassen; auch der Geldschrank ist offen; da das ganze Vermögen allen gemein ist, so weicht er den Schein eines besondern Vortheils sorgfältig aus und dadurch wird die Geldbegieede auü dem Hause verbannet. Das Geld ist ein Mittel zur Befriedigung der Bedürfnis- st; diese sind auf die nothwendigen eingeschränkt und ohne Mühe werden sie gestillec; daher nicht die geringste Versuchung zur Habsucht. Nach KlcmjoggS Ideal sollten al- st seine Kinder und Kindel-kinder immer in Patriarchalischer Familie vereinigt bleiben Alle, sagt er, werden von Jugend auf der Arbeit gewohnt und durch Arbeit glücklich styn, alle werden Kleidung und Speise genug haben. Dnrch Entfernung von schlimmer Gesellschaft bleiben sie von jeder unmäßigen Begierde entfernt; bey völliger Gleichheit wird stde Zweytracht, Uebermacht und Unterwürfigkeit gleicher Maassen vermieden werden. Sein Bruder wurde zum Schulmeister erwählt. Nun, sprach er, wird sich unser Einfluß vermehren; ungemein werden wir durch neues Änsehn die Kraft Unsers Beyspiels und unsrer Vorstellungen verstärken; nunmehr fangen wir bey den Kindern an, das Böse auözuwurzeln und das Gute zu pflanzen. Sogleich verbot er den Singschü- strn das nächtliche Schwärmen; durch Unerbittlichkeil ge- iattg es ihm, dasselbe ausser Uebung zu bringen; durch gleiche Unerbittlichkeil schafte er auch jene St. Niclauö - und Fastnachtsspiele ganz ab. Um den Schulordnungen mehr Nachdruk zu geben, verwarf er alle, noch so gewohnten Geschenke Man reicht den Aufsehern Geschenke, sagte er, und wenn sie nach solchen greifen, so werden ihnen Hand und Zunge gelähmer Er spottet der verstellten Frömmigkeit, die bey jedem Gewinnst immer mit Gottes Segen prahlt. Dieß Gott' Lob, sagt er, ist ein hungriger Wunsch nach grösser», Dortheil; das wahre Gott Lob ist die Zufriedenheit mit demjenigen, was man mit Fleiß und Arbeit gewinnt. In dem Bewußtseyn der Ausübung der Pflichten findet *r die wahre, menschliche Glückseligkeit; in den natürlichen Folgen unsers Betragens entdeckt er die Belohnungen and Strafen eines gerechten Gottes; niemals bar m n ihn traurig oder mutbloö gesehen, auch in Krankheiten nicht. i4r Er ist sehr menschenfreundlich und theilnehMend; obgleich der Arbeit eifrigst ergeben, verläßt erste gerne, wen» er gegen mnand gefällig seyn kann. So sehr er alleMem sehen liebt, so richtet sich doch seine Liebe nach dem Grade des Eifers für Recht und Wahrheit; schnell und scharst sein Beobachtungsgeist; auch beym ersten Besuch ist sei" Umgang zwanglos und mit geistreichen Einfällen beseelet; um so viel mehr müssen diese entzücken, da sie niemals ent' lehnt, sondern in seinem eigenen Kopse erzeugt find. Wen" er eine gute, neue Bemerkung gemacht har, so ist er un- gedultig, biS es ihm gelingt, sie auch andern mitzutheilen« Der Beyfall der größten Männer macht ihn nicht stolz; er bleibt, was er ist; sehr rein und simpel sind seine religiöse Begriffe; schwärmerischen Wahnwiz (wie wir Anfangs bemerkten,,) und abergläubische Ängstlichkeit hatte er durch thätiges Leben bcsi get; — ich nahm mir vor, sprach er, keinen Augenblick müßig zu gehn und gegen jedermann mich so zu betragen, wie ich wünschte, daß man eö gegen mich thun möchte. — Dadurch ward mir von einem Tage zum andern die Brust erleichtert und wenn ich in den Ruhestunden zu der heiligen Bibel zurück kam, so fandjich alles deutlich und klar, da mir vorher alles dunkel gewesen; da empfand ich, daß Beten und Lesen fruchtlos bleiben, bis man seine Pflichten erfüllt. — Besonders bezaubcrte ihn die Geschichte jener Erzväter und die Be. schreibung ihrer zahl eichen, ungecheilren Familien; Jesus Christus pflegte er zu sagen, hat uns die besten Lehren, das beste Beyspiel gegeben; alles hat er gethan und gelidten; nunmehr kömmrS darauf an, daß wir auch daS unftige thun — Eben war ich bey ihm, als sein Weib starb; dieser Gelegenheit bediente ich mich zur Hervorlocknng seiner Begriffe über die Zukunft; ohne mein Zuthun, sprach er, kam ich auf Liese Welt: ohne mein Zuthun geh lch einst in eine andre hinüber; so wie Gott bisher für mich -7 W A gesorgt hat, so wird er auch künftig für mich sorgen. Wenig kümmert» mich, wie eigentlich mein Schicksal in der Ewigkeit beschaffen seyn werde; Genug, daß wenn wir M leben, eö gewiß glücklich seyn wird; Mit kindlicher Ergebung überlaß ich mich der göttlichen Leitung. Wirklich ist sein religiöses Vertrauen so lebhaft, daß ihn auch der Tod, auch der Verlurst der Geliebten nicht aus dem Gleichgewichte heraushebt. Zur Ermunterung für andere wurden die Verdienste dieses würdigen Landmanns von der Regierung bekrönt, indem ihn diese mir einem weitlaüftigen Meyerhofe belehnte welchen er in wenigen Jahren außerordentlich verbesserte. Er starb im 1.1784. und hinterließ eine zahlreiche ihm ähnliche Nachkommenschaft. — Jsaae Jselin. Jftlin ward den 7. März i-?28. in Basel gebohrerw Sein Vater war ein Handelsmann; seine Mutter Anna Maria Burkhardt, eine Tochter des Rarhshcrren Christoph BurkhardS. Wegen den ungleichen Umstände seines Vaters, ward der junge Jselin ausser dem väterlichen Hause von seiner Mutter und Großmutter erzogen; Frühzeitig ward er von diesen beyden vorlreflichcn Frauen zur Weisest und Tugend gebildet. Die Mutter insonderheit war «ne der rechtschaffensten und aufgeklärtesten D men. Ihr einziger Fehler war, eine außerordentliche Empfindlichkeit und ein allzugrosseS Mißtrauen in die Gesinnungen der Menschen Dicw Gemüthsart war eine Folge nicht bloß ihres Temperaments-sondern auch verschiedener Uebel, die ste eben in demjenigen Alter auszustehn hatte, in welchem der Character Festigkeit zu bekommen ansängt. Aller Orten sah die zärtliche Mutter Gefahr der Verirrung für ihren einzigen Sohn: daher kam es, daß dieser sieh eine Art von Süchternheit zuzog, die ihm in der Jugend ein etwas pinselhastcs Aussehn gab, daö er hernach nicht ohne Mühe abzulegen im Stand war. Dem Doetor Linder, seinem ersten Lehrer in den Studienjahren, glaubteJselin am meisten zu danken zuhaben» Ungeachtet die Gelehrsamkeit dieses Mannes ziemlich unbedeutend gewesen, so fiel er doch glücklich auf den Einsaß seinem Schüler nebst QnintilianS Schriften des Heinek- eins Liemenm 8t^li Lulckoris und Winklers Anfangsgründe der Wölfischen Philosophie zu erklären. Diese Schritten und Gottscheds vernünftige Tadlerinnen brachten dem jungen Menschen den ersten Geschmack für Philosophie und schöne Litteratur bey; nachher fielen ihm WolfenS eigne teutsche Schriften in die Hand; mit Entzücken laS er desselben vernünftige Gedanken von Gott, von der Seele des Menschen und von der Welt. Des Morgens stu- dirre er diese und ähnliche Schriften mit seiner vereh- rungSwürdigen Mutter; des AbenS mit seinem Herzensfreunde, dem Obrist Frey. Dieser letztre machte ihn mit der französischen Litteratur bekannt. So sehe sichs einige unsrer teutschen Schöndenker angewöhnt haben, die französischen Schriftsteller verächtlich anzusehn, so glaubte Jselin immer, daß sie für die Teutschen eben so wichtig seyn, als es z. B. die Griechen für die Römer gewesen. Ziemlich jung ward er mit spreng, dem Uebersetzet der Psalmen, bekannt; diesen Mann suchte er als grossen Poeten: Von demselben aber lernte er bloß das Mechanische der Dichtkunst. Die ächten, poetischen Schönheiten, die Erfindung, die Zusammenordnung der Theile, die Oekonomie des Ganzen, ric Auswahl der Farben und Bilder das glückliche Mittel zwischenVerschwendung und Dürftigkeit im Ausdruck, die moralische Würkung u.s.w. alles Ee§ -irß ward wenig in Betrachtung gezogen. Immerhin wagte es der junge Lehrling Verse über Verse zu schmiedn : mehr als einen Band von solchen hatte er seither den klammen geopfert, und von allen seinen poetischen Versus chen ward nicht mehr als ein einziger Bogen gedruckt, Durch dergleichen Uebungen indeß erwarb er sich jene Leichtigkeit des Styls, die man in seinen Schriften bemerkt. Spreng brachte ihn in Bekanntschaft mit einem gewissen Herrn Bcck von Thun, der nachher (wo ich nicht wre, als preussischer Kriegs-und Domainenrach gestorben ist. Dieser damals noch sehr junge Mann hatte weit wehr poetisches Genie als Spreng; dessen Schüler er in der Ferne war; erlebte nämlich niemals in Basel, sondern schickte Sprenge dahin seine schriftlichen Versuche. Zwischen diesem Jüngling und Jselin entstand ein freundschaftlicher litterarischer Wetteifer. Noch weit mehr hatte Jselin dem berühmten Rhätier, UlvsseS von Salis, zu danken, diesem nachherigen Eiferer für die Beförderung des Erziehungswesens. Derselbe besaß eine reiche und starke Ein- bildnngskrast; jener feurige Muth, der ihn seither bey so vielen, wichtigen, politischen und litterarischen Unternehmungen begeisterte, belebte schon damals sein aufblühendes Genie. Elektrisch theilte die Flamme sich mit und ergriff seine Freunde. Schon war er durch die Bekanntschaft Vater Bsdmers und einiger junger Gelehrten in Zürich mit den ächten Grundsätzen der Philosophie und Critik vertraut geworden. Durch ihn geriech Jselin in gleiche Bekanntschaft. Unter andrem verschaffte er ihm den Briefwechsel mit einem jungen Gelehrten in Zürich, dem nachherigen Pfarrer Schinz in Altstetten. Auch ward er, gleich diesem nnd mehrern andern Zeitgenossen, von dem Fieber der anakreonischcn Muffe ergriffen; eine Krank. K heit, welche Hirzel sehr wohl die Kinderpocken des helvetischen Witzes genannt hat. Durch das Beyspiel andrer junger Genien in Bern und in Zürich erwachte auch in Jselin jener enthusiacische Stiftungsgeist. Nebst einigen Freunden errichtete er eine gelehrte Gesellschaft, zu deren Vorsteher er sich auswarf; dieselbe daurete aber nicht lange. Als die Zeit zur Erwählung einer Berufsakt herannahte , entschloß er sich, ohne daß seine Mutter ihn weder auffordere noch hinderte, ganz den Wissenschaften zu lebe»' In dem Studium der alten, classischen Litteratur genoß er, ausser Andreas Anders Handlcirung, den Unterricht des Antonius Birrs. — Flüssig besuchte er Thnrncysens Vorlesungen über die Vernunftlehre und Redkunsr, über die Sittenlehre, über das kanonische Recht und über die Pandmen. In der Meßkunst hörte er Johann Bernoulli; indeß beschäfftigre er sich mit mathematischen Wissenschaften nicht sehr, da ihm andre Lieblrngswissenschafren ganz alle Zeit wegnahmen. Bey Andreas Weyß, nachherigen Professor in Leyden, nahm er Unterricht in dem Nacurrccht. Nicht so fast aus besonderer Neigung, als vielmehr um sich einen Stand zu verschaffen, legte er sich nunmehr auf die Jurisprudenz. Er begab sich nach Göttingen, wohin er vorzüglich durch den Namen eines Simonetti hingelockt wurde Bey diesem studirte er die Vernunftlehre. Der methodische und fast mechanische Gedankengang seines Wol- fianismus sollte bey dem Jüngling den Mangel mathematischer Kenntnisse und Uebungen ersetzen. — Ein andrer seiner Lehrer in Göttingen war Hofrath Schmaus, wel» chcr dem Wolfianismus eben so sehr zuwider, als hingegen Simonetti demselben günstig gewesen. Nichts desto weniger war Schmausens historischer Vertrag, so wie seine Methode in Behandlung des StaatsrechreS und der Statistik so hell, so bestimmt, so ordnurrgSvoll als bey irgend -47 einem der geübtesten, philosophischen Denker. Hätte er mit seinen historischen und juridischen Kenntnissen Geschmack und Schreibart verbunden, vielleicht wä>e er alsdann einer der besten, teutschen Schriftsteller geworden. Von Göttingen aus hatte er immer viel Licht über ganz Teutschland Verbreiter Die Sa u ei; liebte er vorzüglich, woselbst er einige Iah>e zu Basel in dem Dienst des Marggrafen von Baden zugebracht hatte. Unserm I>'elin stößte er den Gedanken ein, das cydgenösstsche Staatsrecht in ein System zu bringen. Nur das erste Buch desselben ist als eine Jnau- gural-Disputation in öffentlichem Drucke erschienen; von dem zweyten und dritten ist nicht viel mehr als das Gerippe vorhanden. Vor ungefähr zwanzig Jahren überließ Jselin die gesammelten Materialien dem seligen Gl ser zu Verftr- timng seiner akademischen Abhandlung über die eydsge- uößischcn Bündnisse. — Bey Ludwig Martin Kahle hörte unser junge Gelehrte das bürgerliche Recht. So geschickt Kahle als Philosophe gewesen, so mittelmässig war er als RechtSgelchrter; daher kam es, daß unter solcher verkehrter Anleitung Jsclin die ohnehin schwache Neigung zur Rechtsgelchrsamk.it noch völlig verlor. Mit mehr Eiser studirte er bey Schmaus dre Reichsgeschichte, und bey Georg Ludwig Böhmec das Feudalrccht, das kanonische und Kirchenrecht; auch schätzte er sich ungemein glücklich, den Umgang eines Moshcims, Hallers, Geßners, AyrerS u. a. genossen zu haben. Unter andern Freunden, mit Welchen er in Göttingen bekannt wurde, waren auch Raths» Herr Jenner von Bern und Leibarzt Zimmermann in Hannover. Als er wieder in seine Vaterstadt nach Basel zurückgekehrt war, wurde er im I. 1749. nebst zween andern Kandidaten von dem akademischen Senate zu dem Lehramt des Natur- und Völkerrechtes vorgeschlagen; das Looö Ka 148 - aber, welches entscheidet, war ihm nicht günstig. IM I. 1754. gieng er, (nach vaterländischer Uebung) auf Reisen. Selbst gesteht er, daß er in Paris weit mebr Zeit auf Besuchung de»; Schauspiele als auf das Studi- ren verwendt habe. Indeß besuchte er nichts desto weniger flüssig die königliche Bibliotheck; auch sah er zuweilen die berühmten Parisergelehrten, einen Fontenelle, den Abt Sallier, Rousseau, Rollet u. a. Bey diesem letztem studierte er die Experimental - Physik. Sehr oft pflog er Umgang mit dem berühmten Mignaturmahler Massee. Dieser damals schon ziemlich betagte Mann zeichnete sich durch edles und ofenes Betragen, durch gefälligen Witz und durch ausgewählte Schreibart eben sosehr aus alS durch seine Mahlertalente. Immer hatte dieser Künstlet viel Güte und Freundschaft für unsern Iselin. Eben so genoß er des freundschaftlichen Umgangs der Frau von Graffigni, dieser berühmten Verfasserin» jener peruviani- fchen Briefe. Das gröste Vergnügen und den meisten Vortheil, welche Iselin aus seinem Aufenthalt in Paris zog, hatte er diesen beyden letzter« Personen zu danken. Immerhin fand er sich durch das Andenken an jene Zeiten in dem Gedanken bestätigt, daß junge Leute auf Reisen mehr Zeit u.'.d Geld verlieren als sie Vortheile gewinnen, und daß es höchst selten sey, vor dem dreyffigsten oder wohl gar vor dem vierzigsten Jahr mit vorzüglichem Nutzeil zu reisen. Noch einige Zeit nach seiner Zurückkunft in Basel unterhielt Iselin mit oben erwähnter Frau von Graffigni einen Briefwechsel, der grossenthrils die teutsche Littera. tur zum Gegenstand hatte. Besonders entzückt schien diese Dame über einige Steffen aus Wielands Natur der Dinge, die ihr unser junge Gelehrte in der Uebersctzung mitgetheilt hatte. ' 4 - In seiner Vaterstadt fieng er nun an, fich eifriger als als niemals den jurischen Studien zu wiedmen. Er nahm lkch vor, das römische Recht nach philosophischen Grundsätzen zu untersuchen: seine Lieblingöstndien waren Philosophie und Geschichte; hcyde verband er; der einen bediente sich, um mehr Licht, mehr Anmuth und Nutzen aus der andern zu ziehn. Schon damals setzte er sich ein Werk vor, welches mit seiner Geschichte der Menschheit die er hernach verfertigte, einige Aehnlichhcit hatte. Auch las und sammelte er Urkunden, um sein eydgenössischcs Staatsrecht vollenden zu können; zugleich war er mit philosophisch - politischer Behandlung der helvetischen Geschichte beschäftigt. Alle diese Entwürfe wurden vereitelt, als im 1 . 1754. das Loos ihn von de ^ historischen Cathe- dcr ausschloß und ihn hernach im I. 1756, durch eben dieses Loos die äusserst mühsame Aufsicht über die Siaats- kanzley zufiel. Da im I. i?e?. sein Onele, Jsaae Burkhardt, als Gesandter auf die eidgenössische Tagleistung verreiste, begleitete ihn unser Jselin. Unterwegs hatte er Gelegenheit in Zürich die grossen Beförderer des guten Geschmacks, einen Bodmer und Breitinger, kennen zu lernen. Mit Sa- lomon Geßmr, dem Dichter, mit dem damaligen Staatö- schretber und nachherigen Rathsherr Hirzel und mit andern geistreichen Jünglingen, die seither die Zierde des Vaterlandes geworden, trat er in genaue Bekanntschaft. Im I. 1769. hatte er aus Anlaß des Jubiläums der baslerischen Universität das Vergnügen, die eben erwähnte Freunde, Geßner und Hirzel, nebst dem itzigen Statthalter Lchinz bey sich zu sehn. Ohne weitere Absicht, als nur um die Freuden des freundschaftlichen Wiedersehens wiederholt zu gemessen, verabredeten sie eine Zusammenkunft in Schinznach; diese Zusammenkunft war es, welche der helvetischen Gesellschaft den Ursprung gegeben. Im 1.17?5. fieng er an, seine schriftstellerischen Ta« lente dem Vaterlande zn wiedmen. Nicht als Schulze« lehrter, als Mensch und als Bür aer betrat er dre liltt- rarische Laufbahn. Durch Ungereimtheiten, die er auf seiner Zunft hörte, ward sein edler Enthusiasmus ent, stammet; er gieng nach Haus, setzte seine Feder an und schrieb die patriotischen und philosop ischen Traume eines Menschenfreundes. Ungefähr zu gleicher Zeit schrieb er die Warnungen wieder die Geringschätzung des Wählendes, wie auch den Entwurf zu einer Gesellschaft, welche er gerne in Basel zu Beförderung der Künste nnd Wissenschaften hätte erreichen mögen, Diese patriotischen Warnungen und Wünsche blieben fruchtlos, so wie die frey- im'tthWN Gedanken über die Entvölkerung seiner Vaterstadt, die er im I. 1758- herausgab, und die Entwürfe zur Verbesserung der BaSlerischen Erziehungsanstalten, die er in den 1 . 1762. und 1779. durch den Druck bekannt gemacht batte — Unter mehrern andern Schriften, wodurch er sich die Hochachtung jedes Menschenfreundes erworben, erwähnen wir nur seiner Geschichte der Menschheit, die zu wiederholten malen vermehrt aufgelegt worden, wie auch seiner Ephemeriden der Menschheit. Aus diesen beyden Werken leuchtet ein Geist hervor, dem es bey Ausbreitung der mannigfaltigsten Kenntnisse um nichts ander? als um Ausbreitung menschlicher Glückseligkeit zu thun ist. Mit Hintansetzung aller Nebenabsichten, schreibt er voll warmen Gefühls für die Tugend; vielleicht daß er, aus edler Güte des Herzens, zuweilen allzu sehr lobte, was ihm im Ganzen und durch die Absicht gut schien, obgleich es in den Theilen und in der Ausführung fehlerhaft seyn mochte; eben so frcymüthig tadelte er alles dasjenige, wovon er überhaupt eine schlimme Würkung im Moralischen oder im Politischen befürchtete, wenn eS schon iu seinen Theilen oder auch im Ganzen kunstrichterischcn MMM5- ^ »K* .' - EMLUj !,?/''c>^ ' ^ ^4 W1YL Beyfall verdiente. So absichtlos er aber immer zn handeln glaubte, so konnte er doch nicht verhüten, -aß man ihm nicht oft Absichten zuschrieb; so kömmt es zuweilen, daß, je »»parteyischer der Schriftsteller ist, er es zuweilen mit allen Parteyen verderben, Mit Recht pflegte er von sich selber zu sagen; In Noäerstion placing -ll mx glor^, Tke Ilwrxs csll me Lnä n Tor^. Salomon Geßner Derselbe ward im I. r?;«. in Zürich gebobren. Unter der Aufsicht eines ungeschickten Lehrers wäre ohne Zweifel sein Genie zu Grunde gegangen, wenn nicht das Genie seiner Natur nach alle Schwierigkeiten besiegte. Noch so erbaulich mochte ein poetisches Werk seyn, wenn ihn der Lehrmeister bey Lesung desselben ertappte, so hatte es der Knabe mit Ohrfeigen zu büffen. Lieber thut das junge Genie gar nichts, als daß es gegen seinen innern Hang würkt. Daher jener Anschein von Trägheit und Sorglosigkeit! So bald hingegen durch irgend einen Zufall der Geist sich entzündet und auf die angemessenste Nahrung geführt wird, alsdann erwacht er aus Todes- schlummer zu geschäfftigem Leben. „ Sie wissen schreibt »Geßner anFueßli, daß mein Beruf niemals seyn konn- „te, Künstler zu werden; daher war ich in meiner Jungend ganz ohne Anleitung. Beschmierte ich gleich in »meinen jungen Jahren die Menge Papier, so wars doch ,, nur elendes Spiel, ohne Absicht und ohne Anführung; ,, so mußte ich nochwendig zu-ücke bleiben ; und es war ,, eine natürliche Folge, daß meine Neigung sich um vie- » leS verkor^ Die besten Jahre gierigen so dahin, olnck »daß ichs versuchte, ob ich in der Kunst wohin gelangen »könnte. Indeß thaten die Schönheiten der Natur und »die guten Nachahmungen derselben von jeder Art immer »die grösste Würkung auf mich; aber in Absicht auf Kunst » wars nur ein dunkles Gefühl, das mit keiner Kenntniß „ verbunden war; und daher entstand, daß ich meine Empfindungen und die Eindrücke, welche die Schönheiten »der Natur auf mich gemacht hatten, lieber auf eine „andere Art auszudrücken suchte, derer Ausdruck weni- »ger mechanische Uebung, aber die gleichen Talente, eben »das Gefühl für das Schöne, eben die aufmerksame Be- » merkung der Natur forderet. „ Die Jugend unsers GeßnerS fiel nämlich in jene poe- tische Epoche, da in dem südlichen Tcurschland Halter und Bodmer, in dem nördlichen Kleist und Klopstock durch unsterbliches Vorbild so manchen edlern Jüngling zur Dicht, kunst leiteten. Sowol der freye Sinn und Sitteneinfalt der Schweizer als auch die würklich romantischen Natur- scenen um Zürich her stimmten glücklich zum Gesänge der Musen. Auch sammelten gerne Deutschlands Dichter an den Ufern der Limmat, in den Hayncn und auf den Hügeln bey Zürich poetische Blumen, wie denn von Zeit Zeit diese Stadt der Aufenthalt der Klopfstocke, der Kleiste, der Wielande u. a. d. gewesen. Daher ein poetischer Wetteifer, welcher an jenes güldene Zeitalter der zürcherische» Minnesinger, Hadloub, Maneß u. a. erinnert! — Einen ganz eignen Blumcnweg öffnete sich durch poetische Wild. uiß die gegnerische Muse. Wenn wir Kleisten als vortref- lichen Landschaftsmahler, Mahler der leblosen Natur; wie sehr müssen wir nicht in Galomon Geßner das Genie bcwnndern, welches lachende Fluren, btumigte Ufer, die ganze arkadische Schöpfung mit den. liebeSwürdigsten Figuren bestell! Helche Feinheit und Mhrrtng in den klein» sten Nuancen seiner schaferischen Sittengemählde! Wie Strahl der Morgenröthe neugcbohren die Natur dem aufdämmernden Himmel Macht, so lächelt sie unter Geß- ^ors reichem, belebenden Pinsel. Kein Wunder, daß seine ländliche Muse, indem sie aus dem eisernen Zeitalter in das güldene Alter der Natur und Freyheit, der Unschuld und Minne versetzt, die Lieblingsmuse jeder schönen Seele, nicht bloß in Teutschland, sondern auch bey allen gerieten Völkern geworden! Wenn wir in Geßners Schäfergedichten die intreffantesien Gesehichtgen, die gefälligsten Charaktere, die rührendsten Situationen studieren, kein Zug zu viel, keiner zu wenig, jeder durch den andern erwärmt und verschönert, müssen wir nicht gestehen, daß sich der Dichter, noch so vertraut mit den Moschus und Bions, mit den Theokritcn und Maro'S, immer eine eigne Idealwelt, und eben so eine eigne, der Huldgöttimien würdige Sprache geschaffen habe? — Eine ganz neue Dichtart schuf er sich auch in dem Tod Abelö, schäferische Naivität mit religiöser Würde verbunden. — Gleichwie er mit allen Sinnen, in jeder mannigfachen Scene der Schöpfung das Schöne empfindet, eben so gelingt ihm nicht bloß eine Art des Ausdruckes allein: so bezaubernd spricht sein Pinsel wie sein Gedicht mahlt. Durch was für Veranlasung und mit welchem Erfolg bey ihm die Liebe zur Zeichnungskunst und Mahlerey wieder erwacht sey, beschreibt er in seinem Brief an Füß. lin folgender Massen: *) „Da ich Gelegenheit bekam meines seligen Herrn „Schwehervaters ffürtreffliche Sammlung täglich zu sehn, erwachte meine Leidenschaft für die Kunst von neuem, » und ich faßte im dreyzigsten Jahr meines Alters den Ent- „ schluß, zu versuchen! ob ich noch zu einem Grad ge- *) S. Jrh. Caspar Füßlins Geschichte der besten Künstler i» der Schweiz, Band M. in der Vorrede. »langen könnte, der mir bey Kennern und Künstlern EM » machen würde. — Meine Neigung, fährt Geßner fort, » gieng vorzüglich auf die Landschaft, und ich fieng mit »Eifer an zu zeichnen; aber mir begegnete, was so vielen » begegnet. Das Beste und der Hauptzweck ist doch immer »die Namr; so dacht ich, und zeichnete nach der Natur; „ aber wa^ für Schwierigkeiten, da ich mich noch nicht » genug nach den besten Mustern in der verschiedenen Art » des Ausdrucks der Gegenstände geübt hatte! Ich wollte »der Natur allzu genau folgen, und sah mich in Klei« » nigkeiten des Details verwickelt, die den Effect des Gan- » zen störten, und fast immer fehlte mir die Manier, die » den Gegenständen der Natur ihren wahren Charakter bey- » behält, ohne sklavisch und ängstlich zu sevn. Meine Grün- »de waren mir verwickelten Kleinigkeiten überhäuft, die » Bäume ängstlich und nicht in herrschende Hauptpartien » geordnet, alles durch zu ängstliche Arbeit zu sehr un- »terbrochcn. Kurz, mein Auge war noch nicht geübt, » die Natur wie ein Gemälde zu betrachten, und ich wußte „die Kunst noch nicht, ihr zu geben und zu nehmen, da »wo die Kunst nicht hinreichen kann. Ich fand also, daß „ ich nach zuerst nach den Künstlern bilden müsse. Ist »nicht das, was mir begegnete, der Fehler der ältern » Künstler! die noch nicht genug gute Muster hatten ? ich „ meyne die ältern Niederländer und Teutsche; sie hielten »sich so genau an die Natur, daß der kleinste Nebenum- „ stand oft so genau gemahlt ist, wie der hervorstechende- »ste, und ihre Gemählde verlieren darum ihre Würkung; „sie find zu ängstlich und zu überhaüft Genien, die »diese Fehler einsahn. suchten dieselben zu meiden, und „machten sich mit den Regeln des Schönen in der Dispo- »sition, der gemäßigten Manigfaltigkeit, Hauptmassen „in der Anordnung und im Schatten und Licht u. s. w. »bekannt. Nach diesen war nun nöthig zu studiren; um I5k üben Weg so kurz als möglich zu machen, wählte ich nur --das Beste, daö, was in jeder Art am besten sich aus- v nahm, um zu einem Muster zu dienen. Wie sehr wird " die Zeit verschleudert, wenn man bey Unterweisung »iuugee Künstler sie bey Mittelmäßigem aufhält! ihrGe- " schmack wird so für das wahre Schöne nicht gebildet: --das Mittelmäßige bleibt ihnen erträglich, und nährt "bey ihnen den Stolz, sich groß zu glauben, weil es ih- "Nen ein leichtes war, nicht weit hinter ihrem Original "!» bleiben. Man lasse den jungen Künstler die Köpft "»ach Raphael studiren, wie unerträglich werden ihm dft »faden, süßen Gesichtergcn vieler von den Neuern seyn! »Man lasse ihn nach dem Schleuder so vieler beliebter » Kunst! r nach der Mode zu zeichnen, und lafi ihn dann »de» schönen Apoll oder Antinors zeichnen, er wird auS »beyden gemeine Leute oder schlechte Tänzer machen, und »und nicht empfinden, daß er es schlecht gemacht hat. „Ich fand das Beste, in meinen Studien von einem » Haupttheile zum andern zu gehn; denn wer alles zugleich »fassen will, wähle sich gewiß den mühsamern Weg; seine »Aufmerksamkeit wird allzu zerstreut seyn und immer er- »müden, da er bey zu vielen, verschiedenen Gegenständen »auf einmal zu viel Schwierigkeiten findet. Ich wagte »mich zuerst an die Baüme, und da wählte ich mir vor- »züglich den Waterloo, von dem in dem obgedachten Ca- »binet eine fast vollständige Sammlung ist Je mehr ich »ihn studirte, je mehr fand ich wahre Natur in seiner »Landschaft. Ich übte mich in seiner Manier so lange, » bis ich in eigenen Entwürfen mit Leichtigkeit mich aus- »drückte. Ich versaümte indeß nicht, nach andern zu ar- »betten, deren Manier nicht des Waterloo, aber nichrS »desto weniger glückliche Nachahmung der Narur war; »ich übte mich darum auch nach Swanefeld und Berg- »hem, und wo ich einen Baum, einen Stamm, ein Ge- »straüch fand, das vorzüglich meine Aufmerksamkeit reizte, „das eopirte ich in mehr und weniger flüchtigen Entwür- „fen. Durch diese gemischte Uebung erhielt ich LeiciM- „keil im Ausdruck und mehr Eigenthümliches in meinet „ Manier, als ich hatte, da ich an den Vaterlos mich „allein hielt. Ich gieng weiter von Theilen zu Theilen; „ für Felsen wählte ich die grossen Massen des Berghci» „und St. Rosa; die Zeichnungen, die Felir Mejer, Er- „ melS und Hacken nach der Natur und in ihrem wahren „ Charakter gemacht haben; für Verschieße und Gründe „wählte ich die grasrcichcn Gegenden, und die sanften, „ dämmernden Entfernungen -des Lorrain, die sanft hinter „einander wegfließenden Hügel des Wouvermans, diel» „gemässigtem Licht, mit sanftem Gras, oft nur zu sehr „wie mit Sammet bedeckt sind; dann den Vaterlos, des- «sen Gründe ganz Natur sind, ganz so, wie er sie in sei- „neu Gegenden fand, und darum ist er auch hierin» „schwer nachzuahmen. Für sandigte oder Felsengründe, „ die hier und da mit Gesträuch, Gras und Kräuter be- „ wachsen wählte ich wir den Berghem. „ Wie sehr fand ichs leichter, wenn ich izt wieder nach „ der Natur studirte! Ich wußte izt, was das Eigenthümli- „ ehe der Kunst ist; wußte in der Natur unendlich mehr „ zu beobachten, als vorher, und wußte mit mehr Leichtigkeit eine ausdrückende Manier zu finden, da wo die „ Kunst nicht hinreicht. Aber wenn ich izt einen Gegenwand, den ich aus der Natur genommen hatte, ergänzen wollte, wenn ich das beyfügen wollte, was ein mable- „ risches Ganzes anSmachen soll, dann war ich furchtsam „und verfiel oft auf erkünstelte Umstände, die mit der »Einfalt und der Wahrheit dessen, was ich aus der Na- „ tur genommen hatte, nicht harmonirten. Meine Land- „schaften hatten nicht dgS Grosse, das Edle, dieHarmo- ,, nie, — noch zu zerstreuter Licht, keine rührende Haupt- »würkung; und also mußte ich izt aufs Ganze denken. — "Aus alten suchte ich izt diejenigen Künstler üuö, die in Ab- »1'cht auf Ideen und Wahl und Anordnung ihrer Gegen- » stände mir vorzüglich schienen.-Daö gröste Exempel, » Wie man nachahmen soll, giebt Dietrich; seine Stücke " in diesem Geschmacke sind so, daß man glauben sollte, » Everdingen habe sie gemacht, und sich selbst übertreffen. — »Swaneftlds edle Gedanken, die mit so grosser Würknng "ausgeführt sind, und die aus seine grossen Massen von "Schatten einfallende Refler-Lichter. Sal. Rosa kühne »Wildheit, des Rubens Kühnheit in Wählnng seiner Ge- '> genstände. Diese und mehrere studirte ich in flüchtigen »Entwürfen, izt im Ganzen, da es mir izr meist darum »zu thun war, der Einbildungskraft ihren wahren » Schwung zu geben. Endlich studirte ich bloß und allem »diebeyden Poussin und den ClaudeLorrain. — Aber da§ » war nicht genug, mir ihre Denkart und ihre Ideen gänzlich bekannt zu machen. Ich legte sie beyseite^ und wiederholte die Hauptzüge derselben aus dem Gedächtniß; » aber ich rühm auch da nicht; sch machte mehr flüchtige »als genaue Copien von ihren Landschaften. — Es wird " niemand fragen: Warum das ? Ich kann sie ja in Kupfcr- " stichen habem Gut, dann besitz ich sie wohl, aber ich »habe nichts für mein Studium gethan. So wird der »Künstler eine immer merkwürdige Sammlung zusammenbringen; er hat so nach dem Besten stndirt, und sichzu- " gleich in den Besitz desselben gesetzt.-So lang es »des Künstlers Hauptbeschässtigung ist, andere Werke so »genau als möglich nachzubilden, so verliert oder schwächt »er darüber die Kühnheit und den Schwung der Embil- »dungskraft, die zrzm Erfinden nöthig sind. Von dieser " Furchtsamkeit suchte ich mich sorgfältig zu erholen; ich "legte meine Originale weg, dachte auf eigne Ideen, und »gab mir die schwe sien Aufgaben auf. So fand ich, wiö „viel ich wieder gewonnen hatte; fühlte, was mir am »leichtesten und vorzüglich gelang; beobachtete, welche DB „le mir noch die meisten Schwie-igkeiten machten, uttd be' » kam so die Anleitung, worauf ich vorzüglich wieder z» » arbeiten harte. Zugleich faßte ich neuen Muth, wen» »ich fand, daß Schwierigkeiten wieder verschwunden M „ren, und ich mich besser aus der Sache gezogen hatte, »als ich hoffte; nnd zugleich gab ich so meiner Einbildung^ »kraft Nahrung und Kühnheit. — Bey dem allem hab ich » mir zur Reget gemacht, immer mit dem versehen zu seM »was zum Zeichnen nöthig ist, ich mag seyn, wo ich will, „ nicht allein aufReisen und Spaziergänger!, sondern a»eh »zu Haus und in der Stadt. Man vergißt oft etwas, nur „ weil man zu nachlässig ist, von einem Zimmer ins andre »zu gehen, Um das benölhigte zu holen. — Ein Gedanke, »im ersten Feuer gedacht, wird auch im ersten Feuer aM » besten entworfen. — » — Eine Beobachtung muß ich nicht vergessen, die »ich aus eigener, vielfältiger Erfahrung weiß, wie sehr e§ „nämlich den Muth erfrischt und wie oft es mich von neuem »begeistert hat, wenn ich die Geschichte der Kunst und » der Künstler lese.-Noch einen wichtigen Rath » muß ich dem Künstler andringen: die Dichtkunst ist die » wahre Schwester der Mahlerkunst. Er unterlasse nicht „ die besten Werke der Dichter zu lesen; 6c werden seine » Einbilduugskraft mit den schönsten Bildern bereichern.» — So weit das geßnerische Sendschreiben im Aus- zug. Ohne Zweifel ist es unnöthig noch viel von den Le- benSumständen und von dem Sitten-und Kunst-Charakter dieses Lieblings jeder Grazie zu sagen. Seinen Charakter hat er in obigem Sendschreiben und in seinen Werken am besten gemahlet. Einige seiner wichtigsten Zeichnungen hat Fueßlin in der helvetischen Künstler-Geschichte beschrieben. Und wenn irgendwo Füßlin behauptet, daß - lrch den Gott Hymen, der junge Virtuose aus den Chören der Musen und der Huldgöttinnen weggescheucht werbe, so kann doch Geßners Beyspiel zur Ausnahme dienen. Die dieser selber gesteht, so hatte er sowol seiner Garirm seinem Schwiegervater die Ausbildung des Gentes zu Eriken. Letzterer, Heinrich Heidegger, Mitglied des in- uern Rathes, ehrte und kannte die Künste. Sein Cabinet ^ eines der besten in Zürich, und enthält vornehmlich die besten Stiche nach der niederländischen Schule, wie euch eine vollständige Sammlung der ersten Drücke des ^epischen Werkes, welches die erhabenen Werke der kölschen Schule am würdigsten liefert. Auch ist es wegen uner starken Sammlung von Handzeichnungen merkwürdig- und wird jzt, nach dem Hinscheid des Vaters, durch seinen Sohn mit Wahl und Einsicht immer vermehret. Der Ruhm den er sich durch seine Gedichte und Gemählde erworben, zog ihm ausserordentlich viele Besuche Fremden aller Art zu, jedoch wurde das Unangenehme davon durch die persönliche Bekanntschaft mit Manchem verdienstvollen Manne versüßt. Unter den Zielen Ehrenbezeugungen, die ihni in der Nähe und üerne sowol die berühmtesten Schriftsteller und Künst- ier als auch die grossen der Erde erweisen, erwähnen Mir «och jener güldenen Schaumünze», womit ihn die Kaiserin in Rußland beschenkte. Ungeachtet der allgemeinen Huldigung, womit ihn jeder Kenner des Schönen beehret, ist er von Stolz und Eitelkeit ebenso sehr als Lafontaine entfernt, und in seinem Charactcr herrschen bie Naivität und Einfalt, wodurch uns die Schäfer in seinen Idyllen entzücken. Seine Mitbürger ehrten und liebten ihn, und fuch- teir ihr Gefühl ihme durch Übertragung von politischen Ehrenstellen zuweisen. — So ward er ungeachtet er - gar nicht suchte noch sich darzu berufen wurde. i. 1.1767. i6o -- also gleich nach erreichtem gcsetzmässigen Alter, in deit täglichen Rath gewählt, und 1781. erhielt er die AuMt über die Sihlwaldung, eine Stelle die ihm vorzüglich durch die Wohnung in einer romantischen Sommerweh- rmng im Sihlwald, angenehm wurde. — Als Mitglied der Regierung behielt er den Charakter der seine Gedicht und Gemählde belebt, Sanftmuth, Güte, Menscht keit und Wohlthun, und die öftere Gelegenheit diese Tugenden auszuüben war es vornehmlich, welche ihm die oft troknen und langweiligen Geschäfte erträglich machte- Ein apoplectischer Zufall, machte seinem Leben, das den 2. Merz 1788. ein schnelles aber sanftes Ende Sein Andenken, welches aber so lange geehrt senn wird' als guier Geschmak, Dichtkunst und Tugend nicht ausgerottet ist, suchten einige seiner Mitbürger durch ein Denkmal zu verewigen, welche der nun auch verstorbenen berühmte Trippel verfertigt, und auf der reizenden Promenade , dem Schützenplatz errichtet wurde. Leonhard Usteri. ///c üono/'r mer Frctatr'r aut /cruc/crtur crrt aut Leonhard Usteri ward in Zürich im Jahr 1741. geboren. Sein Vater Paulus Usteri, den er frühe, noch beynahe als ein Knabe verlor, war ein angesehener Kaufmann und Freund alles Guten und Schönen Seine Mutter, eine ehrwürdige Matrone, überlebte ihn; eine unermüdet thätige, kluge, weise Hausfrau; vortrefliche Mutter vieler Kinder; immer gleichen geraden Sinnes, immer zufrieden, auf auf Gott vertrauend in Freud und Leid; eine Zierde des Alwrs, ein Muster ihres Geschlechts. Von seinen Eltern und besonders seiner Mutter, Ehielt der «Knabe den ersten Unterricht ; dann ward den öffentlichen niedern und höhern Schulen seiner Vaterstadt übergeben. Ein gefühlvolles, für jede Weht und Tugend empfängliches und lautschlagen- des Herz zeichnen den Knaben Und Jüngling aus, Und machte ihn, vereint mit Fleiß, Talenten, und Liebe zu ernMastern Wissenschaften seinen Lehrern theuer. Breitingern besonders, Bodmern, Ioh. Geßnern, und sttnem Privatlehrer, dem stillen Weisen, Pfarrer Däni- ler, dankt Usteri einen grossen Theil seiner früheren Herzens und Geistesbildung. Seinen Mitmenschen und besonders seinen Mitbürgern so nützlich als möglich zu werden, Kar schon in des Knaben Seele, der nie erlöschende Trieb ieder Handlung; durch ihn bey der AuSwählung eines Be. vuses geleitet, siel seine Wahl auf den geistlichen Stand. 3ch erinnere mich einst von ihm gehört zu haben, er wäre beynahe für den Stand des Arztes entschlossen gewesen, aber eine gewisse Reizbarkeit seines Nervensystems, die ihm beym Beschauen oder auch nur beym Erzählen hören von etwas schauerlichen Wunden und Verletzungen leichte Ohnmachten (selbst noch in seinen männlichen Jahren) zuzog, habe ihn davon abgehalten: Breitinger und Ich. Geßner mögen sonderheitlich seine Vorliebe für Mathema- ück rege gemacht haben, die seinen Geist so sicher vor allen Ausschweifungen der Einbildungskraft wahrte, und die tv so manchem Jüngling eben darum so dringend empfahl. Ioh. Gcßner war ein Herzensfreund seines Vaters und allso auch der Kinder; diese wurden von dem unaussprechlich freundlichen Manne an — ihnen feyerlichen und unendlich freudigen Nachmittagen zu sich geladen, und aus L seinen reichen Schätzen mit Gegenständen der Namrlehrs und Naturgeschichte unterhalten. Daher, und aus dem spätern Umgang mit Geßnern, erhielt Usteri einen Theil seiner nicht unbeträchtlichen physischen Kenntnisse, die er zur mannigfaltigsten Anwendung zu benutzen vormflich verstand. Eben so wichtig, oft wichtiger noch als Lehrer, sind für die Bildung des Jünglings Jugend - Gefährten und Freunde! O ihr heiligen Gcniusse der Jugend, freund- schaftlicher Wetteifer! sich gegenseitig ganz hingebende Theilnahme freundlicher Jugend! euch dankt, erkannt, und unerkannt, so mancher Jüngling Tugend und Weisheit. Auch Usteri genoß euere Gaben — ältere und jüngere vortrefliche Freunde, ein Sal. Geßner, Steinbrüchel, Heß, Füßli und mehrere andere liebten ihn innig und wurden innig von ihm geliebt. Es war damals eine bekannte Dichrer-Periode, wo ein jeder von der Natur nicht ganz verwahrloster Jüngling Verse machte — auch Usteri blieb nicht zurück. Er machte — doch in geringerer Anzahl — Oden, Idyllen u. s. w. die er seinen Freunden mittheilte und sich mit deren Lob und Tadel begnügte, ohne dabey der Verse-Sucht oder der Freude sich gedruckt zu sehen, das gründliche und ordentliche Studieren, aufzuopfern. In den Jahren und ^y. fuhr Usteri nach gros- sentheils vollendeten öffentlicher» Studien sich selbst auszubilden fort. Die klastischen Schriftsteller des Alterthums, vorzüglich Griechenlands, das Studium der moralischen Theologie, die damals vornemlich liebliche und Früchten versprechende Blüthen auszubreiten begann, der Umgang mit lieben Freunden, erfüllten die schönen Muffe-Stunden des sich zu grösseren Arbeiten bereitenden Jünglings. Im Jahr 1760. trat er seine Reise nach Italien und Frankreich an, von der er zu Ende des folgenden Jahres rurükkain. Kurze Zeit, kurz wie sein Leben — aber auch lang wie dieses! — lange für den Tugendhaften, Kennt« nißreichen, sich selbst durchaus und allenthalben empfehlenden Jüngling, der nicht etwa mit dem eingeschränkten Blick des Fachgelehrten, sondern als Weiser, der was immer nützlich und brauchbar ist, umfaßt — reiste. Sein Zweck war, Menschen aller Art, besonders aus den gelehrten und höher» Ständen kennen zu lernen; mit den Meßten Menschen wo er sie träffe, genauere Bekanntschaft in machen; der Länder und Völker moralischen und poli. lochen Zustand zu untersuchen; in Italien besonders die llrkunden schöner Zeiten, die Denkmäler dessen, was Genie und Kunst der Menschen auf ihrer höchsten Stuffe hervorbringen konnten, zu studieren. Wie treflich er alle diese Endzwecke erfüllt hatte, davon zeugten schon die Briefe, die er von seiner Reise an leine Lehrer und Freunde, Bodmer, Joh. Gcßner, Stein, lwüchel, Sal. Geßner, Füßli u. a. schrieb, und jeden dieser Männer mit seinem besondern Fach unterhielt. Vier Monate brachte er nach seiner Abreise von Zü- rich, in Genf zu, benutzte den Unterricht und Umgang der damals sehr berühmten dasigen christlichen Lehrer und Prediger, besonders VernetS. Moulton dieser Mann nach dem Herzen RousscauS, und Roustan wurden seine genauen Freunde mit denen er nach seiner Zurückkauft, lange Zeit einen vertrauten Briefwechsel unterhielt, der vorzüglichRxus- seau zum Gegenstand hatte. Von Genf reißte er über Turin, Mavland, Parma, nach Bologna, der Stadt, der er unter allen italienischen Städten in Absicht auf Sitten und Gelehrsamkeit den Borzug gab; von da auf Florenz, wo er die unbenutzt lie- Senden reichen Schätze der Kunst und Gelehrsamkeit be- tvaurte. Hier, so wie schon früherm Genf, ließ er sich Lr die Zeit und Geduld federnde Arbeit nicht dauretl, sich oder seinen Zürcher Freunden, wichtige Handschriften der öffentliche» Bibliotheken selbst zu kopieren. Eine kleine Anekdote aus dieser Zeit, die er mir einst erzählte , kann wenigstens auf den bescheidenen Charakter unsers Reisen* den einiges Licht werfen. Als er den Garten der botanischen Akademie zu Florenz besah, zeigte ihm der Professor eine damals noch neue nnd wenig bekannte Pflanz«' die Usteri aber sogleich mit dem Linneischen Namen benannte ; worauf er dann ohne weiterö zum Mitglied der Sozietät eingeladen, und ihm das Diplom eines Ehrenmitglieds verheißen ward; er schlug aber die Ehre, als ihm gar nicht zukommend, aus; und erbat sich dieselbe für seinen ältern Bruder, der eigentlich botanische Kenntnisse besässe. Von Florenz kam er nach Rom, dem ewig liebsten, schönsten Theil seiner Reise, von dem er so gern erzählte, an den er nie ohne fröhliche Rührung dachte. Hier traf er in Winkelmann einen neuen grossen Lehrer und Freund'. Von ihm schrieb er an einen seiner Freunde, der zwey Jahre später nach Rom reiste: ,, Umarmen, umarmen Sie --ihn für mich, auf das allersreundschastlichste, diesen „ mir lieben theuren Mann, und sagen Sie ihm , daß ich „mein Lebrag nicht vergessen werde, wie vielen Dank ich „ihm für seinen Unterricht schuldig bin; die Tage, die „ ich mit ihm zubrachte, sind mir schöne Tage, sie glän- „ zen unter den Tagen meiner Jugend, und wenn ich „alt werde, so werden sie mich im Alter ergözen. Las- „srn Sie mir von einem guten Zeichner in Rom, sein „ Portrait nach dem Gemählde zeichnen, das er in fti- „nem Zimmer hat, daß ich eS in meinem Studierziin- „mer aufhänge.» Die Briefe, die Winkelmann an Usteri chrieb, bezeugen die grosse Achtung und Freundschaft dieses Mannes gegen ihn. Sie sind in der Sammlung --— i65 von WinkcfmannS Briefen an seine Freundem der Schweiz, an deren Herausgabe auch Ufteri Theil hatte, gedruckt. Drey Monate brachte er hier mit dem uncrschöpsiichen Studium des schöne» Alterthums zu; lernte dabey aber auch von jeder andern merkwürdigen Seite, Rom kennen, im nähern Umgang mit den Kardinälen Albani, Paßionci und Rochefoucault dem damaligen französischen Gesandten Ul Rom. Von Rom reiste er nach dem gleichfalls durch Natur und Kunst so merkwürdigen Neapel — dann nach Frankreich, über Lyon nach Paris. Sich selbst empfehlend , empfohlen von seinen bisher erworbenen wichtigen Und vortrekichen Freunden, ward ihm auch hier der Zrr- gang zu jeder Gesellschaft, die Bekanntschaft jedes berühmten und grossen Mannes leicht Der Graf CayluS dieser Kenner des Alterthums, und Schäzer jedes Verdientes , schenkte ihm seine besondere Freundschaft: aber über alle Bekanntschaften die Ufteri in Paris machte, über alle Freundschaften die er sich erwarb, und die ihm wahre Ehre brachten, ragt lieblich hervor, die Freundschaft, die I. I. Rousseau ihm schenkte. In Rousseau verehrte er den redlichsten Priester der Wahrheit, den unversöhnlichsten Feind aller Vorurtheile, den Mann, der allein fürS 880hl der Menschheit, für Stürzung jedes schädlichen Borurtheils, für Erhebung der Wahrheit dachte und lebte: und Rousseau erkannte in Ufteri den freydenkenden, ein- stchtvollen, eifrigen, herzlichguten, anmassungölosen jun- Se» Schweizer, der ihm ohne Schmeicheley; offenherzig Und frey seine Gedanken auch über seine Lieblings - Pläne Und Sachen mittheilte. Sie wechselten einige Zeit miteinander sehr interessante Briefe. Zurück von seiner Reise lebte Ufteri noch zwey Jahre kür sich, ohne öffentliche Arbeiten, sezte seine vorbereitenden Studien fort, arbeitete unter anderm an einer Ueker- setzung seines LieblingS-Schriftstellers Demostheneö — hielt 166 1762 historische Sommer-Vorlesungen — ward Mitglied der physikalischen Gesellschaft / in der er viele Jahre eines der fleißigsten vortreflichsten Mitglieder war — " theilte dieser Gesellschaft in mehrern Vorlesungen die wichtigsten Fragmente über Oekonomie und Naturgeschich- ie die er in den Alten fand — dann Beschreibungen mehrerer Merkwürdigkeiten der Natur und Kunst in Italien, mit. Eine beträchtliche Zeit war er Sekretär der ökonomischen Kommisßion dieser Gesellschaft, und ein sehr thätiger Beförderer ihrer Bemühungen zur Aufnahme der Land - Oekonomie in unserm Kanton — er schrieb verschiedene Berichte, Aufsätze, Ermahnungen, Auszüge aus den Antworten der Landleute auf die ausgegebenen Preisfragen die gedruckt und von der Gesellschaft unter das Landvolk ausgetheilt wurden: bey Einrichtung der so nüzlicken Bauren-Gesprächcn dieser Gesellschaft war er besonders thätig; auch war er mehrere Jahre Bibliothekar der Gesellschaft, die weder vor noch nach ihm einen so treuen und fleißigen Bibliothekar hatte. Zu Anfang des Jahres 1764. verlobte erstch mitOttft tia Muralt, und reiste mit seiner neu angetrauten Gattin nach Genf zu Rousseau, um von diesem liebenswürdigen Priester der Natur den zweyten Segen zu empfangen- Gegenseitige Achtung und Liebe beglükte» die durchaus zufriedenen und heiteren Jahre seiner Ehe. Von mehreren Kindern blieben zween Söhne am Leben, die mit der hin- terlaßncn Wittwe des Vaters Andenken ihr Lebenlang ftg- uen werden. Noch im gleichen Jahre ward er Professor der hebräischen Sprache am Zürcher - Gymnasium; 1769 Professor der Beredsamkeit; 177; Professor am Lc-lllZio bums- nksris und 1788 Professor der Theologie. Dadurch ward dann also sein erster und liebster Beruf — der unterricht derjenigen Jünglinge unserer Vaterstadt, die sich demSlaa- -- 167 k oder der Kirche wiedmen wollen, und zu dem Ende hin unsere höheren Schulen gewöhnlich besuchen. Diesen schöbe» Beruf erfüllte Ustcri während zwanzig Jahren mit einer beynahe Beyspiellosen Treue und Gewissenhaftigk it, ^nem nicht zu ermüdeten Fleiß und Eifer, und dann auch "ut dem gesegnetesten Erfolge! Zu Zeugen ruf ich euch alle "uf, ihr viele hundert Jünglinge, nun Männer unsers Zürichs, die ihr früher oder später, längere oder kürzere Zeit seinen Unterricht genossen habt — ihr mochtet den Seggen lieben oder nicht lieben — doch liebte ihn kein Guter nicht — das Zeugniß müßt ihr ihm alle geben, daß einen treueren Lehrer, der mehr mit Her; und Seele gearbeitet hätte, der mehr Zeit und Fleiß ausseineSchüler verwandt, thuen alle Nebenbeschäftigung und jede Art von Erholung ">ehr nachgesezt, gewissenhafter seine Lehrers Wichten im weitesten Umfang des Worts erfüllt hätte — ihr nie gekannt! Der würdigste Ernst, nur selten nicht gemildert, von der fröhlichsten edelsten Munterkeit, belebte seinen Unterricht, der sich jeder Fassungskraft anzupassen ganz unnachahmlich verstand! dabey war keiner seiner Schüler der tucht ausser den Stunden des öffentlichen Unterrichts, besondern Rath, Ermunterung, Hülfe, Unterstützung von thm erhalten hätte, und groß ward des Seligen Freude, tvenn Liebe und Zutrauensvolt der Jüngling mehr verlangte — siber geheimere Anliegen Rath wünschte, zu Hebung von Zweifeln, zu Ueberwindung grösserer Schwierigkeiten Hülfe suchte; mit welcher Herzlichkeit, anmassungölosen Herablassung und Freude that er das, und wie vielen Dank berührter Jünglings Herzen erwarb er sich nicht dafür zum schönsten Lohn! Ausser den zahlreichen Unterrichts Stunden die ihm sein Lehramt auflegte, gab er häufig einer grösser» oder kleinern Anzahl, auch wohl nur einigen oder einzelnen Jünglingen Privatkollegia über Mathematick, ältere Geschichte , Encyclopedie der Wissenschaften u. s w. 168 Als Professor war er verbunden von Zeit zu Zeit offene liehe .snsuZuriii und andere Reden zu halten, die sich jeder zeit durch interessante Gegenstände, durch einen ungewohnt lichen Fleiß, den er so wie auf alle seine Arbeiten, so auch hierauf wandte, und durch die Würde und den vorrrefii- ehe» Anstand mit denen er sie hielt — auszeichneten. Ich nenne hier einige davon. 1769. Die ZnsuZural Rede als Pros. Kehr. Os Oorchii'o msjorumnostrorum HUI 8ea. lug. in ist inculmerunr ut Verlionem nostrsm germsmcam Loä» 8. sst veritatem NebräiLam rekituMm in vul^us esterent» 177». krivstornm gusrnnstsm in LnZlis pro prvmovenä? ßlbriki stisciplins psuperumgye istione kabensts conatv 5 , ceu stignum ckriitignce CAriwUs exemplum stüens Ek wSt Mitglied dieser englischen Gesellschaft und führte mehrere I.chxe einen sehr ausführlichen Briefwechsel mit ihr, theilte derselben auch verschiedene Arb.itcn und Pläne mit. 1784» ^ulisnus nvn cdriliisn-L reiiZionis fest obristisnorum Hostie- Seine lezre Rede als Pros. der Theologie ist weiter ausgeführt, gedruckt in der vifferlstion — Lonk.ia stustii tkeylogici raÄL inüituensti (lurici spust 6e5n. 178?-) Doch Nicht nur der kleinere Theil der Zürcher Jugend, der Werts Unterricht genoß, segnet sein Andenken; die allgemeine Verbesserung der Schul - Anstalten für die männliche Jugend unserer Vaterstadt die vor bald zwanzig Jahren zu Stande kam, ist Sein und einiger vortrcSicher Mitarbeiter Werk. Was sein Eifer und Fleiß da that, mögen die Zeitgenossen zeugen — doch solche Thaten bedürfen keines Zeugnisses und keines Lobes. 177; schrieb er die Nachricht von den neuen Schul-Anstalten in Zürich als eine Anweisung und Aufforderung sich dieselben zu Nutze zu ma- ch.n. (Zürich bey Orell.) Kaum war er mit diesem Geschäfte zu Ende, so schritt er an die Ausführung eines eben so wichtigen, für seine Vaterstadt eben fo scgenövollen Entwurfes, So wie für die Erziehung der Knaben gesorgt war, so wollte Usteri, sollte nun auch auch sür die Erziehung der Töchter gesorgt Werden; auch sie sollten in einer besondern Schule Gelegenheit finden, dasjenige zu lernen was Ihnen sowohl in der Zeit da sie noch zu Hause bey ihren Eltern leben, als nachher wenn sie für sich selbst sorgen müssen, Vortheil bringen und dazu dienen könnte, daß sie als Hausmütter ihrer Haushaltung wohl vorstehen, als Gattinnen die Angelegenheiten ihrer Männer soweit es ihnen zukömmt verstört- dig besorgen, und als wohl unterrichtete Mütter sich eine vernünftige und christliche Erziehung ihrer Kinder sclbstan- gelcgen seyn lassen, und zum Unterricht derselben das Ihrige beytragen könnten. Er theilte seine Pläne darüber einigen einsichtsvollen Freunden mit, und wandte sich noch im Aahr 177; gemeinschaftlich mit Ihnen, an das Publikum. Mit der weisen Männern eigenen Mäßigung! und Sorgfalt gieng Usteri dabey zu Werke. Er wollte gar nicht auf einmal eine Schule einrichten, in der alle die Kenntnisse die dem weiblichen Geschlecht nüzlich sind und zur edelsten Zierde gereichen gelehrt würden; e^wollte durchaus nicht auf einmal eine gemeinschastlicheTöchtev-Schule sür alleSrände errichten. Wenn sein Plan solche Wünsche oder gar Forderungen enthalten hätte, so wäre er gewiß nicht, oder doch viel langsamer und schwieriger zu Stande gekommen. Man wollte für einmal eine Schule, in der die Töchter (zwischen 12 und 14 Jahren) mit Verstand lesen, leserlich und ordentlich schreiben, und so viel rechnen lernten, als ein Frauenzimmer bedarf, um eine Haushaltung zu führen „ Man könne es beydem ersten Versuch einer solchen Töchter - Schule um so viel eher hicbey bewenden lassen, Weil zu vermuthen sey , diejenigen die sich mit dir sein wenigsten begnügen, seyen auch diejenigen denen es am schwersten fällt, Geld für den Unterricht ihrer Töchter auSzu- geben: da hingegen andere die nach mehrerem Unterricht streben, weil sie den Anlas haben in der Welt davon Ge« brauch zu machen, sich meistentheilö in solchen Umstände« befinden, daß sie sich solchen Unterricht selbst verschaffen können. Auch der Unterricht in allerhand Frauenzimmer- Arbeiten würde Hinwegbleiben, weil dazu genügsamer Anlaß vorhanden ist; und der Gewinn den man bald davon ziehen kann, dasjenige was man sür Kinder deßwegen aufwendet, in kurzer Zeit wieder ersezt.» Der Unterricht der Töchter mußte diesem Entwurf zu- folg, durchaus unentgeltlich geschehen, deßnahen wurde das Publikum zu freywilligen jährlichen Beyträgen aufgefordert Mit unverhofter Schnelligkeit und unerwartetem Segen, vereinigte sich alles, zur erwünschtesten Ausführung des Entwurfs. Was am allernothrvendigsten war, eine vortrefliche Lehrerin fand Usteri in Igfr. Goßweiler, die ganz in und nach seinen Gesinnungen arbeitete, ihn als einen Vater verehrte und liebte, sich seine Achtung und vollkommenste Freundschaft bald erwarb, durch den Eifer und Fleiß den sie in Erfüllung aller ihrer Pflichten, und aller seiner Wünsche brwieß;"die mit ganzer Seele für die Schule und ihre Aufnahme und Vervollkommnung lebte und noch lebt! Ein grosser und verehrungöwürdiger Theil des Publikums, bewies durch reichliche Geld - Beyträge die wahre Theilnahme, und Billigung des Entwurfs; auch die Regierung bezeugte schriftlich ihr Wohlgefallen und nahm die Anstalt in ihren Schutz. Es meldeten sich sogleich mehr Töchtern zur Aufnahme als Pläze vorhanden waren, und die Schule ward eröffnet. Nach Verfluß von wenigen Monaten mußte man eine zweyte Klasse errichten, um eine doppelte Anzahl von Plätzen dadurch zu gewinnen, und einige Jahre nachher eine dritte Klaffe, unter einer zweyten in der Schule gebildeten Lehrerin, so daß nun immer 6<, Töchtern zugleich die Schule besuchen konnten. Sehr bald - wünschten auch Eltern von vornehmerem Stand, den Unterricht dieser Schule gemessen zu lassen, „ und so, sagt -- Usterr, war dann erst unser Zweck erreicht, auch in den » Hähern Ständen zur Ausbreitung solcher gemeinnützigen » Kenntnisse und Fertigkeiten nach einem zweckmäßigen Plan »behülstich zu seyn, und mehrere Gelegenheit zu solchen » Uebungen zu verschaffen, durch welche die Gewöhnung »an Ordnung erleichtert und befördert wird Sonder. » heitlich erhielt unsre Anstalt einen Werth durch diese frcund- »schastliche Zusammenkunft der Töchter von vornehmer » und geringerer Hcrkonft; daß sie ungemein vielen Anlaß » gab, solche Gesinnungen die zum Glück des gesellschaftli- »cheu Lebens beytragen, zu pflayzcn und zu nähren, und » den republikanischen Geist mitzutheilen, welcher ohne »Rücksicht auf äussere Umstände einzig auf das sehen soll, » was wahren Vorzug giebt, und jede gute Eigenschaft gleich »schäzt und hervorzieht, wo immer sie sich befindet. Hier »fand sich die Gelegenheit nicht nur die Vortheile von »Neid und Mißgunst auf der einen Seite, und von Stolz » und Verachtung auf der andern zu heben, sonderndem »fatalen Hang zu dem einen oder dem andern dieser schädlichen Gemüths-Fehler dadurch frühe zuvorzukommen, » und dadurch Liebe, Zuneigung, Achtung und Freund- »schastunter jungenBürgerinnen von verschiedenem Stand, »in einem Alter einzupflanzen, in welchem solche Neigungen so tiefe Wurzeln schlagen, daß sie sich nimmer ganz »ausrotten lassen. Der Unterricht in der Schule selbst wurde nun > ach und nach mit weiser Vorsicht erweitert und vervollkommnet ; was immer zu zweckmäßiger Aufklärung und Geistesbildung des weiblichen Geschlechtes beytragen konnte; was immer im Stand war, der zarten Mädchen Seele die frohe und herzliche Ausübung der künftigen Pflichten der Gattin, der Vorsteherin des Hauswesens und Mutter leicht zu machen - 'und so auf dem einzig möglichen Weg iW wahre Glükseligkeit zu befestigen, ward soviel eö die Um« stände erlaubten, bcnuzt und angewandt. Allen Theilnch- mernan der Unterstüzung der Anstalt/ gab Usteriin schriftlichen Berichten, die mit der jährlichen Rechnung über den Fond der Schule zirkulierten, Nachricht von ihrem Fortgang ; und jedes ;te Jahr ließ er eine solche Nach« rieht drucken, deren von 1777 bis 1789 fünf erschienen sind, in denen die beßteu Nachrichten von der Einrichtung der Schule sich finden. Mit jedem Jahr vermehrten sich dieinn-und ausländischen Freunde der Anstalt; der grosse Bodmcr vermachte derselben sein Haus und ein ansehnliches Kapital; in und ausser unserm Vaterland wurde daS Institut nachgehamt, in Bern, Arau, St. Gallen und andern Orten, suchte man in der Zürcher Schule gebildete Lehrerinnen zu erhalten, in unserer Vaterstadt wurden Zöglinge der Schule zum Privatunterricht junger Kinder gebraucht, und so verbreitete sich der Segen des Instituts augenscheinlich. Im fünfzehnten Jahr und wenig Tage vor seinem Tode, hakte Usteri die grosse Freude allen Beförderern des Schule bekannt machen zu können, daß die Anstalt, in der bereits an ;oo Töchter unsrer Stadt unterrichtet worden, nun zu solchen Kräften erwachsen sey, daß sie künftig ohne ihre jährlichen Beyträge besteh« und fortgesezt werden könne, indem ein solches Kapital gesammelt sey, aus dessen Interessen der Aufwand den die dermalige Lage und Ausdehnung der Schule erforderten gar leicht bestricken werden könne. Wenn es wenigen Menschen vergönnt ist, das Gelingen edler Absichten und Bemühungen so vollkommen zu erleben , und beym Abschied von dieser Erde ein schönes und grosses Werk nicht etwa unternommen und angefangen, sondern vollendet, und gleichsam für sich bestehend seinen 17 ? Mitbürgern als ein reiches Erbe zu hinterlassen: so sind wahrlich auch wenige der guten und edeln Menschen, die Ee jene Eigenschaften, die zur Ausführung solcher Werke Chören, ich meyne vornemlich stille Thätigkeit, die weder Geräusch, Aufsehen, noch Ruhm, noch was immer dergleichen seyn mag, sucht; ausdaurenden immer gleichen Eifer, und Fleiß; weise Mäßigung; freundschaftlichen Ernst, milde Güte durch Menschen-Kenntniß gebildet, der Menschen Liebe gewinnend, so in sich vereinten, wie Wen sie vereinte. Ein zweytes Projekt das einen Hähern Unterricht für einzelne Klassen des weiblichen Geschlechtes bezweckte, und das listen schriftlich in einem Buch vorn Unterricht für Frauenzimmer hinterließ, blieb unausgeführt. Er schrieb dies Buch schon -774, merkte sich dazu das nonum xre- wscur in annum i und hielt es nur allzugewissenhaft. Der Unterricht taubstummer Kinder war auch geraume Zeit ein Gegenstand seiner Aufmerksamkeit. Nähere Gelegenheit dazu gaben ihm die Versuche, die der würdige Pfr. Keller zu Schlieren mit so gesegnetem Erfolg anstellte» Er hat in einigen der ersten Jahrgängen des helvetischen Almanachs seine Beobachtungen und Bemerkungen darüber mitgetheilt. In früheren Jahren hatte Usteri bisweilen gepredigt, und selbst einmal eine Prediger-Srelle zu erhalten gesucht; aber die schon oben berührte besondere Empfindlichkeit seines Nerven - Systems, die es ihm, dem sonst so männlichen Manne, schwer machte, ohne Thränen eine rührende Predigt zu halten, und die wichtigen Arbeiten die er im Erziehungsftich vor sich sah, zogen ihn bald ganz davon ab. Es mag auch unter seine nicht unbedeutende Verdiene ste gehören, daß er männlich und wirksam, einem sehr bekannten Schwärmergeisie entgegen arbeitete, der sonderlich unter unser» jungen Geistlichen in den 7»ger Jahren, i-4 an die Stelle vernünftige» SelbstdcnkenS, gründlicher Studien und nützlicher Kenntnisse, vielerley religiösen Tand und Träumerey, und die menschliche Vernunft erniedrigende und unterdrückende Dinge zu bringen suchte« Daß Usteri von diesen gefährlichen Irrwegen manchen Jüngling zurükgebracht, dafür sind noch schriftliche Zeugnisse vorhanden. — Ich glaube es ihm aber auch zu einem besondern Verdienste anrechnen zu können, daß er öfter furchtlos frey, und ohne Aufsehen damit zu machen, sich an Männer wandte, von denen alles das au gieng und sie warnte und bat, bey gewissen Gelegenheiten behutsamer und klüger zu seyn. Ich will gerne glauben, daß auch id gerade und eines edeln Mannes so würdige Schritte, oft fruchtlos waren, das benimmt aber ihrerlt wahren Werthe nichts. Viele Jahre und bis an seinen Tod war Usteri erster Bibliothekar an der Stadtbibliothek. Die vielen Arbeiten, die sich auch an diesem Ort von ihm finden, die vortref- liche Ordnung und Genauigkeit die er da theils fortführte, theils einrichtete; die Gefälligkeit und Zenausopferung die er in die diesem Amte gegen Einheimische und Fremde so unabläßig -ewieß, waren neue Verdienste um seine Va« terstadt. So war der Mann in seinem öffentlichen Leben; doch grösser und edler noch im stillen Privatleben. Hier, wo wegfallen jede minder edle Bewegungsgründe grosser und guter Thaten; wo sich der wirklich weise, der wirklich gute Mann so zeigt wie er ist; hier zeigten sich Werts Tugenden im schönsten Glänze. Wollt' ich sie einzeln aufzählen, diese Tugenden, so möchte man glauben, die so ich etwa vergäße, hätten ihm gemangelt. — Er besaß alle Zufriedenheit, immer gute Laune, immer rege freundschaftliche Theilnahme, zuvorkommende amnassungSlose Hülfsbegierde, warme Dankbar- - ,75 keit, nicht rechnendes gcrnes Vergessen erwiesener Wohl- chaten, machten ihn allgemein beliebt, allenthalben willkommen, verbreiteten Frohheit wo er war. Manchem seiner Mitbürger, der verwickelt in ökono, Äschen und moralischen Labyrinthen, keinen Ausgang sah fand, hals er allein oder mit Freunden, still und son- ^ Aufsehen, zurück auf die Strasse der Freyheit und Tugend. — Unzählbare Väter und Mütter, suchten bey st>m, und nie vergebens, Hülse, Rath und Trost für schwere und »«belohnt scheinende Erziehungs-Sorgen. . Vater vieler fremder Kinder, war er es nickt minder ^ engerm Sinne seiner eigenen. Ihr Lehrer und Freund, opferte er Ihnen Zeit, Neignng und was alles Vaterher- aufzuopfern möglich ist, ruf. Was beyde Söhne Gu- ^ haben mögen, danken sie der Erziehung Ihres Va. ters — ihre Fehler sind nicht seine Schuld Er liebte die Wissenschaften, sonderheitlich auch in chren, allgemeinern Zusammenhang. Er las die beßten äl- korn und neuern Schriften, und besaß sie in einer ausgemahlten Sammlung. Lesesucht war indessen nie seine Sa- chr, er wußte seine Zeit besser anzuwenden, und schon als ^"ngling las er aus Grundsäzen, wenig Journale und Eilschriften, weil er wenig wirklich neues darin« fand. Wollen die Nachkommen auch sein Aeufferes kennen. ^ war edel wie sein Geist! den selbstständigen furchtlosen freyen Mann zeigte sein ganzer wohlgebildeter Körper, fein edler Gang voll Würde und Anstand; den Selbstdenker verrieth die freye Stirne; den rhatenreichcn Mann ^6 Feuer der Augen; herzliche Güte und wohlwollende Freundschaft belebten den redenden Mund. Seine Klei- ^ug war einfach, doch gewählt, und zierlich wie es «land und Würde erlaubten. Er liebte die Gesellschaft »elstreichcr Frauenzimmer und edler Freunde, und wieder ihnen die Stunden seiner Müsse. Seine GlükSgütcr warm mittelmäßig/ sein Aufwand weise und sparsam deti- selben gemäß Bey ziemlich schwacher Gesundheit war ek ^ doch auch nicht kränklich. Seit mehreren Jahren liesst , von Zeit zu Zeit emtrettende heftige Kolickschmerzcn; die dann doch wieder bald verschwanden / einen gefährliche" wahrscheinlich ererbten Gichtstoff im Körper befürcht"' Zu Ende deö Jahres 1788 da er Professor der Theologie und mit einer Menge neuer Geschäften beladen ward, arbeitete er mit ungewöhnlicher Anstrengung von früh Morgens z oder 4 Uhr. — Der sehr harte Winter verbünde" mit jener Anstrengung erschöpften seine Kräfte — ei" Schleimfieber befiehl ihn / von dem er sich langsam zu erholen schien / als ihn z« Anfang des May Monats 89 ei" Nervcnschlag traf/ der ihm die eine Seile lähmte uift das Bewußtseyn raubte / den i-ften verschied er. Sein Tod verbreitete tiefe und allgemeine Trauer unter den Seinen / unter Freunden / Bekannten und Unbekannten. Die ganze Stadt betraurte 'ihren Wohlthä- ther / und gewiß war auch kein einzelner der sich seine» Todes gefreut, oder ihn bald vergessen hätte. Wahrhaft grosser Männer Verlurft fühlt man selbst nach einiger Zeit tiefer als gerade im Anfang. Das war auch hier der Fall; noch fliestet seinem Andenken manche Thräne. Seine Schüler liessen — was sie ehmals auch BodmerN thaten, sein wshlgetroffenes Bild auf einer Denkmünze verewigen. In der Mitte seines männlichen Alters weggerufen, von dieser Erde, war sein Leben doch nicht kurz — da kein thaten-nnd tugendreicheS Leben kurz genennt werden darf. Schön und glücklich nenn' ich den Tod, aus der Mim dankerfüllter Seinen und Freunde, allgemein geehrt und allgemein geliebt, nach vollbrachten segenSvollen und jinmerdaureuden Arbeiten, gleichsam plözlich versezt ;N WW »77 werden in höhere Welten, mit dem sichern Bewußtseyn, daß mit Dank und Segen unser Andenken hienieden bleibt. Und so wird Leonhard Usteris Andenken bleiben. Und so lange Zürich seine verdientesten Männer, seine wahren Wohlthäter kennt; so lange der Vater dem Sohne, die Mutter der Tochter von grossen und guten Vorältern erzählen; so lange wird Leonhard Usteris Name von der Nachwelt geehrt und gepriesen werden, B. F. A. I. D. von Zur-L-uSerr. Beat Fidel Anton Johann Domüiicus Freyherr von la Tour»Chatillon - Zur - Lauben, gewesener Erbherr von Hem- drunn und Angüken, Kommenthur des königl. RitterodenS St. Ludwig , General»Lieutenant m Französischem Dienste, wurde den Augstm. 1720. zu Zug gebohren. Sein Vater, Beat Ludwig, war viele Jahre Lieutenant in der Compagnie von Zur-Lauben hcy dem Schweizerregrment Pfyfer. Im 1. 1708. befand er sich bey dem Treffen zu Oudenarde. Er war ein jüngerer Bruder des Baron Beat Franz Placidus, Groß. Kreuz des St. Ludwigs-Ordens, General!-Lieutenant und Obrili über ein Regiment der Schweizerschen Leibwache in Frankreich, * welcher den ;i. Decembr. 1770. zu Paris starb» Brode sind Söhne des Baron Beat Jacobs, Ritters vorn St. Ludwigs-Orden, Hauptmauns in französischem Dienste, Landammaims zu Zug. Daselbst starb er den 4. Icnner 1717. Seine Gemahlin tvare Maria Barbar«, eine Schwester des Baron Beat Jacob ve la Tour, Thätlich«-Zur. Lauben» Grafen von Wylerchai im Eisaß, * Man sehe seine Dienste in der Lkranologie NiKorique mi- Utö aus einem angesehenen Hause im österreichischen Schwaden. Ihr Großvater Gervasius war Obcist über ei» Regiment zu Pferd in kayserlichem Dienste, auch Kon>' mcndant zu Hohentwiel während des schwedischen Krieges- Das Haus von Zur, Lauben ist ein Zweig der alte» Baronen von La Tour.Chatillon in Wallis, äs Tu"« ^ LoücI1ioni8, d. i. zum Thurm von Gestclcn ober Gestik . lcnburg. Es steigt in das cilfre Jahrhundert hinauf. Ei» besonderer Zweig dieses Hauses hieß Chatillon, lateinisch üe L-tsteUiono oder LküsIIionc, deutsch von Gestelenburg oder von Gcstelcn. Der Stammvater war Aymo, moiseau, d. i. Domiccllus oder auf deutsch Junker, cls jüngerer Bruder Gerolds II. Barons dc la Tour in Wallis, Leroläus äe lurre. Dieß sieht man aus einet lateinischen Urkunde der Abbtcy St. Moritz vom i. Scpk. »26;. Verschiedene Urkunden beweisen, daß Gerold dt la Tour II. in gerader Linie von Wilhelm I. Baron de la Tour abstammcte, und dieser letztere lebte im I. n;?. Der Zweig von Chatillon - Zur. Lauben entsproß von Balthasar von Gestelenburg, Aymons Nachkömmlinge. Seit der Revolulion vom I. i;?;. und i;??. trug man im Walliserland einen bittern Haß gegen den Adel über- i hauvt und besonders gegen das Haus de la Tour. Auch verlor damals dieses Haus seine vornehmsten Herrschaften, unter anderm das Schloß von Chatillon bey Na- ron. Um dem Haß des Volks zu entgehn, änderte obiger Balthasar von Gestelenburg EndS des XlVdcn Jahrhunderts seinen Namen in den Namer^ Zur »Lauben. * S- Ebend. 1 . VI. s. 4 ;;- 4 ;r- Paris 176». , - -79 Dieß erhellet aus dem Iahrfest, welches feine Söhne, Johann und Moritz, in der Kommrnthurey der Ritter, des heiligen Lazarus zu Secdorf in dem Kanton Ury * Gifteten, und zwar so wol für ihn als für seine Mutter, Frau Anna von Voll. Nach dem Necrolog der Kom. ttienthurey zu Seedorf, einem sehr ehrwürdigen Denkmal des alten LazarusordenS, war Balthafar, mit dem Zukamen Zur-Lauben, aus dem Hause von Gestekenburg Wallis. An einem andern Orte bestimmt dieser Ne. crolog das Jahrfest deS Conrabs von Gestekenburg, Ritters von St. Lazar zu Secdorf, auf den rc>. April. Der oben erwähnte Johann vermählte sich mit Agnes Schreiber von Ury. Sein Sohn, Anton, setzte sich im I. r-M. zu Zug. Schon vorher hatte er im I. 1477« das Bürgerrecht zu Zürich erhalten, und zwar zur Belohnung seines bey Granson bewiesenen Heldenmuthö. Seine Gattin, Dorothea Herrmann von Zürich, gebahr ihm lween Söhne, von welchen die verschiedenen Zweige det Hauses Zur-Lauben abstammen. Noch sieht man die Ueberreste des Schlosses Chalillon oder de la Tour unweit dem Dorfe Gestelen, in dem ehemaligen Zehnten von Raron. Die historischen Urkunden dieses Geschlechtes steigen bis gegen das Xlte Jahrhundert hinauf. Eine Urkunde vom 2. April H57. ** redet von einem Zwist zwischen der Adbtey St. Moritz und Wil. Helm de la Tour und dessen Vorfahren, welcher schon seit sehr langen Zeiten gedauert hatte. Dieser Zwist be- * Heut zu Tag eine Adbtey der Denedictinerinnen. ** Lum itagrie gu» inter sxauneotcm LccleLsm L Luillel» miim lle l'urrL L c,'u5 lonxi; retro tempo- rrdu! tliu tluisver»t clitcvräem calumniam sicut comrnii- ni utrius^ue x<>it>8 sNenka termiosvimus Ltc. ( Man sehe dav Archiv der Adbtey von St. Mvritz in Wallir.) M s rL» traf Ollorr, unweit Aigle, im Kanton Leman und Vouvries im untern Wallis. Nach Gmchenon * waren die Baronen von Chatillon ein jüngerer Zweig des alten Hauses der Baronen de la Tour dü Pin im Dauvhinc. ** Von dieser Seite stehn sie in Verwandt» schaft mit den leiten Dauphins von Vicnnois und nut den Herren be la Tour be-Vmay. Die Gleichheit der Wappen und Vermählung des Baron Antons de la Tour mit Billette, der Erbfrau von de la Tour de-V>» riay gegen Ende des XlVden Jahrhunderts, bekräftigen Guichrnons Behauptung. Ausser dem Schloß und der Herrschaft von Chatillon besassen die Baronen de la Tour noch verschiedene ändert Herrschaften im obern und untern Wallis, das Lctfth» thal, Aient, Gradetz, Montagni, Vouvries, Sr. Bran« chier, das Majordomak oder die Meyercv von Sitten u. s. w. In Savoyen Larringe, Lügrin, in dem Kanton Oberland die Baronie Frutingcn, den Grindelwald, im Cant. Bern das Schloß Laupen, Oüon; in dem Kanton Freyburg Arccniel, Jllens, Piassayon und AttalenS. Als reichs, freye, deutsche Baronen besassen sie das Münzrecht, *** wie man aus den Urkunde» der Republik Wallis beweisen kann. Die verschiedenen Zweige untrrscheideten sich durch den Namen entweder der besondern Herrschaften oder des Orts, wo sie sich aufhielten. **** * S. 8 ik« äe kreise L äs kuZc^, k. IH. p. iy. kol. kx. S. Ueber das Haus I» lour clu-kin I'kiitvire ä« vLupkiae L lies krioces gni oat »orte le nom ^ächtliche Vergabungen. Das Haus Chatillon Zur.Lau» öen, welches sich zu Zug niederließ, hat daselbst das Bürgerrecht seit dem Jahr ,488. Auch zu Lucern erhielt ts wegen wichtiger Verdienste «m diesen Kanton das rwige Bürgerrecht seil dem I. 16;;. Aus diesem Haus Zählte Zug sieben Landammänner oder Staatshäupter, alle berühnit in den helvetischen Annalen. Aus demselben entsprossen auch vcrschcidcne Prälaten und Aebbte, z. B. iu Mury und Rhcinau. Seit der Regierung des Königs Franz l. bieneten die von Zur-Lauben der Französischen 's Grosse Beleuchtung erhält die Geschickte dieses Krieges durch die Urkunden des Hauses de la Tour, die ine I. 1770. zu Paris m fol. cdirt sind. Man sehe auch den Xllte» Band der 6-ittir vkrittians in dem Artikel vorn Bistum Sitten s. 4-0-;tz. ,?r ... - Krone, und niemals hatten fle gegen diese Krone die Waffen getragen. In ihrem Dienste opferten vierzehn höhere Officiers, Generale, Oberste, Hauptleute ihr Leben auf, und mehrere andere wurden mit ehrenvollen Wunden bezeichnet. König Karl XI. überließ dem Wap- penfchild dieses Hauses eine Lilie, und zwar wegen oee Heldenverdicnste des Beat von Zm-Laubcn, Hauptmanns der schweizerstben Leibwache. Den 23. Nov. 16;?. be- kräftigte und erhöhte Ludwig XIII. vicsc vorzügliche Gunst. Als der Kayfer Leopold den io. December 1701. den Abbt zu Mury, Placidus von Zur-Lauben, Frevherrn von Thurn und Gesielenburg, zum Reichsfürstcn erhob, so übergab er damit zugleich dem ältesten aus dem Geschlechte von Zur-Lauben für immer und ewig das Amt eines Erbmarfchalls der gefürsteten Abbtey Mury. Aus diesem Hause entsprossen auch verschiedene Ordensritter von St. Michel, von St Ludwig in Frankreich, von St. Moritz und St. Lazar in Savoyen, von St. Georg von Parma u. s. w. Ends des verfloßnen Jahrhunderts beschenkte Ludwig XIV. im Mär; 1681. den Baron Cvnrad de la Tour-Chatiklon-Zur-Lauben, General-Inspektor der Infanterie in dem Departement von Katalonien und Roußillon, und Brigadier bey dem französischen Heere, mit der Herrschaft Vsl äs Vllls oder Wei« lcrthal im Elsaß. Er starb unverheurakhct den 4» December ,682. zu Perpignan in einem Aller von vier und vierzig Jahren. Die Herrschaft Weilerthal fiel also an die Krone zurück: allein der Monarch gab sie dem Reffen des Verstorbenen, Beat Jacob von Zur-Lauben. Im I. rS86. erhob er sie zur Barome, und im I. '692. zur Grafschaft. Der Graf von Zur-Lauben, General-Lieutenant in französischem Dienste und Oberst über ein deutsches Infanterieregiment, starb den 21. Sept. 1704. zu Ulm im acht und vierzigsten Lebensjahre -. - - - -- » 8z »n einer Wunde, die er in dem Treffen bey Höchstädt kmpficng. umer allen Ober-Befehlshabern war er der k>Wge, yxx x>e„ Fxjnd zurücktrieb, und zwar znm drit» Ernmale, vor den Augen der französischen Gendarmerie. Von seiner Gemahlin, Julia von Samte Maure, einer Nahen Verwandten des Herzogs von Montanster, hatte eine Tochter, Franziska Honore Julia, Gräfin von Zur-Lanben, im Jahr 1711. vermählt mit Heinrich Ludewig von Choiscul, Marquis von Meüse, Ritter königlichen Ritterorden, General-Lieutenant und Gubernator von St. Mals, der im I. 1754. zu PariS starb. Durch diese Vermählung vereinigte sich die Graf. stdaft Ville oder Weilerthal mit dem Hause von Meüse- Choiseul. Diese Grafschaft hat sieben Stunde in der Länge, und vier in der Breite, wie Schöpflin bemerkt. * Das Geschlechtregister der von Zur-Lauben findet man in verschiedenen Büchern. ** Schruchzer liefert die Grab« schriften, die man von diesem Geschlechte zu Zug in der St. Oswalds Kirche sehen kann. ck Je merkwürdiger schon an sich selbst die genealogische und diplomatische Geschichte des Hauses Zur-Lauben seyn mag, desto mehr hoffen wir auf die Nachsicht des Lesers, wenn wir etwas hier» über haben voraus schicken dürfen. Immer ist es zu unfern Zeiten, besonders an gewissen Orten, nicht ausser dem Wege, wenn man durch Bcyfp.ele zeigt, daß * illuilrnts 1. II» s. 201-204. ** S. Gabr. Buceline xars slter» Lsrmani» 1'opa-edrono- iicmmiltograptircre s. iry. und rzc>. Anx. Vinciel. 1662. koi. 5§. Lbcnöesiclben Lonkantia ikenaaa, lacra L xrokin-i, p. III. p. 72, 7z. krsnct. sä lVl«n. 1667, 4w. ü;;. Ferner Joh. Friedrich Gauhcn des H. R. R. Genealog, hist. AdelS-Lcrieo». s. 886. Leipzig 1719. 8vo. Fig. IselmS bist. allg. Lexicon. Datei ,729. 1. III. s. 102. und nouveau 8npptem. an Oiüionn. äs Atarcri. I'- i!. s. ,10. flg. Leuen schwel;. Lexicon. V. XI. XVIII. ^ Itinora aixina. 1 '. III. s. 472. sig, i-nzä. Lat. 172?. 4t». >84 die Gelehrsamkeit und Tugend fich mit dem Ton der grossen Welt verträgt, und Laß ohne sie Rang und Adel eitler Stand sey. Der Baron von Zur-Lauben, von dem wir, eben nicht die Biographie, sondern nur einige biographische Nachrichten* liefern, verlor seinen Vater zu Zua den 5. Jänner r?!«, ** und seine Mutter den 4. August ,7)2. -s Sein Oheim, Hauptmann bey der schweizer« schen Leibwache i» Frankreich und hernach Obren eines Regiments, unter dem Namen von Zur-Lauben, hatte selbst keine Kinder, übernahm aber dir Erziehung unstrs jnngen von Zur-Lauben, als eines Sprößlings, welcher den Ruhm des Stamms noch weiter ausbreiten sollte. Nachdem der Knabe zu Zug, und hernach zu Colmak und Ratolfzell die Elemente der lateinische» Sprache ge» kernt hatte, kam er im Hornung 17;-,, im achten Jahre seines Alters, nach Paris und lernte die frauzösi'che Sprache. Den ;r. Jänner 17)2. erhielt er Zutritt bey den abelichen Penflonnairen des College äss guarro blationr. Diese königliche Gunst hatte er den Verdiensten seiner Vorältern zu danken. Bisher hatte sie kein anderer Schweizer erhalten. Auch nachher ward sie keinem ge, währt. Ganz eigentlich nämlich wurde dieses Kollegium von Ludwig X!V. nur für den Adel aus den vier ero, berten Provinzen gestiftet. In diesem Kollegium, ( dem vornehmsten der Pariser-Universität) blieb der junge von Zur,Lauben bis zum 7. December 17;;. Damals trat er als Fähndrich unter das Regiment der schweizerschen Leibwache. In dem Kollegium genoß er den Unterricht * Man erinnere sich, daß wir auf dem Titel nichts ändert versprachen, als kurze, biographische Nachrichten. 2 m Z7. Lebensjahr. t Im 4 s. Lebensjahr. der berühmtesten Professoren und auf die großmüthigste Werst unterstützten sie ihn in seiner Neigung zu der schönen Litteratur. Der Bibliothekar gab ihm in den Erholungsstunden einen vorläuftigen Begriff von der Bibliographie. Gar bald brachte es der junge Baron un« gemein weit im Lateinischen und Griechischen, in dem Studium der Dichtkunst und Beredtsamkeit, in der Logick. Er erhielt verschiedene Prämien, und selbst wegen seiner französischen Uebersetzungen, welches an einem Schweizer eine sonderbare Erscheinung war. Nach seiner Entfernung aus dem Collegium verfchafte ihm sein Obeim Unterricht in allen adelichcn und mili, tauschen Uebungen; auch gab er ihm Lehrmeister in der Meßkunst und Zcichnungskunst. Der junge Offizier machte schnelle und glükliche Fortschritte. Der Abbt Rollin, * der durch sein Werk über die Studienmethode und durch seine alte und römische Geschichte mit Recht berühmt ist, war ein Freund des Barons von Zur-Lauben und durch sein Rathschläge leitete er den Neffen desselben auf der lilerarischen Laufbahn. Sehr oft besuchte der junge Baron den alten Universitätsrrctor, ungeachtet sein Quartier zu Paris von dem Quartier dieses letztem ungemeiv entfernt war. Er betrachtete ihn als seinen Mentor. Die Zwischenzeit, dir ihm von seinen militärische» Geschäften frey blieb, wiedmete er den Musen. Er studirte die Geographie und gar bald umfaßte er alle Zweige der Geschichte, nebst den Alterthümmern und der Numis. Matick. Gelehrte vom Ersten Rang unterstützten seinen Eifer. Er hielt es für ein Glück, in Paris, als einem neuen Alhen, zu leben. Indeß nicht ohne schmerzhafte Empfindung verlor er in demselben Jahre 1741. den ver- * Rollin stach in Paris den 14. Sept. I7Z1. im achtzigsten Lebensjahre» rhrungswürdigcn Rollin und seinen Hauptmann, von. Surbeck, * Befehlshaber der General-Compagnie derbem Regiment der schweizer,chen Leibwache. Dieser lezlre hatte ein sehr ausgesuchtes Kabinel von römischen und griechischen Schaumünzen. Unserm Zur »Lauben flößte er den Geschmack für das Studium des Alterthums ein. Nach seinem Hinscheid blieb sein Play als Uorwrairs- Lrrsngsr der königlichen Akademie der schönen Künste und Wissenschaften ledig, bis dieser Platz im Jänner 174-- von per Akademie dem Baron von Zur-Lauden, gleichsam als dazu vorher bestimmt, zugekennt wurde. Kriegesdie«sie. ** Den 7. December 17;;. wurde der Baron von Zur- Lauben Fähndrich bey der General-Compagnie der Schweizer und Bündner in dem Regiment der eidgenSßi- schen Leibwache; den Aprill 17;?. Unter-Lieutenant; zweyter Lieutenant den 17. May >740. Mit dem Regt. Nient der Leibwache that er im I. 1742. den Feldzug nach Flandern, im I. 174;. nach dem obern Rhein. Den ä. März 1744« wurde er Lspirsine-Lommanclsnt der Obrist.Compagnie von Zur-Lauben be„ dem Regiment der schweizerschen Leibwache. Als solcher comman- dirte er den n. May 174;. bey dem Treffen von Fon- lenoi. Neun und vierzig Mann von seiner Compagnie wurden theils erschlagen, theils verwundet. In gleichem * Lugen Peter von Surbeck von Solothur«, Brigadier, starb zu Baqncür bey PariS, den r. Sevt. 1741. m seinem 6 Z. Jahre. Von ihm besizt die Aea!emie Sex Inkcri'p- tiona in Handschrift eine ttikoire metaligne lieü kmxereuro aepuis Zuler - 6slar jusgu'» I'emxirs ile Lonikantin le ^ranä i» zween Foliobänden. In den Denkschriften der Akademie wird diese Historie häufig angeführt. ** S. kinsrä Ltironoinxie liiKorigne militaire äs krause« V. V!Ie. x. ;i7-;ir. karj,. 1764. in 4,0. - - - Jahre diente er auch bey den Belagerungen Tournai und Outcnarde. Vor dem erster» Platz trieb er mit seiner Compagnie, den Piken und Grenadiers des Regiments die feindliche Besatzung, die einen Ausfall that, wieder zurück. Den 22. May 174s. ward er in dem Schloß Bouchout in Brabant von dem Könige mit dem Ordensband des h. Ludwigs beehret. Den n. Oktober gleichen Jahres befand er sich bey dem Gefechte von Raucoux. 3 m 1.1748, diente er bey der Belagerung von Maftricht und den io. May erhielt er das Brcvet als Brigadier der Infanterie. Im I. r?;?. kommandirte er das erste Bataillon der schweizerschen Leibwache, als sie der Insel Aix zu Hilf eilen sollte. Vor ihrer Ankunft aber ver. liessen die Engländer diese Insel. Den -. April 175- trhiclt er eine ganze Compagnie bey dem Regiment der schweizerschen Leibwache, auf künftiges Absterben seines Oheims, als Obersten dieses Regiments. Das erste Bataillon desselben kommandirte er in diesem Jahre in verschiedenen Besatzungen von Artois und an den Küsten. Im November gleichen Jahrs sollte er mit seinem Ba, taillon und noch einigen auserlesenen Truppen eine Landung in England thun: auf die Nachricht von dem Unglücklichen Seetreffcn des Marschalls von Conflans auf der Höhe von Belle-Jsle, unterblieb dieser Anschlag. Als daS Regiment der schweizerschen Leibwache im I. 1760. nach Deutschland gieng, so kommandirte er in Hessc,, das erste Bataillon bey der Armer des MarschallS von Broglio, auch hatte er Theil an verschiedenen Kriegsuntrrnehmungen. Auf besondern Auftrag des Hofs vom i. May 1762. kommandirte er vom 7. Iunius biL jum 2;. Julius bey dem französ. Kriegsherr in Deutschland dir schweizersche Brigade der Regimenter d'Arbonier und Lochmann, nud vom 2;. Iul. bis zum 17. Nov. die Regimenter von Boecard nnd Dicßbach. Ungeachtet aller Hindernisse von Seite des Barons von Lackner, führte er die Brigade d'Arbonicr von Dulmen in West« phalcn his nach Homburg in Hessen. D n 8, y, und ro. Augstm. verthaydigte er mit der Brigade von Boccard die Verschanzunge« auf Meisungc» bey Fulda, und zwar unter ununterbrochenem Feuer des groben Geschützes und bey dem lebhaftesten Wiederstand des Lord Gramby, der die Wirten anführte. Mit'der gleichen Brigade bedeckte er den i8. Austm. den Abzug der Armee, ohne daß man ihn angreiffen konnte. Den ;o. zog er vor, Friedbcrg, um seine Brigade im Nothfall den dortiger Unternehmung bereit zu halten. Den rr. Scvt. befand er sich bey dem Angriff des Schlosses Amönenburg an der Ohm. Daselbst verlor er ivr Mann von seiner Brigade. Im December erklärte man ihn zum Feldmarschall. Schon seit dem 2; Julius war das Brcvet ausgefertigt. Den 20. Augstm. 1767. erhielt er auf Entlassung seines Oheims, des Barons von Zur-Lauben, des Generalen und Obrist der schweizerschcn Leibwache, bey derselben eine eigne Compagnie, nach seinem Na. men. Dm r. März 1780. ernennte ihn der König zum General-Lieutenant, den 2;. August zum Großkreuz des St. Ludwigsordens. Den ir. März gleichen JahrcS hatte er bey seiner Entlassung von dem Regiment der Leibwache, als erster Haupmann, die Forsezung aller seiner Jahrgrhalte, * und noch eine Vermehrung von zooo Livr jährlich, und ebenfalls alljährlich noch andere ;ooo. Livr. für seine Compagnie erhalten. Die Compagnie gab der König dem Obersten von Dürler, (aus einem der angesehensten Häusern zu Lucern,) und zwar In Rücksicht seiner Vermählung mit der Fräulein von * Dr» r. May «7;r. erhielt der Baron v»n Zur-Lauben die Stelle eines canleiller .. corx? kslvrtigue. Zur-Lauben, der ältern Tochter unsers Barons. Auch d>c Gemahlin desselben, Frau Maria Kolin, erhielt bon dem König, auf den Fall der Vermutung, die Zusschccung einer beträchtlichen Pension. So viel Gunst» Bezeugungen beweisen genugsam die Achtung des Mo, Narchkn für die Verdienste des Barons von Zur-Lauben Und «einer Ahnen, die seit beynahe drcyhundert Jahren der Krone Frankreich gedient haben. Unser Baron ist der letzte seines Namens in der Eydgenoßschaft. Gelehrte Verdienste. Im I. 1747. als er eben im Dienste des Hofes Hand, arbeitete er an einer Abhandlung, welche dm 4. Avril 1748. von der königlichen Akademie der schönen Künste und Wissenschaften gekrönt wurde. Diese Abhandlung, wovon man den Auszug in dem Mercur von Parts findt, * beleuchtet folgende Fragen: Welches sind die verschiedene Bedeutungen der Namen und tri-L auf den Schaumünzen mehrerer Städte? Leitete man das Zufluchlsrecht immer aus der Religion her? War die Ausdehnung desselben aller Orten die Sketche? Bey wem stand die Vorsorge für die Handhabung desselben? Was für Zufluchtsörter gab's noch unter der Herrschaft der Römer und zu welcher Zeit wurden sie abgestbaft? Den n. Jenner 1749. ernennte den Baro» die Akademie einhellig zum Associe - konorsire- rtrsnger; den y. Jänner 1762. ward er ausserordentlis chcs Mitglied der Natursorschcnden Gesellschaft in Zürich; im I. ,-s8. Mitglied der arkadischen Gesellschaft zu Rom. Das Diplom erhielt er unterm 10. Nov. in ita» lleniichcr Sprache. Diese Ehre verschaffe ihm ohne sein Vorw.'ssen der päpstliche Nunrms zu Lucem, Valentin 5 S, tuiii, Val. H, ksris. x, nz-izr. Gonzaga, nachherkger Kardinal und Legat des heiligen Stuhls zu Ravcnna. Damals hatte Zur.Lauben sich nach Lucern geflüchtet. Sein Geburtsland, der Kanton Zug, war durch innere Unruhen erschüttert, und zum Theil wurde er das Schlachtopfer, indem er die enlzwcyten Partheyen zum Frieden und zur Eintracht ermähnte. Vermög seines Bürgerrechtes zu Lucern fand er daselbst »richt nur Schutz für seine Person, sondern auch Gelegenheit zur Ergänzung seiner Compagnie bey der franzö, fischen Leibwache. Der Nuntius schenkte ihm von dieser Zeit an sein innigstens Vertrauen. Im demselben Jahr 1749, als der Baron sich der Löniglichen Akademie zu Paris beygescllt sah, las er im April in dieser Versammlung einen Abriß der helvetischen Geschichte, seit dem Ursprung der Eydgcnvßschafl bis zum I. 1541. Dieser Abriß befindet sich in dem ersten Band der Historie militsire äes Luistes 3U 8ervics äs la Lrsnce vom I. 17;,. Auch ist er im Auszug in dem Plercnre äe krancs im Junius 1749, Vol. I. s. 67. f. Hier das Verzeichnis seiner Schriften, nach dem Datum der Ausgaben: I. liistoire müitaire äes 8uistss »u 8ervice äs I» k^rsnes, »vee ies xieccs zvstistcLtives, stuit Volumcs in 12. karis 1751 — 17;;. Ouvrsxe äeäie ä bgr. le prince äc Lvmbes, Lolonel - 6eners! äes 8ui6es ertriin ^tavum Impcrztoris 80 » siolglü kuitls ferner» Lomitir ab Kzbrxurx Ültiim, «,l- -92 . --- VII. heitre lur 6uiIIsumo Teil s M. 1 s kräkäeot öö« vsult. ksris 1767. ia 12. VIII. Islrles xeneslvgiguez äes sugustss Klsisonr ä'^u» tricks L äs I-orrsins, L 1e»rs ^i11snce8 svec 1'gugustc rnsison cjs krsKL«; pressäesL ä'un memoire lur les Lom- ter äs Ilsdsxourg, tixes 6s I» Alsilon ä'^utricke. ksri« ,778. er, g. Diese Denkschrift ist die gleiche, welche dem Werk des Dom Wielands jur Verthäidigung der A,Äor. Alurens. angehängt worden. Auch befindet sie fich in den Alem. äs l'scsä. lokale des Inlcript. L belles-lettr-r. 1 ?. XXV. x. 677 — 701 Lsris 1770. in 4ta. IX. IsblsLux toxogrsxkigues, xittoresgucs, phyLgues» liikoriguc«, morsux, politigusL, littersiiez äs 1s 8u,6s» ksrir 1780. in 5 ol. 6g. 1. I. und zween Bande in 4lv. Ebend. ohne Fig. Der Text ist ganz von dem Baron von Zur, Lauben; nur die Abhandlung über die Naturgeschichte des Schweizerlands nicht. Diese hat einen Eisasser, Besson, zum Verfasser. X. I.e 8o!eil säors psr Isr Tsurilgusr sur 1 e ülont Lottkarä, Liss«rtstion äsäiee » I» Lociete kslvetigne, »ffembläs r Oltsa L r;. Nsi 1782. 2uris 178». in 4W. In dieser Schrift findt man die Erklärung einer Inn» schuft, welche der Baron von Zur-Lauben zu Ölten entdeckte. Sie beweißt, daß diese Stadt den Römern unter der Benennung Mein» bekannt war. Heer das Verzeichnis von Zurlaubens Abhandlungen, so wie sie entweder ganz oder im Auszuge in die »Moire 6 - ^ zunÄii kiKorici; L «riticis notis crtcem likri, eujur titu- lur: Vimlici» Vincliciarum Xopxisnsrüm L xrsinäs etirik : -KÄorum Alurenüum aävertur l>. k. kukenum Heer, Lib- liotkecsrium Lsn-LlsLsnum Läornst» » l. loauae Lsxtik» i ^Virkoä, Nomrdo MureuL, Oxur xoüdumum. ^ äez Nemoirss äs I'3L3äemie ro'isle äss Intcrixt. L ^elles-tectrss eingerückt sind. j ^xsrnen crlcigus tur Nuris ä'.^rrsnxion kemms ! 6'Orkoa IH. (lum. XXIII. Ulk. x>. 220. karir 175V. ^ 4to.) Hiüoirs ä'^rnuur äs Lervols , äir 1'^rcdiprerrs. XXV. Ilitt. x. I5Z-IS8. ksns i"5y.) ^drexe äs I» vis ä'tngusrrunä VII. äu nvm, 8irs ^ Lc-uc)', svec uri äetuil äs ton exxeäikion en ^1- L sn 8uiffe. ( 1 'om. XXV. »itt. i-. 1Ü8-186. Hecirercks tur !a List ä'un lempls^ gui pqruit ^ontasre 3 ^uZutls äuns les Lnvirons äs Lrixen. XXXI. Hitt. p. kgris 1768. svsc !» si^ure Arsvee äs cstts stet untigue.) Nsmoire tur Alsrius kvsgue äXvencke, ^utsur äs ^ plus 3ncienns Lkroni770.) Obterv3tior>8 kikoriguss tur I'orixins L !s rsßne äs ^uäolpks I. Xoi äs 1s Ilourgozne rruns^urANs L tur ^tsnäüs äs cs Xoysume. trsnrier Usmvirs, äs guslls ^ lUsiton scaic i!tu Roäoipde I. Xoi äs 1s LourZo^ns iransjursns. ( 1 . XXXlV. IM. p. 144.148. ksris ? - 774 .) ^ Obtervstlons tur plutisurs Nonumens äs I'/Vntigui- turtour äu mo^en stzs. ! ^rkic/e I. 8ur 1 s lombssu äu Luc Lnnrsä, ton- äsr^ur äu Lksxitre äs LimbourZ tur le Lslrn^ (L. XXXVI» ttrü. x. N /frr/cks II. 8ur ülercure (ibiö- P. l6)-'6^ Zur Aufklärung einer Jnnschrift zu Baden in der Schweiz. ^tr'c/e III. 8ur uns l'isstuÄion 6'0nossn6sr öe I;)2. ( Ibi6. p. 16^. 16 ;.) IV. 1 rs 6 uÄ!on fiLNssiks 6s Vslsrs 6s ,40». (Ibis. p. 16^. 16 6.) ' V. 8ur un titre originsl 6s 9 l; 6e llat- ton, Nrcbevägus 6s AIZvsncs. (IKI6. p. 166-17;) Urkunde, die hier in Kupfer gestorben ist, hat auch Beziehung auf Nhätien oder Graubündccn. Oblervstion tur 1s Hecueil gui s pour ritre, kok- mul-e /UläciLL. (Ibi6. x. 177-207.) Viston 6s I'Lmpsreur Lksrlss-Ie-groL, koi 6e krance L 6'ltiilie. (Ibi6. p. 207-2)4.) Oblsrvsrion sur un klsnussrit 6e ls ZibliotlieguS 6v Hol, gui contienr les Lksnlons 6e8 oa r>or,baLkoll^ 6s ls 8usde ou 6s 1'^Ilsmsxns, 6cpu>s ja Kn 6u XII. liecle jurgus vers 1'gn iZ^O. kremisc Memoirs. ( 1 . XI.. Hist. p. i;4->6y. ksrir »780.) Alsmoirc 5 ur la ^s!ts 6e Uiion en «;i,. ( 1. XI.I- Msmvire. x. 726-749. ksn8 1742.) Noch hat man von dem Baron von Zurlauben in den krsuve8 6ss tsublssux topogrszchigue« Lc. 6s 1s 8uiste, 1 . I. karis 178 '. in K>l- x>- XXXIX-XI.IX S 1?. II. ibi6 in q.to. p. LI.1V - LXLVII. Oblervstion» sur 1s Vsltsline öe lur Iss terres que l'Lbbsye 6° Rsint-Oenys en krancs xolleäoit 6sn8 cs Iou5 1'Lmpirs 6s Oksrlemsgns L 6e Iss Tuccetleurs. —> In dem VHden Stück des schweizerfchen Museums, Zürich 1764, in Lvo. s. 60; — 614. sind von ihm die Bemerkungen über eine Urkunde vom I. 12;;, in welcher Zürich, Luzcrn, Zug, Klingnau und Mcyenbcrg LsLr« t Vestmen) gcnennt werden. »95 Unter den litterarischen Arbeiten des Barons, die er w Handschrift zurückbehält, erwähnen wir folgender: Das erste Buch, das ihm bey seinem Abschied aus dem Collegium der Abbt Rollin in die Hände gab, war Fcnerons Tciemach. Der Jüngling verschlang dieses Buch. Ihn begkisterte es so sehr, das er, nach diesem Muster, ein prosaisches Gedicht in zwölf Gesängen ver, ^tigte. Demselben gab er die Ausschrift Phalantide» »der die Begebenheiten des PhalantuS, des Gesetzgebers don Tarent, eines Helden, dessen in dem Telcmach Vielzahl erwähnt wird. Noch so jugendlich mag dieses Merk seyn, so findt man darum gleichwol die Funken des Gentes. Wenn das frühzeitigen Schreiben noch so unreif seyn mag, so dients doch immer zur Uebung und Bildung der Schreibart. Immer fixirt es die Aufmerksamkeit und verräth eine Schnellkraft des Geistes, die stch auf alle Weise zu äusser» bemüht ist. Mercicr geht fa weit, daß er in seinem Lonnsr äs diuir unter dem Artikel über die Romanen behauptet, schwerlich werde Wan ein grosses Genie finden, das nicht in seiner Jugend irgend einen Roman verfertigt hätte. Je mehr Ansdch- Uung und Energie die Einbildungskraft hat. desto begieriger schaft fie um sich her eine Idealwelt. Wenn aber diese Einbildungskraft nach und nach durch reifern Ver, stand regiert wird, so sinkt sie doch nicht gern aus der platonischen Welt in die wirkliche oder Alltagswelt hinab. Zwischen hcydcn liegt gleichsam die Vorwelt und das auf- blühende Genie wendet sich von den Romanen znr alten Geschichte. Voll patriotischen Jugendfturs, dachte der junge Baron von Zur-Lauben schon im I. 17)8. auf einen Abriß der helvetischen Geschichte. Auch verwahrt er in seiner Bibliothek ein ausführlicheres Werk in Folio Welches er im I. 1740 verfertigt. Er gab ihm die auf, N - schrlft: Histans dsivetigue 6c» 8 uilss 8 L äs Isur 5 ^ Ii'sL, Lccvmpggnes äs XotS8 biltoriguc; L cnrigues, äspuls I'oriZins 6e ccs peuple jugu'ä Is mcirt 6s Ho6ol- xbs III, 6ernier Um 6s Iri Lourgogne trJnsiurans. Damals hatte der Verfasser nicht mehr als zwanzig Jahre. Seither setzte er diese Geschichte bis zum Ende des'XIIIdcn Jahrhunderts fort. Im I. i7?L. übersetzte er des Mascau Grundsätze des deutschen Sraatsrechtcs aus dem latinischen m das französische. Im I. i?6y. schrieb er die diplomatische Geschichte der ehmaligcn Kcmmenthureyen des Lazarus-Ordens zu Scedorf und Gcfciin in der Schweiz, in so!. Im I. 1776. übersetzte er verschiedene Stücke des Theuerdanks ins französische und begleitete sie mit Bemerkungen über diesen alegorischen Roman, der tue Bcge, benheiten Kayser Maximilians I. zum Gegenstand hat. Im I. 1782. verfertigte er ein Alemoire tux i'inlcrch- tlon ä'rme Lolonns militLirs su kouix 6e 8sim-j?ieriS- Alont-joux en Valais« Dieses ülsmoirs enthält zwölf Folioblätter. Im I. 178;. schrieb er eine Abhandlung von 8° Folioblättern über die Penninischen Alpen und den Gott Penninus oder Pöninus. Die Abhandlung theilt er in IV. Abschnitte. Der erste beschreibt die Lage der Pcn» «mischen Alpen. Der andere untersucht die Ethmologie des Namens der Penninischen Alpen. Der dritte erklärt die Denkmale, auf welchen man die Worte Vsllis k«- ninL liest. Der vierte liefert dir Beschreibung des Tem» pels des Gottes Pöninus, nebst ein und zwanzig In»- schritten zu seiner Ehre auf dem Gipfel des Gcbirgs Penninus oder des grossen St. Bcrnards in Wallis. Bisher sind diese Inschriften noch niemals bekannt ge« macht worden. 2 m I. i73i, verfertigte er eine Abhandlung über iwv Urkunden von der Regierung, Rvdolphs II. König dvn Burgm.d, in Bezug auf Genf, Lausanne und den ^Ws kyuekricus. Der Verfasser begleitete dieie Urkunden aecgiaphlschcn und diplomatischen Bemerkungen. Seit dem Ausgang des Jahres 1780. zog sich der Baron Zur-Lauben aus der grossen Welt zurück und ^bl nun bey Zug auf einem angenehmen Landgut vor dk" Stadtthoren, daselbst genießt er seiner Müsse m Schosse des Hauses und iu einem ausgesuchten, srcundschasllichen Kraise. Er benutzt die gesellige Nach» ^rschaft der ««gränzenden Kantone und unterhält unun» verbrochenen Breicswcchstl mit seinen alten Freunden an ^n Ufern der Seine und mit verschiedenen Gelehrten Frankreich, in Deutschland und in der Schweiz. Sein Mnftnm ist das Hciligthum seiner Ruhe. Seine Bibliorhxx begreift bey sechstausend Bänden. Der be» Nächtlichstx Theil seiner auserlesenen Bücher hat Bezug die Kriegeskunst, aus die Erdbeschreibung, auf alle Zweige der Geschichte, auf die Alterthümer, die schönen Künste und Wissenschaften, die Kupfcrstechcrcy t>- s. w. Er besitzt eine Sammlung von ungefähr 400 8 » 1 iv- und Quartbänden in Handschrift über die helvetische Geschichte und über die Geschichte der angränzenbm Länder, grossentheiis Originalurkunden oder doch authentische Kopeyen von seltenen Schriften und Chronicken. Grossentheüs sind seine Urkunden von ihm mit Annierkun, gen beleuchtet und er macht sich zum Vergnügen, diese!, den zum Gebrauch mitzutheilen. Den 26. Nov. 17;-». hatte sich von Zur-Lauben mit d" Fräulein Maria Elisabeth, der ältesten Tochter des Obersten Joh Jacob Kvlins und der Frau Maria Elisa, ,y8 —- betba von Landtwing vermählt. * AuS dieser Ehe erst« sprossen drey Söhne, welche noch minderjährig starben? und zwo Töchtern. Die ältere von diesen heurathete i>n Aprilk i-8o. einen Luzernerfchen Patrizier, Iost von Dürler, Obersten und Hauptmann bey der schweizerschen Leibwache in Frankreich. Die Familie von Kolin ist die älteste zu Zug. Beynahe ununterbrochen bekleidete str seil dem I. i;87> die Pannerherrn-Stcüe in dem Kanton. Auch gab sie diesem Kanton verschiedene Landammaiius/ die in den helvetischen Jahrbüchern berühmt sind. Jakob Verriet** Vcrnet erblickte das Weltlicht den -y. August 1698. Sein Vater, ein Handelsmann zu Genf, starb im I. r-06 und hinterließ mit beträchtlichem Reichthum zehn Minderjährige Kinder.- Der junge Vernet studirte unket Aufsicht von zween seiner Verwandten, Daniel le Clcrs und M. C. Trembley. In den Erholungsstunden übte er sich im Zeichnen, in der Music und Tanzkunst. Zut Erleichterung seines Gedächtnisses gewöhnte er sich früh? zeitig an Locke's Methode in Auszügen und Sammlum gen, indem er jeden Abend aufzeichnete, was ihm beym Lesen oder im Umgang merkwürdig vorkam. Die aca» dcmischen Ferien verstrich er bey seinem Bruder in Lion. Daselbst benutzte er die Iesuiterbibliolhcck und des Ser« * Eine Tochter des Herrn von kandtwing, Ritter des St. j Ludwigs-OrdenS und Hauptmann bey dem schweizerischen > Rcqiment von Vettens, der den 4. May 174z. als Land- ' ammann zu Zuq starb, und der Frau Maria Elisabeth Esther, Baronin öe la Lour.Chatillon Jur-Lauben. ** Eine ausführlichere Lebensbeschreibung behalten wir uns vor, besonders zu liefern. Man sehe auch Rathlcf Tb. III. s. z?. rs- v-eres Küüst-Cabkncr. Die Betrachtung des Taurobol erweckte bey ihm die Neigung zur Erforschung des Alterthums. In Gcnf wiedmete er sich der Gottesgclehrthcit, unter B. Picket, Alphons Türretin und Anton Leger. Im Aprill 1722 erhielt er eine Stelle in Paris. Gar bald fand er Zutritt bey den größten Gelehrten. Seinen Styl bildete und den Ernst seiner Studien erheiterte er in dem Umgang der schönen Welt. Das Theater besuchte er biHt weniger als die Academie. Zur Bildung in den Rcdnerkünsten begab er sich fleißig in die Kirchen und vor den Gcrichtsstuhl. Im I. 172; crichicn zu Paris ein selzames Rcligionsq Phänomen. An dem Frohnleichnamsfcste ward dem Vor. geben nach eine Frauensperson, Namens Margarrtha La Fosse, auf die Anruffung des Heilands plötzlich von einem Blutflussc geheilt. Sogleich schrie man Mirackel. Diesen Wahn untcrstüztc der Kardinal von Noailles. Hic- bey harte man zur Absicht, auf der einen Seite die Empfehlung der Apellantcn, auf der andern Seite die Bekehrung der Hugenotcn. Nach genauer Prüfung des Wunders verfertigte Vernct hierüber einen erdichteten Briefwechsel. Ohne Namen des Verfassers erschien er im I. 1726 im Drucke. Eine zmote Ausgabe erschien bald hernach in Landen. Diese Schrift bestrick Hoquinek. ES entstanden Repliken und Dublikcn. Freundschaftlich endigte sich die Controvers durch Vernets Sendschreiben XlXten Band der Libliotkegus Lermamgus vom 3. l?;o. Gegen Ende des Jahres 17-8 schickte sich Vernet au, mit einem Freunde nach Italien zu reisen. Eben da, mals lieferte er in chie öibllorkegue Itgligus verschieden? Beyträge. In Turm entdeckte er die lobulam Iliacsm, die man verloren glaubte. An diesem Orte gerieih er in genaue Bekanntschaft mit Montesquieu; in Mayland knüpfte er einen Briefwechsel mit der Gräfin Clelia Borromaa. In Rom bl.eb er über vier Monate. Daselbst fand er wieder den Praflüenten von Montesquieu. Ueberall hatte er freuen ?,nr:N bey den Gelehrten und Grossen. Zu Florenz ernennre man ihn zum Mitaüede der Academie von Corinna. Bon da aus schicke: er ein Schreiben über die Italiänische Litteratur in dre Libliocheque Itgligue. Zu Vened g sah er den Ballisnieri vo» Padua. Mit diesem umerhielt er sich schriftlich über die Ursachen von der Tonstlmme der Eunuchen. Einen Aussatz hierüber gab er IN die Likliorkeque ItZÜguo. Bey ferner Rückkehr ins Vaterland lebte er in Türe« tins Haust. Daselbst genoß er des Umganges verschiedener Gelehrten, auch bestichst er viele Damen von Gen? und Verdienste». Immer noch fand er Zeit zu Uebungen im Predige». Im Scpt. i7?i wiedmcst er Cboüet, dem Wieder- Hersteller der reinern Philosophie, em historisches Denk, mal. Von Paris hatte er drey handschriftliche Auf,ätze über das Rachlmatst nur sich gebracht. In denselben suchte der Ungenannte Verfasser die Schwierigkeiten der Brodverwandlung aus dem Wege zu räumen. Vernct gab sie jm I. i-;o. in Gens mir einer Widerlegung heraus. Den i-i.May >7;c> erhielt er eine Landpfarrc zu Iüßy. Den 8. Febr. 17)1 nahm er die Pfarre zu Saconcr unweit der Stadt an, nm desto bequemer bey seinem Tür- retin leben zu können. Schon damals ficng er an, Türretins Abhandlungen 6e vsri'tsls relixioms cknstian-e in ein französisches Gewand und nach eigner Form einzukleiden. Kaum trat SS» kr sein neues Amt an, so mußte er sich für einige Woche« entfernen, und zwar aus Ursachen, die ihn vollkommen rechtfertigten. Von einer Dame vom höchsten Rang, ^e aber verbargen seyn wollte, hatte Türmn für die Dlaldenser eine beträchtliche Beysteuer erhalten. Die Austheilung anvertraute er feinem Sohn und Verneten. Ein 3ahr hernach erhielt Verriet obrigkeitliche Erlaubniß, sich twch länger und weiter von seiner Pfarrey zu entfernen, "m Türretins einzigen Sohn auf Reisen zu führen. Den *8, April! kamen sie nachSololhurn. Sie hatten Zutritt öcy dem franzöf. Gesandten, Marquis de Bonac. Ek Machte sie bekannt mit dem Zustand der türkischen Gelehrsamkeit. Bon Solathurn begaben sie sich nach Zürich. Hier erinnerte sich Vcrnet, daß Montesquieu vielmahl Segen ihn den Wunsch äusserte, diese Stadt zu besuchen, und zwar als das realisiere Ideal eines Staates, in wel. chem die Ausbildung des Volkes gerade den höchsten Punkt erreicht, ohne zum Sittenverderbcn hinüber zu gehen. Sehr glücklich fand er in Zürich Handel und Kunstfleiß mit Gelehrsamkeit und Sitten vereinigt. In Basel >ah Vcrnet Werenfelstn, Iselin, Bcrnoulli, Bux- tvrf. In Straßbnrg Schöpflin, Salzmami, Fröciftn. In Frankfurt den Pritins, den gelehrtesten und duldsam» sten unter seinen College». Auch hatte er Zutritt bey der Pfälzischen Raugräfin und bey der Marqmsin von Langa» leric. Zu Marburg sahn sie den berühmten Wolf. Er sprach nicht französisch, aber fließend lateinisch. In Cas« st! besuchten sie Crousatz und den Baron von Donah, von denen sie dem jungen Erbprinzen, nachherigen Landgrafen dargestellt wurden. Mit dem Abt von Lokom, Dr. Christoph Böhmer unterrcdcten sie sich über die Vereinigung der Protestanten. Böhmer äusserte sich , daß es Zeit sen, einmal die fruchtlosen, theologischen Spitz! ündigkciten fallen zu lassen. In Groningen wurden unsere Reisende vonBarbryrac aufs freundschaftlichste empfangen. Ungernein erbau! ich fand Vernct den Gottesdienst der Menomtcn. In An>ster- dam sah er den Crcllius, einen Enkel des Ioh. Crcll'us, der die Trennung der Socinianer den »«christlichen Ver- folgungcn Schuld gab. Vernct reifete nicht, um zu di« spuliren, sondern um zu lernen. Seine Gedanken behielt «r für sich. Aus seinen nachhcriqen Schriften sieht man, daß er eine gewisse Mittelstrasse einschlug und über gewisse Punkte sich eben so wenig entscheidend ausdrückte, als die erste, ursprüngliche Kirche. Verriet besuchte die portugiesische Synagoge. In wiederholter Unterredung mit einem jüdischen Gelehrte» fand er, daß die Methode zur Bestreitung der jüdischen Vorurtheile von niemand so gut, wie von Limborch, aus- gedacht worden. Acusserst gerührt war Vernct b:ym Anblick des Ioh. le Ciercs, welcher seit einem Schiagstuß ganz blödsinnig geworden. Mitten unter den ausgelöschten Ideen dam, merke per ehrnaligc Charakter seiner Herzensgute und frommer Denkart hervor. In Leydcn, wie überhaupt anf den holändischen Schulen fanden unsere Reisende immer neben einander Voctia- nische und Coccejauische Lehrer. So groß ihnen Peter Burmann als Philolog vorkam, so wenig achtrmgswürdig fanden sie ihn in seinem Betragen. Bey Vitriarrus, Schulthens, s'Gravcsande) Mmchenbrocck sahn sie mit grossen Kenntnissen den gefälligste^ Umgang verbunden. Und wie erhaben schien ibncn nicht Boerhave, eben so liebenswürdig durch fern Her; als durch sein Genie ! Im Hag stellte sie Royer dem Prinzen von Oranicn vor. Zu Londen harte Vcrnet m>t seinem Reii'egcschrten Zutritt bey dem Erzbischof Wackc. Den ; Jenncr 17;;. wurden sie der Königin Carolina und den Prinzcßinncn vorgestellt. Vernct predigte in der fra»zösi,chcn Capclle iu St. James. In einigen Unterredungen mit dem Her- ivg von Montaigü und mit dem Grasen von Chesterfield bemerkte er, wie die Grossen des Reiches mit vorzüglichem Rang vorzügliche Kenntnisse, und mit beyden zugleich ganz bctondere Höflichkeit und populäres Wesen ver, banden. Ohne dieß hätten sie in» Parlcment entweder "letzt Zutritt, oder doch wenigen Einfluß. In vertraulichem Gespräch mit verschiedenen Bischöffen erklärten sich biese, daß zu Beybehaltung des Gleichgewichtes zwischen lveltlicher Gewalt und kirchlicher Würde, in kleinern Frey- staaten wol die presbylerianischc Verfassung statt haben könne, in grossen Monarchien hingegen die bischöfliche Hierarchie schicklicher scheine. Nur alsdenn wird lctzlre r»m Staate im Staate, wenn ihr Oberhaupt ausser dem Staat lebt und es diesen einschränken kann. Vor seiner Abreise ernennte man Verrieten zum Mitgliede der Louisr? kor xiDmotmZ ckiMwn Xnovleägc. In der Mitte des Augusts r?;;. langte er wieder in Genf an, und zwar nur wenige Zeit vor dem Hinscheid kirrer Mutter, für die er die zärtlichste Achtsamkeit hegte. Ungesäumt kehrte er zu seinen Pastoralgefchäftcn zurück. Unqcmein glücklich verheurathete er sich mit der einzige» Tochter des verstorbnen Peter Bütini, von dessen Predigten er sogleich eine zwole Ausgabe besorgte. Auch bh sorgte er im I. 17)4. die Ausgabe einer Schrift über bie Gränzen der geistlichen und weltlichen Gewalt, die ihm von einer vornehmen Magistratsperssn in Paris war anvertraut worden. In gleichem Jahr erhielt er eine Stadtvfarre. Um diese Zeit kam der Erbprinz von Hes- scncassel nach Genf. Vernct hatte bey demselben öfter» Zutritt und im I. i7;6. wiedmerc er diesem Prinzen kineu Theil des Werkes äs la religicm cdrcdienne. Im Nov. 17,;. besorgte Pietro Giamione Genf eine verwehrte Ausgabe seiner Ikoris civile rexnv Zi dsgxvli. Vernet verfchaste ihm Zutritt bey Türretin und Bürl»-> inachi. Den 24. März 17;«;. hatte Giannone das Unglück aufgehoben zu werden. Es war ein Streich der Jesuiten. Der Unglückliche ward nach Cbambcry geschleppt. Der König von Sardinien schlug seine Auslieferung naa, Rom ab und nahm es auf sich, ihn in feinen eignen Staate» bewachen zu lassen. Der königliche Gubernator verlangte von dem Magistrate zu Genf das Geräth und die Papiere -es Gefangenen, Der Auftrag wurde vollzogen, vorher aber schaften Vernrt und Türretin einige Briefe bey Seite. Verriet berichtete die Sache Gianonn's Freunden in Italien. D r Prinz von Hessencassel schrieb ru Gunsten des Gefangenen an den Prinzen Eüam. Fataler Weist! starb vieler Beschützer desselben. Gimno bilev in der Citadell zu Türin, jedoch beym Genuß verschiedener Freyheiten und Bequemlichkeiten. Im I. 1740. erscholl das Gerücht «eines Todes: allein Berück versicherte mich, daß er noch langer gelebt habe. Wücklich besitzt er eine Handschrift von Gianonc's Leben und Schriften. Den May >7;?. starb I. A. Türretin. Vcrnct schrieb seine Lobrede. Im I. «741. ediere er desselben lat. Vorlesungen über tue eils ersten Kapitel des Briefs an die Römer. Im I. 17;^. hielt er eine academische Rede über die Beylcgung der bürgerUchcu Unruhen. Im Drucke wicdmctc er sie den hohen Vermittlern. Den Jul. 17;?. erhielt er den Lehrstuhl der schönen Wissenschaften. Dieß Lehramt entfernte ihn nicht von den Pa- storalgeschästen und von theologischen Studien. Im I. 174!. schrieb er einen historischen Catechismus, als Einleitung zu einem grossem Werk, lnstruÄion chreri- enne, anfänglich zum besondern Gebrauche der jungen Grafen von Schaumburg-Lipve bestimmt. Dieser christliche Lehrbcgnff ist lichtvoll und pracnfch. Zum erstenmal «rschcrn er im I. ,7;-. zu Neustadt. Als acadcmifcher E^ctor schrieb Verriet verschiedene Reden, von welchen einige gedruckt sind, B. seine Rede gegen I. I. Rvusscaus Lehre, daß die Wissenschaften und Künste für die Sitten schädlich gewesen. — Vernets Vorlesern, gen wurden häufig von verschiedenen Prinzen und ander» Sassen Herren besucht. Für einen dieser vornehmen Zu» Hörer schrieb er sein abrege cl'blstoirs universelle. Noch ehe Fulda seine historische Charte erfand, bediente sich Verriet solcher Charten, um den Zuhörern die Begeben» Heiken in ihrer Verbindung anschaulich zu machen. Für den verstorbnen Prinzen von Sachsen Gocha schrieb er ffe Oislogues ^ocrsrigues, socralisch in Absicht aus Feinheil -er Wendung so wol als in Absicht auf de» praciljchen Jnnbalt. Im I. 1747. besorgte er die Ausgabe von des Pouilli Hiooiie äs« sentimsutL sgresb- im I. 1748. die Ausgabe von Montesquieu Werk für I'es^>ric äes loix. Im I. 1754. kam I. I. Rousseau nach Gens zu, rück. In Paris hatte er den Lcnievs kennen gelernt, einen ebmaligcn Demagogen, der im I. 1751. von Genf wäre verbannt worden. Ungeachtet der Gewährleistung der qenfcrschen Verfassung vom I. 17)8- strebte noch immer eine Partey in der Stadt nach gänzlicher Democratie. Dieser Partey war Rousseau von LeniepS empfohlen. Rousseau erhielt die Aufnahme, und zwar als Glied des Staats und als Glied der Kirche. Vcr, «er cmvfieng von ihm verschiedene Be,uche. Bald kehrte er nach Paris oder CharttrUy zurück. 3 m I. l 6 ;z. kam Voltaire nach Genf. Schon vor» k>er harre er Verrieten geschrieben. Vorläuftig bat ihn dieser, in seinen Reden die Genferverfassung zu schonen, Und er erhielt folgende Antwort: Le krsngin le 9. kcvr. 17 ze. Le gus vvur LLrivcr sur 1» rsligion est kort isison» LsF «sble. ä'säoro Is Religion. ^c steteste l'Intolcrancs äi le Lsnstisms. äs respeÄe vos loix rdigieules. ä'sime 8: je rcsxeüe votre republigus. äs 1ui8 irop mslsste ^ un peu trop lerere pour les jeunss Osns. Von; rne ksrcr plsistr 6c communiguer 3 vos Is8 lentimeni gui m'sttssbsnt tenstrenrent » vou8. Voltaire bekam in seiner Wohnung sux vellceg häufige Besuche. Daselbst machte er Anstalt zu einem kleinen Theater und zahlreich nahm die genfcrschc Jugend Antheil. Da vcrmög der Stadtpolizey die Schauspiele verholten waren, so bat man den neuen Patron, die republikanischen Sitten zu schonen. Dieß verdroß ihn. Bald darauf stieß ihn ein anderer Verdruß an. Von Basel kamen einige Blätter des Gedichtes der Pücellc nackt Genf, und zwar mit Vvltairens Namen. Er wollte nicht für den Verfasser angesehen seyn und forderte Genugthuung bey der Obrigkeit. Die Obrigkeit ließ die Blätter verbrennen und den Ueberbringer verweisen. Im 1 .17; 6. war auch d'Alcmbcrt nach Genf gekommen und an Vcrneten empfohlen. Im I. 1756. erhielt Vcruet den theologischen Lehr« stuhl und edirte einen neuen Band zu seinem Werk 6» ls verile 6« Is relig. skret. Bisher war Vernets gelehrte Laufbahn ruhig gewesen. Durch Voltaircn ließ er sich in Controvcrsen verwickeln. Das erste Werk, welches dieser in Genf herausgab war seine allgemeine Geschichte. In Genf beleydigten die Abschnitte über die Juden, über die Gründung der Kirche besonders auch der Abschnitt über Genf und Calvin» In dem Alercurs 6c krsnce, Maymonat 1757. schrieb ein Ungenannter, wahrscheinlich Voltaire selbst: „ Es »sey kein geringes Merkmal von dem Forschritte des »menschlichen Geistes, daß ein solches Werk zu Genf, » und zwar mit öffentlicher Bewilligung gedruckt worden. 2 ^odcß stand der Namen der Stadt Genf nicht auf Titel und das Buch war mit keiner Bewilligung dewasncr. Voltaire fuhr fort, in einigen Winkelpresscn t>n ausgclaßaeres Pamphlet nach dem andern drucken ;u lo-ffen. Umsonst waren die Klagen der Geistlichkeit, um. sonst hjx Brandmarkung einiger dieser Pamphlets: Nunmehr entzog sich Veruct seinem Umgang und verhcelte ihm die Ursache nichc. In Kraft seines theologischen Lehramts glaubte er sich verpflichtet, gegen Voltaire,, die Reder zu ergreifen. Unterm >. Aug 1757. wiederlcgte er t» dem XXIsten Bande der nouvelle Liblioci, gram. Vol- tairens Abschnitt über Genf und Calvin. Noch ausführlicher erschien diese Widerlegung hernach besonders. Ends des Jahres 17^7. erschien in der Pariser Ency. klvpädic d'Alemberts Artikel über Gcneve. Hiczu hatte d'Alembert sich eines handschriftlichen Aufsatzes bedient, welchen unser Vernet über die Geschichte und Staalsver» Fassung von Genf für einen jungen Russen von Rang verfertigt hatte. Ueber den Retigionszustand fügte der Ency» klovädist eine eigne Schilderung nach seiner Manier bey. Nach dieser Schilderung sollte man den Deismus als die herrschende Kirche anseht,. Unterm ,0. Febr. ,7^8- wie, dersvrach die gcnftrsche Geistlichkeit diesem Gemählde in einer öffentlichen Erklärung. Zuni Beweis ihres Amtscr- fers gab sie bald hernach Roussans Julie als ein gefährliches Buch an. Da der Verfasser abwesend war, so be- Snügte sich die Obrigkeit, den Verkauf des Romans zu derbeutcn. Im August 1690. verbreitete sich in Genf eine Bro, chüre: OialogueL ckretisns, 011 ?relerv3tik contra I'Lnc^c- lopeäle, pLr Nr. V. ä Lsnsve. In dem ersten dieser Dialogen traten ein Priester und ein Encyklopädist auf, die, ser als ein Weiser, jener als Schwärmer und Dummkopf. In dem zweyten Gespräch verschwören sich gegen die Encyklopädie gemeinschaftlich ein katholischer Priester rmb ein protestantischer Theolog, und zwar unter vertraulicher Mittheilung aller Ränke, vermittelst deren sie ibr Interesse und ihre Rache befriedigen. Durch einen Freund wurde Vcrnet berichtet, daß dasjenige, was in der Schrift nur dunkel berührt ist, in gewissen Gesellschaften zu seinem größten Nachtheil erklärt worden sey, so daß man ihm unter andern. Schuld gebe: Er habe «»vertrautes Gut Hinterhalten; er habe sich Voltaire» znr Besorgung der Herausgabe seiner allgemeinen Geschichte angeboren, und zwar nicht ohne eigennützige Absicht; auch sey er bereit gewesen, in einer Vorrede unter eignem Namen die frommen Seele» über den Imihalt dieses Werks zu beruhigen u. s. w. Voltaire wollte die Dialogen nicht als sein Weck anerkennen, in denselben aber erwähnte man der Briefe, die er in Kolmar von Vcrncttcn sollte erhalten haben: da, durch war er wenigstens als Theilnehmer verrathen. Ver- net drang auf obrigkeitliche Untersuchung. Glücklicher Weise konnte er zu seiner Rechtfertigung noch alle Urkun, den, Rechnungen, Quittanzcn vorlegen. Seine Apologie ließ er den öffentlichen Protokollen beyfügen und in Kopeyen herumbielen. Im I. 1762. erschienen Ronsseaus Emile und sein comrsr locisl. Beyde Bücher druckte er zu Amsterdam unter seinem Namen als Bürger zu Genf. Eine verstohlne Ausgabe besorgte er zu Paris, jedoch auch diese trug den Namen Amsterdam auf der Stirne. Die verstohlne Ausgabe des Emile wurde den -. Iun. 1762. in Paris zum Feuer vcrurtheilt und der Verfasser sollte arrcstirt werden. Noch zu rechter Zeit flüchtete sich dieser, unter den Sckmtz des Königs von Preussen, in das Fürstcnthuin Neucnburg. Auch in Genf wurden seine Schriften verdammt. Nach den Gesätzen hätte man ihn vorher per- sc>9 Dersbnlich vorladen sollen. Auf das Gerücht, daß er krcywiliig sich jn Genf stellen werde, erhielten die Syn. b>kS Befehl, ihn sogleich nach seiner Ankunft arrestiren und vor Rathe führen zu lassen. Dir Anhänger des Le- nieps, die auch die seinigen waren, erklärten diesen Rathschluß als ein Slrafurthcil und gleichwol war es weder öffentlich kund gemacht noch dem Spruch gegen dw Bücher beygefügt worden. Im Sept. 1762. schrieb Rousseau an Vernet: Ev vernehme, daß dieser auf eine Wiederlegung seiner Lehrsätze bedacht sey, nur hoffe er, baß man ihm den Christen, «amen nicht absprechen könne. Unser Professor antwortete ihm: Noch hab er nie an eine Wiederlegung gedacht, im Fall 0 die Antworten der Obrigkeit. Jn den persönlichen Prozeß vcrwick-lle Man eine allgemeine Staalsfrage über die Vorrechte des Bürgers. Aus einer Frage entstanden mehrere, jede schwirriger als die vorhergehende. Der Generalprocurator O Tronchiu schrieb zu Gunsten des Magistrats die t-V-s ecntes 6ö In Lnmxngns, Rousseau sitzte ihm die Isttrei 6s In ülontsZne entgegen. Zur gleichen Zeit trat RonH feau im Herbst 1764. zu Thonen in eine Unterredung n»l den Häuptern seiner und Lenicps Parthey. Man entwarf Vorschläge zur Durchsetzung jenes demokratischen stems, welches schon lauge vorher Micheli dü Crest auf die Bahn gebracht hatte. Die Vermittlung, welche im I. 17;;. unter der Gewährleistung von Frankreich und von Zürich und Bern zu Stande kam, durften Rousseau und seine Anhänger keineswegs geradezu angreiffen, viel» mehr erklärten ste diese Vermittlung als Brustwehr der öffentlichen Ordnung. Anstatt sie zu zerstöhren, wichen sie ihr durch Krümmungen aus. Wenn sonst die Bürger- gemeinde nicht änderst, als gesetzlich und unter obrigkeitlicher Leitung versammelt, für den Souverain anerkennt war, so erhoben nun sie dieselbe zum ganz unbedingten Gesetzgeber. Vormahls, in den Jahren 1746. und 17;?« hatte Lenieps Parthey ihre Anschläge aus eine tumultn- arische Weise durchsetzen wollen: Nunmehr aber drang Rousseau bey seinen Anhängern auf Beobachtung der gesetzlichen Formalitäten. Vor allem aus empfahl er ihnen die Eintracht: » Unwiederbringlich seyd Ihr verloren, schreibt er ihnen, „ wenn Ihr Euch theilt. Die »Parthey, die Ihr ergreift ist nicht die Hauptsache. » Wenn sie an sich selbst noch so schlecht seyn mag, ge< » nug daß Ihr sie einmüthig ergreifet; dadurch allein » wird ste gerechtfertigt. » Nunmehr giebt er ihnen Anleitung, wie sie es karten müssen, um unter allerley Vorwand öftere Generalversammlungen oder Bürgergemeinden zusammen beruffen und in denselben ihre Einwürfe vorschlagen zu können. Ohne Schwierigkeit gierig es nicht hin, indem vermög der Mediation vom I. > 7 ) 8 . nichts vor die Bürgergemeinde gebracht werden ! .. . « li i ! durfte, Was nicht vorher vor Rathe erlaubt worden war» Zur Erreichung seines Zieles bediente er sich jener Frey, ^it, in Kraft welcher einzelne oder mehrere Bürger zur lleberreichung ihrer Vorkrage (representations) an die Syndiks befugt sind. Die Beschwerden oder Vorschläge Uluß der Rath untersuchen und so bald möglich beant, Worten, zugleich aber hat er das Recht, sie von Handen !u weifen, wofern er sie nicht begründt findt. Daher heißt er Orale nsgstlf oder Verweigcrungsrecht. Rousseau und seine Anhänger beschwerten sich, daß durch den Mißbrauch desselben die Vortrage der Bürger vereitelt werden. Die Obrigkeit hingegen wendete ein, daß durch solche Verträge die Regierung immer aufmerksam und behutsam gemacht werde, um so viel mehr da ihre Häupter doch immer von den Wahlstimmen der Bürger abhängen. Eifrig verthaydigte Vernet die Grundsätze des Rathes. Während daß Rousseau das Feuer seines Enthusiasmus w polemischen Schriften ausbreitete, besorgte man im 1764. eine Ausgabe seiner Werke, mit Weglassung alles Verbotenen. Eine ungestümmelte Ausgabe sollte iu Neuenburg besorgt werden. Nach mißlungener Unter» uehinnng machte man eine grössere, obsthon auch nicht vollständige Sammlungen Genf im I. 1779. Wir wenden uns wieder zu den Briefen aus dem Gebirge. Ein Fcuerfunke , auf ohnehin sehr brennbare Materien geworfen! Ein Exemplar seines Bn» thcs schichte er sogleich an seinen Pfarrer Montmollin, wit folgendem Blüet: ä Notisrs Is 2;. Des. 1664. klaigner — moi, Alonlisur, ä'simer esnt l» xaiL ^ ä sroir toujours la xuerrs. äs n'si pü relubsr ä wss unsren« Lompstriotes äs xrenärs leur äsksnfs summa O r Lre lnxrstituäs le» iVlinillrez äs Oensvs ont su ls dsllsile 6s m'sccssler äsn« mes malksur« n hätten steimam wollen, indem sie seine Fenster zer. brachen. Er glaubte ihr und seufzte. Bevor er sich aber aus dem Ncucnburgcrgebicte wegstüchtete, unterließ er Nicht bey dem Lord Marefchal Unterstützung für seine Wärterin zu suchen, für welche zum voraus einigermassen nuch ftin Buchhändler Rey gesorgt hatte. Der schot» tische Lord versicherte dem Rousseau eine Leibrente von LivreS, wovon zween Drittel auf die Mamsel le Baffeür gestellt waren. Nunmehr wollte sich Rousseau Unweit Viel im Berner Canlon einen Zufluchtsort aus. suchen. Da ihm die Berner den Aufenthalt weigerten, so verabredete sein Beschützer mit David Hüme die Mittel, ihn nach England hinüber zu schiffen. Zu die. sem Ende sollte er vorher zu Hüme nach Paris gehn. Man verschütte ihm freye Dukchrc.se. Hüme begleitete ihn nach England, woselbst er auf einem Edelsitze bequem beherbergt wurde. So weit er immer von Genf entfernt war , f» vtt» nahm er nicht ohne Verdruß/ was daselbst im 1 .1766' vorgieng. Seiner Parthey in dieser Stadt war es gelungen , die Regierung dadurch zu hindern, daß sie die Waht der Syndiks aufschob. Der Rath rief die gewäbrlcchcn- den Mächte der Mediation vom I. »7)8. um Hilf an. Es erschienen Gesandte von Frankreich und von d> a beyden ersten Kantonen. Sie hörten die Beschwerden der Bürger und erklärten die bisherige Regirrungsverwalluiig als gesetzlich und väterlich/ folglich die Anschuldigungen in den Briefen aus dem Gebirg als schwarze Vrrlaumdungen. Wenn auf der einen Seite dir französischen Philoso- phisten/ besonders Voltaire vielen Einfluß auf Rousseaus fatale Umstände hatten/ so war auf der andern Sekte auch unser Verriet äusserst geschäftig/ seinen Anhang zu schwächen. Da er es aber in einem ganz andern Gerste thal/ als Voltaire/ so fuhr dieser fort/ nicht weniger Verrieten als Rousseau zu necken. Im I. 176s streute man gegen Bernet in Genf ein gedrucktes Phamphlet aus, unter der Aufschnft: I.ettrs ouneule äe Robert LovsIIe, cslebrs Lücken äs 6snsvs, ä Is louangs äs Nr. 1e krok. Vernst. Diese Spottschrift wurde in oen äournal Lnc^elopeäigus und in die Oarsttv littsrsirs ä'^mkeräsm eingerückt. In derselben wirft man Verneten vor/ daß es ihm schlecht anstehe / von Voltairens Urstairs generals übel zu reden / während daß er bey zwanzig Briefen an den Verfasser geschrieben / um die Ehre zu erhalten/ sein Herausgeber zu werden; während daß er auch schon mit dem Buchhändler Philibcrt die Abrede getroffen/ wie viel ihm dieser für die Correktur bezahlen sollte rc. — Unter« Jun. 1766. lehnte Vernet diese Beschuldigungen von sich in einem Nsmoire presüMo r Nr. Is Premier 8xnäia, wekchcs hernach gedruckt ward. So wol vor der Geist, kühkcit als vor Rathe überreichte er seine von Voltaires "uplangenen Briefe. Nach genauer Untersuchung bersel, erhielt er eine öffentliche Erkannlniß, daß, weit e>Ufernt, sich Volraircn als Herausgeber aufzudringen, er btelniehr von diesem «m eine unkadclhafte Herausgabe seiner HistairL Zensrsls ersucht worden sey. Von diesen persönlichen Zwisten wenden wir den Blick i. L. vlvonx, sie trägt in seinen Gedichten den Namen Doris. üüüüüüüüük, «r- ^rte er auf die Ausfeilunz seiner Gedichte. Auf dies« Versuche folgten einige dramatische Stücke. Unter den- selben zeichnete sich vom I. 176; Phileman und Baucis, ein Schauspiel, vorzüglich aus. Im I. 1766. lieferte re *ine poetische Nachlese, unter der Aufschrift: » Neue »Beprräge zur deutschen Macnlalur." Im I. 176» ein Bündchen dramatischer Kinderspiele, die er für seine "ud seiner Freunde Kinder verfertigte. Vom I. 176; bis 1774 fünf Bände theatralischer Belustigungen nach sranzösischen Mustern. Sie bestehn theils aus freyen Uebrrseznngen, theils aus solchen Umarbeitungen, wodurch 6ch der Verfasser die Originale beynahe ganz eigen gemacht hat. Hiebey war ihm das drückende Gesetz vor, geschrieben, lauter neue oder doch noch nie übersezte Drücke zuwählen. Unter seinen andern schriftstellerischen Arbeiten erwäh, "er, wir das historische Magazin für den Verstand und das Herz, in zween Bänden, französisch und deutsch, welches verschiedene Auflagen erlebt hat. Im I. 1762 gab er in Gesellschaft eines französ. Officiers, des Ritters d'Abguerbe, eine französische Uebersetzung von Lichtwchrs Fabeln in Prosa heraus, mit welcher Lichtwehr selbst sehr zufrieden gewesen. Auch an der französischen Ue» bersttzung von Büschings Erdbeschreibung nahm Pfeffel Antheil. Seine Arbeit erstreckte sich aber nur auf Frank, reich und auf einige Kräise von Deutschland. Mit dem Ende des I. 1-7; verließ er die litterari, sche Laufbahn, in die er erst nach einer Pause von zehn Jahren wieder zurücktrat, als ihn dazu ein eigenmäch« tiger Herausgeber seiner neuern Poesien, mehrcntheils der Früchte schlafloser Nachtstunden, nöthigte. Den langen Zwischenraum füllte er durch Arbeiten aus, die "och mehr seinen Geschmack und sein wolwollendcs Her; befriedigten. Sein edles und feuriges Bestreben zur Ausbreitung der Weisheit und Tugend und zur BeM« rung der menschlichen Glückseligkeit hinderte seine hett eben so wenig, als seine gefällige Fröhlichkeit hinderte. Jm Aprill 177; hakte er von Ludwig XV die Erlaubniß erhol» ten, unter dem Namen einer Kriegsschule ein akademisches Erzirhungshaus für die protestantische Äugend in Colmar anzulegen. Alle seine Zerr und alle seine Kraft wtcdmett er diesem Institut. In Zeit von fünfzehn Jahren wur» den in demselben gegen 2?» Zöglingen gebildet, wovon viele/ wo nicht die mehresten seinem Hause und ihren Familien Ehre machen. Da ein ansehnlicher Theil dieser Zöglinge Schweizer waren/ so verfchaften diele Verbiru düngen Pfcffeln / obwol er noch Ausländer war/ den Eintritt in die helvetische Gesellschaft; sie verfchaften ihm endlich das schweizcrsche Bürgerrecht. Im I. r-8- er« hielt er das Bürgerrecht der Stadt Viel/ und im Jahr darauf in eben dieser Stadt die Aufnahme in den grosi sen Rath. Wie sehr er diese Ehre verdient habe/ und wie sehr er dafür erkenntlich gewesen, beweisen unter «nderm theils das Dankopfer, das er seinem neuen Vaterlande im I. i?8r durch die der helvetischen Ge» fellschaft gewiedmete Sammlung seiner Fabeln gebracht hat, theils auch die vortresiiche Rede, womit er «M r?8; bey der erwähnten Gesellschaft seinen Vorsitz «röfnete. Schon im I. 17«; war er auf eine ihm eben st> Unerwartete als schmeichelhafte Art zum fürstlich Hessen» Darmstädtischrn Hvfrath, und im I. 1788 zum Ehren» mitgliede der königl. preußischen Akademie der Künste von Berlin ernennt worden. Eine neue und mit einem zwenten Baude vermehrte Ausgabt seiner poetische» Versuche erschien im I. 17N- bey Haafe dem jünger» zu Basel. Je vortrefficher diese Gedichte find, desto verführerischer sind in denselben einige glänzende Fehler, welche aber in der neuesten noch vrr» Zehrten Ausgabe verbessert sind. — Die Revolution in Frankreich bewirkte die Aufhebung seiner Kriegsschule, wodurch er desto mehr Muffe bekäme der schönen Wissenschaften sich zu wiedmen, seine seit diesem Zeitpunkt gedichteten Fabeln verrathen auch noch üzr, n'chl das Alters eines blinden Greisen, sondern die volle Stärke der Jugend. — Seine Anhänglichkeit an unser Vaterland und seine schweizerischen Freunde dauert noch immer fort. Zum Beiveu'e dcrtclben ließ er der helvetischen Gesellschaft bev ihren jährlichen Zusammenkünften, mchreremale von seinen noch ungedrukten Fabeln und Gedichten vorlesen, und *7»? beehrte er ihre lezte Versammlung in Aarau selbst Kit seiner Gegenwart — und erhielt dagegen auch die Ehrendste Beweist allgemeiner Hochachtung. Jaevö Heß. Derselbe ward den 21. Weinm. 1741 gebohren. Jü der Kindheit ward er dem Unterricht seines Oheims, Heinrich Goßweilers, damaligen Pfarrers zu Affoltern, anvertraut. Diesen geschickten und liebenswürdigen Man» kostete es nicht wenig Mühe, bis er endlich dem junge» Neffen, bey aller seiner Neigung zum Tändeln, nach und nach etwas Bücherliebe einflößte. Am liebsten las er noch Neiscbcschreibungen und historische Nachrichten. Latein lernte er nicht ohne Widerwillen. Da er in keine Schule kam, so hatte er sein Lesen, seine Kurzweil und alles ab» gesöndert für sich allein; daher nahm er ein ungeselliges, lcutscheues Wesen an sich. Nicht ohne Mühe konnte er sich da» von entwöhnen. Indeß entwickelten sich freylich seine Seelen» kräfte freyer als es in der Stadt und in der Schule geschehen wär. Zum Landleben und zur Einsamkeit bekam er so starke Neigung, daß ihm hernach der Aufenthalt in der Stadt wieder zur Last ward. In der Stadt hatte er dem Unterricht des sei. Pfarrer Freytaqs alles zu danken. Vermittelst dessen Handlcitung brachte ers st weit, daß er im I. 17;; in die philologische Classe des lhöhernCoüegiums befördert worden. In der griechische» Sprache brachte er es unter Breitingcrs Aufsicht sehr weit. Breitmger und Bodmer nahmen sich des Jünglings eifrig an. Einige hoffnungsvolle Jugendgefehrten forder» ten ihn zu freundschaftlichem Wetteifer auf. Izt nalM Ehrbegierde von seinem Herzen Besitz; diese Leidenschaft schien durch Heftigkeit seinem moralischen Charakter nach» theilig zu werden; nicht ohne beschwerlichen Kampf gc» lang ihm der Sieg über sich selber. Auch waren nunmehr seine Studien fast lauter Lieblingsstudien; manches Ernsthaftere ward htebey versäumet. Doch gewann er WKM ME «L" 4*» > Mj- K ZW» r>k -r«-. ^ M»^ .-S». i^»- -»r Echtzo : Äch»-. '.SS? -««. ^«v -Mß" »V ' «E-« .7» LLj ünter Anleitung der grösten Männer Liebe zur Weltweis, hctt, besonders zur Methaphysik. Nichts als die Reizun- gen der Dichtkunst konnten ihn von den Schriften eines Lcivnjtz, Wolf, Bülfingers hinwcglockcn. — Dann zog ihn wieder alles an sich; bald die Geschichte, insonderheit die vaterländische; bald eine Neiscbeschreibnng, bald ein Gedicht; bald eine Abhandlung, bald ein Roman. — Hier ist das Scheidcalter, wo der von Kenntniß zu Kenntniß herunnrrende Geist sich so leicht in den Jrrhaynen stachliger Lecture verliert. Vorsehung ist es, wenn bey so unordentlichem Studiren endlich noch etwas solides herauskömmt; Vorsehung ist es, die einem Jüngling Freunde, Gönner, Rathgeber verschaft, aus deren Bey» spiel er sieht, wie die Arbeit kann zweckmäßig und übereinstimmend gemacht werden. Solche Beyspiele waren für ihn ein Schultheß, Stembrüchel, Tobler. — Was er in diesen akademischen Jahren von der Theologie ver» stehn lernte, — freylich bey so zerstreutem Studiren wenig, — das hatte er seinen beeden Professoren, Lava« tcr und Zimmermann, zu danken. Im Frühling 1760. ward er zum Predigamt ordi- uirt. Hieraus kam er zu seinem väterlichen Oheim, dem Pfarrer Hcß, nach Restenbach, als Vicar und Lehrer seines Sohnes. Dieser Oheim war ein trefer Kenner der wölfischen Philosophie und war auch selbst Wolfens Schüler gewesen. Mit jeltcncr Gründlichkeit im Denken verband er den feinsten Geschmack und die ausgesuchteste Bclesenhett; auch, was über alles geht, das menschenfreundlichste Herz. — Der Jüngling, der einigen Autor- stolz von dem Gymnasium her — er hatte einige Gedichte verfertigt, — mir sich zu seinem Oheim gebracht hatte, war endlich so gescheut, für einmal das 8ruäium laclaresasnäl, die Schreib, und PÜblieirsucht dem gründlichern Lernen und regelmässigen Studiren aufzuopfern. L2>4 - -- - — Es waren meistens die besten und nahrhaftesten Schriften, die er bey seinem Oncle las; das Studium der Alten setzte er fort. Hiedurch gelangte sein Geist je länger je mehr zu völliger Reife. Ausser dem Umgang mit seinem sortreflichen Oheim in Neftenbach, hatte er auch einem andern, mütterlichen Oheim, dem Pfarrer Schultheß, diesem glücklichen Uebcrsctzer der griechischen Weitweisen, wegen seines litterarischen Briefwechsels sehr vieles zu danken. — Die Art, wie er auf dem Lande die göttli« chcn Schriften studirte» und seines Oheims geschickte Methode» die evangelischen Erzählungen in Predigten zu behandeln, veranlaßten ihn frühe. Versuche einer LebenS- geschichle Jesu ;u wagen. Von dem Oheim aufgemuntert , brachte er gegen das Ende seines siebenjährigen Aufenthaltes in dessen Hause das erste Bändgrn zu Stande. Er schrieb auch um diese Zeit den Tod Moses, ein Gedicht. — Etwas früher zwo Elegien, dem Andenken eines Jünglings von seinem Freunde gcwiedmet. Um diese Zeit starb sein Vater, dessen ungemeiner Fürsorge er so manche vortheilhafte Situation, in die er gekommen, so manche Hülfsmittel zum Studiren zu danken hatte. — Izt eröffnete sich ihm ein neuer Auftritt des Lebens. Im I. 1767. verehlichte er sich mit Jungfrau Anna Maria Schinz, einer Person, deren ganze Sinnesart sich für ihn, so wie er sich für sie, durchaus schickt. Drey Jahre lebte er mit ihr, ein Paar Stunden von Zürich entfernt, in einem angenehmen Landhause. Hier konnte er nach Herzenslust dem Studiren obliegen. Tiefes, Geist und Her; befriedigendes Studium der göttlichen Schriften war hier sei« Hauptgeschäffte. Auch ichrieb er hier das zweyte Band- chen der Lebensgeschichtc Jesu. Vornehmlich aber las «nd sammelte er, was immer zur Aufklärung des Plans der Offenbarung dienen konnte. Die erste Idee hievoii äab er in einer kleinen Schrift: Ueber die beste Art, Christenthum zu vertheidigen. Zürich 1769. 1774. Beym Lesen des alten Testaments bediente er sich, um mit der Sprache des neuen desto bekannter zu werden, ^ griechischen Dollmetschung. Aus diesen Betrachtungen 'Mst«nd sein Werk vom Reiche Gottes, welches die Äußerung des Plans der göttlichen Offenbarung zum Zweck hat. sechs Bänden hatte er im I. 1782. die Ge, schichte Jesu vollendet. Wie vortheilhaft sich Müntee dieses Werkes zur Bekehrung des Grafen von Struensee bedient habe, ist aus öffentlichen Blättern bekannt. Im 3 . i?74. schrieb er noch die Geschichte der Jugendjahre Jesu; im I. 1775. die Geschichte der Jsraeliten u.s. w. ^ir übergehen verschiedene kleinere Schriften, wie z. B. °ie Gedanken über das ami-lavaterische Sendschreiben, — bie Hoffnungsinlel und so manchen, wichtigen Aufsatz, d*u er als Mitglied und Vorsteher der ascetischen Gesell, schüft edirt hat. — Der Hauptcharacter der heßischen Methode ist, daß ue Schrift durch Schrift erklärt und fest sich an die biblische Geschichte anschmiegt. Mit Hintansetzung fowol "^iavhyscher als zu gehäufter critischer Untersuchungen, !ür welche das Volk nicht gemacht ist, bemüht sich Heß, ^"Fortschritt der göttlichen Offenbarungen in so über. ^'"stimmendem Plane und auffallendem Lichte zu zeigen, wenn auch diese oder jene Lücke, diese oder jene, dogmatische oder philologisch? Schwierigkeit bleiben, ">chts desto weniger die Wahrheit und Göttlichkeit der AU. Bücher sich durch Jnnhalt und innere Ueberein. uimmung jedem unumfangnen Gemüthe empfehlen. . Seit dem I. 1777. stand unser Heß mit grosser Er- k"uung als Diacon bey dem Frauenmünster in Zürich und 1795. wuroe er jn>.»- 6 -. zehnjährigen Rousseau zu verführen suchte. Jede Versuchung überwand er; man drang stärker in ihn; er entsteh. Bald wurde er eingeholt und nun eingeschlossen. Ihn befreyte ein savoyischer Landpriester, der in Geschäften nach dem Proselytenklostcr kam und dem Rousseau sein unglückliches Schicksal entdeckte. Der Landpriester nahm ihn mit sich, ein armer, aber aufgeklärter und wohlden- kender Mann, der sich freute, einen noch unverdorbenen 3 ünglmg dem Laster entrissen zu haben. Rousseau entlief stinem Wohlthäter; das einsame, ländliche Leben war ihm zuwider; er wollte versuchen, sich selbst in der Welt durchzuringen. Die vielen Romanen hatten seiner Einbildungskraft einen eignen Schwung gegeben. Er schuf sich Ideale von Menschen, die alle Tugenden der Romanhelden besassen; und diese Menschen wollte er suchen. — Gar bald gerietst er von neuem in Gefahr Hungers zu sterben. Ätzt kehrte er zu seinem Wohlthäter, dem Landpriester, zurück. Dieser empfieng ihn, ohne Vorwürfe zu machen, st wie ein Vater seinen Sohn empfängt, dessen Verlust er bewainte. Der Landpriester ist eben der, dessen Glau. bensbekenntniß Rousseau in den zweiten Band seines Emils eingerückt hak. — Nach einiger Zeit stellte er dem Jünglinge vor, daß es itzt Zeit wäre, sich einen Stand zu wählen; er rieth ihm, in sein Vaterland zurückzukehren, und die Religion, die er verlassen hatte, wieder anzunehmen. Durch falsche Schaam und durch übelverstandnen Ehrenpnnct wurde Rousseau zurückgehalten, dem Rath seines Wohlthäters zu folgen. Nun empfahl ihn der Land. Priester der Baronesse von Warens, und diese nahm ihn zu sich. Die Dame war aus einem der angesehensten Häuser im Wüttland. Hm Iunius 1726. kam der König pvn Sardinien nach Evian, einem savoyischen Städtgen um Genfersee. Die Baronesse war auch da; durch Zu- Pr 228 fall wohnte sie einer Feyerlichkeit bey und hörte eine M de - die der Bischoff von Berner vor dem König Durch diese Rede bekam sie Zweifel gegen die reforrnikte Religion, in der sie gebohren war- Nach einigen Best' chen bey dem Bischoff wünschte sie in den Schoos der ea- tholischen Kirche aufgenommen zu werden. In Annew nahm sie die katholische Religion an; sogleich wurden Güter / die sie in der Schweiz besaß/ eingezogen; dagegen gab ihr der König/ um sie für den Verlust einiger maM schadlos zu halten / ein beträchtliches Iahrgehalt. — DE war die Dame/ die sich deö jungen Rousseau annahm- Da sie bald sein vorzügliches Talent zur Thonkunst be- merkte / so verschaste sie ihm Gelegenheit/ sich darinn zu vervollkommnen. Sie empfahl ihn dem Bischoff zu Bernck; dieser suchte ihm eine Stelle als Cecretatr bey dem Marquis von Bonac, (der sich in Solothurn als französisch^ Abgesandter bey der Eydgenvßschast aufhirli/) zu verschaffen. Eine Krankheit/ die den Gesandten aufs Todbetk brachte/ und der Tod deö Bischoffs vereitelten auf einmal alle Hoffnungen. Die Baronesse war selber in so klemme Umstände gesunken / daß ihr Rousseau nicht länger zuk Last fallen wollte. Im 1 .17; 2. in seinem zwanzigsten Jahr gieng er nach Frankreich / in Hoffnung / daß er sich durch seine Kenntniß in der Musik durchbringen werde. Die Baronesse bezahlte die Reisekosten/ und Rousseau kam nach Besangon. Hier sang er mit Beyfall in einigen Concerten. Man versprach ihm Beförderung, sobald eine Stelle erledigt seyn würde. Unterweilen gieng er nach Chambery zurück und gab da einige Jahre lang Unterricht in der Thonkunst. Durch beständigen Kummer litte seine Gesundheit. Im 1 .17z7. gieng er seines kränklichen Körpers wegen nach Montpellier; da ihm die Meeresluft nicht zuträglich war, kehrte er bald wieder zu seiner Wohlthäterin zurück. »29 . Endlich erhielt er im 1 .1742. eine Stelle als Secre- ^ bey dem französischen Gesandten in Venedig; nach Verstuß der Gesandschast kehrte er mit diesem nach Paris iursick. — Hier war er, aus Mangel weiterer Versorgung, ^nöthigt, sich mit Notenabschreiben zu ernähren. Die Essigen Stunden wandte er vorzüglich auf das Studium ^ Naturlehre und besonders der Chmnie. Im I,1748. Mte er einen starken Anfall von Steinschmerzen; seither z'ar er immer mehr oder weniger von dieser Krankheit ge- blagtt Im 1 .1749. arbeitete er einige Arrickel für die ^vffe Encyklopädie aus. Im I. 17?° erhielt er den dreis bey der Academie von Dijon. Die Art, wje er arauf verfiel, über die aeademische Frage zu schreiben, ^ählt er selbst folgender Gestalt: *) „Im 1 .17z«. sagt " ^, unternahm ich eine kleine Reise, um Diderot im "Gefängniß zy Vineennes zu besuchen. Ich nahm ein '"ourrial zum Zeitvertreib mit und fiel aus die Preisfrage von Dijon, ob die Wiederherstellung der Wissen« "schaften und Künste zur Verbesserung der Sitten beygetragen habe? Da stellten sich mir auf einmal die man- tigfalrigm Uebel des gesellschaftlichen Lebens so fürchterlich und eindringlich dar, daß ich unter Miner Empfindung erlag Ich warf mich neben einen Baum nie- trr; aues Elend der Menschen zog in schrecklichen Ge- " stalten vorüber; hundert Anschläge und Entwürfe folgten — —. und das war mein Beruf zur Autorschaft, v Meine Handthieryng als Notenabschreiber hat solchen "Nicht veranlassen könne». Ich war ungeübt, öffentlich tll reden. Ich verstand es nicht, durch Witz und Ein. "lalle zu glänzen; und sp stellte sich im Anfang der Aus- " brück langsam dar. Es wäre mir unmöglich gewesen, '»etnen Plan zum litterarischen Ruhm zu entwerfen; es " ivar Drang meine Ideen los zu werden, der mich zym ) S. Sturz Schriften. Erste Sammlung s. rzL. r;o ^ „ Schreiben nöthigte; und wenn ich mit einiger Stärke „ schrieb, so war ich sie der Ueberzeugung von der Wahr- „ hm meiner Sätze schuldig „ — Aus eigner Erfahrung wußte Rousseau/ wie weit ächter Tugend die Eftfalr nahe verwandt sey; wußte aus der Geschichte/ wie Künste Wissenschaften oft der Ueppigkeit Hand bieten; war >u Italien gewesen, auf dem Grabe so vieler römischer W' losophcn, Redner und Dichter, bey den Ueberbleibftln der aus Griechenland dahin gebrachten Kunst, aber auch zwischen den Trümmern eines in kurzem durch Weichlich' keit und Wollust zerstörten, vormals allgewaltigen Fr^ staateö. In maiestätvollen Tempeln hatte er Heilige v§u Raphael und Guido gesehen — Büberey aber in den Hä"' fern derer, welche die Tempel bedienten Voll hieven schrieb er, ohne sonderbar seyn zu wollen, eine sonderbare Antwort anf die akademische Frage. Mit aller Mach* der Beredsamkeit schrieb er gegen die Rednerkunst; ^ der Fackel der Wahrheit beleuchtete er der Kenntnisse täU' schendes Blendwerk. Da sich Rousseau gegen die Wisse"' schasten erklärt hatte, so erschienen bald eine Menge Widerlegungen In seiner Vorrede zmn Narcisse (einem Lust' spiel, das er einige Jahre hernach herausgab,) zeigt er, wie man ihn ganz mißverstanden habe. Einer -er vornehmsten Gegner, der ihn öffentlich angegriffen hatte, der verstorbne König in Pohlen. Vermuthlich um dieses König (der sich damals in Lothringen aushielt,) eine" schmeichelhaften Zeitvertreib zu verschaffen, schrieb "U" Palissot sein Lustspiel, die Philosophen. In diesem Stück wurde, nebst andern Gelehrten, auch Rousseau lächerlich gemacht. Sobald eS der König erfuhr, ließ er, durch -cU Grafen von Tressan, an Rousseau schreiben und ihn versichern, daß er gegen Palissot, der ein Mitglied der ge- lehrten Gesellschaft zu Naney war, äusserst ausgebracht sey, und daß dieser, zur Strafe, seine Stelle als Mt- 2Zl Aed der Gesellschaft verlieren sollte. Rousseau bat für Missot, und auf seine Vorbitte behielt dieser seine Stelle, Er der König verlangte, daß die ganze Aneedote in den Suchern dkk Gesellschaft aufgezeichnet würde. Auch die- wußte Rousseau durch neue Bitten abzuwenden, Um diese Zeit erhielt Rousseau Brieffe von der Baro- "G von Warens, worinn sie ihm mitWehklagen ihre klemme Umstände entdeckte. Er schickte ihr 24s. Livres, fast ganzes Vermögen, mir einem Brief, worin» er be- ^urr, daß er nicht mehr zu thun im Stand sey. Sie 6"rb nicht lange hernach in der dürftigsten Lage. 3 m I. 1752. schrieb Rousseau die kleine Oper vevin stu viiisgs, wozu er die Musik selbst componirte. Zum Menmal ward dieses Singspiel den i. Merz mit allgemeinem Beyfall aufgeführt. Die Schauspieler wollten ihn Wahlen; da er aber füo keine von seinen Schriften Geld avnahm, so that ers auch in diesem Fall nicht; zur Nennung verlangte er, auf immer einen freyen Platz in °er französischen Oper, der ihm bewilliget wurde. Atzt st>ar Rousseau von der französischen Nation angebetet, selbst der König verlangte ihn zu sprechen; doch er verdat sich die Ehre. Noch in gleichem Jahr gab er seine Abhandlung über ^ französische Musik heraus. Die Sänger der franzö- mchen Oper besorgten eine gänzliche Bankeroute, wofern Rousscaus antigallicanische Tonkunst den Sieg davon tra- sollte. Wainend klagten die Sängerinnen ihren vor- ^ehinen Liebhabern diese Verschmähung. Jedermann war Er RousseauS kezerisches Musiksystem aufgebracht; man ^stellte Leute, die ihn bey Nacht ermorden sollten. Um »ch vor unaufhörlichen Bedingungen sicher zu stellen, be. ^ .er sich im I. nach Genf Durch seine Rcligi- ^sänderung hatte er fein dasigeS Bürgerrecht verloren. -§tzt aber nahm er öffentlich die reformirte. Religion wie- der an und wurde wieder in alle Rechte eines freyen Bürgers von Genf eingesetzt. Von da reifere er nach SavorB und hielt sich einige Zeit in Chancery auf. In dieser Stadt arbeitete er an seiner Abhandlung, über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen. Den wilde« und den gesitteten Menschen hielt er gegen einander; Mein und Dein, Eigenthum, Reichthum. daraus entstehende Obermacht und Ueppigkeit erklärte er als Quelle tausendfachen Elendes/ als Zunder zahlloser Verbrechen, die nur in polizirten Staaten zu HauS sind. Voll Eckels vor den» geborgten / gleiffenden Wesen der grossen Welt, in der sei» Naturgefühl zum Spotte geworden; voll Unmuths darüber, daß in der bürgerlichen Gesellschaft willkürlicher Borzug den innern Werth verdunkle, daß der Gewaltige ganze Völker seiner Leidenschaft aufopfere, rief er seinen Brädern zu: Kommt in die Wälder- und werdet Menschen! Unterdessen hatte sich in Paris der Haß der Nation gegen ihn gelegt. Auf dringende Einladung hin kehrte er nach Frankreich zurück, aber nicht nach der Hauptstadt, sondern nach Mommorency. Hier lebte er in philosophischer Einsamkeit die glücklichsten Tage 3 >n 1 .175 8. erschien seine Abhandlung über die Schauspiele. In grossen und verdorbenen Städten erklärt er das Theater f r heilsame Zerstreuungen; für kleine Frey- staatcn halt erö für schädlich. — Nicht lange hernach gab er die Julie, oder neue Hcloise heraus. Ein grosser Theil dieses Romans ist wahr und enthalt die Geschichte einer unglücklichen Liebe, die der Verfasser in seiner Jugend gehabt hat. — In diesem Buch findt man vortrefliche Anleitungen zur Landwirthfchaft, zum Hauswesen, zur Kindererziehung , zur Beförderung der Kenntniß des menschlichen Herzens u. s. f. Vorzüglich schätzbar sind die mahlerischen Beschreibungen. Bald darauf folgten die Abhandlung über den gescsi- schastlichen Vertrag und das Werk über die Erziehung oder sein Emil. Damals war Genf in zwo Factionen getheilet. Umsonst hatte sich die Partey der Negatifs bemüht/ den Rousseau von der democratischen Partey abwendig zu machen. Jene laurten auf den Zeitpunct, ihm einen Streich zu Zersetzen. Voltaire schrieb ebenfalls an seine mächtigen ükeunde in Paris, sie sollten trachten, den paradoxen Schriftsteller' durch tödtlichen Hieb, zu weiterm Bücherschreiben unfähig zu machen. Kaum hatte der Emil die Presse verlassen, als er schon den ic>. Jun. 1762. verbog einer Parlamcntsacte durch den Scharfrichter vex. brennt und Rousseau, als Verfasser, zur Gefängnißstrafe verdammt wurde. Sogleich ließ der Magistrat in Genf, schon den 19. JuniuS, das einzige Exemplar, das sich in der Stadt befland, auch durch den Henker verbrennen und ebenfalls den Verfasser zur Gefängnißstrafe verdammen. Rousseau erfuhr zu Montmorency, in seiner Einsamkeit, das Schicksal seines Buches und dasjenige, wo. mit er selber bedräut ward. Er flüchtete sich nach Aver- don im Berncrgebiete. Der dortige Landvogt, Herr Gin- flings de Moiry, nahm ihn auf wie einen Freund und vcrschafte ihm alle die Hülfe, die ein kranker Flüchtling bedurfte. Acht Tage hernach kam Befehl vom Senate zu Bern; den Rousseau nirgends im Berner-Kanton zu dul- den. Dieser flüchtete sich nach MoiticrS-TraverS, in die Gebirge der Grafschaft Neufcharel. Seine Verwandten tu Genf baten sich bey dem Magistrat eine Copey des Urtheilspruchs aus, die ihnen den 2^. JuniuS 1762. verweigert wurde. Auf wiederholte Bitten einiger Bürger er' solaren wiederholte Weigerungen. Rousseau beschwur seine Freunde, um seinetwillen keinen Zwist anzufangen. Fruchtlos wax seine Beschwörung; nun fand er sich genöthigt, den letzten Schritt zu thun und fernem Bürgerrecht in LZ4 Genf zu entsagen. Dieses geschah unterm 12. May 176;. Durch die Entsagung des Bürgerrechtes glaubte er auf einmal die Unruhen zu stillen. — Vom Jahr 176s. biS 176;. blieb er in MoitierS- Travers. Diese ganze Gegend steht unter dem Schutze des Königs von Preussen. Im Namen desselben ward sie von einem schottländischen Edelmann Georg Keith, oder, wie man ihn gewöhnlich nennt, Lord Marschall beherrschet. Von diesem würdigen Mann erhielt Rousseau alle mögliche Beschützung. Montmollm, der Pfarrer des Ortes, trieb seine freundschaftliche Gefälligkeit würklich so weit, daß er dem verschreiben Philosophen selbst Zutritt bey dem Nachtmahl gestattete. Nach und nach ward der Pastor allzuzudränglich, und Rousseau lenkte die zu grosse Vertraulichkeit mit Höflichkeit ab. — Unterdessen hatte der Erzbischoff von Paris in einem Hirtenbrief unsern Pilosophen verkezert. Dieser rechch-rtigte sich in einem gedruckten Sendschreiben. Gegen seine Feinde in Genf verthädigte er sich in den Briesen vom Berge. — Verschiedene Treibfedern wurden in Bewegung gesetzt, um den Pastor Montmollm gegen Rousseau in Harnisch zu jagen. Oeffentlich fieng er an, gegen diesen zu predigen. Feyerlich wurde er itzt zur Rechtfertigung seines Glaubens vor das Consistorium vorgesordert. Wegen Krankheit entschuldigte er sich schriftlich. Nicht lange hernach schickte der König ein eigenhändiges Rescript an das Consistorium , worinn er ausdrücklich erklärte, daß er den Philosophen unter seinen Schutz nehme. Der Priester Mont- mollm hatte Rousseauö Untergang geschworen, und, was fast unglaublich scheint, er erreichte seinen Zweck, obgleich der Philosoph von dem Consistorium, dem Staatsrath, dem Gouverneur, ja dem König selbst beschützt wurde. Durch Schmähpredigten hatte er es so weit gebracht, daß, so oft sich Rousseau auf der Strasse sehen ließ, ihm die Bauern mit Flüchen.^nachfolgten. Am i.Sept. 076; Kellte der Pastor seiner Gemeine nochmal ihre Pflichten vor, darauf reichteer das Abendmahl, und nach der Kirche warf ">an Rousseau die Fenster ein. In den folgenden Nachten wurden die Anfälle wiedcrhollt und seine Thüre aufgesprengt. Endlich, in der Nacht vom siebenten auf den Achten Sept. drang der ganze aufrührische Haufe in sein Haus; die Thüren wurden aufgebrochen, die Fenster zerschmettert , die Wände zerschlagen und ein Hagel von Stci- tten fiel in sein Schlafgcmach und neben seinem Bette nieder. Fast wäre er ermc-rdert worden. Er rettete sich mitten durch den Haufen, ohne daß es jemand wagte, Hand ün seine Person zu legen, und floh auf eine kleine Insel lm Bielersee, die dem Kanton Bern gehört. Nach drey Wochen kam Befehl an ihn, daö Gebiet der Republik zu verlassen. Bey der kalten Iahrszeit und mit krankem Körper entschloß er sich bey seinem Freund und Gönner, dem Lord Marschall, der sich itzt in Berlin befand, Zuflucht ru suchen. Auf der Reise erhielt er in Straßburg Briefe vou Hüme aus Paris, worinn ihn dieser einlud mir ihm «ach England zu gehen- Rousseau nahm diese Einladung an und seine Freunde würkten am französischen Hof einen Paß für ihn aus, daß er ohne Gefahr nach Paris kommen konnte. Er reifere hin und wurde von vielen Personen besucht, unter denen sich einige Prinzen befanden. Hü- me empfieng ihn sehr freundschaftlich, und sie reisten zusammen nach England. Lange vertrugen sie sich nicht. — Lord Walpole ließ einen erdichteten Einladungsbrief desKö- vigs in Preussen an Rousseau in 8sinc ^mes Ldronicle einrücken. Ueber diese Spöttercy des Lord Walpole, der Hümcö bester Freund war, wurde Rousseau höchlich erbittert. Dadurch entstand zwischen diesem und zwischen Hüme ein sehr anständiger Federkrieg. Rousseau blieb in England bis 1767. Er lebte auf dem Lande und beschäf- tigte sich mit der Kräuterkuude. Endlich grenz er wieder 2;L - — nach Paris nnd gab daselbst im J. 1768. sein letztes Werk, das OiÄionnsrre äs IVlufigus heraus. Im I. 1769. verheyrathete er sich mit seiner Haus« Halteritt, Mamsel le Vasseux. Da sie schon seit vielen Iah« reu alle Unfälle mit ihm getheilt hatte, wollte er sie dadurch für ihre Dienste belohnen. Sie wußte sich in seine Launen zu schicken; andre Vorzüge hatte sie nicht. — In PariS nährte sich Rousseau mit Notenabschreiben. In seinen Erholungsstunden machte er botanische Spazieegänge. Im Winter besuchte er oft den LaKes äs la kegenLe; daselbst spielte er Schach oder schwatzte, wovon man wollte, nur nicht von seinen Schriften. — Mit herannahendem Altes wurde er immer empfindlicher. Durch allerley Neckercyen brachten es seine Feinde so weit, daß er endlich keinem Menschen mehr traute. Da sein Vermögen ganz auf dir Neige gekommen war mnd er gleichwol keine Geschenke annehmen wollte, so entschloß er sich 1777. die Hauptstadt zu verlassen und auf dem Lande sein Leben zu beschließe». Zu seinem neuen Aufenthalt wählte er das Landgut des Marquis von Girardin, zu Ermcnonville neun Stunden von Paris und sechs von Chaimlly entfernet. Daselbst wohnte er mit seiner Gattin bis an seinen Tod, in einem kleinen Haus unweit dem Schlosse. Eines von den Kindern deS Marquis hatte er aufferordentlich lieb gewonnen, Md nahm eS meistens auf seinen botanische» Spaziergänger; mit sich. Donnerstags den 2. Iul. 1778- stand er nach seiner Gewohnheit früh auf, spazierte einige Zeit herum, und kam darauf zum Frühstücken nach Hause; nachher zog er sich an; da er eben im Begriff war, aus dem Haus nach dem Schloß zu gehen, fühlte er einige Uebclkeit und Schwäche über den ganzen Körper. In heftigem Anfall von Kopfschmerzen starb er plötzlich und sank vorn Stuhl auf die Erde. Es war niemand bey ihm als seine Frau. — Auf der Pappclmsel ließ ihm der Marquis von Girardin ein Grabmal erbauen. ^ . - " MW rz? Nach seinem Tode wurde eine Ausgabe seiner samt!. He» Werke veranstaltet. Unter denselben befinden sich auch die Denkschriften oder Lonkession», die er mit gröster Aufrichtigkeit über seinen Character und über sein Leben aufgesetzt hak Kür! Bonnet. Derselbe ward im I. 1721 zu Genf gebohren. Seitdem achtzehnten Jahr seines Alters stand er mit Reaumür ik ununterbrochenem Briefwechsel; frühzeitig ward er ein Mitglied der königl. Societät zu London und des Instituts ^ iu Bononien, auch Correspondent der königl. Academie j der Wissenschaften zu Paris. Im I. 174s. erschien sei» Hite 6'lnieÄoloZie; seither von Zeit zu Zeit verschiedene physische und metaphysische Werke; durchgängig mit philosophischer Genauheit auch gramatische E nauheit, mit Hoheit der Gedanken auch Adel des Ausdr kcs verbunden ; durchgängig auch selbst bey den abstrakte,.''« Untersuchungen Hinsicht auf Erweckung warmer, religiöser Gefühle. Unter diesen Werken müssen wir vorzüglich die Schrift über die Pflanzen - Blätter, die Betrachtung der Natur, die philosophische Palmgenesie, nebst den Untersuchungen des Christenthums, und die Analyse der Seelen- fpafte erwähnen. . Bey gänzlichem Mangel historischer Änecdotcn, belügen wir uns, anstatt einer Biographie, folgenden Auslug aus einem Schreiben über Bonners Charakter zu liefern. *) S. Oiüiormsire encvrlop. «i'Vvsrilim, 1'srticle kkyiiolo- 8ie. Leuen helvetisches Lerikon, Lrt. Loirnet. — viLtiünsirtz 74;. hatte dieser würdige Vater den DerM eines Amtmanns zu Kappet erhalten. Daselbst bekam unser junge Hirzel den ersten Geschmack sowol für die Anmuth der unverdorbenen Naiur als auch für landwirtschaftliche Bemühungen*) Von dem grossen LittcratM Insvceror Simler, empfieng er Unterricht in der classisch^ Litteratur. Mit dieser verband er durch glücklichen Zufall das Studium der besten Dichter unter den Teutschen. — Nach Beendigung der Amtsverwaltung kam ^ mit seinem Vater nach der Hauptstadt Zürich zurück. , mehr steng sein bisheriges Naturstudium an, gelehrter uit philosophischer zu werden. Um so viel lieber wählte er dtU Beruf eines Arztes aus, je mehr dieser Beruf unzertrennlich mit der Untersuchung der Natur verbunden ist- ^ An Chorherr Geßner fand er einen eben so aufgeklarten als treuen Wegweiser. Bevm Unterrichte wurden ^ Schriften eines Wolf, Linne Boerhaave zum Grunde gelegt. Sehr flüssig übte er sich auf dem anatomischen Schonplatz ; im I. 1744. las er daselbst über die Sinnen. Die Neigung zu den schönen Wissenschaften füh^ ihn zu Bodmer, den er als seinen Soeraies verehrte liebte. Bey diesem socratischen Lehrer gewöhnte er sich/ das Schöne nicht änderst als in Verbindung mit dem Enten zu lieben. Von Bodmern lernte er die ersten Elemente der StaatSkunst und der vaterländischen Geschichte; der Mterrtcht war also beschaffen, daß er das Herz zur Nach- -') Man sehe die Wirthschaft eines philosophischen Bauren, i-N' wir auch die neu? und vermehrte Auflage vvm 1 .1774- 247 Hniung jener grossen Alten erwärmte, und nicht bloß die Urtheilskraft schärfte. Durch Gleichförmigkeit der Studien gelang es Hir- seln, djx hoffnungsvollsten Jünglinge in eine litterarische Konföderation zu vereinigen. Dieselbe trat in schriftliche Tierhaltungen mit ähnlichen Gesellschaften in den benach- iten Kantonen; von ferne leitete Bodmer die Arbeiten i zürcherischen Gesellschaft, Breikinger, BodmerS Gefehrte in den Bemühungen i die teutsche Litteratur, las den Jünglingen über die und Metaphisik, nach der wölfischen Lehrart; auf iche Mist lernten sie mit dem Geschmack des Schönen Geschack deö Gründlichen verbinden. Im I. 174?. gieng Hirzel nach Leyden; daselbst hör- ^rr den Albin, GaubiuS und Muschenbroek. Mit äusser Sorgfalt lernte er von Albin, dasjenige, was die ^obachmng selbst an die Hand giebt, von den abgeleiteten Folgerungen unterscheiden. GaubiuS war in der Chymie, ^ Albin in der Physiologie und Muschenbroek in der ^"turlehre. — Im 1 .1746- nahm unser Hirzel den Gra» an; er verthädigte eine von ihm selbst verfertigte Zeitschrift: Ueber den Einfluß eines heitern Gemüthes den Körper, sowol in gesunden Tagen, als auch beson- ^6 zur Zeit epidemischer Seuchen. Bey diesem Thema ^bgnd er seinen Hang für das Studium der praktischen Philosophie mit der Arzneykunst. Duch Vermittlung des sel. Pfarrer Meisten von Re- hWorf fand er in Potsdam bey Hofrath Arnds, Stadt- ^hhsikus und Arzt bey der Garnison und beym Waisen- h^le, alle Gelegenheit, seine gesammelten Kenntnisse in ^ Ausübung zu zeigen. Arnds war ein sehr glücklicher verständiger Arzt; grossentheilS folgte ex der einfa- Heilart seines Schwiegervaters, des berühmten ^hls. Als ein guter Beobachter machte er den Schüler 248 " - aus die wesentlichen Kennzeichen der Krankheiten aufmerksam , zugleich übte er ihn in seiner einfachen Hcilart. H>r- zcl lernte da, wie man aufungleichem Wege zu demselben Zweck geführt wird, und wie überhaupt die Natur in Heilung der Krankheit zum besten Leitfaden dienet. er in Boerhavcn Schule gelernt hatte, heiterte, den Begriff von jenen Stahlianischen Naturtrieben auf. An Arnds Schwager, Stahls würdigem Sohn?/ fand Hirzel einen Herzensfreund und das Vorbild eines großmüthigen Weisen. Je begüterter er war, desto nicht war er um edle Anwendung des Reichthums besorgt; in der Stille verbreitete er, gleich einer unsichtbaren Gottheit, thätiges Wohlwollen — junges Verdienst muntert? er, und tröstete Leidendes; sein Haus war ein Tempel der Fröhlichkeit; jedem Rechtschaffnen war es offen; Gelehrt? und Künstler fanden da den ächten Freund uud den aufgeklärten Kenner. Allemal sprach Hirzel mit Entzücken von jenen seligen Stunden, die er in dem Umgänge dieses Mannes genossen hatte; dem Kopf und Herzen empah- len sich hier die vorzüglichsten Kenntnisse mit den tugendhaftesten Gesinnungen unter dem bezaubernden Schlcv?r eines weisen EpicuräismuS. Aus der Reise nach Podtsdam fand Hirzel in Magdeburg seinen Sulzer'') wieder, mit dem er im I. greine helvetische Bergreise gemacht halte. Sulzer begleitete ihn zu dem Magister Lange in Laubingen. In dieser poetischen Gegend ward Hirzel wieder von seiner jugendlichen Muse begeistert. Magister Lange hatte eine Gemahlin , mit welcher er das unschuldigste Schäferleben führt?' Hier glaubte sich Hirzel in Arkadiens güldene Tage verzaubert. Mit ihm unterhielt lange hernach einen poetischen Briefwechsel und setzte ihn in die Freundschastsrech- *) Man sehe Sulzers Leben, welches Hirlel so vortteflich schriebe», hat. -— 249 ^ hes seligen Pyra, mit dem er an Herz und Genie so "ahe verwandt war. — Durch Langen war Hirzel mit Kleist in Bekanntschaft gerathen. Dieser versüßte ihm seinen Aufenthalt in Potsdam. Hier sah er, wie KleistS "stes Werk, wie sein poetischer Frühling aus der Dämmerung hcrvorgieng und auf dem teutschen Parnaffe die Morgenröthe des guten Geschmackes ankündigte. — Dieselbe Uebung, welche HirzelS medizinischen Beobachtungs- E schärfte, schärfte auch überhaupt seinen allgemeinen ^eobachtungSgeist; in Erholungostunden richtete er seine Aufmerksamkeit sehr.gerne auf die Semivtik der Seele ^nd des Genies. Mit psychologischer Vorhersehung er- Meth nnd beförderte er die Entwicklung noch schlummernde kleine , auch alsdann, wenn sie dem Besitzer noch unbe- k"nnt waren, Hirzel erschien in einem Zeitalter wo noch Mehl völlig bezwungene Barbarey die bessern Köpfe gegen ihrem bleyernen Zepter empöret — wo jeder, beym Ge- suhl eigner Stärke, mit enthusiastischer Tbeilnehmung dom ander» hülfreiche Hand beut, — wo keiner dem an- ^rn, wie etwann seither, nach Vermehrung ihrer An- ^hl und Schwächung ihres Genies, eifersüchtig und hämisch im Weg steht. — In Meistens vertraulichem Um- ^ng lernte Hirzel? was wahre Freundschaft, was ächter ^eistesadel, was practische Lebensphilosopie auf Bildung des Herzens und Glück des Lebens vermögen. Zwischen dryden war der innigste Briefwechsel bis zu Kleists Helden- eude fortgesetzt. Kleist hatte ihn mit Spalding und Gleim dokannt gemacht. Jener verstand die Kunst, die Grundsätze und die Methode eines Gegners des Christenthums, Mnes Shafterbury, so anzuwenden, daß dadurch das ^hristenthum desto ehrwürdiger erscheint. Dieser, näm- »lch Gleim, war der erste, welcher die Teutschen in griechischem Geschmack tändeln, und unterm Tändeln edles ^rofuhl m die Seele zu messen gelehrt hatte. Stahl führte Hirzeln in -en Kreis seiner Bekannten ; unter denselben befanden sich leine beeden Schäger, Buchholzen, die sich um Brandenburg so verdient gemacht hatten. In dieser Gesellschaft lernte Hirzel die bewundernswürdige Siaatömaschine kennen, die Wilhelms grosser Muth entworfen und Friedrichs Genie vervollkommnet hatte. Verschiedene, einzelne Genien wenden in besondern, engen Kreisen die mannigfachen Talente au, die sich i" einem Punkte vereinigen; eine grössere Zahl derselben vereinigt sich wieder in einem allgemeiner» Punkte, und alles faßt endlich das königliche Genie unter den Gesichtspunkt deS gemeinen Besten zusammen. Damals zeigte sich Friedrich in seinem grösten Glänze, nach Schlesiens Eroberung ; er reutete die Chikane aus, ermunterte den Feldbau, errichtete neue Manufaemren und baute SanS SouriS, um in Gesellschaften todter und lebender Weisen, in einigen Ruhestunden sich selber zu leben. In Berlin lernte Hirzel Sacken, Pötten, Eltern, Lieberkühnen, AlbinS Nebenbuhler in der feinen Zergliederung kennen: In Potsdam sah er die berühmten Wundärzte und ihre Operationen beym Leibregiment und be« dem' Regiment Prinz Heinrichs. Im I. 1747. kam Hirzel wieder in sein Vaterland zurück. Sogleich ward er der neuerrichteten, naturfor- schenden Gesellschaft in Zürich. An der Seite eines Heideggers, nachmaligen Bürgermeisters, wie auch des be- rühmten Chorherr Geßners zu arbeiten, war für ihn daS angenehmste Geschäfte. Unter solcher Aufsicht blüht« die Gesellschaft zu einem Baum auf, unter dessen wohlthätigem Einfluß der zürcherische Landbau eine weit glücklichere Gestalt annahm. Seither ward Hirzel zum Vorsteher der engern Gesellschaft oder der Landwirthschaftlicheü Comitee erwählet. 2 - I. 1748. verheyrathete er sich mit Jungfer Anna Maria Ziegler, einer Tochter des Rathsherr ZieglerS. 2 n seiner Gattinn fand er die tugendhafteste Freundin. — Von Natur der lebhaftesten Eindrücke fähig, in gleichem Grade für das Unangenehme des Lebens wie für das An. benehme empfindsam/ ein eben so feuriger Hässer des Bö, ftn als eifriger Verfechter des Guten, mußte es ihm unbeachtet seiner gefälligen Gemüthsart, und frölichen Laune insonderheit bey der Menge drückender Gcschäffte, an Gelegenheit zum Verdruß und zum Kummer nicht immer schle.i. Den wohlthätigen Einflüssen der Philosophie und kirrer geläuterten Religion hatte er den Sieg über seine Leidenschaften zu danken; wie leicht mußte ihm nicht dieser Sieg werden, da nicht diese Religion und Philosophie unter dem Reihe der ehlichen Liebe, unter der Mine einer zärtlichen und sorgsamen Gattinn, jedes kleine Gewitter verwehte! Auch erkennt er den Werth eines solchen weiblichen Genius, und nach )4 Jahren ist ihm seine Gattin nach nach eben so theuer wie an dem ersten, hoch. zeitlichen Tage. Ihm gebar sie dreyzehen Kinder; davon ünd noch sechse am Leben,- und von einer Tochter die im Wochenbett starb, ein hoffnungvoües Kind. Immer mit den besten und weissesten Menschen umgeben, mußte er nothwendig auch selber weise und tugendhaft werden. Zwar hatte er einen starken Hang zur Trägheit und Gemächlichkeit zu bekämpfen; hiezn kam noch ein schwaches Gesicht, das ihm das Lesen und Schreiben bey Tage mühsam, und des Nachts beynahe gänzlich unmöglich machte. Diese natürlichen Hindernisse zu geschäffti- sem Leben überwand daS allgemeine Wohlwollen und jene warme Menschen- und Bürgerliebe, die alle seine Hand. lungen beseelten Wenn wir ihn in seiner ausgebreiteten Thätigkeit, als Mensch, als Hausvater, als Arzt, als Mitglied der Regierung u. s. w. betrachten, so begreifen 2s2 Wir nicht, wie es ihm möglich gewesen, in seinen seltener» Erholunsstunden grössere Werke hervorzubringen als mancher, dessen Beruf und Hauptgeschäffr die Litteratur ist- Für keine Wissenschaft hatte er ausschließende Neigung; alles Mißbare reizte ihn gleich stark; für jeden grossen Mann in jedem Fache war seine Seele mit Hochachtung erfüllet. Wenn er Schriftsteller worden, so geschah es allemal bey besonderer Gelegenheit und zu besonderer Absicht ; nicht bloß als CabinetS- oder Catheder - Gelehrter, vielmehr als Mensch und als Bürger war es, daß er die Feder zum Schreiben ergriff, und so ward er Autor, wie es die römischen und griechischen Klassiker geworden ^ eben deßwegen finden wir in sein n Schriften das Gepräg der Menschheit und des Patriotismus; in denselben athmet populäre, socratische Weisheit, immer genau angepaßt auf Zeit, Ort und Personen, ganz von jenen Schul-Chrier» und Gemeinplätzen schriftstellerischer Mietlinge verschieden. Dichtkunst war sein Labsal: bey außerordentlichen Empfindungen machte er seinem Herzen Luft, indem er dasselbe in Gedichte ergoß; daher kömmt es, daß sich durch daS Individuelle und Originale, durch immer neuen und eigenthümlichen Schwung unterscheiden. Voll von Ideen und Bildern, fortgerissen von dem kühnen, poetischen Strome , fehlte es dem Verfasser an Zeit und Geduld, lange an dem Rhytmus zu feilen. Nicht Kunst, nicht Autorsucht, sondern das Her; allein war es, welches sein Genie regierte. So entstanden die Empfindungen des Frühlings im l. i7;->. durch die Freude veranlasset, die ihm Kleists Gedicht verursachte — so die Empfindungen bey Betrachtung der Schöpfungswerke im 1 .1751. — so die Seligkeit ehli- cher Liebe im I. i7?t. bey der glücklichen Verbindung seines Bruders. - Andere Gedichte, sowol von lyrischer Gattung als, in dem Geist der horazischen Episteln scheint er aus einer für Las Publikum nachtheiligen Bescheidenheit m. Pulc zu vergruben. Im J.1748 . hielt er die Sommervorlesungen äs ver» keliclcsrem vis. Mit dem berühmten Sal. Geßner gerieth er nicht nur in genaue Bekanntschaft, sondern genoß auch seines täglia chen Umgangs. Dadurch bekam er Gelegenheit, GeßnerS Attisches und mahlerisches Genie gleichsam vom Keim, von der Knospe an bis zur Entwicklung zu beobachten. Das Schreiben über die Annehmlichkeit der Zerglicderungs- knnst. welches dem Kriro einverleibt ist, enthält die Geschichte der Spazirrgange mit diesem aufblühenden Genie. So unwiderstehlich indessen HirzelS Hang für die schöne Litteratur war, so machte er sich immer heilige Pflicht daraus , diesen Hang seinem jedesmaligen Amte unterzuord- Uen. Im 1.17 z 1. ward er zu einem Unter - Stadtarzt erwählet, zugleich ward er Mitglied deö Sanitätörarhes; seither führte er bey den mcdicinischen Räthen, welche bey Menschen oder Viehseuchen mitgetheilt wurden, bald alle- wal die Feder. Mehrere dieser Räthe sind durch den Druck bekannt gemacht worden. Im 1 .175 7 ward er von der Regierung zu einer Comittee gezogen, welcher wir eine bessere Einrichtung der Wundgeschau oder der oberkeitlichen Anstalten iur Besorgung armer Patienten zu danken haben. Auch ward Hirzel zu einer andern Comiuee berufen, die er selbst veranlasset hatte, um auf den Fall ansteckender Seuchen oin Lazareth in Bereitschaft zu haben. Würklich ward das Haus am Sellnau dazu eingerichtet; als es einige Jahre dernach abbrannte, ward das in Wiedieon liegende Land- Mh im Schimmel zu diesem Gebrauche gewiedmet; der dabey sich befindende Garten ward zu landwirthschastliichen Versuchen für die naturforschende Gesellschaft bestimmet. 3 m I. 17,-7. erhielt Hirzel wegen seiner gemeinnützigen Bemühungen eine Vermehrung seines Einkommens; im I. ^ 76 --ward er zum Oberstadtarzt erwählt; damit erhallt er den Vorsitz bey der Wundgeschau, auch ward ihm die Prü- -54 fung der Wundärzte und Hebammen nebst der Besorgung des Spitals aufgetragen. Um diese Zeit erhielt er von Tissot das angenehme Geschenk von seinem medicinischen üvi« au peupls. Die- ses gemeinnützige Werk übersetzte er; in einer Einleitung schildert er den Charakter des wahren und falschen Arztes durch solche Kennzeichen welche auch einem Fremdling in der Arzncykunst ohne Mühe zu geschickter Auswahl eines Arztes bestimmen. In Betreff der Hebammenordnung fand er, vorzüglich auf der Landschaft, sehr gefährliche Mißbräuche und Mangel. Daher machte er es sich zur Pflicht, wöchentlich zws Stunden unentgeltlich dem Unterricht der Hebammen z>t wiedmen. Da diese Unterweisungen schlecht besucht werden , wandte er sich an die hohe Regierung; im I. i?7^ ward also die oberkeitliche Verfügung getroffen, daß M Dorfschasten Hülföhebammen wählen und solche in ihren Kosten in der Nähe der Stadt für einen Monat unterhalten sollen, damit sie dem Unterricht desto besser abwarten können. Bey der chirurgischen Prüfung sah er oft mit Bedanken , daß, aus Mangel der nöthigen Glückögüter, die jungen Wundärzte nur den Barbicrstuben nachgehen darum trug er den geschwornen Meistern unter den Wundärzten vor, das Gesetz wegen Wanderschaft der Landschä- rcr dahin abzuändern, daß ein Aufenthalt in der Stadt ihnen für die Wanderzeit dienen sollte. Auch ward dieses genehmigt. Im I 17^4- ward einem anatomischen De- wonstrawr ein oberkeitlicheS Gehalt geordnet und eine Committee niedergesetzt zur beständigen Aufsicht über dieses Institut- Von Hirzeln ward dieses erneuerte Institut inaügurikt. Im I. - 764. hätte er angefangen, seinem Sohn in her Arzneykunst Anleitmig zu geben. Bey sonst über- 255 Lüften Geschafften bediente er sich hiezu die frühesten Morgenstunden. Schon über ein Jahr hatte er ihn zu ^n Besuchen in dem Spital mit sich genommen : ihn ex alle Symptomen der Krankheiten aufzeichnen, offline ihm die vorgeschriebenen Arzneyen, ließ ihn ih- ^ Wirkung b merken und aufzeichnen; Lieft empyrische ^nntniß der Krankheiten und ihrer Heilarr ward alö- vaun durch nachherige Kunstthrorie aufgeheitert. Bey oen Vorlesungen über die Physiologie legte er Halters — über die Pathologie und über die ubri- Theile der Arzneywiffenschast, Bocrhaaven nnd Gau- oen, —über hjx ausübende Arzncykunft Boe>haavens Aphorismen und Home's Grundsätze zum Grunde. An oieftn Vorlesungen ließ er mehrere 8t8äiolo8 Antheil neh- die ihn auch bey seinen Spitalbesuchen begleiteten, ^ffse für ihn angenehme Beschäfftigung setzte er einige vahre fort, und er hatte das Vergnügen, geschickte Aerzte unter seinen Schülern aufwachsen zu sehen. Als grosse Aufmunterung in seinen Studien erkennte Hirzel die Freundschaft des Leibarztes Zimmermann- DUr diesem wechselte er vom I. bis zum I. »77«> ^ er nach Honnover berufen worden, alle Wo'^cn regelmässig Briefe. In diese ergossen sich Kopf und Herz; oeyde theilten einander ihre Leemre, ihre Erfahrimgen *hbe innersten HerzenSgedanken mit Im I. 1761. entschloß sich die narurforschende Gesellschaft, einen Band, ihrer Abhandlungen heraus zu ge. pp"- Diesen wurde Hirzels Einweyhungsrede von dem dnstuß der natnrforschcnden Gesellschaften, besonders auch der zürcherischen Gesellschaft beygefügt. In dein pichen Bande besindt sich Hirzels Beschreibung eines bösartigen Pockenfiebers, wie auch die erste Ausgabe der Wirthschaft eines philosophischen Bauers; auf diese Aus. siabe folgten mehrere mit wichtigen Zusätzen — aucy Ue- 2f6 Versetzungen in verschiedenen Sprachen. Der vermehrten Ausgabe vom I 1774 sind einige Briefe an gelehrte Freunde angehängt. In diesen Briefen befinden sich neue Nachrichten zur Beleuchtung des moralischen sowol als des wirrhschastlichen CharacterS seines philosophischen Landmanns; so denn die Geschichte von den Bcmühum gen der ökonomischen Gesellschaft zur Aufnahm der zür- chcrischen Landwirthschaft. An Aufnahm derselben halle unser Hirzel nicht geringen Antheil, da er von Ansang an zum Präsidenten bey den Unterredungen mit den La«d- leuren verordnet und im 1 .1770. zum Vorsteher der ökonomischen Commission ernannt worden. Auch hat man ihm die Dorftabellen zu danken, die zur Kenntniß der verschiedenen Zweige der Landwirthschssft veranstaltet worden. Seine landwirrhschastlichen Bemühungen bracht ihm auch die Ehre zuwegen, daß er im I 176;. von der öcouomischett Gesellschaft in Bern, und im I. 1766. voll kötiigl. Societät zu Metz den auswärtigen Mitgliederll beygezählt worden, Im Maymonath 1762 wohnte er in Schinznach einer freundschaftlichen Versammlung bey. Hieben gab er Anlaß zur Stiftung der helvetischen Gesellschaft; a»eh ward er zum ersten Vorsteher erwählet. Ein Jahr hernach erhielt er von dieser Gesellschaft den Auftrag, dein Doctor Zellwegcr in Trogen für eine von ihm eingesandt Abhandlung zu danken. In gleicher Zeit aber starb dieser würdige Patriot und sreydenkende Philosoph; Hirftls Zuschrift an ihn ward also in ein Denkmahl dieses Mannes verwandelt- Dieses und andere Denkmale, die man den verstorbenen Mitgliedern der helvetischen Gesellschaft errichtete, erweckten bey dem erlauchten Bürgermeister Oll den patriotischen Wunsch, daß man auch verdienten Eidgenossen ausser dem Kreise dieser Gesellschaft solche Denkmale 2<7 rrx ^ ^^kvichren möchte. Hirzcl wählte sich Hans Blaa« . von Wartcnsee; diesen erhabenen Staatsmann ^ ^vn Jugend auf Persönlich beobachtet; er freute ^vlasi zu haben, seinen jungen Mitbürgern in der ^Eichte eines Mannes, dem jeder mußte Gerechtigkeit wderfghren lasse»/ das Bild eines ächte»/ zürcherischen atrwten zu zeigen/ und zwar zu einer Zeit/ da eine po-- ^!che Schwärmcrey schädliche Folgen für daö Vaterland drehten ließ. .. 3 m 3 - 176z. ward Hirzcl in den grossen Rath er- ahlet; mit dieser Ehre übernahm er neue Pflichten; um ^selben treu und geschickt zu erfüllen, durchlief er in den M übrigen Stunden die vaterländischen Geschichte und .. ^tze; auch hatte er daS Glück, bey verschiedenen An- assen das Zutrauen seiner Mitbürger zu gewinnen. Er ^vd zu vielen so beständigen als zufälligen Kommisionen ^'ordnet — In gleichem Jahr ward er zum Beysitzer "'Synode erwählet; dieses gab ihm Gelegenheit, unter ev Geistlichkeit eine Menge gelehrter und würdiger Marr- " kennen zu lernen; zugleich ward er dardurch veran- ' vßt, des Inspeetor SimlerS, seines ehmaligen, innigst Mühten LebrerS, aeadem sehe Rede, von der brüderlichen ^!cbc unter den Gliedern der Kirche in dem Anfang des XVI. ^hr'yundms, zu übersetzen; dieser Rede ist Conrad Geß« Ms letzter Wille beygesetzt worden. Kaum war Hirzcl in den grossen Nach erwählt worden, man ihn dem neueingcrichceten Tribunal bengesellte, welchem die Aufsicht über die aüsscrn Sitten anvertraut ist; ^uch bediente sich seiner die Regierung bey Errichtung eines ^vlizeygesetzes für das Landvolk. — Daö folgende Jahr ward er in die Commission verordnet, welche die Erbauung tzes Waisenhauses und die Einrichtung deö Zuchthauses besorgte Ebenfalls wa d er ein Mitglied der Cem- wisjionen zu besserer Einrichtung der Aemter. Rech- R 2 ) 8 nungen, zur Untersuchung der oberkeitlichrn Zehntenrechce, zur Verbesserung der Waldungen, zur Verbesserung der Schulen u. s. w. Dre Stiftung der Kunstschule g^ ihm Gelegenheit zur Verfertigung einer katechetiM" Anleitung der gesellschaftlichen Pflichten, welche in tcc Kunstschule zum Grunde der Unterweisung gelegt wird; auch ward er den hohen Kuratoren dieses gemeinnützigen Instituts beygeordnet; so Ermüdet als er vormals an dem Entwurf desselben gearbeitet hatte, eben so sehr war er seither um seine Erhaltung und Aufnahme bemühet. Unter vielerlei) Geschäften schrieb er in einigen b' holungsstunden den philosophischen Kaufmann, Fragment eines grossem Werkes, welches er nicht fortgesetzt hat. Besonders wichtig sind seine beyden neuesten Werke» das eine Sulzecs, — das andere .Heideggers Leben. ZN Verfertigung dieser unsterblichen Denkmale war er uw so viel fähiger, da er mit dieseu beyden Männern seht vertraulich gewesen. Für das vorzüglichste Glück schätzte er seine zahlreiche Bekanntschaft mit grossen und edel» denkenden Menschen. Mit bescheidenem Selbstgefühl sagte er oftmals, daß, wenn er etwas Gules vollbracht habe, solches als Zurückprellung der Einsichten und Handlungen, die ihn in seinen Freunden gerührt hatten, anzusehen seyn müsse. Im I. 1778. ward er durch freye Wahl in den tag» liehen Rath ausgenommen; bald darauf ward er dem Kirchenrath oder dem LolleZio klxsmmrworum beygescllet» Durch den Bcysitz in diesem Collegium erhielt er die beste Gelegenheit, nach Herzenswunsch für Ausbreitung geläuterter Religion und für den öffentlichen Unterricht in der Stadt und auf dem Lande, in höher» und niedern Schulen, zu sorgen. — Im I. 1780. ward er zum Mitgliede der neucrrichteten, vbcrkeitlichen Commiree zur Beförderung des Landbaus erwählet. Ausser vielen .-- 259 ^dern wandelbaren Commißionen, wohnte er auch den viel- ^hrigcn Verathschlagungen über die Erneuerung des sranzö, Äschen Bundes und über die gcnftrischen Streitigkeiten bey; auch jctzs noch bey der neuen Ordnung der Dinge ist er ^geachtet seines hohen Alters als Präsident der Sanitäts- ^»'.n!ißion,der physicalischchkonomischen Gesellschaft und der Wundgeschau, rastlos für das Wohl seiner Mitbürger bemüht. Johann Caspar Lavater- Derselbe ward zu Zürich den Nov. 1741. gcbohren. der Kindheit war er ein gutherziger, aber furchtfa« und wainerlicher Knabe^ Anstatt zu Studiren, belästigte er sich mit Spielwerk, besonders mit allerley ^achsbildnerey, auch mit Glasschleifcn und verschiedenen ^«chemischen und physischen Jugendspiclcn. In den hö- vttn Schul-Classen ward sein Elfer für die Wissenschaf- ^ theils durch Anleitung eines Bvdmers und Breitin- theils durch Wetteifer edler Mitschüler beseelet, '"'»mehr xx an, sich freyen, kühnen Selbst- enker zu zeigen; vor keinem der verwegensten Gedanken ^lchrack er, und aus der augenscheinlichsten Gefahr, selbst in den Abgrund mcthavhyfischer Nachforschung iu verlieren, zogen ihn allemal Wahrhcitssinn und mo- ^lischx Gefühle zurück. Mit Spcculation nämlich verend er das thätigste Leben. Wie feurig in frühester Ju- stju patriotischer Enthusiasmus gewesen, hievon können mehrere Beyspiele angeführt werden. Eine Art poe- tiicher Schwärmerei) berauschte damals die Jugend; kam noch ticferfchütternder Eindruck rvusseauifchcr Schriften, nebst genauerm Umgang mit den frcydcnken» Römern und Griechen. Bey schwächer» Köpfen, tur welche der olympische Nccrar zu stark war, sah man ^ Fieber pollkischcn Emhnsiasmus eukstchen; da war Nr Lö'K >.->»». >.-» -- bald kci» Zunftmeister vor dem Scherbengerichte der un- bärtigen Kantons gestchert. So lächerlich indeß bev manchem der blinde Eifer geworden, so viel Gutes quoll gleichwol hie und da in der Gähnmg umer dem Schlamm? hervor. Beweis hievon die Wochenschrift des Erinnerers, an welcher vorzüglich auch Lavarer arbeitete; Wochenschrift, die mit Nachdruck thätiges Christenthum und republikanische Sitten beförderte. Schade, daß einige als persönlich ausgedeutete Satyren und andre politische Umstände die Fortsetzung verhinderten! Na^ Aufforderung der helvetischen Gesellschaft verfertigte er die Schweizerlieder» in welchen hin und wieder derselbe Heldengenius athmet, womit die Voreltern im Schlachtgewitter bey Laupen und Sempach Triumphe erfochten- Im Maymonat 1761. ließ steh Lavater zum Predig- amt weyhen. Im März 176;. machte er gelehrte Reisen mit seinen Freunden» dem scl. Felix Hcß und dein noch lebenden Heinrich Füßli, von denen ersterer durÄ die Schrift über die moralischen philosophischen Predigten,' — letztrer aber als grosser Kuusimahler berühmt ist. Unter Professor Sulzers Aufsicht gierigen sie nach Berlin. Einige Zeit blieb Lavater bey Svalding, bildete da seinen Geist und seinen Stil, und lebte selig? Tage bey dem vortrcflichen Manne. — Wie sehr er in dem freyen Geist der berliner Theologen webte, und wie er doch in seiner theologischen Denkensart von ihnen entfernt war, sieht man aus seinen Briefen an M. Bahrdt, die im I. 176;. in Brcßlau gedruckt sind. Seither besonders seit dem Verluste seines philosophischen Freundes, Felix Hessen, schien er einiger Massen die betrctne Bahn zp verlassen. Je feuriger seine Einbildungskraft war, Lest» külhner und ausgebreiteter seine Wünsche und sein? Begriffe von seinen Chrisien-und Amtspstichten, je schwächer er sich zur Ausführung fühlte, desto durstiger ward M- «ussttordentlichen, Kräften zum ächten Christusgkan- , fleug er an, besondere Geistesgaben zu fordern und i» behaupten, daß alle Menschen dem wesentlichen nach "ch gleich und alle Christen aller Zeiten, cctenr psnbus, gleichem Rechten stehen. Den Saamcn dieser Lehre man in seinen Anmerkungen zu Bonnetö Palinge» ^e, xx I, »769. übersetzt hat; eben so in den Manuscrjpteu für Freunde, in den vermischten Schrift in dm christlichen Liedern, in einem besonders ^dnickien fliegenden Blatte, in dem geheimen Tag- in den Aussichten in die Ewigkeit u. s. w. dem meisten dieser Schriften wird man ein seltenes ^"nisch gxsmidem Bcobachtungsgeist und von mysti- schcn Chimären, sehr viel brauchbare Lebens-Philosophie verstiegne» Grillen bemerken. AIs Gedicht, wozu ^ Verfasser sie bestimmt hat, scheinen die Aussichten in ^ Ewigkeit sehr kühn und erhaben; für den Philosophen ^"gegcn scheint der Blick auf den ungeheuren Schau« Platz dxx Zukunft bald zu mikroskopisch, bald sonst zu Knebelt. Um dieses Werk auch für den gemeinen Hau- bcn desto erbaulicher und brauchbarer zu machen, hat es ep Verfasser im Auszug von müßigen Hypothesen gesäu. . Je unerschöpflicher Lavaters Geisteskraft, je uner- sattlichex seine Herzens Sehnsucht seyn mag, desto wcnss ger wird xz befremden, wenn er, gleich einem Alexander "'.tcllecrucllem Verstand, nicht genug hat an der sicht- baren Schöpfung, sondern neue Welten und neue Him» zu erobern bemüht ist. Schade, wenn seine Liebe Wunderbaren ihn allzuweit aus der Sphäre der Wirklichkeit fortstößt, oder wenn er, allzu ungeduldig ^isservrdentlichr Hülfsmittel erwartet; einige seiner , unde Lengen wirklich so weit, daß sie mit theoretischen "d hcrmenevtischen Nachforschungen auch historische, 26 r - .u-Em— ja so gar würkliche Wunderversuche verbanden. * Ei" gewisses Bauersweib ** ward gegen alle seine Bitte"- Warnungen, und Abyaitungsvcrsuetie zur Seherin erhoben : seither war Lavatcr nach Pondorf zu Gaßner gerci- set: wie groß anfangs seine nah seiner Freunde Erwartung von diesem Wunderthätcr gewesen, können unter andcrm Lavaters Briefe an Semlern beweist" - und wie er jezt noch davon denke, sehen wir in der" zweyten Bande seiner vermischten Schriften, wo er s""* Gedanke» mit vieler Treuherzigkeit äusserk, daß er ehr" namilch svmmum imxerium über gewisse Uebel, die eiru- ge dem Satan, andre den Nerven zuschreiben, beymesst» Je schlechter überhaupt hie und da Lavaters Meyainisit" verdaut wurden, desto häufiger ward darüber pro u»d conuL geschrieben. So nachrhcilig zuweilen Controocrs- Schciftcn für die Rübe der Verfasser seyn mögen, ^ leicht gleich einem flüchtigen Einfall solche Schriften immer erkalten und nach kurzer Verjährung alles Interesse verlieren: so scheinen sie gleichwol in dem litterarischen Dunstkreis vielleicht eben so nöthig, als z. B- dem physischen Sturmwind oder Gewitter, wodurch Luft vor Fäulniß bewahrt wird. Scharfsinnig wurde" die lavaterischcn Meynungen von Doctor Rung in Breien und hie und da in der allgemeinen deutschen Bibliothek untersucht. In eben dieser Bibliotheck und in der leipziger Btblivthcck, wird auch seine Physiognomik umständlich beurtheilt. Dieses Werk erschien in vier Quartbänden, in aller typographischen Pracht, und mit viele" Kupferstichen. Auch ist es ins Holländische, und neuuM- gearbcilet ins Französische übersetzt. Ungeachtet der hid und da eingestreuten blos willkühclichen Muthmaßungen - * S- Pfenningers Appellation an den gesunden Menschenverstand, wie auch hm und wieder das christliche Mag«V"' ** Siehe Pfenningers Appellation. .. enthalt dieses Werk immer grossen Reichthum feiner und K'!chtt§er Dcmcrkuiigen so wol für den Menschenbcvbach» tcr überhaupt, als auch besonders für den Dichter und Künstler. Eine zierliche Ausgabe seiner Gedichte ist längst lchon erschienen. In denielbcn, wie überhaupt in seinen ^"gen geistlichen Liedern und Psalmen, dufter hin und Wieder heilige Salbung, und sein Gesang strömt zmvcl- voll?,,, cramenschen Wohlklang; freylich wie Cramcr, vltmais reicher an Ausdruck und Bildern als an Erfin- "^g. Bey allem Mißtrauen gegen die einen und andern ^ Lavaiecs Hypothesen, als z. B« von der fortdair-, wenden Wundcrkraft, von dem tausendjährigen Reich u. s. w. gleichwol niemand weder das Verdienst seiner wrsserordentkichen Thätigkeit, noch den Vorzug seiner Rossen Talenten mißkcnncn. Nachdem er einige Zeit die Scelssrge am Waiscn- ^usc treulich versehen hatte, ward er im I. 1778. zum . Won, und im I. 1786. zum Pfarrer bey St. Peter Zürich erwählt, welche Stelle er jetzt noch mit vic, em Segen bekleidet. Seine zahlreich gedruckte» Preßten sind Zengen, mit wie viel Wärme er sich die ^bniwtig seiner Kirche angelegen seyn lasse. Ungeachtet ° vieler Stunden, die er seinem geistlichen Amte wcyht, ^ lo vieler Schriften, womit er von Zeit zu Zeit das ^"blicirm beschenkt, weiß er, durch haushälterische Zeit- ^svarung, immer noch diesen und jenen Tag zum Ein« vtang oder zur Erwiederung frcundschastlicher Besuche, interessanten Reisen und zu zahlreichem Briefwechsel gewinnen. Einem Heiligthum ist sein Haus gleich, " welchem beynahe täglich Leute von jedem Stand und ^schlecht, vyx, jehcn, Rang und Alter aus den entfern-, ercn Gegenden wallfahrten. — Einiger Massen dient geheimes Tagbuch zum Commentar seines Lebens. 264 Johann Geßner. * Wahrend daß hin und wieder bald politische, bald theologische Schwärmerey gleich einer Seuche auch bessere Köpfe ergriff, nährte gleichwol das Vaterland immer noch würdige Söhne, die, weniger rauschend , aber desto sichrer und würksamer durch Sitteneinsalt, durch weiss Polizeyverbcsserungen, besonders auch durch Beförderung » des Landbaus und der Fabriken die Wolhfahrt des Staates besorgten. Auf diese Wohlfahrt scheint um ter allen Wissenschaften das Studium der Meßkunst und der Naturlchre — theils am meisten, theils am ruhigsten würken zu können. Ungemein ward dieses Studium durch Johann Geßner begünstigt. Dieser würdige N"* menserbe Conrad Geßncrs ward zu Zürich im I. gebohren. Er war noch im I. 1720 ein Schüler in gusrtu, als ihn Dr. Wegeiln zum Kraütcrsnchcn auf§ Feld mitnahm; so oft auch in dem Spitale chirurgisch Handgriffe vorgenommen wurden, wohnte der junge Geß- ner mit bey. Im I. 172; machte er die erste Vergreist« Unermüdet vermehrte er seine physischen und mathematischen Kenntnisse. Hiebey genoß er ScheuchzerS und Veralten Handleitung. Im I. 1726 unternahm er eint weittäiiftigere Vergreise. Allerorten erforschte er die ve» schiedne Druckkraft der Luft durch barometrische Versuche^ die Beschaffenheit der Mineralwasser durch Avwäguug und Vermischung chemischer Säfte — besonders auch ve» Ursprung und die Lage der Berge. Die Beobachcullge" schrieb er in ein ausführliches Tagbuch zusammenz eilst grosse Menge Mineralien, Versteinerungen, Pflanzen, 3 ^ stckten bracht er als Ausbeute zurück. * S. Birners Leben der Aerzte und Naturforscher, B. Er» I. wie Druckers Bildersaal, Lh. tX. ^l-- - - WWss> - -^^ niP»MM»M»», ''^ «W -4»- » " !-> ^.-L^»lck V-"? ^ v^7 -^7" W>:E> L. . . HS«. . . EMO.. -N- ^ »r» » „.K'M-«, 4^- .K°« Im I. 1726 gierig er nach Lcydcn. An diesem Orte genoß er ein ganzes Jahr lang Bocrhavens Unterricht und vertraulichen Umgang. Zugleich legte er den Grund lur ununterbrochenen Verbindung mit Haltern. Ausser Bocrhaven hörte Gcßncr auch Albin, Ostcrdcrdyck, Schacht undD'Gravesand; überdieß hatte er genaue Bekanntschaft wit Friedrich Gronov, der einen wcitläuftigm Garten und die vollständigste Schncckcntammlung besaß. In Lcy, den erwarb sich Geßncr nebst mannigfachen Kenntnissen grossen Reichthum an allerley Pflanze», Wasser - und Meer-Thieren. Von Leyden begab er sich mit Bserhavens Empfehlungsschreiben nach den vornehmsten holländischen Städten; sonderlich genoß er von dem damals neunzigjährigen Greis» Friederich Ruysch, zu Amsterdam viele Gewogenheit. Hierauf kam er nach Paris, woselbst er von Boer, haven an den Abt Bignon, an Julien und d'Isnarv empfohlen war. In der Wundarzncy — und in der Zergliederungskunft hatte er den le Dram — in der He- bammenkunft Gregoire zum Lehrer. Nach überstandener, gefährlicher Krankheit kam er von Paris nach Bafel. Daselbst erwartete ihn Haller» Um mit ihm die höhere Mcßkunst bey Johann Bernouüt !u lernen; auch hier fetzte er das Studium der Arzney- kunst nicht auf die Seite; überall bediente er sich der jwingerifchen und miegifchen Anweisung. Im I. 171» besorgte er des kranken Pros. Mieas Verrichtungen. Im gleichen Jahr machte er mit Haklern eine schweizerische Vergreift. Im I. 1729 difpittirte er in Bafel äe Lxbr-- lotionibus , hielt eine öffentliche Rede 6s ulu Mchelsoz ln lsseäicina und empfieng die höchste Würde in der Arzney- kunst. Hierauf gab er Vorlesungen in der Naturlehre, Meßkunst und Arzneykunst; er stellte anatomische Versuche an und bereitete allerley Vorrath. Den Sommer ver. wendete er auf die Botanik, und selbst der Besuch der Patienten auf dem Lande mußte ihm dieses Studium erleichtern. Sonderlich war er darauf bedacht, nach der Methode, wie Rajus die englischen Pflanzen angeordnet hatte, eine ähnliche Sammlung von schweizerischen Man» zen zusammen zu tragen. Gemeinschaftlich wollte er mit Haltern eine Geschichte der schweizeriieüen Pflanzen aus, arbeiten. Im I. 17;° that er eine Reise in die Glaruer» gebirge; im I. 17;! in die Appeuzeller-und Toggcubur- gergebirge; im J. 17;- in die schweizerischen und lurcr- nerischen. Pflanzen sowol als Beobachtungen und Aumer» kungcn wurden zwischen Geßner und Halter freundschaftlich getheilt; Geßner verfertigte ein Verzeichniß der Pflanzen nach feiner Lehrart, und mit den berühmtesten Krau» terkemlern unterhielt er Briefwechsel. Milt.n unter diesen Bemühungen schlug ihn Bverhave, auf Blumentrosts Anfrage, zu dem botanischen Lchrstul in Petersburg vor. Die Entlegenheit des Ortes und seine schwache Gesundheit erlaubten ihn, die Annahme des Berufs nicht. Im I. 17;; starb Doctor von Muralt in Zürich. Sein Lehramt fiel auf Dr. Joh. Jacob Scheuchzer. In gleichem Jahr noch starb auch dieser. Sein Bruder, Johann Scheuchzer, erhielt nun die Stelle; Geßner aber erhielt das mathematische Carhedcr; zugleich ward ihm die Besorgung von Schluchzers Lehramt anvertraut, so lang nämlich dieser sich noch als Landschreiber in Baden aufhalten mußte. Geßner trat sein Amt mit einer Rede an: von dem Nutzen der Mcßkunst in der christlichen Religion , in den Wissenschaften überhaupt und in den Bequemlichkeiten des Lebens. So sehr auch jedermann der allseitige, wohlthätige Einfluß der Mcßkunst einleuchten sollte, so sehr schemls zu bedauern, daß dessen ungeachtet , auch selbst nach Verbesserung der zürcherischen Schu- L§7 l«n, Studirendcn auf dem Gymnasium die Vesuchung oer mathematischen Jehrstunden nicht dringend genug ein, Zcschärft wird. Daher kommt es, daß besonders die theo« 'Mischen 8wäiosl allzu gerne dieses Studium verab. säumen. Im I. .7)8 starb auch Dr. Joh. Scheuchzer; an Dessen Statt ward Geßner zum ordentlichen Lehrer der MYsik und zugleich zum Canomcus erwählt. Auswärtige Gesellschaften aber bemühten sich um die Wette, sich ihn zu machen ; so nahmen ihn I. B. die römisch - kai» scrliche Academie, die königl. schwedische, die königl. berlinische und die florentinische zum Mitgliede an. Sein ^/eiß erweckte auch bald mehrere seiner Landleute, daß sie *we physikalische und öconomische Gesellschaft in Zürich ^richteten und Gcßnern zuin Oberhaupte erwählten. Iln, seinem Einfluß und dem Beystand der würdigsten Män» "er, eines Heideggers, Hirzcls u. a. blühte diese Gcsell- zu einem Baum auf, unter dessen wohlthätigen Zweigen der zürcherische Landbau eine weit glücklichere ^stalt annahm. Wie rührend für die Menschheit, in dieser Gesellschaft den Landmann zwischen dem erlauchten Agenten und dem tiefsinnigen Gelehrten zu sehen, wie jeder den andern aufkärt, jeder den andern in seiner Sphäre hochschätzt und liebet! Von dem Werth einer solchen Gesellschaft Mag Serione, der Verfasser der 6es dlstiong ihre eigne Belehrung zum Gegenstand hatte. D>eie „ Verbindung ward durch die Füriorge eines Mannes „ gcknüpfet, den seine Sitten eben so verchrungswürdig ,, machen als seine Gelehrsamkeit; allein durch Tugend „ ward diese Verbindung geknüpfet, und die Tugend „ wandelt ohne Geräusch oder Schimmer. " In der That sind Bescheidenheit, leutseliges Wesen, allgemeines, thätiges Wohlwollen bey unserm Geßner in eben so hohem Grade als Genie und ausgebreitete Kenntniß, Ungeachtet derselbe viele der Unsterblichkeit würdige Schriften, besonders auch sein prächtiges, botanisches Werk im Pulte verwahret, so hat er doch aus übertriebener Bescheidenheit, ausser seinen akademischen Schriften, wenig durch den Druck bekannt werden lassen. Das Verzeichniß seiner gedruckten Schriften liefern Börncr und Hambcrger. Von ihm schreibt Graf d'Albou in feinen Discours: ,, Mit den weit umfassenden Kenntnissen sind bey Gcfincrn „ die edelsten Eigenschaften des Herzens verbunden. Ihm ,, allein hat Halter beynahe seinen ganzen Ruhm in der „ Botanik zu danken. Geßner überließ lhm seine Ha»d- ,, schrifken; er bediente sich derselben; gleichwol verlangte ,, Geßner nicht, daß sein Name Hallers Name an die » Seite gefetzt werde. " Von Geßncrs Naturalienschatz findt man bey Andrea in seinen Reifen eine ausführliche Beschreibung. Er starb tm I. 1790. Seit seinem Tode haben seine beyden Neffen, Schinz und Füßli aus seinem hinterlassenen botanischen Schatze mehrere Hefte mit illuminierten Kupfern herausgegeben. ?)' ^ ^ ^ Iohann Jacob Bodmer. Johann Jacob Bodmer ward im I. 1698. gebohren Und von seinem Vater für die Kirche bestimmt. Natür. üche Schüchternheit machte ihm alle öffentlichen Hervor. Gerungen und so auch die Predigt-Kanzel frühe zuwider. Ohnehin fand sein Geist an der typischen und figürlichen Dogmatik des Cocccjus, Momma, d'Outrin so wenig Nahrung, daß er sich weit weniger mit den Schriften der damals herrschenden Modctheologen als mit den Schriften der Griechen und Römer beschäftigte. Indes, stn verbarg er seine Abneigung vor dem geistlichen Stande, aus Besorgniß von seinen Lieblingsstudien noch weiter Zerschlagen zu werden. Da die Zeit seiner Ordinativn heranrückte, konnte er seine Abneigung nicht länger verheelcn. Es begegnete, was er besorgt hatte. Im I. 1717. nöthigte ihn sein Vater nach Bergamo in Italien z» Lehen, um sich der Handclfchaft zu wiedmen. Dieser Lebensart ward Bodmer bald müde. Im I. 1719. kam ^ wieder nach Hause. Von Kindheit auf schien er für die Gelehrsamkeit, Und besonders für die Dichtkunst gebohren, ohne Zweifel daß seine einsame, ländliche Erziehung hiezu nicht wenig beytrug. In den Kinderjahren hatten Ovids Venvandlun- Leu, wie sie Wickram aus Albrechts von Halberstadt Übersetzung umgegossen, Bodmers Geist mit poetischen Bildern erfüllet. Die Ausbildung gaben seinem Herzen Und seinem Geschmack Addisons, und Steeles Spektators. Damals war die Mutter-Sprache »och wenig den Wissenschaften gewiedmet. Von jener Modelitteratur, welche Nn,re Stutzergclchrtcn mehr aus Wochen- und Monatsfristen, als aus den Quellen herholen, wußte man bey- «iahe gar nichts, und vor dem pedantischen Schulgcwäsche mußte es einem Geist wie Bodmcrs war, eckeln. Nicht durch flüchtige Pamphlets zerstreut, lebte er ganz indem elaßischcn Alterthum. Sein Hang zur Litteratur führte ihn von den gewöhn» lichcn Berufsgeschäften allzuweit ab. Der Lehrst»! der helvetischen Geschichte und der Politik war vielleicht das einzige öffentliche Geschäfte, welches zu seinem Gemüthe und zu seinen Studien paßte. In der Bedienung dieses Professorats war er immer bemüht, durch historische Beobachtungen zur Kenntniß des Menschen durchzudringcn; der Mensch war allemal sein Hanptgegenstand. Sei» Vergnügen war, denselben in den sonderbarsten und seit' samsten Gestalten zu sehn, die ihn bey entfernten Ratio» ncn und Zeiten bezeichnen. Gerne trat er aus seinem Wcltalter, aus seinem Clima heraus und schüttelte von sich ab die Meynungen, die Denkart und die Sitten der Zeitgenossen. Was für so manchen blosse Handarbeit ist, war für seinen Geist Experimental. Seelenlehre. Muth genug hatte Bodmer, unter dem Staub der Urkunde» die Ahnen und die Vorwelt wieder zu erwecken, indem er ihre Sitten und Gesetze, ihre Lebensart und ihreSpra» che in allen Nuancen studirte. Wiewvl er im I. 17;7. zu einem Mitgliede des grosse» Rathes erwählt ward, so erweckte darum dieses bey ihm keine Begierde nach obrigkeitlichen Aemtern. Nachdem er seine Kinder verloren hatte, lehnte er Beförderungen auf dem Rathhause mit eben dem Ernste ab, mit welchem sie gewöhnlich gesucht werden. Da also seine Stunde» ganz sein waren, da sein Beruf und sein Haus sehr wenig Zeit forderten, so genoß er nach eignen Begriffen des Lebens. Seine litterarischen Arbeiten waren lange nur didaktisch und kritisch. Den Geschmack hatte er nicht nur in dem Vatcrlande, sondern bis in Sachsen so un- »sss-is -r?r Mviß und so elend gefunden, daß es ihm unausstehlich war. Er schrieb vieles, und in verschicdnen Formen 5 den, Nationalwitz mehr Schönheit und Adel zu geben. Bodmer und Breitingcr waren die ersten, welche im 3 . 1721. in Tcutschland ein Wochenblatt, nach dem Muster des englischen Zuschauers Herausgaben. Zum Erstaunen ist es, wie sich seit der Ausgabe des Malers der Sitten die Sprache dieser Männer und darmit die Spräche der Nation gereinigt, bereichert, verschönert hat. Dieses Wochenblatt wurde von einer Menge andrer Schriften begleitet, welche Bodmern den Namen des Reformators teutscher Sprache, Kritik und Dichtkunst erwar. ben. Indessen veranstaltete er ebenfalls die Ausgabe von Schriften, die näher sein Amt und sein Vaterland betraten. Von ihm habui wir Mallcoli Leben, den Richtbrief der Stadt Zürich; Pcrer Kssilerä Geschichte der Hand, vcstc der Stadt Bern; Küchenmeisters Lest» monastorl! Oslli; lVl^conius Lellurn Lspsllanum, Lommentsrius ^ lumultu Lsrnenlium intestino, Raths - Erkanntllisse Zürich aus dem iztcn Jahrh, welche Stücke in der helvetische,, Bibliotheck und in den Beyträgen zu Läufers Schweizer geschichte eingerückt sind. Ohne Zweifel haben sich Bodmer und Brcitinger durch die Proben der schwäbischen Poesie des XHI. Jahrhunderts aus der manneßischen Sammlung, z. Zürich * 748 . wie auch durch die grössere Sammlung in 4. Zü- 1758. um die deutsche schöne Litteratur ungemem verdient gemacht. Von Bodmern haben wir auch noch die Uebersctzung einer Sammlung englischer Balladen, ^»gemein schienen immer sowol Sprache als Gefühl und Imagination der Minnensinger zur Einfalt des Bodmcri- fchcn Geschmackes zu passen. Auch hat uns Bodmer eine ^«tische Ausgabe von Opitzens besten Gedichten geliefert. L?L -—-l. Beynahe ein halbes Jahrhundert hatte er gelebt, und noch nichts Beträchtliches in Versen geschrieben, als was die Trauer über den Hinscheid seines Sohnes ihm eingab. Ihm waren der Reim und der Zwang des Alexandras zuwider. Erst nachdem Klopstok durch Einführung des Hexameters ein offnes Feld für die Evolutionen der Red* verbreitet hatte, schrieb er Gedichte. Das Genie bestimmt sich selber, nur die FarbenMÜ schung bekömmt es von äussern Umständen. Das Beb- spiel eines Miltons und Klopstoks, das Schicksal, web Bodmern zu dem Sohn eines Landgeistlichen gemacht hat und ihn anfangs dem gleichen Berufe bestimmte, die» ses war die Veranlassung, daß Bodmers poetisches Gen'* auf biblische Gegenstände geführt ward. Indessen auch ohne zufälligen Einfluß konnten sowol Hoheit der Gest"* nungen als Kühnheit des erfindsamen Geistes den Dichter der Noachioe bewegen, daß er die Erzväter den Achilles/ und den Aeneas vorzog. Gleichwie Homer in der vaterländischen Religion seine Gedichte geschöpft hat, so hätte er dieselben in der unsrigen geschöpft, wenn sein Dasey" in die christliche Zeitrechnung gefallen wäre. Bodmee konnte nicht einmal National-Sujets behandeln. Neue" Begebenheiten hätte immer die fcycrliche Würde des Al- Irrthums gefehlt. Was für epische Handlung, wo die Fürsten nur im Kabinette arbeiten und durch Gesandt uegoziren, wo im Felde das ganze Kriegesheer nur einer Maschine gleicht? In den Zeiten der Kreuzzüge, in de" Römerzügen finden sich noch National-Sujets. Heut Z" Tage sind uns Arminius und Ariovist so fremde als Kanadier und Orahciten. National-Epopäen also in einer schon lang kultivirten Sprache und aus einem verfeinerten, formalistischen Zeitalter sind selten Heldengedichte- sind wie Voltairens Henriade rmd LudariS Pharsale halb poe- 27Z V°etifch>-ha;b historisch- halb didaktische Werke. Von Reichem Genius eines Klopstoks und Mittous beseelt, ^agte es Bvdmer ein Hcldengevicht zu unternehmen in einer Stufe des Alters, auf weicher, >v:c man gewöhn- iiieh, vbschon nicht immer begrüntet, glaubt, das Dich- ierkeuer auszulöschen anfangt. Sein Held ist der Erz, Vater, der das erste Geschlecht der Menschen begraben ^ah und Stammvater eines neuen Geschlechtes gcworocn. Als Poetischer Kolnmb plünderte der Dichter die Nächst und Vorwclt seines Helden, Zeitalter, die noch picht waren, und trug ihre Laster und Ausschweifungen in das Zeitalter des Patriarchen hinüber. Dadurch ward, das Gedicht moralisch, politisch. Botmers Muse ward, lvas bey den Alten die epische Muse immer geweicn, Lehrerin des Volkes, der Regierung, der Religion und per Sitten. Bvdmern haben wir eine Menge andrer poetischer Werke ip danken, unter der Aufschrift C-'-iliopens gesammelt. Noch war die Noachide in ihrer ersten, rohen Ge, stall, als der Poet der Meß-ade dem Dichter einen freundschaftlichen Besuch machte. Wenige Zeit hernach "letzte ihm Wicland Klopsloks Entfernung. In dem gleichen Zimmer begegneten steh beeder patriarchaliiche Musen. Bodmern gereicht es zur Ehre, daß Teutsch- lands beste Köpft seinen vertrauten Briefwechsel suchten. Unter so vielen Schriften, wodurch er den Abend seines Lebens aufgeklärt hat, müssen wir noch seiner p»Utifthen und religiösen Schauspiele erwähnen. — Schau- spiele, nichts weniger als für das deutsche Parterre bestimmt. — In der Form theatralisch verbundener See. pen mahlt er die wichtigsten Revolutionen, den Charakter der größten Männer, ganzer Zeitalter und Völker. Nicht selten hat 'man gegensemge Uebereinstimmung zwischen Geist und Sitten bemerkt. Die Sitten unsers 2'4 Verfassers waren eben so patriarchalisch als der Innhalt seiner Gedichte. Durch ausgcbrcitclc Keiintmß, Zcitgk- nvß jedes Jahrhunderts, Bürger jeder Weltgcgcnd, setz" er sich über hundert kleine Vorurrheile, und willkürlich^ Manieren seines bcwndcrn Zeitalters oder Vakcrlandeö hinaus: auf diese Weise erhielt seine Lebensart, und bU Art seines Umganges eine' gewisse Naivität, meistens unzerlrcnnt von dem grossen Genie. Ohne im geringste die hergebrachte Anstaudsccgcln zu bcleydigen unterredt er sich eben so offen mit den Fürsten, wie mit den Bauern- So wie er selber ganz Mensch ist, sieht er auch unter dem Staatskleid, wie unter den Lappen nichts als den Menschen. Nichts weniger als eigensinnig und cynisch ist dieses freye, kunstlose Wesen, immer nämlich durch oll» gemeines Wohlwollen veredelt. Irren wir, wenn wir sowol die Munterkeit seiner Launen, als auch die Leicli- tigkeit, womit er selbst noch im nächsten Alter den Geist jedem neuen Eindruck, jeder noch so uugews-hntcn Aussig öffnet, wenn wir diese Iugcndgabc, ausser der ungeinei- nen Reizbarkeit seiner Imagination, auch besonders seiner menschenfreundlichen Gefälligkeit zuschrieben? Indem er in dem achzigsten Jahre des Lebens jedem, der ihn besucht, dem Kinde, dem Jüngling, dem Greisen, dem Landmanne, dem Künstler, dem Gelehrten, dem Staatsmanne, dem Bürger, dem Fremden freyen Zutritt zu seiner Seele, wie zu seinem Museum gestattet, hatte er sich dardurch angewöhnt, .daß ihn alles intercßirt, so wie alles in Verbindung steht, und daß ihn gleichwol nichts auf solchen Grad intercßirt, wodurch sein Geist könnte sklavisch gemacht und sein Herz eingeschränkt werden. — So bencidenswcrth das unabhängige Le, den des Weisen seyn mag, so ist er doch auf seine Bequemlichkeit so eifersüchtig auch nicht, daß er dar, über bt„ öff.nllichcn Geschäften sich gänzlich hätte entzie« ' ' — 27 § wollen, wenn sie sich darboten. In verschiedenen Angelegenheiten hatte sich die Regierung seiner Bemühungen und Rathschläge bedient. Noch müssen wir zu Bodmcrs Ruhme erwähnen, daß ^ es gewesen, der zuerst nicht nur durch Ucbcrsetzung, sondern auch durch critische Anpreisung die Teutschen Milton bekannt gemacht, und unlängst mit emcr Versetzung des Homers und des Apollonius beschenkt bat. Hans Heinrich Füßlt. Er erblickte das Licht den Christmvnat 1745. Sei- ^er Aeltcrn einziger Sohn, zärtlich erzogen, schon als Knabe Freund seines Vaters, eben darum unabhängig seinem Thun und Lassen, mißbrauchte er diese. Fcey- h^it nicht zu den gewöhnlichen Ausschweifungen der In-. send, vielleicht weil er wenig mit seinen Altersgenossen "tugieng und keine öffentlichen Schulen besuchte, welche damals noch nrcht reformirt waren. Sein Geist erhob zu einer im Verfolg unbezähmbar» Energie. Er ge- den Unterricht verschiedener Lehrer, hauptsächlich ^cr Steinbrüchels. Dieser und Bodmers Umgang machten bey ihn, Epoche. Ueber die Gefielde der Belles Lettres, ^nehmlich der alten Litteratur, führten ihn diese Männer ^ Wahrheit. Abstrackte Wissenschaften, als solche bedachtet, und wiefern sie nicht unmittelbar brauchbar im Leben sind, waren nie seine Sache. Von allen seinen Führerm lernte er weniger Scienz als Geschmack, Eifer ^nd Enthusiasmus für alles Wisscnswürdige auch selbst dasjenige, welches er niemals treiben wollte. Noch ^ er in die letzten Jahre der Dichterzeir und machte schwerfällige Verse, nicht ohne gedankenreichen Jnuhalt S s und grosse Lebhaftigkeit des Ausdrucks. In einer Gesellschaft, weiche, so wie noch manche gute Anstalt Bosniern zum Urheber, und die vaterländische Geschick^ zum Gegenstand halte, war er intsi- pgres fscile xrincesb. Als Rentier, wiedmetc er steh, nach gewohntem Ech^ drian, bis in sein sechzehntes Jahr gar keinem ordentlichen Berufe. Im siebzehnten Jahre trat er eine italienische Reise mit der bestimmten Absicht an, seinen Geschmack für die ickwnen Künste auszubilden, welche fti» Daccr, der Verfasser des fürtresiichen, allgemeine» Küaftlcrlcxikons, und der andre FsM in ihm genäht hatten. Em Freund, welcher kurz vorher aus Weltchft»^ zurückkam, bracht' ihn in Bekanntschaft mit Winkelmaß der sich damals in Rom, nicht um Brod zu gewinne»' sondern aus Neigung und Eifer zum Lehrer auserlesen^ Jünglinge auswarf, und in einem Tag ihnen mehr äÄte Schätze der Kunst öffnete, als andere Cicerone in einer» Jahre nicht thun können. Man höre, wie er unser» Füßli;u sich einlud: „ Mein Herr, sie werben nicht begieriger seyn, r» » lernen, als ich zu lehren. Rom sey auf ihrer ganze» »Reift das Ziel, und andere Orte Nebenaussichten, d'k „ «nS oft auf dein grossen Wege verzögern. Ihre Z»" » schuft hat den ersten Schritt zu der Freundschaft gt- » legt, die sich unser Usteri verspricht, mit welcher ick » bin u. s. w. " Er cmpfieng diesen Brief zu Genf, wo er sich eilf Monate aufgehalten und zu seiner grösser» Reise vorbereitet hatte. Eben damals cntsiuhnden in diesem Frey* staate seine letzter» Unruhen. Wo man stuhnd und gie»S' wurde die grosse Sache der Freyheit in Rousseaus Ge>^ oder doch in seinem Tone verfochten. Die heißhungerigk Lcctür seiner Werke und verschiedene Reisen nach bei» Vanclüie dreier neuen Petrarcca jagten unsern Iüngü»? 277 "r enthusiastisches Feuer. Daher sein Beief an mein Vaterland, * mit antikem Jugendelfer geschrieben, ^eier Brief erwarb ihm bey der Jugend scmcs Vater, ands den Ruf einer misanrhcov'shen Eule, die man je miher je besser todt Wessen könnte; bey den Alccn da, 'Segen dxn Ehrenname» eines jungen Patrioten, welcher Mals kein Schimpfwort war. Von Genf gieng Füßli über Türin auf Rom, wo er '"bf Monate blieb. Hier knüpfte er mit Winkelmann Freundschaft, die sich nur mit dem Tode dieses ietztcrn endete. An Winkelmanns Hände sah er ^glich das alte und neue Rom, die Monumente, laiche hex Abt in seinen verschiedenen Werken erklärt, kurz, die Muster, aus denen denen derselbe feine ^-heone der Schönheit und Kunst abzog. Er begleitete w gar den Jüngling und seinen Rciftgcfehrtcn, Volk° wanii von Hamburg, nach Neapel. Dieser Reise danken das zweyte Sendschreiben über die Heren- setzen Entdeckungen, welches der Verfasser Ässern, Füßli zueignete. Eine Frucht von fernen eigenen ^wordenen Kenntnissen in der Kunst ist sein Sendschrei, "en an den Ueb ersetz er von Webbs Versuch von der Mahlerey, an der Spitze dieses Werkes. ^ wenig Bogen giebt er Anweisung, nicht alles, aber ^as schenSwürdigste in Rom, mit Verstand »nd Empfin, ^U"g zu betrachten. Schon in diesem seinem ersten, eigentlich schriftstellerischen Produkte findt man gründ- üche Urthe lskraft mit begeisterndem Ausdrucke ver, bunden. Nach seiner Heimkunft genoß er sofort den allgemei« Ruf eines jungen Mannes, der wenige feines gleichen harte. Seine unerhörte Freymüchigkcit im Reden und 278 Schreiben beleidigte anfangs nicht; augenscheinlich sie aus gurcm Herzen, auch stand sie im täglichen Uur- gange nuc der liebenswürdigsten Gefälligkeit in dem vor- theilhaftesten Contraste. Seine Rede von den ten eines Bürgers, bey Erneuerung seines Zunst- rechtes im I 176;. erregte durch die ganze Stadt dir größte Aunricikfamkeit. Wenn wir ein paar überspannte Ausdrücke, theils für den damaligen Zeitgrnius, theils fue ven ju^eublicheil Enthusiasmus abrechnen, so war es unstreitig das beste, pet.lüche Rcouerstück, welches seit vielen Jahren gehört wo.eci.. Unser junge Mann ver- spraa- NMM.I vrci, aber nicht mehr, als er zu leistet* bereit war. Theils um sich vor den gewöhnlichen Verirrunges einer leoha,tc» Empfindsamkeit und Imagination zu verwahren, theils weil er das häusliche Leben für eines Wirkungskrms ansah, dem sich ohne dringende Ursache kein guter Bürger entzieh» soll, vermählte er sich bald? ungefähr m stimm neunzehnten Jahre, mit einer per« dicnstvollen Tochter aus einem der ansehnlichsten Handelshäuser in seiner Vaterstadt. Die gute, aber ungewohnte physische Erziehung, welche er sogleich seinem ersten Kinde» nach Ttssols, Ballcxcrds und Rousseaus Methode gab» brachten ihn, nach seinem Ausdrucke, ,, bey den Weibers » beyderley Geschlechtes " in den Ruf, als wenn es den Kindermord in ein System bringen wollte. Anstatt der unfehlbaren Wirkung seines Beyspiels gelassen abzuwarten , predigte er es im Umgang und Drucke, hauptsächlich in dem Erinnere r. Doch bisher gicng noch alles gut: Bald aber erweckte diese Wochenschrift, voll deren zweytem Jahrgang er ein Hauptversasscr ist, vollends ein allgemeines Geschrey über ihn. Eines seines Stücke trug mit zur Unterdrückung des Werks bey; alle tragen sein Gcpräg von brittischcr, schädeltreffcnder S«- htt. Obgleich er darinn die Schranken der Wahrheit überschritt, so überschritt er doch (nach den herrschen Begriffen) *die Schranken der Mäßigung. Nicht chvann bloß lehrte er demokratische Grundsätze, er übte He aus. Gar bald erklärte man ihn zum Haupte einer ^genannten Patriotcnzunft. In seinem Enthusiasmus ^at er das eine mal einen leeren Luftstreich, andere ^alc rannte er über die Leichen gekrönter Laster und sodtlich gepeitschter Mißbrauche einem an sich untadel. Hasten Ziele zu. Bcpni Anfange seiner Laufbahn — und konnte es anders scvn't — lief er Gefahr zu stran- oheln, und er erwachte — nicht um Ausschweifungen zu Irenen, welche im Grunde wenig schaden konnten, und ^cht selten zufällig nützten; sondern vielmehr um eben so löslich über seine eignen Träumcreyen, als über den panischen Schrecken gewisser anderer Leute sich lustig zu Niachen. Während dieser Gabrung trat Füßlt in die Buch, händlergefellschast, die, nach verschiedenen Revolutionen, Unter der Raggion Orcll, Geßner, Füßii und ^omp. eine der ansehnlichsten in Deutschland geworden, welcher Geßner, der Dichter, ein Mitglied, und übrige Theilhaber Männer von Geschmack und Em, Hohlen sind. Durch die gräfliche Bekanntmachung der Schrift: für l'origi'ns clcs Principes religisux hatten Hüßli u„d seine damalige Societät sich die gerechte Un- gnade der Obrigkeit, er aber besonders den unverdienten Ruf eines Irrgläubigen zugezogen. Dadurch gab er Leuten, deren Unwillen er vorher ungestraft verachten durfte, Waffen gegen sich an die Hand. Von dieser Zeit an aber trachtete er nur desto mehr die Unbesonnenheit klnes Augenblickes durch anausgesetzte, würdige Anwendung stjncr Talente wieder gut zu machen. 28s Von ihm, als Buchhändler, nur dieses: — 2^ Vertraun auf seinen Diensteifer ivw»hl als auf ff>- nen sickern Geschmack, unerrwarfen manche Verfaß ser, die ihm ihre Werke in Verlag anboten, ihre Arbeit seiner Knuk, oder auch ohne ihr Vermuthen legst er die i.tzte Feile daran. Nicht selten berichtigte t dieses oder jenes jungen Schriftstellers schwankende griffe; aus Muleive» gegen mittelmäßige ttebecsctzer» und um 'l'nen Kränkungen zu cr,parcn, bezahlte er ihnen ^ Arbeit, während daß er sie selbst im Schweissc stillt Angesichts' umgoß. Da er einer richtigen Intcrpunkla- klon besonders Meister ist, und mit zu denjenigen ist* hört, welche in Zürich das beste Deutsch schreiben, ^ besorgte er, einzig aus gewiffenhattcr Achtung gcg^ das Publikum, die Correklur wichtiger Schriften, Theil noch bis auf diesen Lag, insgemein selbst. seine stillen Verdienste um die litterarische Republik wird man wahrscheinlich niemals nach ihren wahren Umstä^ den erfahren, da er er sie selbst mit Sorgfalt zu verbergen sucht. Ungeachtet er sich täglich in verschiedenes Aufsätzen übt, die bisher theils für das Pull, theils für den Kräis seiner Freunde bestimmt waren, eilet er gest nicht damit öffentlich anfzutrclten. Seit dem Sendschreiben über Rom, erschien er zuerst wicber Autor im May 1770, da nämlich der Brief eineö zürchcrschen Frauenzimmers an ehre Freundin, nebst den Beylagen mehrere Wochen lang das müßige Publikum beschäftigte. Etliche wohlmeynenv^ Zeloten hielten einen ungewöhnlichen Kopfputz für die Summe alles ungöttliclien Wesens, die entgegengesetzt Partey der Leichtsinnigen aber trotzte allem Anstund« Beyde Theile brachte Füßli durch das Sendschreiben C. L. Thuriccnsis plötzlich zum Schweige"« Die erhitzten Partheyen mußten gcftehn, daß Thuricenßs ^ —- «r» dem Punkte, worüber er sie zu vereinigen suchte, Unwiederleglich sey. Man bewunderte die Fruchtbarkeit der wichtigen Wahrheiten, welche in diesen weniges Bogen nachlässig hingestrcut lagen, und unter dem Vehi. Eel klarer und hinreiffender Diktion aus dem Herzen des überzeugten Verfassers in das Herz des Lesers übergiengen. Mittlerwile hatten eigener Hang und Bvdmers Aufmunterung das Studium unserer einheimischen Rechts Und Geschichte zu seinem liebsten, oder vielmehr beynahe Einzigen Geschäfte gemacht. Wie weit er es darin is sehr kurzer Zeit gebracht habe, beweisen seine zwölf Vor. lesungen: ueber die Quellen und den Lauf der rydgenößischen Kriege mit Herzog Carl von Burgund, und die nächsten Folgen dieser. Troffen Fehde bis nach dem Schwabenkrieg. Diese Vorlesungen hielt er in den Sommerferien deS 3 - 177;. und zwar unter dem von Woche zu Woche an- Machftndm Zulauf einer solchen Menge von Zuhörern "us allen Standen, daß der Hörfal der französischen Kirche sie kaum fassen mochte. Ein Hauptabschnitt dieser Vorlesungen war daß nachwärts im I. 178». im Druck erschienene Leben Johann Wald manns, Ritters, Bürgermeisters der Stadt Zürich. Ein Ver, such, die Sitten der Alten aus den Quelles iu erforschen. Einen Theil des Uebrigen findt mau ierstrem in seinem Schweizermuse um und in des helvetischen Almanachs. Mitten im Lauf der Erzählung läßt der Verfasser von Zeit zu Zeit die Urkunden in ihrer eigenen Sprache gleichsam mitreden. Wir lassen es ununtersucht, ob dieses mit dem Ideal des ächten, historischen Styls verträglich sey? Immer aber zeichnet sich Füßli theils durch die deutlichste AuS, einandersetzung der Thatsachen, theils durch die anschaulichste Darstellung unter den besten, deutschen Beschicht-- s8r -- ^ schreibern aus; an gewissenhafter Unvartheylichkeit hat ihn noch schwerlich einer der einheimischen erreicht. Nachdem im Sommer r7?;. Bodmer, eigentlich b^- sem seinem Zögling zulieb, die Stelle eines öffentlichen Lehrers der vaterländischen Geschichte und Politik, nach fünfzigjähriger Bekleidung derselben, niedergelegt halte, trug sie der tägliche Rath unserm Füßii mit so viel als einhelligem Mehr auf. Seine Emtrittsrcde in reick- Hallig an den kühnsten Wahrheiten, voll Wärme, Naäl- druck und Würde. Man findt sie an der Spitze >cmes Schärfgens auf den Altar des Vaterlands gelegt, welches im I. 1778.herauskam. Diese Schr^ enthält Bruchstücke seiner politischen Vorlesungen: 2 ^ ques und Life, ein kleiner Volksroman, und das: Etwas für die gute Sache des Ehestands- Zu diesen Vorlesungen gehört auch: die Berathschl^ zung beym Heyrathen, und die kluge Auswahl eines Ehegatten, die er seither in ftl" schweizersches Museum einrücken lassen. Es ist zu wünschen, daß diese letztere Schrift besonders möchte abgedruckt werden; sie ist fruchtbar an den lebhaftesten derungen ganzer Familienscenen so wol als einzelner, bald zum Küssen, bald zum Anspcyn getroffener Charaktere, die oft mit einem einzigen Wort oder Bcyworft vollständig dargestellt sind, dort in Greüze, hier is Hogarlhs, oder vielmehr in ganz neuer Manier. Unter anderm ist es dieser Manier eigen, daß der Verfasser jeden Augenblick, und wo man am wenigsten Arges besorgen sollte, betäubende Ge-sselhiebe, Rechts und Links, auf Feinde und Freunde thut, aber, ehe man stchs versieht, wieder in bestem Vernehmen »»t dem Gezüchtigten fortgeht. Bey solcher Gelegenheit kommen dann freylich häufige, ausser der Schweitz vielleicht unverständliche Provmzialausdrücke so wol als Anspielun- 3en auf Nationalgcbräuche und Sitten vor; auch stößt Man hie und da auf einen derben Ausdruck, der mit dem feinen Ton des Ucbrigen und mit einer ausgefeilten Zündung jeder Periode in dem merkwürdigsten Contrastc Hebt, und der ohne Zweifel für den verzärtelten Geschmack des Zeitalters auffallend seyn muß. Vielleicht unter anderm daher kam es, baß man man einige Stellen m dem oben erwähnten Schärfgen fs seltsam «ruß» verstand. Eine derselben betrift unsere Geistlichkeit. Zum öftern hatte mir seither Füßli bezeugt» er habe sie Mit der mitleidsvollsten Rührung niedergeschrieben: nichlS desto weniger mißdeuteten sie einige Leser für die bitterste ^lushöhnuug des verchrungswürdigcn Standes. Ein Mitglied desselben, Herr Pfarrer Stolz, rügte diese stelle in einem so heftigen Pamphlet, da», der damalige Präsident der Bücher-Censur den Druck erst erlaubte, Uachdcm die Handschrift unserm Füßli mitgetheilt ward, der alsdenn dringend selbst um das Imprimatur ersuchte: "damit (so lauteten seine eigenen Worte, ) „ ja der " unbillige Vorwurf von Diktatur in geistlichen Dingen (die das Pamphlet dem Verfasser des Schärfqens vor» warf, ) „ nur mich geringes Lavlein allein treffen möge, " der dazu allerdings keine Befugsame weder haben noch wünschen kann. „ Uebrigens aber vermuthete Füßli wol nicht ohne Grund, daß nicht so fast die gerügten, als vielmehr andere Stellen so viel Aerger erzeugt hätten, einige Ausfälle nehmlich gegen gewisse, religiöse Em. Vfindeleyen und Schwärmereycn in unserer Mitte. Weiter verlor er, so gar unter seinen Vertrautesten, über diesen Vorfall kaum eine Sylbe, so wie er überhaupt an keinerlei) theologischen oder litterarischen Fehden in seiner Vatterstadt nie den geringsten Antheil nahm; wohl aber sich zum öftern erklärte, baß er die Gegenstände der erstcrn als unnützes Hirngcspinnst verachte. r«4 b ' -t ^ Immer nur auf das Bsäuchbare im menschliche" und bürgerlichen Leben zielten seine Bemühungen. Ei^ bey uns gewöhnliche Vorbereitung zu öffentlichen Gr- schälten, ist der Beysttz bey dem Schuldengerichte. Ee wohnte also diesem Tribunal Ao. 1771 u. s. f. auch bey- Vornemlich aber gicngen seine Privatstudicn nnermüdck auf nähere und ausgebreitetcre Kenntniß unsers besonder" und gemeinschaftlichen Vaterlands. Ungeachtet er 0 " wie er sich selbst in der oben angeführten Antrittsrede ausdrückt,) niemals irgend einem öffentlichen Beruft auch nur nicht mit unruhigen Wünschen auf die gieng, so suchte ihn jetzt ein allgemeines Zutraun bald überall selbst auf. Im Ienner 1777 ernennten ihn bit Vorsteher seiner Zunft einhellig zum Mitglicde des groü se» Raths lre Zwcyhundert. In der ersten, große" RathSversammlung , welcher er bcywohnetc, sollte ebe" über das französische Bundesgeschäft entschieden werden- Er gab gegen diese Verbindung sein ganz eigenes Vol"^ mit kühner Beredsamkeit. Seine bis in die kleinste" Zweige sich erstreckende, historische und politische Kci»'^ niß dieses Staatsgeschäftes kannte man schon aus einer darüber verfaßten Denkschrift. Am Ende des ganzen Handels half er mit etlichen andern zur Widerberstellung deS erschütterten Gleichgewichts. Bey dem aus eben dieser Unterhandlung entsprungenem Versuche einiger K«"' tone zur Entwerftinq einer neuen Rechtsform bey eydg^ nützlichen Staatsvrozessen trug er nicht wenig zu bell* standhaften Entschlüsse bey, bey dem alten bundcsmäßige" Herkommen zu bleiben. Lebhaft erkannte er in demiel- den die Weisheit der Vorwelt. Seine nüchternen Gr""^' sätze hierüber liegen in seiner Anrede an die hcl örtliche Gesellschaft inOlten vvm I. >782. Anrede kann man als das politische Testament eines Schweizers von altem Schrot und Korn ansetzn, und er Mst steht sie allen seinen Schriften weit vor. In dem Genferge schüft hielt er laut und bis anS Ende die Parthey der untenliegenden Demokraten, und rinen gemäßigten Sieg derselben hätte er, ss zu reden, Mit Gut und Blut erkauft. Von dieser Zeit an zog man ihn bald in allen innern und äussern Staatsangelegenheiten zu den engern Vorbe- tathschlagungen des geheimen und des Kricgesraths, und in andern außerordentlichen Komitteen. Bey mehrcrn heilsamen Anordnungen gab er, ohne daß jedesmal mehr als die nöthigen Personen darum wußten, den ersten, nachdrücklichen Stoß, und die bestimmte, logische Abfassung verschiedener öffentlicher SkaaLsschriftcn kömmt von ihm her. Gewisser anderer Auftritte, die er veranlasete, Mollen wir hier nicht erwähnen, da er selbst nach jedem derley mehr und minder Aufsehn machenden Schritte sich vvrbedächtlich wieder für eine Weile in bescheidenes Dun» ^l zurückzuzieim gewohnt scheint. Bey den neuerlichen Unruhen der Municipalstadt Stein war er eines der vier Mitglieder der dahin dreymal abgesandten landesherrlichen Commißion. Ao. 1778 war er Mitglied der sogenannten Resorma- Uvnskanimcr; von eben diesem Jahr an Assessor Synodt, Und Curaror der hiesigen Kunstschule. Av. 1778 und 79 Beysitzer am Ehcgcrichl. Von letztgenanntem Jahr an Examinator der Kirchen und Schulen, und sett Ao. * 78 ; Pfleger der Stift zum grossen Münster. Unter den politischen Grundsätzen, die man von ihm öey allen schicklichen Gelegenheiten vorncmlich zu hören gelohnt ist, zeichnen sich folgende ans: Daß alles Alte in Verfassungen, Anstalten, Gesetzen Und Uebungen in lv fern ein günstiges Vorurtheil für §H haben müsse, baß man es niemals zu verändern L8S — suche, bis man nach genauer Prüfung sicher ist, daß dir Ursachen nicht mehr vorhanden find, denen es seinen ltt» sprung zu danken bat. Daß man die Localrcchte grösserer und kleinerer Kow» ttmncn, um des sogenannten allgemeine« Besten und der beliebten Einförmigkeit willen, nicht willkührlttH einträchtigen dürfe. Daß man keine Gesetze mache, wo die herrsche»^ Denkart den vorhabenden Endzweck auch ohne Gesetzt i» erreichen noch mächtig genug ist. Daß die strenge Gerechtigkeit niemals, die so genau»' 1e Billigkeit hingegen zum öftersten klares Unrecht thut. Daß politische Freyheit noch mehr werth sey, als dit bürgerliche» weil die erstere diese allein hinlänglich »<*" bürgen kann. Daß man der gemeinen Ehre auch des geringsten Bürgers und Lcmdmanns aufs zärtlichste schonen müsse- Daß ächter militärischer Geist den Geist der Freyheit vielmehr ausrecht erhalte, als mit demselben unverträge lich sey. Daß Aufwands« und andere Sittengefttze darum nicht unnütz seyn, weil sie niemals ihren ganzen Endzweck er« reichen können. Daß in Absicht auf Staatswirthfchaft einer kleine» Republik, ein ersparter Schilling ein gewonnener Schild sey. Daß Staatsluxus in einem Freystaate nicht zur Staats' ehre gehöre. Mitten unter seinen, bald täglich zunehmenden, theils öffentlichen, theils häuslichen Geschäften, (da er Vattk von zehn lebenden Kindern ist, welche im Sommer >7^ ihre würdige Mutter an der Geburt^ des dreyzehntcn ei»' gebüßt haben, mitten unter mancherley Zerstreuungen' welche ihm nicht bloß zur Erholung, sondern auch iUk ^gebreitete'n Einwirkung dienen, im Umgänge mit cklwn Menschen von jedem Alter und Stande, bey häufen Besuchen von Fremden, bey wiederholten, kleinen weisen, meist in die schiveizerschcn Berg - und Hirtenlän, der, —. er nichts desto weniger den Wissenschaften, sachlich immer vorzüglich den vaterländischen, noch beständig m.t dem Eifer eines lerncnsbegierigcn Jünglings ob. Eeil dem Iunius 178; besorgt er die Herausgabe der Dioualschrift des Schweizerschcn Museums» in welcher "chst den schon oben erwähnten, noch verschiedene von seiner Hand und mehr andere von ihm verbessert sind; Und eben so seit dem I. 1782. eine allgemeine Blutenlese der Deutschen, wovon bisher fünf Theile ^schienen. Der gemeinnützige Zweck dieser beyden letztgenannten, litcrarischen Unternehmungen ist aus den Vorreden zu denselben sichtbar. Aus denen zu den ver. schiedmen Abschnitten der poetischen Blumenlese sieht "wir nebenbei), mit wie viel nüchterner Einsicht er sein von altem Ansetzn unabhängiges Urtheil anch über solche litterarische Gegenstände zu geben weiß, welche mit den gewohnten Gegenständen seines Nachdcnkes und Fle-sseS sonst in keinem Verhältnisse stehn. In den schweizerschen Almanachs find neben den bereits angeführten Aufsätzen ihm: Rudolf von Erlach und die Briefe des trafen von St. Alessandrino, und im Schwel- ittschcn Sammler, neben andern, das XVMte Stück von der Vcfügniß eines Republikaners Eh. *rn und Aemter auszuscblaqen, welches in Signatare abermals gleichsam ein Abdruck seiner Seele ist. Noch zum Beschlusse Erst von seinem dreyfigsten 3 ahx an, da unser F. empfand — wie sehr Abhärtung *"id Liebesübungen den Menschen in hundert Rücksichten Erst recht zum Menschen machen, fieng er noch an, sci- "kll von Natur zwar gesunden, aber nicht sehr starken krrtz ----- Körper zur Beraubung und Abhärtung jeder Art/ wie z. B. zum Flußbade, Lauffen, Bergsteigen u. s. w. w solchem Grad zu gewöhnen, daß er jetzt in seinem vier und fünfzigsten Jahre ordentlich mehr zu vertragen scheint» «ls rhmals in seinem zwanzisten. August Tissot. Docter der Medizin von der Facultät von Montpellier. Ist im Jahr 1728. zu Grenei einem schönen DM' «n Pays de Vaud, im Canton Bern geboren. Sein Da- ter war ei» Feldmesser; eine Proftßion, die in diesem Lande mehr geschäzt wird, als vielleicht in andern Länder^ Der junge Tissot wurde von seinem Vater nach Gens» das in der Nähe liegt, geschickt, um daselbst seine ersten Studien zu machen, und das ist auch alles, was wir von seinen ersten Jugendjahren wissen; nachher reißre er nach Montpellier, um die Arzneykunft zu erlernen, woselbst ^ auch nach vollbrachten Cours seiner Smdien den Gradu>n angenommen. Nachdem er in sein Vaterland zurükgt- kehrt, ließ er sich zu Lausanne nieder, um in dieser HaE stadt des Pays de Vaud (oder der Watt) ftine Kunst auszuüben. Bald wurde er nur durch Kunst und Schrift bekannt. Eines der ersten seiner Werke, welches auch den schnellsten und verdientesten Ruhm erhielt, war seine b- inncrung an das Landvolk über seine Gesundheit, im peuple üir la 8»nte) welche er zum erstenmal im Iaht 1751. herausgab. Gar bald wurde dieses Buch in all? europäischen Sprachen überstzt, und hat besonders M viel dazu beygetragen, die Aufmerksamkeit aller Freunde der SVk" ,1?W* Wr»tS-L^ «slrAM ^rt S-.H ;r. , -L^^Mr 4l ÄHMWW /> -'« Eri^^E MiH tz^E « ätz^stL ^^^ W-^'A^A -> ä-N A . '.OWk' '7X! ^S-Ai>- , ' 28- der Menschheit, aller Gelehrten, «nd selbst der Könige auf diesen gescheiten Arzt zu lenken. Er erhielt den Ruf von dem König in Polen, an seinen Hof zu kommen; aber Ttstor, von der Begierde, seinen Mitbürgern "üzlich zu seyn, hatte die Großmuth diesen Antrag, der für sein zeitliches Glück aüsserst vorthcilhaft war, von 6ch abzulehnen. Der Magistrat von Lausanne, darüber beruh«, verehrte ihm sein Bürgerrecht, um ihn desto stärker an seine Stadt zu binden. Sein Ruhm vermehrte sich nun wie die Anzahl seiner Werke; haufenweis reifern Fremde von allen Nationen nach Lausanne, um ihn über ihre Gesundheit zu consultiren. Viele vortheilbafte Amräge wurden ihm aus verschiedenen Ländern gemacht. Endlich nahm er für einige Jahre ein Professorat der Arz- "chkunst zu Pavia im Herzogthum Mayland an, welches für ihn errichtet wurde. Diese Stelle bekleidete er rühm» üch und wohl, und zog da viele geschickte junge Aerzte; dadurch vermehrte sich auch sein Ruf und sein Ruhm. 2vie ungerne man eS sahe, als er